ERNST FISCHER

*03.Juli 1899 in Komotau (Böhmen)
+31.Juli 1971 in Deutschfeistritz (Steiermark)

Ernst Fischer wurde als Sohn des k.u.k. Obersten und Lehrers für Mathematik und Darstellende Geometrie an Militärschulen Josef Fischer und seiner Frau Agnes, geb. Planner von Wildinghof, geboren und hatte drei Geschwister: Otto, Walter und Agnes. Er wuchs in Graz auf, wo er 1914 wegen „pornographischer“ Gedichte des Realgymnasiums verwiesen wurde und seine Ausbildung 1917 als Externist mit der „Kriegsmatura“ abschloss. Im Ersten Weltkrieg war Fischer an der italienischen Front eingesetzt; seine politische Karriere begann, als er 1918 in den Soldatenrat gewählt wurde. Nach Kriegsende begann er an der Universität Graz ein Studium der Philosophie, Germanistik und Geschichte und arbeitete daneben als Hilfsarbeiter. Fischer lernte Rudolf Weys kennen und veröffentlichte 1920 seinen ersten Gedichtband Vogel Sehnsucht. Im selben Jahr veröffentlichte er auch einen Aufsatz über die Grazer Künstlervereinigung „Freiland“, in der er die neue Kunstrichtung des Expressionismus überschwänglich lobte. Danach schrieb er Erzählungen und Theaterstücke, die von einem starken philosophischen Anteil gekennzeichnet sind. Später kam er mit Ernst Toller in Kontakt, mit Stefan Zweig verband ihn eine Brieffreundschaft, der auch die 1923 am Burgtheater erfolgten Uraufführung seines Stücks "Das Schwert des Attila" unterstützte. Die Freundschaft mit Zweig fand jedoch nach den Ereignissen des 15. Juli 1927 (Justizpalastbrand) und Fischers zunehmender politischer Radikalisierung ein Ende. Fischer war seit 1920 Mitglied der SDAP und zuerst in Graz Mitarbeiter der sozialdemokratischen Zeitung „Arbeiterwille“, später ab 1925 auch künstlerischer Leiter des Vereins „Arbeiterbühne“ in Graz, die u.a. sein Stück "Der ewige Rebell" zur Aufführung brachte. Ab 1927 lebte er in Wien, wo er bis 1934 als Feuilletonredakteur des Parteiblattes „Arbeiter-Zeitung“ tätig war und u.a. für die Rubrik „Zwischenrufe links“ zuständig war, in der etwa Jura Soyfer oder Fritz Brainin Beiträge veröffentlichten. In der Zeit von 1931 bis 1934 galt Fischer als Führer der parteiinternen Linksopposition („Sozialistische Jungfront“) mit großem Einfluss auf die Parteijugend, die das ständige Zurückweichen der SDAP vor der politischen Rechten ablehnte.

