Acz\xE9l Gy\xF6rgy
Lebensweg anhand der Gespr\xE4che mit seinem Enkel und Historiker, Szőcs M\xE1t\xE9 und seinen T\xF6chtern, Anna und \xC1gnes
Geboren unter dem Namen Henrik Appel in eine j\xFCdische Arbeiterfamilie. Er war ein kommunistischer ungarischer Kulturpolitiker und kam 1925 nach dem Tod seines Vaters f\xFCr vier Jahre in ein Waisenhaus, die furchtbaren Erlebnisse haben seinen ganzen Lebensweg bestimmt, seine Einstellung zur gesellschaftlichen Gleichstellung verst\xE4rkt. Nach dem Vorschlag einer Psychologin,
Gy\xF6rgy J\xFAlia, ist er in eine zionistische Gesellschaft eingetreten und nahm in der Ha-Shomer ha-Tsa\x91ir Jugendbewegung teil: vor dem Krieg wurde diese Einstellung als eine L\xF6sung f\xFCr das Juden-Problem gehalten. Seine amateurschauspielerischen F\xE4higkeiten konnte er in der zionistischen Bewegung nutzen und in der illegalen kommunistischen Partei, als er Gefangenen zur Flucht verhalf und unechte Papiere anfertigte. Im Jahre 1936 bestand Acz\xE9l die Aufnahmepr\xFCfung an der Budapester Theaterakademie. Im 1936/37er Informationsblatt taucht das erste Mal der Name Acz\xE9l im Zusammenhang mit seiner Person auf. In einem Gespr\xE4ch mit seiner \xE4lteren Tochter wurde erkl\xE4rt, dass er seinen Namen deshalb \xE4nderte, weil es seine Familie in der Integration unterst\xFCtzte. Seine Vorstellung war, dass das einzige Mittel gegen Antisemitismus die Assimilation ist,dh. als Ungar zu leben. In der Familie wurde aber das \x84Juden-sein\x94 nie erw\xE4hnt, Acz\xE9l hat stark daran geglaubt, dass diese Tatsachen vergessen, sogar unterdr\xFCckt, werden sollen; erst nach seinem Tod haben die Familienmitglieder sich mit ihrer Herkunft besch\xE4ftigt. Von darstellenden K\xFCnstlern wurde in Budapest damals erwartet, dass sie den Gang auf die B\xFChne mit einem ungarisch-klingenden Namen antreten. Acz\xE9l wurde jedoch noch vor Beendigung des ersten Jahres aus ungekl\xE4rten Gr\xFCnden von der Theaterakademie verwiesen. Eine zeitliche Korrelation besteht mit der beginnenden Diskriminierung von Juden in der ungarischen Theaterlandschaft. Sein \xFCberdurchschnittlich hohes Bildungsniveau hat er sich autodidaktisch erarbeitet, damit er zur Gesellschaft der zahlreichen namhaften Vertreter der Budapester Kulturszene, unter anderem zu
Attila J\xF3zsef,
Antal Szerb,
Mikl\xF3s Radn\xF3ti (der 1944, als Acz\xE9l sich umtaufen lie\xDF, zu seinem Pate wurde),
Tibor D\xE9ry,
Gyula Illy\xE9s,
Hilda Gobbi und
G\xE9za Ottlik, geh\xF6ren konnte. Von seinem Freund und Dichter,
Zsigmond Ede hat er Empfehlungen bekommen, was ein gut gebildeter Mensch unbedingt lesen m\xFCsste. Er hat um sich \xFCberall die Pers\xF6nlichkeiten entdeckt, durch die er sein Wissen vertiefen konnte. Nach 1945 haben Acz\xE9l und seine Gesellen sehr daran geglaubt, dass es nie mehr bedeutsam sein wird, wer Jude ist. Sie haben an eine Welt geglaubt, in der die Herkunft irrelevant ist und jeder je nach F\xE4higkeiten und Talenten die gleichen M\xF6glichkeiten hat; in der es keine Unterschiede zwischen Armen und Reichen und ihrer Herkunft gibt. Sie haben sich vorgestellt diese ideale Welt durch die Ideen des Kommunismus durchzusetzen.
