Der Vernünftige Zeitvertreiber
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Nouraddin, und Amana, eine morgenländische Geschichte
Die folgende Erzählung wird durch eine morgenländische Tradition einem gewissen Heli Ben Hamet, einem arabischen Sittenlehrer zugeschrieben, der seine Lehren in öffentlichen periodischen Reden mitgetheilt haben soll. Diese Tradition stimmt mit der Einrichtung des Eingangs überein, und hat auch vielleicht keinen andern Grund. Allein, die Tradition selbst, sie mag gegründet seyn oder nicht, ist doch ein hinreichendes Zeugniß, den Heli für den gelehrten Abentheurer einer entfernten Zeit und Nation anzusehen. Und wie nur ein einziges Blatt von seinem Werke noch vorhanden ist, so mache ich mir kein Bedenken, es dem meinigen einzuverleiben.
„Verlangst du eine Fackel, um den Schimmer des Morgens zu entdecken? Forderst du Schlußreden um dich von der göttlichen Vollkommenheit zu überzeugen? — Schau auf die Erde her-
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ab, worauf du stehest; und hebe deine Augen zu den Welten auf, die sich über dir wälzen." Du erblickest Glanz, Reichthum, und Schönheit. — Ist nicht der, so sie erschuf, mächtig? du sinnest nach: ist nicht der, so deinen Verstand bildete, weise? Du geniesest: ist nicht der, so deine Sinnen vergnügt, gütig? Kann etwas anderes alle seine Weißheit, seine Gütigkeit eingeschränkt haben? Oder können Mängel in seiner Scharfsichtigkeit, durch die deinige entdecket werden? Dem Heli, dem Prediger der Demuht und Zufriedenheit laß dein Ohr wiederum aufmerksam seyn, du, dessen Herz insgeheim sich empöret, und dessen Wunsch stillschweigend deinen Schöpfer getadelt hat!
Ich stund des Morgens früh auf, um nachzudenken, damit ich ohne Verwegenheit hoffen könnte, gehört zu werden. Ich verließ meine Wohnung, ich verließ den gewöhnlichen Pfad, und schwärmete, ohne meinen Weg zu bemerken, oder etwas unterwegens wahrzunehmen, herum, bis die äusserste Hitze der Sonne, die sich dem Mittage näherte, meine Aufmerksamkeit erzwang. Die Mattigkeit, so ich mir durch die Länge meines Spaziergangs unvermerkt zugezogen hatte, wur-
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de fast unerträglich. Ich sah mich nach einem Schatten um, und bemerkte plötzlich, daß ich nicht fern von dem Walde war, worinn Rhedi der Einsiedler den Geheimnissen der Natur nachspüret, und ihren Gott verehret. Die Hoffnung, meine Betrachtung durch seine Weisheit zu verbessern, gab mir neue Kräften. Ich erreichte bald das Gehölze; ich wurde durch den kühlenden Schatten erfrischt, und gieng weiter, bis ich die Zelle erreichte. Ich gieng hinein aber Rhedi war abwesend. Ich hatte aber doch nicht lange gewartet, als ich ihn durch die Bäume in einiger Entfernung entdeckte: Er näherte sich nur mit einer Person, deren Miene, wo möglich, noch ehrwürdiger war, als die seinige, und die ich zuvor nie gesehen hatte.
Als sie heran kamen, stund ich auf, legte meine Hand auf meine Lippen, und bückte mich ehrerbietig vor ihnen. Rhedi grüßte mich bey meinem Namen, und stellete mich seinem Mitgefährten vor, für welchem ich mich wiederum auf die Erde bückte. Als er mir starr in das Gesicht gesehen hatte, legte er seine Hand aaf mein Haupt, und segnete mich, „Heli sagte er, die, welche Einsicht wünschen, damit sie Tugend lehren wögen,
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sollen nicht fehl wünschen. Setze dich ich will dir Begebenheiten erzählen, die du bisher nur zum Theil weißt; und Geheimnusse der Vorsehung offenbaren, aus denen du Unterricht wirst schöpfen können — Wir setzten uns,
und ich horchte wie auf den Raht eines Engels, oder auf die Musik des Paradieses."
