Der Vernünftige Zeitvertreiber
Blättern:
< zum Text 1 –
zum Text 3 >
(p 11)
Der Winter, nach dem Engländischen, des Thomson
Siehe, der finstre und traurige Winter kömmt schon mit seinem ganzen Gefolge von Dünsten, Gewölken, und Sturm, das veränderte Jahr zu beherrschen!
Itzt,da der centaurische Schütze, die unlustige Herrschaft der Lüfte dem Steinbocke abtritt,und der rohe Wassermann das umgekehrte Jahr gänzlich entstellet: so streut auch die Sonne über den fernsten Rand des Himmels gehängt, den unmuhtigen Tag nur sparsam über den Aether. Matt find ihre Glimmen, und unwirksam schießen ihre ringenden Stralen nach horizontalen Linien durch die dicke Luft. In wolkichten Sturm gekleidet, begränzt sie ganz bleich, und unwirksam, den südlichen Himmelsstrich, geht bald hernach unter, und überlaßt die Erde, der langen, und dunkelen Nacht. Durch weite, tiefgedrückte, dumpfigte Schatten, durch aufgehäufte Wolken, und die game dunstigeTrübheit, ist das Antlitz aller Dinge eingehüllet! — So fällt der Winter, wie eine lange schwere Nacht
(p 12)
auf die Welt, ergießt über die Natur bösartige Einflüße, und befördert den Saamen so mancherley Krankheit. In ihm erliegt die menschliche Seele, wird überdrüßig des Lebens, und mit mehr als melancholischen Aussichten ist sie in schwarzes Leid eingehüllet. Die sonst so muhtigen Heerden hängen den Kopf, die Schaafe verstreun sich über das befurchte Feld, und nagen an den gesunden Wurzeln der nahen Gesträuche und Wälder; an den sumpfigsten Morästen seufzet der betrübte Genius der nahenden Stürme, und durch zerrissene wilde Gebirge, durch die geborstenen Klippen senden der keifende Bach, und die Kluft ein vorbedeutendes hohles Geächze, welches die Phantasie im horchenden Ohre sehr lang wiederhallet.
Alsdann geht der Vater des Ungewitters hervor, verhüllt in schwarze Finsternisse. Erst werden unlustige Regen mit faulen Dünsten durch die Höhen getrieben, geißeln die Gipfel der Berge, und erschüttern die murrenden Wälder. Die weite Ebene liegt in brauner Uiberschwemmung, Fluht auf Fluht schütten die schwangeren Wolken, und vertiefet zur Nacht, verdecken sie ganz das schone Antlitz des Tages. Die geflügelten Pil-
(p 13)
grime der Luft begeben sich jeder in seine Heumaht, ausgenommen, die in umwühlter Luft zu gauckeln belieben, oder um den Teich her, mit flüchtigen Flattern sich netzen. Die Rinder kehren von den nicht einmal gekosteten Triften um, und heischen, mit verständlichem Brüllen, die längst gewohneten Ställe, oder, sie wiederkäuen im nahgelegenem Schoppen. Das häusliche Federvieh drängt sich auch auf diese Seite. Voran spaziert mit spanischem Schritte der gekammte Hahn, und die ganze Schaar seiner Weiber nachsinnend und träufelnd ihm nach, indessen der Bauerknecht bey dem wohlthuenden Ofen sitzt, und seine einfältigen Streiche im Tone der Mährchen herschwätzet. Er lacht und schäkert sich satt, und achtet den Sturm gar nicht, der draußen blaset und wütet.
Weit über den Rand, von manchem Wasser aufgeschwollen, und über den zerrissnen Sturz seiner Ufer gespreitet, ergießt sich endlich der angelaufene Fluß. Unwiderstehlich, brausend, und schreckhaft kömmt er vom schrofen Gebirg und moosichter Wüste hernieder. Alsdann verbreitet er sich platzend über das mit Sand beschwemmte Thal ganz still, und geruhig, bis er vom neuen zwischen zween
(p 14)
Hügel geräht, sich, wo Felsen und Wälder den strudelnden Strom überhangen, einen Weg ausbricht, daselbst dreyfache Stärke sammelnd, reißend, und tief, braust er, und wälzt, und schaumt, und donnert sich hindurch.
