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-- AndreaSeidler - 23 Apr 2007

Predigtkritiken

Die Broschürenflut in Wien zur Zeit Josephs II. fand ihren Höhepunkt in dem Erscheinen der sogenannten Predigtkritiken, die Leopold Alois Hoffmann ins Leben rief. Sie erschienen unter dem vollen Titel Wöchentliche Wahrheiten für und über die Prediger in Wien. Bearbeitet von einer Gesellschaft Gelehrter, und herausgegeben von Leopold Aloys Hoffmann. Wien: Schönfeld, ab 1782 wöchentlich ein Mal. Das Vorbild zu dieser Broschüre stammte aus Prag, wo eine Zeitschrift ähnlicher Prägung erschienen war. Bereits in dem ersten Stück wurde durch den Verfasser festgehalten, nicht die Prediger angreifen zu wollen, sondern für eine Verbesserung der Predigten, für deren Kontrolle und für eine Wiederentdeckung der Bedeutung der Predigt einzutreten. Das Erscheinen des ersten Stückes bereits stieß auf heftige Kritik des Erzbischofs Migazzi, wohingegen Gerhard van Swieten, der Leiter der Zensurbehörde angetan davon war. Im Mai 1782 kam es zu einer Staatsdebatte über das Blatt, in der die Für und Wider diskutiert wurden und selbst Josef II. hieß die Zielsetzung für gut und setzte sich für die Fortsetzung des Periodikums ein. Dessen ungeachtet ging die Propaganda gegen die Broschüre weiter. Der Popularität tat dies keinen Abbruch, im Gegenteil, die Auflagenzahl belief sich dank guter Werbung auf 1200 Exemplare.
Die Predigtkritiken standen auf Seiten des josephinischen Reformkatholizismus, wobei vor allem barocke Kirchenbräuche angegriffen wurden (Glaube an Wunder, Marienkult, Teufelspredigten, Fastenpredigten und dergleichen mehr. Die Predigkritiken sind nicht nur vom kulturhistorischen Standpunkt her betrachtet interessant, sondern auch vom literatur- und sprachwissenschaftlichen. Im Sinne der Sonnefelschen Sprachreinigungsbestrebungen wird auch in der Kritiken großen Augenmerk auf die Qualität der Sprache der Prediger gelegt.
Die Kritiken wurden im Herbst 1783 eingestellt, es erschienen allerdings weiter Zeitschriften ähnlichen Genres.
Quelle: Bodi, Leslie: Tauwetter in Wien. Zur Prosa der österreichischen Aufklärung 1781-1795. Wien: Böhlau 1995.