Amana, die Tochter Sanbad des Schäfers schöpfte Wasser aus der Qwelle Adail, als eine Caravane, welche durch die Wüste gereiset war, anlangte, und der Treiber der Cameele abstieg, dieselben zu tränken. Diejenigen, welche zuerst zu dem Brunnen kamen, gehöreten dem Nouraddin, dem Kaufmanne, welcher feine Leinewand, und andere kostbare Waaren aus Egypten gebracht hatte. Amana hatte sich, bey Annäherung der Caravane, mit ihrem Schleyer bedeckt, welchen Nouraddins Knecht, um eine viehische Neubegierde zu stillen, wegzureissen versuchte.
Amana, durch den Schimpf gereitzt, und durch die Gegenwart anderer ermuntert, schlug ihn mit dem Stabe; und er wolte diese Gewalttätigkeit erwiedern, als Nouraddin, welcher selbst bey der Caravane war, ihm zurufte, daß er es
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unterlassen sollte, und augenblicklich, nach dem Brunnen eilete. Der Schleyer der Amana war im Handgemenge herabgefallen; und Nouraddin wurde von ihrer Schönheit bezaubert. Die liebenswürdige Verwirrung beleidigter Schamhaftigkeit, so auf ihren Wangen glühte, die Verachtung, so ihren Busen aufschwellete, und der Zorn, der in ihren Augen blitzte, drückten ein Bewußtseyn ihres Geschlechtes aus, welches ihre Schönheit befeuerte, und begeisterte. Dieß waren Reitze, die Nouraddin nie gesehen, und sie erregten eine Empörung in seinem Herzen, die er nie empfunden hatte. Denn, Nouraddin, so reich er auch schon damals gewesen, war noch ein Jüngling, und hatte kein Weib erkannt. Die Waaren, so er mitbrachte, waren von seinem Vater gekauft worden, den der Engel des Todes auf der Reise überfallen hatte, und der plötzliche Besitz von Unabhängigkeit und Reichthum gestattete ihm nicht, die Ungestümmigkeit der Begierde zu bezäumen. Er hielt also um Amana bey ihren Aeltern an. Seine Werbung wurde mit Dankbarkeit und Freude angenommen, und Nouraddin führete sie kurz nachher nach Egypten zurücke, nachdem er zuvor den
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Knecht, der sie beleidigt, mit eigener Hand abgestraft hatte.
Allein, er verschob die Feyerlichkeit der Vermählung bis die Trauerzeit um seinen Vater vorüber seyn würde: und die Befriedigung einer Leidenschaft, die er nicht unterdrücken könnte, wurde ohne viele Schwierigkeit nunmehr verzögert, da er ihren Gegenstand in seiner Gewalt hatte. Er schmeckte zum voraus die Glückseligkeit, die er glaubte, sich gesichert zu haben, und meynte, dieselbe würde, wie ein Schatz durch den Wucher wachsen, von dem man immer desto mehr besitzt, je länger der Besitz verschoben wird.
Während dieser Zwischenzeit erholete sich Amana von der lärmenden Freude über ihre plötzliche Erhebung. Ihr Ehrgeitz war vergnügt, und sie wurde gegen die Liebe empfindlich. Nouraddin, der ihre geringe Herkunft nur deswegen bedaurete, weil sie die Anbauung ihres Verstandes verhindert hatte, bestrebete sich ohne Unterlaß, diesen Mangel zu ersetzen. Sie nahm seinen Unterricht nicht nur mit Dank, sondern mit Entzücken, an. So lang er sprach, blickte sie mit Ehrerbietung und Hochachtung auf ihn,
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Und wünschte nichts, als die Glückseligkeit zu erwiedern, die er sich so eifrig bestrebte ihr mitzutheilen.
Um diese Zeit besaß der Caliphe Osmin, den egyptischen Trohn. Osmins Leidenschaften, wie du weißt, waren ungestümm, wie der Strohm Alared, und verderblich, wie der Wirbelwind der Wüsten. Begierden erregen und vergnügen, war das einzige Bestreben seines Gemühtes; allein, sein Wunsch war noch immer unerfüllet, noch immer war sein Leben elend. Sein Serail war mit Schönheiten angefüllt; aber die Macht der Schönheit hatte er erschöpft. Er wurde gewaltthätig, seine Begierde durch einen neuen Gegenstand zu reitzen, den er von Nardic dem Verschnittenen, welchen er nicht nur über seine Weiber, sondern auch über sein Reich gesetzt hatte, mit Drohungen und Flüchen forderte. Nardic ließ daher ausruffen, daß, wer in der Zeit von zween Tagen, die schönste Jungfrau bringen würde, vor dem Caliphen stehen, und der dritte im Reiche seyn sollte.