Natur! du grosse Mutter! deren nie ruhende Hand die Zeiten des wechselnden Jahres in die Runde herumführt. Wie gewaltig sind deine Werke! Wie majestätisch sind sie! Mit was für angenehmen Schrecken füllen sie die Seele, die ganz erstaunet dir zusieht, und in der Erstaunung dir singet! Zu euch auch ihr Winde, die itzt mit geräuschvollem Zuge zu wehen beginnen, erheb ich nun meine Stimme! Wo sind eure Vorrahtskammern ihr gewaltigen Wesen? Sagt, wo sind eure Behältnisse , die brütenden Schrecken des Ungewitters zu vergrössern? In welcher entlegenen Gegend schlaft ihr, so lange es still ist?
Wann von der bleichen Luft die Sonne hinabgeht, besprengt mit mancherley Flecken, die über ihre blanke Kugel ungewiß irren, so röhren sie blutfarbe feurige Striemen. Die taumelnden Wolken schwanken mit schwindlichtem Wiegen, ungewiß welchem Gebiehter zu folgen. Zugleich stehet der Mond langsam, und
(p 15)
halb im bleyfarbenem Ost auf, und seine stumpfen Hörner umgiebt ein ganz bleicher Zirkel. Durch tue trübe und wellenförmige Luft sieht man die Sterne den bebenden Stral von sich werfen. Oft scheinen sie durch das Dunkle qweer wegzuschießen, und lang hinter sich das weislichte Lodern zu schleppen. In kurze Wirbeln gehascht, spielt das verwelkte Laub, und manche Feder schwimmt auf dem Wasser wie tanzend. Mit breitgeöfneten, und aufwerts gerichteten Naselöchern, schnaubt die verstehende Kuh die stürmische Luft in sich. Indeß die Matrone, bey ihrer nächtlichen Arbeit, mit überlegendem Fleiß den flächsernen Faden zieht, sagen die träufelnde Kerze, und die krachende Flamme die Witterung vor. Am meisten aber die befiederten Schaaren, die leichten Bürger der Lüfte. Entweichend von den Dünen, wo sie den ganzen Tag lang ihr sparsames Futter gepickt, drängen sich die schreyenden Dohlen mit schwärzendem Flug in die Flucht, und suchen den schließenden Schirm des dicken Gehölzes. In seinem Gebüsche singt sein finsteres Lied der klägliche Uhu. Der Wasserrabe rädelt sich von der See weg, und kreischet am Lande. Laut schreyt der steigende Reyher,
(p 16)
und mit wilden Schwingen klatschet die krieselnde Seemeve durch stockende Wolken. Der Ocean, ungleich gedrückt, bläht sich mit gebrochener Fluht, und ungefährer wilden Bewegung. Indeß vom Strande, der durch nie ruhende Wällen, mit Höhlen unterfressen ist, und von dein rauschenden Forst ein Laut niederfället, der die Welt zur Vorsicht erinnert. Der Sturm geht mit plötzlichem Ausbruche loß, und wirft die ganze niedergetaumelte Luft, in einen schrecklichen Wasserguß. Auf das Weltmeer läßt sich die ätherische Stärke herab, und mit strengem Stoffe kehrt sie die entfärbte Tiefe, herauf von dem Boden. Das trotzig gesalzene Wasser, auf tausend wütenden Wogen, scheinet in Schaum aufgepeitscht, durch die schwarze cimmerische Nacht, während die Wällenberge, in entsetzlichem Tumulte, zu Wolken geschwellet, Wogen auf Wogen, mit Furcht und Zittern einjagenden Brüllen, in dieß Chaos bersten; und geankerte Flotten von ihrer Stelle abtreiben. Bald steigen sie die bäumenden Wogen hinan, bald schießen sie ungestümm nieder in die geheimen Kammern des Abgrunds. Von dannen wieder emporragend, gewinnen sie vom Hauche des vollangetriebenen
(p 17)
Himmels den Lauf, und fliegen entlegenen Küsten entgegen; wenn nicht die scharfen Klippen, oder die verborgene Sandbank sie hemmet, und sie auf ledigen Trümmern entschwommen, umher schleudert.
