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WolframSeidler - 23 Mar 2007
legyen külön fejléc?
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Über das Betragen der Bischöffe in den k. k. Staaten,
in Rücksicht der landesherrlichen Verfügungen in geistlichen Sachen;
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Wir haben, Gottlob! die Zeit erlebt, wo Freymüthigkeit nicht mehr für eine Verwegenheit angesehen wird, und wo jeder Bürger des Staats, wär' er auch der Geringsten einer, dem Höhern mit Bescheidenheit sagen darf, was er von ihm denkt, und was er von ihm zu hoffen sich berechtigt glaubt.
Wenn selbst der
Monarch Sich dieses gefallen läßt, wenn Er Sich selbst sammt Seinen Anstalten der öffentlichen Kritik unterwirft; so darf man mit Zuversicht vermuthen, daß die Bischöffe Seiner Staaten nicht minder großmüthig seyn, und eine ehr-
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furchtsvolle anständige Vorstellung, worum blos einige Bedenklichkeiten und Zweifel vorkommen, mit der Ihnen eigenen Demuth anzuhören geruhen werden, besonders, wenn die Absicht rein ist, und das, was man wünscht, Ihren Ruhm und die Ehre Ihres apostolischen Hirtenamtes zum Endzweck hat.
Ich hoffe, durch gegenwärtige Schrift vor den Augen des gesammten Publikums den Beweis abzulegen, daß ich eben diese und keine andere Absicht habe; daß ich von ganzem Herzen wünsche, jeden Bischof eben so aufrichtig schätzen zu können, als ich den Monarchen, (der bey mir und jedem Patrioten nach Gott unmittelbar den ersten Rang hat) verehrt und liebe.
Dem Schriftsteller ist eine Art von Herrschaft eigen, die sich so weit erstreckt, als seine Einsichten und Seelenkräfte reichen. Er darf vor den Richterstuhl seiner einsamen Vernunft die Gesetze, die Mißbräuche, die Gewohnheiten des Landes fodern, in welchem er unbekannt, und im Dunkeln lebt. Er darf aufsuchen, prüfen und urtheilen. Er darf Vorurtheile bekämpfen, und ihre Anhänger demüthigen. Er darf einen tugendhaften Unwillen gegen jene äußern,
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die den Geist unterdrücken, und die Menschheit ihres glorreichsten Antheils berauben wollen; dies alles darf er, wenn ein Monarch regiert, wie Joseph.
Heil Ihm! Mit dem Antritt Seiner Regierung begann eine neue Epoche; eine Epoche, die schon unsre Väter sehnlichst wünschten. Hätten Sie glauben können, daß sie so nahe wäre, sie würden zu Gott auf den Knieen gesteht haben, die Zeit ihres Daseyns in zwo Hälften zu theilen, sie damals augenblicklich ins Grab steigen zu lassen, und ihre Zeitgenossen aus dem Gesichte zu verlieren, um mitten in den heitern Tagen wieder zu erwachen, wo der Mensch von seiner Freyheit, seinen Tugenden und Geistesgaben Gebrauch machen kann.
Die Stunde ist gekommen. Die Vernunft hat das Joch, mit dem sie beladen war, ohne Mühe, ohne sonderliche Folgen, abgeschüttelt. Eine reife Frucht löset sich bey der leichtesten Erschütterung von ihrem Ast. Die Zeit, deren unsichtbare und leise Hand die stolzesten Thürme zernichtet, hat die beschämenden Denkmale der menschlichen Leichtgläubigkeit untergraben; sie stürzen ohne Getöse und unver-merkt ein. Ihre Dauer bestund in der Meinung;
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die Meinung hat sich geändert, und das Ganze dünstet in einen Rauch aus.
Dies ist das Werk der Philosophie; sie geht ohne Geräusch zu Werke, sie handelt wie die Natur, mit einer desto sicherern Stärke, je unmerklicher sie ist.
Der Zeitpunkt der Entwicklung war unsern Tagen aufbehalten. Der erste Stolz, den ich in meinem Leben empfunden habe, ist dieser: izt – unter
Josephs Zepter zu leben – ein Augenzeuge dessen zu seyn, was Er schon gethan hat, und gewiß noch thun wird.
Man gönne mir das Entzücken, kurze Betrachtungen über einige Wohlthaten anzustellen, die der Monarch, seit
Seiner Regierung, uns Allen erzeigte, denn das, was ich nachher denen Bischöffen vorzustellen mich erkühnen werde, hat genaue Beziehung darauf.
Der Herrscher hatte lange zuvor, eh' Er die Last der Monarchie auf Seine Schultern nahm, für das Wohl Seiner Völker einen tiefdurchdachten Plan entworfen. Dieser gründete sich auf Erfahrung, die
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Er in allen Gegenden Europens, in Seinen und fremden Staaten, gesammelt hatte. Sobald Er den Zepter ergrief, fieng Er an, mit einer unzuerschütternden Standhaftigkeit, mit einer Thätigkeit ohne Beyspiel, Sein System zu enthüllen, Seinen Plan auszuführen. Er that in kurzer Frist mehr, als andere Regenten kaum durch eine lange Lebenszeit thaten. Erstaunt über Seinen hohen Adlerflug ruft Deutschlands erster Barde aus: wer hat geendet, wie Du beginnest? Er will die Früchte Seiner Anstalten noch Selbst sehen, und Zeuge unseres Genusses seyn, drum geht Er Seinen Herrschergang mit Riesenschritten. Er bleibt Seinen bewährten Grundsätzen getreu, folgt Seinen geprüften Entwürfen, unbekümmert wegen jener Minister und Räche, die Seinen Geist nicht fassen, und denen es schwindelt, Ihm auf die Höhe Seines Ziels nachzuklimmen. Er kennt aber auch jene Männer, die Fähigkeit und Muth besitzen, mit Ihm zu wirken; diesen schenkt Er Sein Vertrauen, diese liebt Er.
