Der Vernünftige Zeitvertreiber
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Der Streit über den Vorrang der Tugend unter beyderley Geschlechter
Der Krieg war beyden Geschlechtern wechselweise angekündiget, und, da es zum Treffen kommen sollte, rückten sie mit ihrer Macht auf ein geraumes Feld aus. Jedes Heer besetzte eine Seite, ließ aber zum Streite, einen hinlänglichen Platz in der Mitte. In beyden Lägern befanden sich viele Hilfsvölker, deren tapferer Muht den Ausschlag vom Treffen geben sollte. An den äußersten Enden aber, kamen neue Regimenter angezogen, die sich noch zur Zeit, für keine der streitenden Partheyen erkläret hatten, und so lange neutral zu bleiben schienen, bis sie sehen würden, was die Sachen für einen Gang nehmen würden.
Auf der Männer Seite wurde der mittelste Haufe der Hilfsvölker von dem herzhaften Muht angeführet. Die Schönheit in Amazonenhabite, hatte weiblicher Seits diesen Posten eingenommen. Der feindliche Feldherr, that sogleich den
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Angriff, und marschirte trotzig darauf los. Er traf aber in den Augen des schönen Commandirenden, so viele Bezauberung an, daß ihn seine Kräfte völlig verließen, und die Waffen aus den Händen fielen. Er stand schon im Begriffe um Quartier zu bitten, als ihm der kluge Bedacht zu Hilfe kam. Dieser commandirte den rechten Flügel des Männerheeres, und würde gewiß den Sieg erzwungen haben, wann nicht das schöne Geschlecht, den General List der ihren linken Flügel anführte, gegen ihn hätte anrücken lassen. Es verdiente die größte Aufmerksamkeit, wenn man den Angriff, und die Vertheidigungen, dieser beyden fürchterlichen Kriegeshelden betrachtete. Bald theilte man diesem den Sieg zu, bald aber schien er, sich auf die andere Seite zu neigen. Nach einem langen, und hartnäckigem Gefechte bemerkte man, daß sich der kluge Bedacht völlig aus dem Athem gefochten hätte, da hingegen List, durch seine arbeitsame Bemühung, immer neue Kräfte zu schöpfen schien.
Aber, dem Ansehen nach, war das Glück auf dem linken Flügel der Männer, welcher von einem alten, unter den Waffen grau gewordenen Officiere, der Gedult hieß, commandirt wurde, desto gün-
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stiger. Der General, den man ihm entgegen setzte, führte den Namen Verachtung. Er focht nach Art der Parthen, und glaubte, seinen Feind zu besiegen, wenn er seinen Streichen auswiche, und fliehend scharmuzierte. Dieses Spiel trieb er beym Anfange des Treffens mit so großer Geschicklichkeit, daß man ihm schon mehr als einmal den Sieg zutheilen wollte. Aber, als er endlich, durch die unaufhörlichen Verfolgungen, und Angriffe eines Feindes, der hundertmal abgetrieben wurde, aber sich lanch hundertmal wieder zusammenraffte, matt und mürbe gemacht war, wollte er sich schon zum Kriegsgefangenen ergeben, als man auf einmal eine starke Bewegung einiger Truppen, die bisher eine genaue Neutralität beobachtet hatten, bemerkte. Der Anführer desselben war von Riesengröße, und besaß eine ungeheure Stärke. Der Grimm funkelte ihm aus den Augen, und man nennte ihn Wohllust. Er kämpfte wie ein Löwe, und hinterließ sowohl in dem einen, als dem andern Heere, die kenntlichsten Zeichen seiner Raserey.
Das Heer des schönen Geschlechtes, glaubte seinem Wüten Einhalt zu thun, indem sie ihm einen ungemein schönen,
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und jungen Helden entgegen stellte. Sein Name war Bescheidenheit, und ein anderer Kriegsheld, der eine etwas trotzige Soldatenmine hatte, unterstützte denselben. Diesen nennen die Menschen Ehre, die Götter aber heißen ihn Hochmuht. Dieses tapfere Paar widerstand dem fürchterlichen Generale sehr lange, und nöhtigte ihn endlich, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben.
Dieses erschreckliche Ungeheuer, welches in dem weiblichen Heere ganze Haufen niedergeworfen hatte, fiel endlich in diejenigen ein, welche für das Interesse der Männer fochten. Vergebens suchten sie seinen Streichen zu entgehen, indem sie ihm einen falschen Helden entgegen setzten, der den Namen Heldenthum führte. Er griff seinen Feind nicht anders, als mit anzüglichen Reden an, und ergab sich fast ohne Schwertstreich.
Die Weisesten dieser beyden Heere, welche eine allgemeine Niederlage befürchteten, entschlossen sich hierauf, ihr beyderseitiges Interesse zu vereinigen, und ihre Kräfte wider den allgemeinen Feind anzuwenden. Zu dem Ende rafften sie einen Haufen auserlesener Truppen zusammen, und trugen einem Kriegsmanne von mittlerem Alter, dessen
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Name bedachtsame Tugend war, das Commando darüber auf. Diejenigen, welche ihn nicht kannten, befürchteten aus seiner gesetzten, und kaltsinnigen Mine, daß er wider den Riesen nicht lange aushalten würde. In der That konnte man sich auch aus seinen erstern Bemühungen nichts weniger, als einen guten Erfolg versprechen. Allein, jemehr er kämpfte, und je öfter seine Streiche fielen, desto mehr sah man, daß daß Ungeheuer gezwungen ward, den Kampfplatz zu räumen.
Kaum hatte es sich durch die Fluchtgerettet, so sah man schon einen andern Feldherr, der bisher neutral geblieben war, anrücken. Es war der junge Prinz von
Paphos, und
Cythere, Namens Liebe. Er befand sich an der Spitze von zehntausend geflügelten Kindern, welche kleine sehr spitzige Pfeile auf beyde Heere abschossen. Die Wunden, so sie machten, waren mit einem lebhaften, und empfindlichen Vergnügen begleitet, und erweckten zwischen beyden Partheyen den Geist der Freundschaft, und der Versöhnung. Sogleich sah man, wie sie sich ganz vertraulich die Hände reichten. Ihre Augen schwollen von Freudenträhnen, und sie wünschten nichts mehr, als alle ihre Un-
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einigkeit in ihren Umarmugen zu vergessen.
Dem Feldherrn von dem wir zuletzt gesprochen haben, folgte ein anderer, der Ehstand hieß, auf dem Fuße nach Indem dieser die guten Neigungen, welche Liebe, sein naher Anverwandter in den Herzen erreget hatte, sich zu Nutze machte, fügte er die Hände einer großen Menge zusammen, und vereinigte sie, auf die Vorsprache seines Freundes.
Da dieses vorgieng, hatten sich zwee berüchtigte Hauptbetrüger, Geldgeitz, und Ehrgeitz, heimlich unter die Truppen geschlichen. Beyde waren eben so, wie der General Liebe gekleidet, und so frech, daß sie dem Ehstande verschiedene Paare zuführten, die er auch unachtsamerweise wirklich miteinander verband. Doch, darüber darf man sich eben nicht wundern, denn dieser Herr stehet in dem Russe, daß er ein wenig dumm sey.