Zu Lande herrschet nicht minder das losgekommne Gewitter. Es donnert der Berg, und seine stämmigen Söhne bücken sich am Grunde der Felsen, die sonst ihren Schatten empfangen. Nur allein an der mitternächtigen Gähe, arbeitet der bestürzte wallende Fremdling sich ausser Athem, und klettert oft fallend gegen den Blast. Der Hain rauschet gezwängt, und entschüttelt das übrige noch von seiner schon verlorenen Zierde. So raast durch das verstümmelte Gehölz der Wirbelwind über die Fläche, und schüttelt in schneidender Eile das herrschaftliche Dach bis in den Grund, eben so leicht, wie die schwache Hütte des Landmanns. Der verscheuchte Schlaf entfliehet, und rund um den felsichten Palast heulet das wilde Gebraus.
Ungeheure Aufruhr macht sich Meister von allem. Mit plötzlich wegglitschenden Sternen fahren die Wolken, über die Höhen des Himmels. Es wankt die ganze Natur, bis der Herr derselben,
(p 18)
der oft in ungestümmer Dunkelheit allein wohnt, und auf den Flügeln des fliehenden Windes in schrecklicher Heiterkeit wandelt, eine Stille gebeut. Stracks schweigen auf einmal die Luft, das Meer, und die Erde. —-
Noch ist es tief Mitternacht. Die müden Wolken fügen sich sanfte zusamm, und vereinigen sich zum dichten grausvollem Dunkel. Itzt, da die träge Welt im Schlafe verloren dahin liegt, will ich zur ernsten Nacht mich einsam gesellen, und zu ihrer gesetzten Genossinn, der reifen Betrachtung. Die überlästigen Sorgen des Tags will ich itzt ganz abschütteln, und den vorwitzigen Sinnen, den Eindruck benehmen!
Wo seyd ihr itzt, ihr täuschenden Eitelkeiten des Lebens, ihr stets versuchendes, stets lügendes schnödes Gefolge derselben? Wo kommet ihr hin, und was ist denn euer Betragen? Plag, Fehlgeschlagenheit, Nachreu! — Betrübter, kränkender, schwerer Gedanke! "— Und doch wird der geäffte Mensch, wann nur ein Auftritt roher, und ungeräumter Träume, und unterbrochenen Schlummers vorbey ist, stets unentschlossen erwachen, um mit ungeschminketer Hoff-
(p 19)
nung im schwindlichten Kreis fortzutraben.
Vater des Lichts und des Lebens! Du höchstes Gut! Lehr mich, was gut sey! Ach lehr mich dich selber! Bewahre mich für Eitelkeit, Thorheit, und Laster, für jedem niedrigen Gesuche; und nähre meine Seele mit Kenntnissen, mit wohlbewußtem Frieden, und reiner Tugend, mit diesem heiligen, wesentlichen, und unverweltlichen Segnungen!
Die schärferen Witterungen kommen! Dicke Wolken, mit undurchsichtigem Rauche, erheben sich vom ganzen mißfärbigen Osten, oder sie kommen von dem einschneidenden Norden. In dem weitträumigen Schooße derselben, liegt eine Fluht von Dünsten zu Schnee fest gefroren. Schwerfällig rollen sie daher, und der Himmel trübt sich von dem zusammgetriebenen Sturme. Anfänglich läßt sich der weiße gefrorne Regen, ganz dünn umwirbelnd durch die stillte Luft herunter. Bald drauf fallen die breiten Flocken geschwind, und verdüstern den Tag, mit einem fortdauernden Ausguß. Die angenehmen Gefilde ziehen ihr Winterkleid vom allerreinesten Weiß an. Alles empfängt einen blendenden Schimmer, außer, wo langst dem verschrenkten Bache, der
(p 20)
neue Schnee bald schmilzet. Ihr graues Haupt beugen die Wälder ganz niedrig; und eh die schmachtende Sonne ihren Abendstral schwach aus Westen entläßt, ist schon das allgemeine Antlitz der Erde, erstarrt, und verhüllet, nur eine wildglänzende Wüste, die die Werke der Menschen begräbt. Mit Schnee überdeckt, steht der kopfhängende Ochs, und wünscht seiner Mühe Vergeltung. Die durch die grausame Jahrszeit gezähmeten Vögel, sammeln sich zu Haufen, und melden sich um die Gabe, die ihnen die Vorsehung anweist. Die speiselosen Einöden gehen ihren braunen Bewohnern den Abschied. Der furchtsame Haase vom Tode unter mancherley Gestalt, durch versteckte Schlingen, durch Hunde, und mehr durch unbarmherzige Menschen belauert, sucht doch, von unfurchtsamen Mangel durchdrungen, den Garten. Die blöckenden Geschlechter sehen auf den bleichen Himmel, drauf wieder zur gleißenden Erde, mit Blicken stummer Rastlosigkeit nieder. Alsdann grübeln sie traurig verstreut, durch Haufen von Schnee, nach den verwelketen Kräutern.