In der Uiberzeugung, daß wir die Köpfe zum Denken, nicht aber blos deswegen haben, um nur Hüte von allen Formen darauf zu setzen, und daß
wir mit unserem Seelenvermögen nicht muffig am
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Markte stehen sollen, erweiterte Joseph die
Freyheit der Presse, und vermehrte dadurch zugleich die bürgerliche Freyheit. Man kann die erstere nicht unterdrücken, ohne zugleich die andere zu zerstören. Der Verstand muß seine volle Wirkung äußern. Ihm einen Kappzaum anzulegen, ist nichts anderes, als ihn in seinem Heiligthum ersticken wollen; dies wär' ein Verbrechen der beleidigten Menschheit. Und was soll denn des Menschen Eigenthum seyn, wenn es seine Gedanken nicht seyn sollen? Die Furcht schlagt die Seele nieder, und der Mensch, den die Menschenliebe beseelt, muß erhaben und muthig seyn. Männer, die ohnehin im Dunkeln lebten, und höchstens nur in der Stille seufzen durften, können mm, ohne alle Furcht, ihre patriotischen Gesinnungen öffentlich bekannt machen, dem Volke die Augen öfnen, Vorurtheile und Blendwerke verscheuchen, und zu nützlichen Anstalten die Gemüther vorbereiten. Ordensbänder und Ceremonienkleider schützen nicht mehr vor der Kritik; der Monarch, der Sich Selbst ihr Preis giebt, will, daß jene, die sie tragen, so handeln sollen, um die Feder des Schriftstellers nicht fürchten zu dürfen. Selbst der Mißbrauch dieser Freyheit ist nicht zu scheuen; wegen dem Unkraut darf der Waizen eben nicht vertilgt werden.
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Erfüllt und beseelt vom hohen Genius der Menschenliebe knüpfte
Joseph die Bande der Liebe und Verträglichkeit zwischen den Millionen Seiner Unterthanen fester, und bahnte den Weg zur künftigen nähern Vereinigung der irrenden Brüder, durch das weise
Gesetz einer allgemeinen Duldung. Kontroversen und alle schädliche Streitreden, die dem Karakter Christi, seinen Absichten, dem Geist der Apostel, und der apostolischen Kirche schnurgerade zuwider sind, und ehehin die Gemüther nur verbitterten, sind verbannt. Langmüthig, wie Gott im Himmel, hält der weise Landesvater alle Unterthanen für Seine Kinder, wenn sie gleich Gott auf verschiedene Weise ehren, giebt denen, die bisher nur als Fremdlinge betrachtet worden, ein wirkliches Vaterland, macht sie alle zu folgsamen, den Gesetzen willig gehorchenden Staatsbürgern, befestigt das Wohl Seiner Monarchie, und bewirkt durch Sein erhabenes Beyspiel in den Ländern protestantischer Fürsten gleiches Glück für die Glieder Seiner Kirche. Sein Name würde dadurch schon unsterblich werden, wenn Er auch dies nur allein gethan hätte. Er ward das Urbild anderer Regenten, die Ihm nachahmen; ihre Unterthanen staunen, und, vom Gefühl der Dankbarkeit durchdrungen, beten sie zu Gott mit aufge-
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habenen Händen für den Herrscher Oesterreichs, und segnen Ihn.
Vor allem liegt Ihm die Abstellung der Mißbräuche am Herzen. Er verordnete, daß Seine dem
Klosterleben gewidmeten Unterthanen durch geistliche Vorgesetzte in Seinen Staaten regiert werden sollen. Er handhabte dadurch Sein Majestätsrecht, setzte die Bischöffe in ihre von Gott erhaltene rechtmäßige Gewalt wieder ein, und verhinderte allen fernem Unfug, der ehedem, unter dem Mantel päbstlicher Exemptionen, häufig getrieben wurde.
In gleicher Absicht verfügte Er, daß die Bischöffe ihrer von Gott unmittelbar erhaltenen Gewalt sich bedienen, und in kanonischen Impedimenten selbst dispensiren, nicht aber ferner, zum Vortheil der päbstlichen Finanzen, die Partheyen nach Rom verweisen sollen, weil sie mit dem Pabst gleiche Amtsbrüder sind, gleiche Gewalt haben, und eben so gut, eben so gültig als er, dispensiren können.