Caled, der Knecht, den Nouraddin geschlagen hatte, kam mit ihm nach Ägypten zurücke. Die finstere Wildheit seiner Gemühtsart, ward durch die Rach-
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begierde vermehret, und die Düsternheit des Misvergnügens durch Verzweiflung verdoppelt. Als er aber Nardics Proclamation hörete, entzündete sich Freude in seinem Gesichte, wie der Blitz in der Finsterniß eines Sturms. Die Beleidigung, so er der Amana gethan hatte, setzte ihn in den Stand, sich wegen der Bestrafung, so er sich damit zugezogen hatte, zu rächen. Er wußte, daß sie noch eine Jungfrau war, und daß ihr Beylager sich näherte. — Er eilete daher nach dem Pallaste, und verlangte, für Nardic gebracht zu werden, der mitten unter Pracht und Sclaverey, der Schmeicheiey abhängigen Ehrgeitzes, und dem Eifer unumschränkten Gehorsames, blaß und still saß. Seine Stirne war von Angst gerunzelt, und sein Herz schlug für Furcht der Zukunft.
Als Caled für ihn gebracht wurde, warf er sich für ihn auf den Grund. Laß durch das Lächeln meines Herrn, sagt er, einen andern von den Sclaven hervorgezogen werden, die sich in der Dunkelheit verlieren, und laß seine Gnade einen andern aus dem Stamme erhöhen! Aber geruhe meinen Dienst anzunehmen, und vergnüge Osmins Sehnsucht mit Schönheit! Amana wird bald von Nou-
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raddin geehlichet werden, aber nur der Beherrscher von Egypten ist der Amana würdig. Eile demnach, sie zu fordern, sie ist jetzt mit ihm in dem Hause, wohin ich den Botschafter deines Willens, führen werde.
Nardic empfieng diese Nachricht mit freudiger Entzückung. Ein Befehl wurde augenblicklich an Nouraddin geschrieben. Es wurde mit dem königlichen Signet versiegelt, und dem Caled übergeben, der mit einer hinreichenden Mannschaft, sich Gehorsam zu verschaffen, zurück kam.
An diesem Tage war Nouraddins Trauerzeit zu Ende. Er hatte seine Kleidung verwechselt, und seine Person gesalbet. Seine Bildung schimmerte für der Frölichkeit seines Herzens. Er hatte seine Freunde zu seinem Vermählungsfeste eingeladen, und der Abend sollte seine Wünsche erfüllen. Der Abend wurde auch von Amana mit einer Freude erwartet, die sie sich nicht bestrebte, zu verhehlen; und sie verbarg ihr Erröhten an Nouraddins Brust, als Caled mit dem Befehle und der Wache anlangte.
Die Bedienten erschracken, und wurden bestürzt; und Nouraddin, dem diese Begebenheit sogleich gemeldet wurde, rannte verwirrt und bebend aus dem Zim-
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mer der Amana. Als er den Caled sahe, empöreten sich Grimm und Verachtung in ihm, aber der Anblick der Wache machte ihn furchtsam. Caled näherte sich sogleich, und überreichte den Befehl mit höhnischen und frohlockenden Blicken. Sobald Nouraddin das königliche Siegel erblickte, kniete er nieder, es zu empfangen. Nachdem er die Uiberschift einen Augenblick angestaunet hatte, drückte er es in den Zügen des Entsetzens und der Erwartung auf seine Stirne. Der Elende, welcher ihn verrahten hatte, ergötzte sich an der Angst, so er fühlete; und wie er sah, daß er ohnmächtig wurde, und nicht die Kraft hatte, das Papier zu lesen, meldete er ihm den Innhalt. Bey der Amana Namen bebete er auf, als wenn er den Stachel eines Scorpions gefühlt hätte, und fiel sogleich zur Erde nieder.