Izt Hirten, nehmt eure hilflosen Anvertrauten in Acht! Berücket die rasende Jahrszeit, und füllt ihre Hürden, mit
(p 21)
Futter nach Gnüge ! Verschafft ihnen unter den Stürmen ein sicheres Obdach, und wachet für sie mit aller ersinnlicher Sorgfalt! Denn, oft rafft des Wirbelwinds Schwinge, im pfeifenden Oste erzeuget, die Bürde ganzer Ebnen empor, und über die unglückseligen Schaafe, die sich in Höhlen zusammengränzender Hügel verborgen, trägt er das wogichte Gestöber versenkend daher.
Wann so der Schnee emporgeht, und tückisch und roh der sämmtliche Winter, sich an der verdunkelten Luft reibt, dann steht in seinen eigenen überworfnen Gefilden der Landmann betäubt und verunglückt. Andre Hügel sieht er mit widriger Stirn entstehen, und andere Scenen, mit graunvoller Aussicht, die pfadlosen Ebnen verwehen. Er entdeckt weder Wald, noch den Fluß, denn, es verbirgt sie zu tief die ungestalte Verödung. Er wandert vom Hügel zum Thale, und kommt immer mehr in die Irre. Ungeduldig drängt er sich durch manche wankende Haufen. Seine Nerven befallen die Heumahtgedanken, und ihre Kraft fordern sie, in manchem vergebnen Versuch auf. Wie sinkt seine unruhige Seele! Welch schwarze Verzweiflung, welch Schaudern ergreifet sein Herz nicht!
(p 22)
wenn statt des dunkelen Fleckes, den die Phantasie zu seiner aus dem Schnee ragenden Hütte gedichtet, er eine wahre Wüsteney antrift, die weit von der Spur, und dem glücklichen Aufenthalte der Menschen entfernt ist; indeß unaufhaltsam die Nacht sich dicht um ihn anschließt, und jedes Gebraus, das über sein Haupt heulte, die Wildniß noch weit mehr verwildert. Dann drängen sich ihm die Bilder auch auf, von verdeckten Gruben, und Tiefen des Abgrunds, von betrüglichen, dem Frost unbezwinglichen Sümpfen, und von ungeheuern Abhängen, die der Schnee abgeebnet. Auch Oerter, wo vielleicht Wasser von nie gefrierender Qwell ist, im lockern Morast, oder im einsamen Teiche. Diese halten seine furchtsamen Tritte zurück, und schon sinkt er unter die Decke eines ungestalteten Haufen, und überdenkt die ganze Bitterkeit seines Todes, mit aller der zärtlichen Angst, die durch den beklemmten Busen, des sterbenden Mannes, die Natur treibt, Weib, Kinder, und Freund ungesehen. Umsonst hält für ihn sein geschäftiges Weib hellloderndes Feuer, und warmes Gewand in Bereitschaft. Umsonst gucken seine Kinder in das unter und über kehrende Blasen hinaus, und
(p 23)
rufen ihren Vater mit Trähnen der ungegleißneten Unschuld. Ach! weder Kinder noch Weib, wird er jemals wieder sehen, nicht Freunde, auch nicht seine Heumaht! Jeder Nerve von ihm bemächtiget sich der tödliche Winter. Er schneidet die Fühlbarkeit, und alle seine Lebensgeister entzwey. Kaltbekriechend legt er ihn der Läng nach im Schnee hin, und von dem nordlichen Anhauch erbleicht, wird er zur erstarreten Leiche!