Er verordnete, daß jene Orden, beiderlei Geschlechts, welche zum Besten des Nächsten und der bürgerlichen Gesellschaft nichts sichtbarliches beytra-
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gen, weder Schulen halten, noch Kranke bedienen, weder predigen, noch den Beichtstuhl versehen, weder den Sterbenden beystchen, noch sonst in den Studien sich hervorthun u. aufgehoben werden sollen. Er verwies die Glieder derselben, wegen der erforderlichen Dispens an ihre Bischöffe, obwohl ihr Gelübde sich von selbst auflöset, sobald erkannt wird, daß der Orden dem Staat unnütz ist, und folglich mit dessen Aufhebung auch die Pflicht zu Erfüllung des Gelübdes nicht mehr vorhanden sey. Er setzte voraus, daß die Bischöffe diese sonnenklare Wahrheit von selbst einsehen, und die Erklärung, daß das Gelübde mit dem Orden aufhöre, um so weniger verweigern würden. Er hat vorausgesetzt, (was von keinem vernünftigen Menschen auf Erden bestritten werden sollte,) daß ein Landesherr die Macht habe, gewisse Gesellschaften, die aus blosser Gnade, unter gewissen Umständen, in seinen Staaten aufgenommen worden, unter andern Umständen, auch wieder aufzuheben,
Er hat zum Besten jener unschuldigen beklagenswürdigen Schlachtopfer, welche wegen Jugend, Unreife des Verstandes, Mangel der Weltkenntniß, wunderlichen Vorspiegelungen von den Gefahren des
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Weltlebens, Eigennutz der Eltern, Geschwisterte und Verwandten, durch Schmeicheleyen und Drohungen, such manchmal aus Verdruß über eine fehlgeschlagene Heyrath, zur Annahme des Schleyers bewegen worden, und bey denen die Reue zu spät erwachte, die Aufhebung mehrerer Nonnenkloster verfügt, damit die Leidenden, welche den wahren Beruf nicht hatten, wieder in die Welt und in den Schoos ihrer Familien zurückkehren können.
Die ganze aufgeklärte Menschheit verehrt und erkennt diese landesväterliche Wohlthaten, weil es entschieden ist, daß sie dem Staat und der Religion zum Vortheil gereichen. Der göttliche Stifter der christlichen Religion hat kein politisches Reich gründen wollen, sondern hat es den bürgerlichen Gesetzgebern überlassen, heilsame Verordnungen zu geben, und alles zu veranstalten, was das allgemeine Wohl befördern kann.
Hier entsteht die Frage: in wieferne haben die Bischöffe der Kaiserstaaten den wohlthätigen Anstalten Josephs die Hände geboten ? In wieferne haben sie solche unterstützt, oder gehindert? Was thaten sie? und was haben sie unterlassen?
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Ein tiefer Seufzer entfährt mir, da ich gestehen muß, daß (nach meiner Meinung) sehr wenig geschehen ist, und sehr viel unterlassen worden! Niemand ist bereitwilliger, als ich, öffentlich zu widerruffen, wenn ich vom Gegentheil überzeugt werden sollte. Ich lobe lieber, als ich tadle, und frohlocke lieber, als ich klage. Sollte ich irren, so will ich meinen Fehler, meinen Irrthum vor aller Welt freymüthig bekennen, und um Verzeihung bitten. Sollt' ich aber, wie ich fürchte, nicht Unrecht haben, so hoff' ich Vergebung von jenen erhabenen Männern, die es angeht, daß ich meinen Kummer nicht langer unterdrücken konnte, daß ich laut sagte, was so viele vernünftige Männer sich leise in die Ohren flüsterten.
Es muß jeden Patrioten in der Seele kränken, wenn er sieht, daß Länderbeglückende Anstalten vom Volke, zu dessen Wohlfahrt sie geschehen, nicht nach ihrem Werthe erkannt und geschätzt werden; aber das Herz möchte ihm bluten, wenn die Hirten des Volks, auf deren Stimme es hört, den Schwachen ihre Vorurtheile deswegen nicht benehmen, sondern sogar sie öfters darinn bestärken, und so den wohlthätigen Absichten des Regenten öffentlich ober heimlich entgegen arbeiten.
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Der Begriff, den ich mir von einem Bischoff mache, ist groß und erhaben. Er ist der Oberhirt der Kirche in seinem Sprengel. Er steht dem Monarchen an der Seite als geistlicher Minister; in seinen Händen liegt das geistliche Wohl der ihm anvertrauten Heerde; er soll dem Fürsten die Hand reichen, ihn unterstützen, die Nothwendigkeit und Nützlichkeit seiner Verfügungen dem Volke begreiflich machen, ans Herz legen, und es zum unbedingten Gehorsam gegen den Landesvater, zur willigen Befolgung seiner Befehle, eben so eifrig ermahnen, als zur Furcht Gottes. Die Aufklärung des Volks ist seine Sache; die Verbreitung der Sanftmuth und Bruderliebe ist sein Werk; die Vertilgung des Aberglaubens und der Mißbräuche ist seine Pflicht. Er steht auf einem Posten, wo er sich eben so viel, und oft noch mehr Verdienste um den Staat erwerben kann, als der erste weltliche Minister. Sein Amt ist so wichtig, daß er, mittelst genauer Beobachtung seiner Schuldigkeit, seinen Namen eben sowohl unvergeßlich machen kann, als der Regent selbst.