Caled schritte ohne Gewissensbiß zur Vollziehung seines Auftrages. Er war durch keine Ohnmachten, Zanken, Bitten oder Trähnen zu rühren; sondern, nachdem er Amana nach dem Serail geführet hatte, stellete er sie dem Nardic mit Entzücken und Hoffnung vor. Nardic, dessen Wunsche durch ihre Natur und Leibesbildung geschmeichelt wurde,
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hob ihren Schleyer mit Ungedult, Furcht und Angst, auf. Allein, den Augenblick, da er ihr Gesicht erblickte, hatten seine Zweifel ein Ende. Er warf sich vor ihr, als vor einer Person, nieder, von deren Wohlgefallen sein Leben von diesem Augenblicke an, abhängen sollte. Sie wurde in das Zimmer der Weiber geführt, und Caled wurde noch eben dieselbe Stunde in seine neue Würde eingesetzt. Man wieß ihm ein Zimmer im Pallaste an, und er wurde zum Befehlshaber der Wache ernannt, welche das Thor bewachte.
Als Nouraddin wieder zu sich selbst kam, und fand, daß Amana nach dem Serail war geführt worden, wurde er wechselweise von Raserey und Unempfindlichkeit befallen. Er brachte die Nacht in Unruhe zu, wordurch die Kräften der Natur erschöpft wurden; und des Morgens schloß er sich in das Zimmer der Amana ein, und warf sich auf einen Sopha, in dem Entschlusse, keinen Trost, und keine Lebensmittel mehr anzunehmen.
Indessen, da Nouraddin sich dergestalt der Verzweiflung überließ, hatte Nardics Beschreibung von der Amana den Osmin von seiner Empfindlichkeit erweckt. Er befahl, daß sie sollte vorbereitet werden, ihn zu empfangen; und
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begab sich kurz nachher allein, nach ihrem Zimmer. So sehr er auch der Schönheit gewohnt, und vom Genuß gesättiget war, so konnte er doch Amana, nicht ohne Rührung sehen. Er sah zwar, daß sie weinete, und daß seine Gegenwart sie verwirrete; er glaubte aber, daß ihr Schrecken leichtlich würde besiegt werden, daß er sie durch Freundlichkeit vertraulich machen, und durch Liebkosungen zur Erwiederung, reitzen könnte. Allein, den Augenblick, da er sich ihr näherte, warf sie sich zu seinen Füßen, und bat ihn so inständig, sie zu hören, daß er es ihr lieber erlauben, als versagen wollte. Er hub sie also auf, hielt sie in seinen Armen, und ermunterte sie fortzufahren. „Mein Herr, geruhe, sagte sie, eine Elende zu entlassen, die seiner Gegenwart nicht würdig ist, und Mitleiden mit der Noht zu haben, die keines Vergnügens fähig ist. Ich bin die Tochter eines Schäfers, mit dem Kaufmanne Nouraddin getrauet, dem mein Leib durch die Treulosigkeit eines Sclaven ist entrissen worden, und mit dem meine Seele durch unaustößliche Bande verknüpft ist. — O laß die Schrecken deines Zorns nicht auf mich fallen. — Soll sich der Beherrscher Egyptens zu
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einem Wurm des Staubes erniedrigen? Soll der Richter der Völker den nichtswürdigen Raub der Verrähterey und Rache für sich behalten? Oder soll der, nach welchem zehentausend für Begierden schmachten, sich an dem Leiden eines zerrütteten Gemühtes ergötzen?“ Osmin, dessen Brust wechselweise von Begierde und Zorn entflammet wurde, indem er die Schönheiten der Amana anstaunete, und ihre Stimme hörete, stieß sie nunmehr plötzlich von sich, und lief ohne Antwort, weg.
Als er allein war, blieb er einige Augenblicke zweifelhaft. Allein, die Leidenschaft, welche die Beredsamkeit zurück gehalten hatte, bekam bald wieder die Oberhand, und er befahl, der Amana zu sagen, daß, wenn sie in Zeit von drey Stunden nicht bereitet käme, seine Wünsche zu vergnügen, er den Kopf des Sclaven, für den er verworfen würde, ihr zu Füssen werfen wolle. —
Der Verschnittene, der diese Botschaft brachte, und die Weiber, welche auf des Caliphen Weggehen, zur Amana zurücke gekommen waren, trugen Mitleiden mit ihrer Noht, und zitterten über ihre Gefahr. Das Unglück, dem sie kaum hoffen durften, vorbeugen zu können,
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wollten sie wenigstens verzögern, und gaben ihr daher den Raht, sich drey Tage auszubitten, sich zu bereiten, damit sie ihre Gemühtsruhe hinreichend wieder erlangen könnte, um ihr eigenes Glück zu bedenken, und mit dieser Bitte, zum Zeichen ihres Gehorsams, eine Schaale von Sherbet zu schicken, worinn eine Perle aufgelöst wäre, und wovon sie selbst zu erst tränke.
