Der Vernünftige Zeitvertreiber
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Ein Frühlingsgedanke
Dort, wo die mit Rosen begränzten Stunden, das purpurne Jahr wieder herstellen, wo der kleine attische Sänger mit reitzender Stimme wirbelt, wo die kühlen Zephyre auf alles Vergnügen aushauchen, und durch die heitere Luft, ihren gesammelten Vorraht von Gerüchen ausstreuen; — — Dort, wo die dicken Zweige der Eichen, den braunen Schatten verbreiten, wo die vermooste Buche, mit ihrer belaubten Decke die ferne Aussicht verhindert; — an dem Rande der rauschenden Qwelle, soll meine Muse in landmännischer Tracht
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sich neben mir setzen, und denken: Wie eitel sind die Bemühungen des größten Haufen, wie klein, wie niedrig die Stolzen, wie dürftig die Reichen, und Grossen! — Die mühsame Hand der Sorge sinkt, die lechzende Heerde ruhet — Doch, höre, wie durch die bevölkerte Luft ein emsiges Gemurmel thönet! Die Brut der Insekten, bemüht den füßen Frühling zu genießen, summet und schwimmt in dem mittägigen Aether. Leicht berühren sie den Schaum der Bäche, und erheben sich mit ihren bunten Flügeln, die der Sonne einen schimmernden Stral entgegen werfen — — So stellt sich dem ungeblendeten Nachdenken auch das Geschlecht der Menschen dar. Die, welche kriechen, die welche fliegen, alle werden sich da endigen, wo sie angefangen haben. Der Arbeitsame, und der Wohllüstling, beyde klettern nur, in des Glücks verschiedene Farben gekleidet, durch den kurzen Tag des Lebens. Durch die Hand des rauhen Unfalls niedergeschlagen, oder durch das Alter erstarret, endigen sie ihren Lufttanz, um in dem Staube zu ruhen.