Indessen scheinen doch so manche Bischöffe zweierlei vergessen zu haben, nämlich: ihr eigenes bischöfliches Ansehen sammt ihren damit verbunde-
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nen Rechten, und die Wahrheit, daß sie als Diener der Hierarchie, zugleich auch Diener des Staats sind. Mich dünkt, sie sind in Ansehung des ersteren (wegen ihrer Anhänglichkeit an den römischen Hof) zu unaufmerksam, zu nachgiebig; und hegen dafür in Ansehung des letztem unrichtige Grundsätze, sammt einem nicht wohlangebrachten Stolz, der oft beynahe mit einer Art von Unbiegsamkeit vermischt ist. Sie vernachlässigen ihre Würde, wo sie sie behaupten sollten, und glauben in ihrem Ansehen gekränkt zu seyn, wenn von Erfüllung ihrer Pflichten die Rede ist. Sie scheinen, nicht zu wissen, oder nicht wissen zu wollen, daß die Gesetze des Staats auch die ihrigen sind — denn in die Luft kann die Hierarchie nicht gebaut werden — und es ist wahrlich zu beklagen, daß die bürgerliche Gesetzgebung sie erst zur Erkenntniß bringen muß. Es ist klar, daß von den meisten auf der einen Seite immer zuviel, auf der andern aber stets zu wenig geschehen. Ist es nicht genug, daß der Monarch Seine eigenen Gerechtsame in ihre Hände legt, und zwar in solchen Fällen, wo der Fürst und nicht der Bischof dispensiren sollte?
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Bevor ich weiter rede, muß ich jenen grossen Männern, jenen erleuchteten vortreflichen Bischöffen Gerechtigkeit wiederfahren lassen, die es ihres Amtes zu seyn erachteten, die Huldvollesien Verfügungen unseres Monarchen mit bischöflichen Verordnungen zu begleiten, damit durch ihre untergebene Geistlichkeit das Volk von der weisen Absicht des Herrschers umständlicher belehrt, und allenfalls selbst jener Theil des Klerus, der im tiefen Schlummer der Unwissenheit fortlebt, zur Erkenntniß des Bessern geleitet werden möge. Es würde überflüßig seyn, der Reihe nach jene vortrefliche
Hirtenbriefe sorgfältiger Oberhirten, die seit einiger Zeit im Druck erschienen, und in jedermanns Händen sind, hier näher anzuführen; auch weiß ich, daß noch mehrere dergleichen theils in der Arbeit, und theils schon unter der Presse sind: aber daß so manche Bischöffe nicht gleiche Sorgfalt beweisen, daß diese schönen Beyspiele nicht mehr Nachahmung erwecken, daß es manchen unnöthig zu seyn scheint, den nämlichen Pfad zu betreten, daß einige sogar durch ihr Stillschweigen, durch ihr Betragen, und durch die verzögerte Kundmachung der höchsten Verordnungen, bey vielen leichtgläubigen und schwachen Menschen beynahe den Zweifel erregen, ob auch das, was von
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andern geschieht, recht sey, und der Religion zum Vortheil gereiche; dies muß den Patrioten, welchen die Wohlfahrt und Aufklärung ihrer Mitbürger im Staat am Herzen liegt, äußerst empfindlich fallen, dies muß dem besten Monarchen Mißvergnügen erwecken, und dies scheint mir — in sofern es mit Vorsatz geschieht — unverantwortlich.
Man mache sich also einen Begriff von der Grösse meines Kummers, wenn ich so oft und vielfältig gleiche Klagen über meinen geistlichen Oberhirten, den hochwürdigsten
Erzbischof Wiens höre; man erwäge meinen bittern Verdruß, wenn ich, als Sein Verehrer, nicht alle Vorwürfe, die man Ihm macht, mit Grund ablehnen kann, um so mehr, da so Manche der Meinung sind, und es, so zu sagen, behaupten wollen, daß Er für die gute Sache noch nichts — gegen dieselbe aber sehr viel gethan habe.
Ich wurde an jener Ehrfurcht und Hochachtung, die ich für Seine Eminenz; hege, zum Verräther werden, wenn ich all' dieses kaltblütig anhören, und mit Stillschweigen übergehen wollte; ich würde der Ehre Seines apostolischen Hirtenamtes zu nahe treten, wenn ich Ihm nicht durch ein freimüthiges öffentliches Ge-
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-ständniß, durch eine Erzählung aller Gerüchte, die Seinem geistlichen Ruhm zum Nachtheil gereichen, in den Stand setzen wollte, die Gläubigen Seiner Diöces vom Gegentheil ebenfalls öffentlich zu überzeugen, und folglich Sich von allen Beschuldigungen bey unsern Zeitgenossen und der Nachwelt zu rechtfertigen.
Man sagt, Seine Eminenz wären kein Freund der Aufklärung des Volks, und seyen also mit Erweiterung der Preßfreyheit äußerst unzufrieden. Den Beweis nimmt man daher, daß so manche Prediger in und vor der Stadt sowohl als auf dem Lande, von Zeit zu Zeit auf den Kanzeln so heftig dagegen losgezogen haben, daß es Seiner Eminenz unmöglich unbekannt bleiben konnte. Man ist mithin der Meinung, daß, weil den Predigern diese Auflehnung wider jene huldvolle kaiserliche Freyheit von ihrem hochwürdigsten Herrn Ordinario großmüthig nachgesehen, und keinem derselben nicht einmal der mindeste Verweis darüber gegeben worden, Seine Eminenz ein herzliches Wohlgefallen daran finden, und es wohl gar unter der Hand befohlen haben möchten.