Wie wenig bedenken es doch, die ausgelassenen Stolzen, von Uiberfluß, Macht und Ergößlichkeit umringt; sie die ihre gedankenlosen Stunden, in schwindelnder Lust, in muhtwilligen Schwelgen wegschleudern! Wenig bedenken sie es, indem da sie herumtanzen, so manche den nämlichen Augenblick den schrecklichen Tod, oder die bittersten Leiden fühlen; wie viel in der verschlingenden Fluht, oder in der noch verschlingendem Flamme hinsinken; wie manche wegen einer Ungleichheit zwischen Menschen, und Menschen, bluten wie manche im äußersten Mangel, oder in Kerkern, von allgemeiner Luft, und dem Gebrauche der eigenen Gliedmaaßen schmachten; wie viele den Kelch des gräulichsten Schmerzen austrinken, oder das Brod der nagenden Trübsalen essen; wie
(p 24)
störrisch von Winden des Winters geschnitten, viele in die beschmutzte Hütte der mühseligen Armuht zusammenschlüpfen; wie manche von den grausamen Foltern des Geistes, von ungebundner Leidenschaft, Tollheit, Verschulden, oder Gewissensbissen beben, wodurch sie von der Höhe des Lebens getaumelt, Stof für die tragische Muse hergeben. Selbst dort, wo die Weisheit, vereint, mit Tiefsinn, Freundschaft und Ruh wohnt, wie viel auch dort von Trieben der Ehre geplagt, in tiefer Betrübniß sich härmen; wie manche um das Todbette ihrer theursten Freunde stehn, und den scheidenden Todeskampf bemerken. Dächte der Mensch doch an diese, und tausend andre namlose Uibel, die zum unaufhörlichen Kampf das elende Leben verwandeln zu einer Scene von Mühe, von Verhängniß und Dulden. Gewiß, es würde das Laster, in seiner Höh erbleicht innenhalten, und die achtlose schwärmende Sucht würde lernen zu denken. Das fühlende Herz der Lieb würd erwarmen, und seinen Wunsch würde das Wohlwollen bald weiter verbreiten. Die gesellige Zähre würde vordringen, und die geselligen Triebe zur hellen, zu stets feinerer Vollkommenheit gedeyen.
(p 25)
Aus der ganzen Strecke der schaudervollen Gebirge, welche die glänzenden Alpen, die windichten Appenine und Pyrenäen in ferne Länder erstaunlich ausdehnen, kommen anitzt durch Hunger getrieben, grausam, wie der Tod, heißhungrig nach Blut, ausgemergelt, und grimmige Wölfe zu raschen Truppen hernieder. Sie überschwemmen die Landschaft, und so, wie der Nordwind den glänzenden Schnee wegfegt, so raffen sie auch alles hinweg. Alles ist ihr Raub. Das muhtige Pferd fallen sie an, drücken es zu Boden, und selbst der kräftige Stier kann seine ernste Stirn vor diesen Mördern nicht schützen. Rasend stiegen sie an den Hals einer Mutter, und reißen das schreyende Kind, von ihren nährenden Brüsten. Das Göttern verglichene Antlitz des Menschen hilft nichts, nicht einmal die Schönheit, die göttliche Kraft, von deren schimmerndem Anblick sich selbst der großmühtige Löwe zu besänftigen scheint, die schwimmet auch hier in ihrem eigenen Blute. Wird aber das vom Angriff benachrichtigte Land versperret, so fallen auch oft durch den Geruch hingelockt, diese Plündrer die Kirchhöfe an, und wühlen den eingewundenen Leichnam sehr tief aus dem Grabe
(p 26)
Doch, itzt kommen sie auch die bey der Kälte vergnüglichen Tage des Winters, und durch die blaue Heiterkeit stiegt, zwar dem Gesichte zu fein, der ätherische Salpeter umher. Er tödtet die ungesunden Dünste, und die erschöpfete Luft versieht er aufs neue mit elementarischem Leben. Die glänzende Athmosphäre schließt dichte sich an, und zusammenziehend bindt sie unsre gestärketen Leiber, in ihre kalte Umarmung. Sie nährt und beseelt unser Blut, und mit schnellerem Gefühl schießen durch die gespannten Nerven, unsere Geister zu dem Gehirne. Dort wohnt die Seele angestrengt, gesammelt, heiter, und kühl wie die Lüfte, und scharf wie die Zeit des Jahres. Alle Natur empfindt des Winters erneuernde Kräfte, ein gedankenloß Auge allein, meynt sie im Ruine zu sehen. Der Erdenkloß zieht die Seele des Wachsthumes an sich, und sammelt fürs künftige Jahr die reichsten und herrlichsten Triebe.