Politischer Werdegang
Er trat 1935 der KMP(Partei der ungarischen Kommunisten) bei, durch seine T\xE4tigkeit im kommunistischen Untergrund lernte er
J\xE1nos K\xE1d\xE1r kennen. Acz\xE9l wurde 1942 verhaftet und in ein Arbeitslager interniert. W\xE4hrend der deutschen Besatzung Ungarns und der Pfeilkreuzlerregierung erm\xF6glichte Acz\xE9l Hunderten von Verfolgten die Flucht oder das Untertauchen. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs schloss sich Acz\xE9l der neugegr\xFCndeten MKP (Ungarische Kommunistische Partei) in Budapest an, ab 1946 war er Parteisekr\xE4ter im komitat Zempl\xE9n und in Baranya [P\xE9cs (1948)]. Die Jahre in P\xE9cs hatte er als \x92die goldenen Jahre\x92 seines Lebens in Erinnerung. Er hat immer davon getr\xE4umt nach P\xE9cs zur\xFCckzuziehen. Diese sch\xF6ne Zeit konnte maximal zwei Jahre dauern, denn mit der kommunistischen Macht\xFCbernahme wurde Acz\xE9l in Juli 1949 aus politischen Gr\xFCnden inhaftiert- bis 1954 verbrachte er die n\xE4chsten f\xFCnf Jahre in Einzelhaft: der Vorwurf war, dass er w\xE4hrend seines s\xFCdungarischen Aufenthalts in P\xE9cs nahe der jugoslawischen Grenze mit
Tito \x92paktiert\x92 habe. W\xE4hrend der Vernehmungen hat er lange nicht gestanden, aber zum Schluss wurde ein Gest\xE4ndnis erpresst. Die wahren Gr\xFCnde koinzidierten mit der stalinistischen Diktatur von
M\xE1ty\xE1s R\xE1kosi: f\xFCr sie hat sich Acz\xE9l auff\xE4llig verhalten: er war kein Mitglied in der moskauischen Gesellschaft, hatte keine Freunde aus diesem Kreis, war selbst ein Intellektueller; seine Freundschaft mit Gy\xF6rgy J\xFAlia war h\xF6chst zweifelhaft.
1956- 1989: Mitglied des Zentralkomitees
1956, nach dem Niederschlag des Volksaufstandes trat K\xE1d\xE1r an die Spitze der neuen Arbeiterpartei MSZMP (Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei). Ab diesem Zeitpunkt stieg Acz\xE9l erneut in die Politik ein und wurde zum Chefideologen der K\xE1d\xE1r- \xC4ra, zum engsten Vertrauten von K\xE1d\xE1r und das m\xE4chtigste Mitglied der Partei. Die Bekanntschaft mit K\xE1d\xE1r bestand schon seit langem zu dieser Zeit, sie haben sich in den Kriegszeiten kennengelernt. Acz\xE9l hat sehr daran geglaubt, dass S\xFCnden von den Personen abh\xE4ngen und dass die Anwesenheit K\xE1d\xE1rs es gew\xE4hrleistet, dass der
Faschismus und die R\xE1kosi-Diktatur nie wieder in Ungarn auftritt. Als das der Enkel von Acz\xE9l in einem Gespr\xE4ch formuliert hat: \x84bar\xE1ts\xE1guk arra alapoz\xF3dott, hogy nagyap\xE1m szerint K\xE1d\xE1r zseni, \xE9s az orsz\xE1gnak addig j\xF3, am\xEDg ilyen hatalmas politikai talentum vezeti.\x94 (Varga, 2013: S. 74.) Die, unter dem R\xE1kosi-Regime, im Gef\xE4ngnis verbrachten Jahre haben Acz\xE9l und K\xE1d\xE1r verbunden. K\xE1d\xE1r sah den politischen Werdegang von Acz\xE9l als vollkommen: er hat auf keiner Seite in der \x9256er Revolution teilgenommen, hat keine T\xE4tigkeit w\xE4hrend der R\xE1kosi-Regime durchgef\xFChrt und im II. Weltkrieg hat er mit K\xE1d\xE1r in der illegalen Partei kollaboriert.
Nach der sowjetischen Besatzung Ungarns im November 1956, nahm Acz\xE9l in der Regierung der MSZMP teil. Trotz seiner abgedrosselten politischen Ansichten hat Acz\xE9l
J\xF3zsef R\xE9vais (Chefideologe bis 1959) heftig angegriffen wegen R\xE9vais orthodoxer Ansichten, wodurch seine eigene Rolle in der Partei deutlich verst\xE4rkt wurde.
In der post- 1956-\xC4ra war Acz\xE9l der einzige j\xFCdische Politiker in den h\xF6heren R\xE4ngen der Nomenklatura.
1957- 1967: Stellvertreter des Kulturministers
In der zweiten H\xE4lfte der 1960er Jahre hat er noch bedeutendere politische Rollen erhalten. 1967 wurde er zum Sekret\xE4r des Zentralkomitees und 1970 zum Mitglied des ungarischen Kultur-, Wirtschafts- und Bildungswissenschaftlichen Komitees. Inoffiziell wurde Acz\xE9l f\xFCr den zweiteinflussreichsten F\xFChrer Ungarns gehalten. W\xE4hrend der letzten Jahrzente der K\xE1d\xE1r- \xC4ra hat er die kulturelle Politik insofern geformt, dass diese Politik Staatssubvention, Toleranz und Schutz beinhaltete. Acz\xE9l geh\xF6rte zu den Erneuerern in der wirtschaftlichen Debatte, aber er trat in Opposition, um \xC4nderungen zu beeinflussen und versuchte, die ideologische Unit\xE4t aufrecht zu erhalten.