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Der Verdacht, in Ansehung der Aufklärung, hat sich durch das Gerüchte vermehrt, als ob Seine Eminenz das Lesen der Bibel, zufolge höchster Weisung, zu verfügen sehr lange Anstand genommen, und erst dann diesen Befehl zum Theil vollzogen hätten, als er sehr ernstlich wiederhöhlt, worden.
Man beklagt weiter, daß in der Wiener-Diöces von vielen Geistlichen ein so untheologischer auffallender Unfug getrieben wird, den ein sorgfältiger Bischof keineswegs gelassen ansehen, und anhören sollte, weil dadurch Spott und Aergerniß in der Gemeinde veranlaßt wird. Man ärgerte sich z.B. daß während verwichener Fasten so manche Prediger, besonders aber die Mönche, statt von der Leidensgeschichte unsers Erlösers zu handeln, über die
neuern Schriften, und zwar gerade über die bessern, die wider Vorurtheile und Mißbrauche eiferten, sich hergemacht, und ihre Verfasser von den Kanzeln herab weidlich verkezert haben.
Da man schon lange überzeugt ist, daß alle Predigten vor ihrer Ablegung einer Censur unterworfen werden sollten, weil in unsern Zeiten eine einzige Predigt, die von so vielen auf einmal ange-
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hört wird, mehr verderben kann, als zehn Bücher, die nur von wenigen gelesen werden, wieder gut machen können; so bedauert man, daß Seine Eminenz diesen so wichtigen Gegenstand keiner Aufmerksamkeit würdig befunden, und nicht längst die Verfügung getroffen haben, daß alle Kanzelreden vorher durch einsichtsvolle Männer Ihres Konsistoriums geprüft und genehmigt werden müssen.
Man wunderte sich daher keineswegs, daß endlich eine
ganze Gesellschaft das mühselige und schwere Geschäfte übernommen, öffentliche Erinnerungen und Anmerkungen über die Predigten zu machen. Man konnte im voraus mit Zuversicht vermuthen, daß dieses Unternehmen den Beyfall aller Vernünftigen, aller Edelgesinnten sich erwerben würde. Man zweifelte auch ganz und gar nicht, daß dieses heilsame Institut wider alle Kabalen und Verläumdungen geschüzt werden würde, und die Folge hat die Richtigkeit dieses Schlusses bewiesen. Indessen glaubt man, daß Seine Eminenz dasselbe sicher hätten in seiner Geburt ersticken können, wenn es Ihnen gefallen hätte, den rechten Weg einzuschlagen. Man meint, daß das beste Mittel, es zu unterdrücken, dies gewesen seyn würde, es unnöthig und über-
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flüßig zu machen, nämlich, den Predigern die ernstliche und geschärfteste erzbischöfliche Weisung zu geben, in ihren Kanzelreden bey der lautern reinen Moral des Evangeliums zu bleiben, und alles Unschickliche zu vermeiden — oder ihnen gar anzubefehlen , die Aufsätze derselben, vor der Ablegung, der Censur zu unterwerfen.
Man wunderte sich, daß von all' diesem nichts geschah; aber destomehr erzürnte man sich, daß
Joseph Pochlin, ein Priester der erzbischöflichen Kur, noch ehe das erste Stück der angekündigten
Predigerwahrheiten erschien, noch eh' er wissen konnte , was die Gesellschaft leisten würde, auf die unbedachtsamste Weise das Institut angrif, die Verfasser in sehr hämischen Ausdrücken auffoderte, nach
Vösendorf zu kommen, ihnen eigennüzige und niedrige Absichten andichtete, und dadurch aufs deutlichste seinen Eigendünkel und seinen Hang zur Zanksucht verrieth. Obwohl seine äußerst mittelmäßige Predigt sehr glimpflich behandelt worden, so war er doch in seiner Antwort, die unter der unschicklichen Aufschrift : Gnade und Abfertigung erschien, so ungeschliffen, daß manche Leser Mühe hatten, ihren Unwillen zu unterdrücken. Nicht genug; um noch
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gröber seyn zu können, vermummte er sich unter den Namen eines Fleischhackers zu Vösendorf, in dessen Maske er sein Spiel noch forttreiben würde, wenn es ihm nicht eingestellt worden wäre.*)
Man glaubt, daß Seine Eminenz dieses unartige Betragen einem Priester der erzbischöflichen Kur keineswegs hätten gestatten sollen; am allerärgerlichsten aber sind dem Publikum die seit einem ganzen Jahr schon fortdauernden Hahnenkämpfe des Pochlinschen Kollegen,
Paters Patricius Fast. Dieser Mann hat sich schon mehr zum Gelächter der Klugen gemacht, als einst Donquijotte, kurzweiliger Gedächtniß. Unter dem Namen eines katholischen Unterrichts hat er soviel Unsinn geschrieben, so viel Aberglauben und falsche Andachten vertheidigt und gerechtfertigt, daß man erstaunte, warum Seine Eminenz ihm das Schreiben nicht langst verboten haben.
*)Um den Karakter und den Geist des Herrn Joseph Pochlin auf einmal kennen zu lernen, braucht man nur dies zu wissen, daß Er derjenige war, der den Verfasser der Schrift über die Begräbnisse in Wien in einem Misch von ein paar Blättern ein Begräbniß auf dem Schindanger anwies, mit der Erinnerung, daß der Schinder für jeden umgefallenen Ochsen drey Gulden begehre.