Nach der Niederlage der Sozialdemokratie im Februaraufstand 1934, an deren Kämpfen er persönlich nicht beteiligt war, entging Fischer einer Verhaftung nur durch ein Untertauchen bei Freunden, u.a. bei Elias Canetti. Mit Beginn der austrofaschistischen Herrschaft in Österreich floh er mit seiner Frau Ruth, die an den Schutzbundkämpfen beteiligt war, und gefälschten Pässen nach Prag, wo er im April Mitglied der österreichischen Kommunistischen Partei (KPÖ) wurde. Im Juli 1934 reiste er mit dem „Schutzbundzug“ weiter nach Moskau, wo er mit anderen prominenten Exilanten im Hotel Lux (war ein Hotel in Moskau, in dem in den frühen Jahren der Sowjetunion führende kommunistische Emigranten einquartiert wurden) lebte und sich zunehmend mit dem politischen Programm des Stalinismus identifizierte. Fischer rechtfertigte damals und auch noch später die Säuberungen als notwendigen Beitrag zur Wahrung der inneren Einheit der Sowjetunion. Er wurde ins Zentralkomitee der KPÖ aufgenommen, war ab Herbst 1935 Vertreter der KPÖ bei der Komintern (=Kommunistische Intern; internationaler Zusammenschluss Kommunistischer Parteien) und von 1938 bis 1943 Redakteur des deutschsprachigen Komintern-Organs „Die Kommunistische Internationale“. Er arbeitete zeitweise auch im Volkskommissariat des Äußeren der UdSSR als Leiter der Propagandaabteilung für Österreich sowie als Rundfunkkommentator deutschsprachiger Sendungen und wurde 1943 bis 1945 für politische Aufklärungsarbeit an österreichischen Kriegsgefangenen eingesetzt. Als sich das Kriegsende bereits abzeichnete, plante die Sowjetunion unter Rücksichtnahme auf die Westalliierten in den befreiten Ländern so genannte Nationalfront-Regierungen als Konzentrationsregierungen zu unterstützen, und nicht einfach kommunistische Regime zu installieren. Dies galt auch für Österreich, und so erklärte Ernst Fischer 1944 in Moskau, dass „die österreichischen Kommunisten bereit seien, mit Katholiken und demokratischen bürgerlich-kapitalistischen Kräften zur Errichtung eine demokratisch-patriotischen Front zusammenzuarbeiten“. Fischer kehrte im April 1945 nach Österreich zurück und stand als Mitglied des Zentralkomitees der KPÖ (bis 1969) zusammen mit Friedl Fürnberg und Johann Koplenig an der Parteispitze. Die KPÖ unterstützte 1945 auch die provisorische Staatsregierung Renner, in der Ernst Fischer das Staatsamt für Volksaufklärung, Unterricht, Erziehung und Kultusangelegenheiten innehatte (etwa mit dem heutigen Unterrichtsministerium vergleichbar). Daneben war er auch Chefredakteur der ersten Nachkriegszeitung „Neues Österreich“, einem Blatt, das gemeinsam von den drei Parteien ÖVP, SPÖ und KPÖ geleitet wurde. Spötter meinten über diese damals sehr erfolgreiche Zeitung: „eine Zeitung, in der drei Parteien lügen, sagt fast schon die Wahrheit“. In dieser Zeit versuchte die SPÖ den Intellektuellen für sich zu gewinnen, Fischer blieb jedoch Kommunist und musste sein Amt als Staatssekretär nach der ersten Nationalratswahl in Österreich 1945, bei der die KPÖ nur als marginale politische Kraft hervorging, abgeben. Fischer blieb aber auch nach 1945 gemeinsam mit Viktor Matejka wichtigster kommunistischer Intellektueller im Land. Als die kommunistische Regierungsbeteiligung scheiterte, wandte er sich abermals dem Stalinismus zu und schrieb unter anderem ein linientreues Theaterstück gegen den Titoismus (Der große Verrat). Von 1945 bis 1959 war er Abgeordneter zum Nationalrat für die KPÖ.

Ab 1948 gab Fischer zusammen mit Viktor Matejka und Bruno Frei das Österreichische Tagebuch. Wochenschrift für Kultur, Politik, Wirtschaft (später Tagebuch, ab 1969 Wiener Tagebuch) heraus. 1956 wurde er im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um den Ungarischen Volksaufstand aus dem P.E.N. Club (Schriftstellervereinigung Österreichs), dessen Vorstand er angehörte, ausgeschlossen. 1963 war er ein wichtiger undogmatischer Teilnehmer an der von Eduard Goldstücker organisierten Kafka-Konferenz zum 80. Geburtstag von Franz Kafka, in deren Folge die ästhetische Doktrin des Sozialistischen Realismus ihr Ansehen unter der marxistischen Intellektuellen immer mehr verlor. Erst 1968, nach den Ereignissen des Prager Frühlings, sagte sich Fischer öffentlich in seiner Kritik am „Panzerkommunismus“ ganz vom Totalitarismus los. Daraufhin wurde er 1969 aus der KPÖ ausgeschlossen. Mit Franz Marek gab er weiterhin die Monatszeitschrift Wiener Tagebuch heraus und spielte in der Öffentlichkeit vor allem als undogmatischer marxistischer Theoretiker eine Rolle.

Quelle

http://www.onb.ac.at/sammlungen/litarchiv/bestaende_det.php?id=fischer
Topic revision: r3 - 21 Feb 2015, FannyOrban
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