Gy\xF6rgy Acz\xE9l hat eine Einteilung der Werke und ihrer Sch\xF6pfer in die Kategorien t\xE1mogatott (unterst\xFCtzt), tűrt (geduldet) und tiltott (verboten) vorgenommen. Diese Vorgehensweise ging als die Politik der 3 T in die ungarische Zeitgeschichte ein. Linientreue Werke (Sozialistischer Realismus) wurden unterst\xFCtzt; nicht-marxistische Werke wurden geduldet, falls sie nicht offen gegen den Marxismus polemisierten; antimarxistische und regimefeindliche Werke wurden verboten, ihre Sch\xF6pfer erhielten ein Berufsverbot. Er hatte eine aktive Rolle im Unterdr\xFCcken der, sich in seiner Zeit in der Entwicklung befindlichen dissid\xE4ren-Bewegung.
1967- 1974 und 1982- 1985: Sekret\xE4r des Zentralkomitees
1970-: Mitglied des MSZMP (Ungarische Sozialistische Arbeiterpartei)
1974-1982: H\xF6hepunkt seiner politischen Karriere: Stellvertreter des Ministerpr\xE4sidenten
Acz\xE9l zog sich 1985 aus der Politik zur\xFCck, 1989 war er trotzdem entscheidend am Sturz von
K\xE1roly Gr\xF3sz, dem Nachfolger von J\xE1nos K\xE1d\xE1r beteiligt. Acz\xE9l konnte keine L\xF6sung f\xFCr die tiefe Krise der kommunistischen Regierung finden. 1985 wurde er in die Peripherie gesto\xDFen mit der Ernennung zum Direktor der Sozialwissenschaftlichen Fakult\xE4t der Ungarischen Akademie der Wissenschaften.
K\xE1d\xE1r und Acz\xE9l sind w\xE4hrend der Wende im Jahre 1989 zusammengebrochen. Acz\xE9l ist 1991 gestorben; dieser Zeitpunk steht in engem Zusammenhang mit dem Systemwechsel und mit dem Seelenzustand, mit den Fehlschl\xE4gen, die K\xE1d\xE1r und Acz\xE9l erleben mussten. Es ist ihnen 1989 klar geworden, dass alles, wof\xFCr sie gek\xE4mpft haben, entweder misslungen oder untergegangen ist. Die Krankheit, die sich in Acz\xE9l lang entwickelte, breitete sich in dieser Zeit aus. Es hat ihn besonders verbittert, als er in Israel, w\xE4hrend seiner letzten Reise, die Erfahrung gemacht hat, dass die Ideen, die er in Ungarn versuchte zu unterst\xFCtzen, in die Tat umgesetzt wurden.
Zusammenfassung seiner Person
Die \xF6ffentliche Wahrnehmung seiner Person ist bis zum heutigen Tag ambivalent. Acz\xE9l Anna bekennt: \x84nagyform\xE1tum\xFA ember volt.\x94 (Varga, 2013: S.25.) Acz\xE9l hat versucht, ein Fazit \xFCber seine T\xE4tigkeiten zu schreiben, eine Bilanz zu erstellen. 60 Seiten von seinem Manuskript befinden sich in einem Archiv. Er wollte mit diesem Buch das Unm\xF6gliche versuchen: eine objektive, sachliche, vor allem unvoreingenommene Zusammenfassung \xFCber diese \xC4ra und die Rolle K\xE1d\xE1rs zu schreiben. Laut Anna w\xE4re dieses Werk lebensnah gewesen, h\xE4tte er seine subjektiven Ansichten und Gef\xFChle im Buch einflie\xDFen lassen. Im Familienkreis wurde nie diskutiert, ob der Kommunismus seine Grundidee erf\xFCllen k\xF6nnte, ob eine auf Gleichheit basierende Gesellschaft aufgebaut werden k\xF6nnte. Am Ende seines Lebens ist Acz\xE9l selbst klar geworden, dass es nicht erreicht wurde; er hat selbst den Zusammenbruch des Systems miterlebt, an das er lang und loyal geglaubt hat.
Zum Briefwechsel von Acz\xE9l und Luk\xE1cs
Der Briefwechsel erfolgt zwischen Gy\xF6rgy Acz\xE9l und Gy\xF6rgy Luk\xE1cs in einer acht-j\xE4hrigen Periode von 1963 bis 1971. In diesem Zeitraum wurden- mit einer Ausnahme- von verschiedenen ungarischen Orten 49 Briefe nach Budapest verschickt. Bei einem Brief kann nicht festgestellt werden, wann und aus welcher Stadt in welche er geschickt wurde. Es ist auch kein Datum vorhanden. Keiner von ihren Briefen wurde publiziert.
Literaturverzeichnis
Alle Internet- Verweise zuletzt gepr\xFCft am 30.10.2014
Varga, \xC1gota: Acz\xE9l-t\xF6rt\xE9netek. Besz\xE9lget\xE9sek tiltott, tűrt \xE9s t\xE1mogatott kort\xE1rsakkal Acz\xE9l Gy\xF6rgyről \xE9s a K\xE1d\xE1r-korszakr\xF3l; Alexandra, P\xE9cs: 2013, S. 7-88.
R\xE9v\xE9sz, S\xE1ndor: Acz\xE9l \xE9s korunk; S\xEDk, Budapest: 1997, S. 11-15.
http://www.yivoencyclopedia.org/article.aspx/Aczel_Gyorgy: The Yivo Enciclopedia of Jews in Eastern Europe