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Ist dies ein katholischer Unterricht, wenn er verneinet, daß unsre heilige Religion anfangs ganz simpel und einfach gewesen? Wenn er, trotz allem, was ihm schon darüber gesagt worden, darauf beharrt, daß sie nie einfach, sondern vielfach war, und nicht einfach seyn soll? Ist es ein katholischer Unterricht, daß viel Aeußerliches der Religion wesentlich ist? Ist es gewiß, daß Brüder und Schwestern ein ausschliessendes Recht auf eine künftige Glorie haben, die sie sich zum Theil durch ihre heilige Bruderschaftswerke verdienen? Ist es richtig, daß der Segen mit einem hölzernen Jesukind, in einer krausen Perücke, keine Abgötterey, sondern gut ist? Daß er oft mehr nüze, als der Segen mit der Hand des Priesters? Sollte seine Lehre vom geweihten Roth, oder von den geweihten Pfenningen gut seyn? Ist es eine katholische Lehre, daß Leute, welche bey Bildern silberne und goldene Opfer aufhängen, wirkliche Gnaden empfangen haben? Ist das Beten zu den Bildern gut? Sind die Privatandachten nicht ungereimt? Ist die Andacht zum fleischernen Herz Jesu ächt katholisch? Werden die Gebete zur zum Schweistuch, und zum Nagel des in der katholischen Lehre gebilligt? Ist es wahr,
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daß das Wallfahrten uns die Gnaden Gottes eher zuziehen kann, als wenn wir zu Hause bleiben? Ist es recht, wenn man sein Gebet, nächst Gott, auch einem Heiligen widmet und aufopfert? Ist es gewiß, daß das greuliche Inquisitionsgericht der Menschheit heilsam ist, und daß in Landern, wo sie eingeführt war, blutige Kriege dadurch erspart worden ? Lehrt die katholische Kirche, daß Gott, gleich einem indischen Fürsten, Minister, Freunde, Lieblinge und Schmeichler habe? Ist der Unterricht katholisch, daß heilige Finsternisse den Glauben beständig umnebeln? Daß derjenige nicht übel thut, der seinen König verkennt, und einen andern für ihn ehret? u. u.
Alle diese Säze werden für achten katholischen Unterricht ausgegeben, und auf der erzbischöflichen Kur, nebst
Pochlins Skarteken, in einer davon errichteten Niederlage öffentlich verkauft; Der Mann, der so anstößig, so widersinnig, so albern schreibt, ist Kurat der wienerischen
Metropolitankirche, nennt sein Geschwätze den Unterricht der Pfarrgeistlichkeit bey
St. Stephan, wähnt, daß alle Pfarrgeistliche, (nur etwa fünf davon ausgenommen, von den jungem) mit ihm einstimmig seyen, sezt sein Gaukel¬-
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spiel wenige Schritte von dem erzbischöflichen Pallaste ununterbrochen fort, und untersieht sich, mit einer unbegreiflichen Kühnheit, öffentlich zu behaupten, es
geschehe aus Sendung und mit Begnehmigung seines hochwürdigsten Herrn Ordinarius!!!
Diese unglaubliche Behauptung ist wenigstens nicht öffentlich widersprochen, und nicht einmal im Stillen geahndet worden; daher mag es denn gekommen seyn, daß so manche Prediger, der Nachsicht ihres Herrn
Erzbischofs gewiß, es wagten, von den Kanzeln wider alles herab zu donnern, was die Aufklärung befördern kann; daher getraute sich der Kapuziner,
Pater Ludwig, die Verfasser der Prediger - Wahrheiten ex officio zu verdammen, ihnen allen Antheil an der Seligkeit abzusprechen, und sie gratis dem Satan zu übergeben, wenn sie nicht widerruffett wollen, wegen ihrer Bekehrung aber die Zuhörer ein Vaterunser beten zu lassen, wie es für arme Sünder auf dem Richtplatze zu geschehen pflegt. Deswegen hat der Kanonikus
Mazzioli, Pfarrer im Bürgerspital, gar kein Geheimniß daraus gemacht, daß er wider dieses Institut, und wider die vom Monarchen ertheilte
Preßfreyheit öffentlich predigen wolle, und hat sogar die Zuhörer selbst eingeladen. Daher
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mag das Gerückte entstanden seyn, daß Seine Eminenz den
P. Ludwig wegen seinen hitzigen und unschicklichen Predigten ausdrücklich gelobt, und ihn aufgemuntert haben sollen: in seinem apostolischen Eifer fortzufahren; daß hingegen der gelehrte Probst und Dechant
Kuschiyka wegen einer Predigt, (worinn er die Andacht, wo Christus nur theilweise angebetet wird, seltsam nennt, und folglich die Verehrung des fleischernen Herzens Jesu mißbilligt) brav ausgefilzt und der Verbreitung falscher Lehrsäze beschuldigt worden sey. Gleichen Ursprung mag auch die allgemeine Sage haben, daß der würdige
P. Blarer, der Mann , der so viele rechtschaffene Priester bildete, von Seiner Eminenz nicht gut angesehen werde , daß hingegen den theologischen Zöglingen sogar der Umgang mit ihm und andern unbefangenen Theologen untersagt worden. Auch spricht man, daß einige Priester auf der Kur von Seiner Eminenz den ausdrücklichen Befehl erhalten hätten, mit gewissen Männern, die für die Aufklärung arbeiten, alle Bekanntschaft abzubrechen, und ihren Umgang zu meiden. -- u.