Nach einigen Kämpfen der Verzweifelung willigte sie endlich in diesen Raht, und bereitete sich, denselben zu befolgen. Um die Zeit, da dieser Entschluß gefaßt wurde, fuhr Nouraddin plötzlich von eine unruhigen Schlummer auf; wurde wiederum von einer augenblicklichen Uiberlegung seines eigenen Elendes gestochen, und hängete dem Verdrusse seines Gemühtes in diesem Ausrufe nach: „Wenn Weisheit und Güte wirklich die Werke der Allmacht regieren, woher kommen Unterdrückungen, Ungerechtigkeit und Grausamkeit? Da Nouraddin allein, ein Recht auf Amana hat, warum ist Amana in der Gewalt des Osmins? — O! daß die Gerechtigkeit des Himmels sich zu meinem Vortheil offenbaren wollte! O, daß ich von dieser Stunde an, Osmin, und Osmin, Nouraddin wäre!"
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Den Augenblick, da er diesen Wunsch ausgesprochen hatte, wurde sein Zimmer wie von einer dicken Wolke verfinstert, die endlich durch einen Donnerschlag zerstreuet wurde: und ein Wesen, das mehr als meuschlich schien, stund vor ihm. „Nouraddin, sagte das Gesichte, ich komme von oben herab: aber mein Ammt ist bey den Kindern des Staubes. Du hast gewünscht, Osmin zu seyn, und soferne dieser Wunsch möglich ist, soll er dir gewähret werden. Du sollst im Stande seyn, seine Gestalt anzunehmen und seine Macht auszuüben. Ich, weiß noch nicht, ob mir erlaubt ist, Osmin unter Nouraddins Gestalt zu verbergen: allein, bis Morgen soll er dich nicht stöhren. "
Nouraddin, den die Bestürzung und der Schrecken unbeweglich gemacht hatte, faßte nunmehr, als in der Gegenwart eines Freundes, wiederum Muht, und wollte eben seine Dankbarkeit und Freude ausdrücken, als der Genius einen Talisman an seinen linken Arm band, und ihm dessen Kraft meldete. „So oft, sagte er, du dieses Armband an dein Herz halten wirst, wirst du dich wechselsweise an Gestalt von Nouraddin, in Osmin, und von Osmin in Nou-
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raddin, verwandeln." Der Genius verschwand hierauf plötzlich, und Nouraddin, welcher ungedultig war die Amana wieder in seinen Besitz zu bekommen, hielt den Knoten des Armbandes sogleich an seine Brust, und fand sich den nächsten Augenblick allein, in einem Zimmer des Serails.