Es ist vollbracht! — Der herbe Winter spannt schon die spätesten Finsternisse aus, und unumschränket herrscht er, über das eroberte Jahr. Wie liegt das Pflanzenreich itzo so tod! Wie stumm ist alles anitzt, was ehdem an Tönen so reich war! Wie weit verbreitet das
(p 27)
Graun doch seine verwüstete Herrschaft! — Sieh hier o sterblicher Mensch, dein Leben genau abgeschildert! Sieh, wie mit wenigen Jahren, dein blühender Frühling vergehet, wie nach der Stärke des Sommers dein nüchtern werdender Herbst ins Alter abwelket, und wie der beschließende Winter zuletzt sich einfindet, und alle die Scenen verschwinden! Ach wohin sind sie doch die Träume von Größe geflohen! Wohin die ungegründeten Hoffnungen nach Glückseligkeit. Wohin die Sehnsucht nach weitberühmten Namen! Jene endlosen Sorgen und jene geschäftigen Tage! Jene so froh verschwendeten festlichen Nächte! Und, jene herumschwärmenden Gedanken, die dein Leben, verloren zwischen Gutem und Bösen getheilet: — Auf ewig sind sie dahin, auf ewig sind sie verschwunden! Nur allein die Tugend, diese unsterbliche, diese nie fehlende Freundinn der Menschen, und ihre Führerinn zur Seligkeit überlebt dieses alles! Und siehe! er ist vorhanden der glorreiche Morgen, die zweyte Geburt der Erd und des Himmels! Die erwachende Natur vernimmt das neuerschaffene Wort, und fährt ins Leben empor, in jeder hoher gewordnen Gestalt, von Pein, und von Tod aus ewig befteyet
(p 28)
Der große ewige Grundriß, der alles umfaßt, und in ein vollkommnes Ganze verrinnt, beginnt sich dem verfeinerten Blick der Vernunft, je weiter nunmehr die Aussicht sich zeigt, so froh aufzuklären! Ihr hoffärtigen Weisen, ihr blinden Verläugner! Nun behtet im Staube, beschämt, jene Gewalt an, und die so oft gemeisterte Weisheit! Seht nun, die Ursach, warum das nicht verdringende Verdienst verstecket gelebt, und ungeachtet gestorben. Warum das Loos des rechtschaffenen Mannes im Leben oft Gall und Bitterkeit war. Warum die einsame Wittwe mit ihren Waisen, in brodloser Einöde darbte, indeß daß Uippigkeit in Pallästen ihr niederträchtiges Denken auf Erfindungen unwirklicher Bedürfnisse angestrengt. Warum die Himmelgeborne Wahrheit und die schöne Mäßigung blutige Striemen von der Geißel des Aberglaubens bekam. Warum der freygelassene Schmerz, dieser grausame Räuber, dieser Busenfeind all unser Glücke vergällte? — Ihr wenigen ädlen, ihr immer Betrübten, die ihr noch hier, doch ungekrümmt unterm Drucke des Lebens steht! Haltet noch aus eine Weile, so wird, was euerem begränzten Blicke, der einen Theil nur sah, ein Uibel ge -
(p 29)
schienen, kein Uibel mehr seyn! Geschwinde werden die Stürme des Winters vergehen, und ein unumgränzbarer Frühling, wird alles umschlingen!