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Als die
Toleranz-Verfügung unsers Monarchen erschien, und bald darauf einige sorgfältige Bischöffe die vortreflichsten Hirtenbriefe an ihre untergebene Diöcesan-Priesterschaft deswegen erließen, unter welchen jener des Fürsten Bischofs zu Gurt sich vorzüglich auszeichnete; so war das Publikum in der allgemeinen Erwartung, daß Seine
Eminenz, als Erzbischof der Kaiserstadt, gleichfalls mit einem Hirtenbrief, Ihrem apostolischen Amte, Ihrer zärtlichen Sorgfalt für das Heil der anvertrauten Heerden und Ihren erleuchteten Einsichten gemäß, das weist Landesherrliche Gesez begleiten würden, um so mehr, da die Priesterschaft der Wiener-Diöces durch ein solches Beyspiel belehrt worden wäre, daß die Duldung ein Werk ist, woran der Klerus unumgänglich Theil nehmen muß; daß jeder Diener des Altars, wenn er sie nicht nach Möglichkeit unterstüzt und befördert, der Lehre unsers Heilandes, dem Geist seiner Religion und den Priesterpflichten zuwider handelt, folglich sich nicht nur der Unduldsamkeit , sondern auch des Ungehorsams gegen dm Landesfürsten schuldig macht. Man zweifelt, ob es sodann einige Priester gewagt haben würden, zu thun, was sie thaten!
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Uiberhaupt hegt ein großer Theil des aufgeklärten Publikums die nachtheilige, und, wie ich hoffe, irrige Meinung, daß Seine Eminenz dem Ansehen eines Kardinals nicht selten das hohe Amt eines Bischofs nachzusetzen, und lezteres dem ersten aufzuopfern geneigt seyen. Diese Muthmaßung gründet sich wahrscheinlich auf die im vorigen Jahre von Hand zu Hand gegangene Abschrift einer Vorstellung, welche Hochdieselben unter dem 20. März v. J. über die nachher erfolgte
Aufhebung der klösterlichen Exemptionen an des Kaisers Majestät gemacht haben sollen. Ich lege hier das Geständniß ab, daß ich die ganze Vorstellung für eben so erdichtet halte, als die daneben gestandene Anmerkungen, die man für eine allerhöchste Resolution ausgab, von deren Ungrund uns die
Wienerzeitung belehrt hat, weil ich nicht glauben kann, daß Seine Eminenz Ihre bischöfliche geistliche Gerichtsbarkeit so sehr verlezen werden, und weil es allzuviel Anhänglichkeit an den römischen Hof verrathen würde, die Bischöfe blos für Delegati Sedis apostolicae zu erklären.
Für eben so ungegründet halte ich die im Publikum zirkulirende Abschrift eines Bescheids, welche
(P29)
Seine Eminenz denen Konventen der aufgehobenen Karthäuser, auf ihr Bitten um Dispensation von ihren Voris et Obligationibus ordinis ertheilt haben sollen. Hier ist sie:
„Den Bittstellern mit der Erinnerung wieder hinaus zu geben, daß die Milde der von dem heiligen Geiste allzeit geleiteten Kirche nie die Absicht gehabt, jene Personen, die sich einem Regular-Institut gewidmet, zu Beobachtung aller und einzelner Sazungen, in allen Fallen zu verbinden, durch welche sie, ohne ihre Schuld, in die Nothwendigkeit versezt werden, sich nach denselben nickt achten zu können, so lange nämlich, als eine solche Nothwendigkeit und Umstände fortdauern: woraus folge, daß die Bittsteller, in gegenwärtigem Falle, das Ordenskleid, mit Beybehaltung eines innerlichen Zeichens, ablegen, sich der Fleischspeisen, (wenn sie sich der Ordensspeisen ohne Beschwerung nickt gebrauchen können) bedienen, ausser einem Kloster, jedoch in ehrbaren Häusern, eine Wohnung nehmen können. Dahingegen seyen sie ihrem Bischofe den nämlichen Gehorsam schuldig, den sie ihrem Ordensobern jezt nicht mehr leisten können; das
(P30)
Gelübde der Armuth aber hätten sie, nach Gutachten des Bischofs, so viel als möglich ist, zu beobachten. Wien, den 11. April 1782.
Ex Curia Archiepiscopali
Vienn.
Solche Dinge verbreiten freylich sehr nachtheilige Eindrücke gegen das geheiligte bischöfliche Ansehen. Jene, die verleitet wurden, diese Abschrift für richtig anzunehmen, wollten daraus Einfluß der Exjesuiten, sammt ihren Grundsäzen, und Gott weiß, was alles, wahrnehmen. Sie halten einen solchen Bescheid für Etwas und Nichts—für eine Dispens und für keine, kurz, für einen Nonsens. Sie glauben, dies wäre eben so, als wenn der unsterbliche
Klemens der XlV. im Jahr 1773. den Jesuiten gesagt hätte: die Nothwendigkeit will, daß der Name eures Ordens nicht mehr bestehe; ziehet also den Rock aus, nennt euch anderst, so lange nämlich diese Nothwendigkeit und Umstände fortdauern: aber behaltet eure Regeln, eure Grundsäze, und -- bleibt Jesuiten."
Nur Hofschranzen und Gleißner spielen doppelte Rollen; Dienern der Religion hingegen geziemt so
(P31)
was nicht, und es ist mithin ganz unglaublich, daß ihr hochwürdigster Bischof durch einen zweydeutigen Bescheid ihnen dazu Anleitung gegeben habe, um so mehr, da andere Bischöffe in ähnlichen Fallen nicht so übertrieben skrupulos waren, ohne deswegen die Pflichten ihres apostolischen Hirtenamtes im mindesten zu verwahrlosen.
Zum Kontrast will ich hier einen Bescheid des Fürsten Bischofs von Passau auf ein ähnliches Bitten hersezen:
„Wieder hinauszugeben, mit der Erinnerung: daß, nachdem die Supplikanten durch Aufhebung des Klosters die ihrem Orden eigene Statuten ferner zu beobachten ausser Stand gesezt worden, selbe, wenn sie kein anderes Institut annehmen, sondern in der Welt leben wollen, sich mir der Kleidung, Kost und andern Bedürfnissen nach ihren Umständen richten können, doch werden die Priester, welche ursprünglich unsere Dioecesani, oder aber Ausländer sind, und daher etwa in der Diöces zu verbleiben gedenken, uns alsogleich den Austritt aus der Karthaus, und den Ort ihres Aufenthalts anzeigen, um ihnen die Anweisung
(P32)
geben zu können, wie selbe sich nach unsern Diöcesanverordnungen zu verhalten haben. Uibrigens stehet jenen, welche sich nach der Zeit die erforderlichen Wissenschaften beygelegt, und sich zu Ausübung der Seelsorge tüchtig gemacht haben werden, bevor, die Anstellung ad Curam animarum bey uns anzusuchen."
Ex Consist. Passau.
Wien, den 5. April 1782.
So wenig die Religion selbst darunter leidet, wenn auch alle Orden sollten aufgehoben werden, so wenig sollte der Grundsaz einem Widerspruch unterworfen seyn, daß ein Gelübde seine Verbindlichkeit verliert, wenn Der, mit vessen Einwilligung ein Orden im Staat besteht, ihn nicht ferner dulden will; denn ein solches Gelübde faßt die Bedingung in sich, daß es nur so lange gültig ist, als es den Rechten und dem Willen des Landesherrn nicht widerspricht.
Wird es die Nachwelt einst glauben, daß Bischöffe Anstand nahmen, ein Gelübde als aufgelößt zu erklären, welches ohne Beybehaltung des Ordens und des Klosters nicht fernerbestehen
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kann, und folglich im Augenblick aufhört, wenn das Oberhaupt des Staats dessen Aufhebung befiehlt?
Aus diesem, was ich hier nur angeführt habe, hat natürlich das Gerüchte Plaz greifen müssen, daß der Herr
Kardinal Erzbischof von Wien kein Freund der Aufklärung, und der guten Sache sey. Man sagte sogar, daß verschiedene helldenkende rechtschaffene Landpfarrer bittere Verweise deswegen bekommen hätten, weil sie keine Sklaven verjährter Vorurtheile sind. Auch das lezte Cirkular des erzbischöflichen Konsistoriums vom 28. Brachmonats d.J. worinn Seine Eminenz noch vor der Abreise nach Ihren zweyten Bisthum allen Seelsorgern Ihrer Wienerdiöces die auf Hochdero Befehl von dem Domprediger Herrn
Joseph Schneller gehaltene Predigt von der Lehre des Ablasses empfehlen, und ihnen auftragen, in Predigten und Christenlehren von dieser Lehre des Ablasses das Volk zu unterrichten — auch dies hat diesen widrigen Verdacht vergrössert.
Und wenn ganz Wien diese üble Meinung hegen sollte; so bin ich der Einzige, der ihr nicht bey-
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pflichtet. Sachen von Wichtigkeit erfordern Zeit und Uiberlegung. Ich lebe der Zuversicht, daß Seine Eminenz wegen jener Verfügungen, die der Monarch zum Beßten der Religion und des Staats getroffen, nur darum so lange mit einem Hirtenbrief verzögerten, um ein Werk zu Stande zu bringen, welches des Bischofs würdig ist, der im Herzen der Monarchie seinen Siz hat, dem Monarchen am nächsten ist, und seinen Geist am ersten fassen kann — ein Werk, welches dem Erzbischof Wiens eben so zum Ruhm gereichen kann, als der so eben im Druck erschienene Hirtenbrief des Fürsten Bischofs von Laybach den Namen Seines Urhebers verewigen wird, weil darinn die landesfürstlichen, bischöflichen und päbstlichen Rechte in ihr ächtes Licht gesezt, und die Anstalten Josephs des Weisen in ihrem wahren Gesichtspunkt aufgestellt werden.
Gott gebe, daß ich mich in meiner Hofnung nicht getäuscht habe, und daß ich bald Gelegenheit haben möge, von Ihm und den übrigen Bischöfen der kaiserl. königl. Staaten das Zeugniß abzulegen, daß Sie sind, was Sie seyn sollen, nämlich eifrige Hirten des Volks, Feinde der Dummheit, des Aberglaubens und
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der Mißbrauche, Beförderer der Aufklärung, der Duldung und Menschenliebe, Diener des Staats, wie der Hierarchie, Freunde des Fürsten und des Vaterlandes.