Indessen wurde der Caliphe, der den Ausgang seiner Bohtschaft an Amana erwartete, unruhig und ungedultig. Er verließ sein Zimmer, und gieng in die Gärten, wo er mit einem schnellen, aber ununterbrochenem Schritte auf und ablief; und zuletzt tiefsinnig und düstern, bey einem Brunnen an der Mitte des Ganges stehen blieb, und seine Augen auf dessen helle Fläche heftete. Die Wallung seines Gemähtes daurete fort, und brach zuletzt in dieses Gespräch, mit sich selbst, aus: „Was ist meine Glückseligkeit, und was ist meine Macht? Ich bin elend, aus Ermanglung desjenigen, was der Eigensinn eines Weibes meinem Sclaven gegeben hat. Ich kann, meine Rache, aber nicht meine Begierde sättigen. Ich kann ihm seine Glückseligkeit vorenthalten, aber nicht sie mir selbst verschaffen. Warum kann ich nicht die Gestalt annehmen, worin
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ich Meine Wunsche vergnügen könnte? Ich will sie wenigstens in Gedanken geniessen! Wäre ich Nouraddin, so würde mich Amana entzückt an ihren Busen drücken." — Er überließ sich hierauf wiederum der Macht der Einbildungskraft, und schwieg stille. Allein, den Augenblick, da sein Wunsch ausgesprochen war, gerieht er in die Gewalt des Genius, der so eben der Nouraddin nach seinem Pallaste gebracht hatte. Dieser Wunsch wurde daher augenblicklich erfüllet, und wie seine Augen noch immer auf das Wasser geheftet waren, so entdeckte er mit plötzlicher Verwunderung und Ergößen, daß seine Gestalt in einem Augenblicke war verwandelt worden, und daß der Spiegel ihm ein anderes Bild zurück warf. Seine Einbildungskraft war von den eingebildeten Liebkosungen der Amana entflammt worden, das Getümmel seines Herzens wurde durch das Wunderwerk vermehret, und wie die Befriedigung seiner Begierde der einzige Gegenstand seiner Aufmerksamkeit war; so eilete er augenblicklich nach dem Pallaste, ohne zu bedenken, daß, wie man ihn nicht kennen würde, man ihm den Eingang verwehren würde. Am Thore, dem er begierig und schnell zueilete, wur-
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de er von einer Parthey der Wache angehalten, welche nunmehr unter dem Commando des Caled stund. Es erhub sich ein Lärm und Caled wurde augenblicklich geruffen. Er kam, und glaubte, daß Nouraddin in der Wuht seiner Verzweifelung, über die Mauren des Garten gestiegen, um die Amana zu entführen. Er freuete sich über die Gelegenheit einer Rache, die seine Hoffnungen überstieg, und stieß ihm augenblicklich mit seinem Dolche nieder, bekam aber zu gleicher Zeit des Caliphen seinen in sein Herz.— So fielen auf einmal der Tyrann und der Verrähter! Der Tyrann durch die Hand, die bewafnet war, ihn in seinen Unterdrückungen zu unterstützen, und der Verrähter durch die Wuht der Begierde, die seine Treulosigkeit entzündet hatte.
Immittelst ruhete derjenige, den man für ermordet hielt, ganz sicher, auf einem Sopha; nnd Amana hatte dem Rahte ihrer Weiber zu Folge, die Bohtschaft und die Schaale bereitet. Sie wurden nunmehr an den Caliphen geschickt, und von dem Nouraddin empfangen. Aus der Bohtschaft bemerkte er, daß Amana noch unverletzt war. In der Freude seines Herzens ergrif er daher die Schaale, trank sie aus, schickte sie wieder
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zurück, und befahl, daß Amana vor gebracht werden solte.
Diesem Befehle zu Folge wurde sie von ihren Weibern an die Thüre geführet, trat aber allein, zitternd und blaß, hinein; und ob sich gleich ihre Lippen zur Freundlichkeit zwangen, so waren doch die Züge, welche Schmerzen, Furcht und Abscheu, in ihrem Gesichte geschildert hatte, noch nicht erloschen. Nouraddin, der ihre Verwirrung sähe, frolockte über die Treue ihrer Liebe, lief ihr entgegen, und warf seine Arme, in einer Entzückung von Freude und Zärtlichkeit, um sie; die noch erhöhet wurde, als er sah, daß unter der Gestalt Osmins diese Umarmungen mit Widerwillen erduldet wurden, welche in seiner eigenen mit Eifer waren erwidert worden. Er trat daher einige wenige Schritte zurück, hielt den Talisman an seine Brust, nahm seine vorige Gestalt wieder an, und wolte neuerdings in ihre Arme fliegen. Allein, sie bebte in Bestürzung und Schrecken für ihm zurücke. Er aber lächelte über die Würkung des Wunderwerks, drückte sie an seine Brust, und wiederholte ihr einige zärtliche Zufälle, die sonst niemand wußte, sagte ihr, durch welches Mittel er ihre Botschaft aufgefangen hätte, und
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drang in sie augenblicklich mit ihm zu entfilehen, damit sie aneinander alle ihre Wünsche besitzen, und die Last der Herrschaft dem Elende überlassen könnten, dessen Gestalt er hätte annehmen können, und nun begierig wäre abzulegen. Amana staunete ibn mit beständiger Aufmerksamkeit an, bis ihr Verdacht nnd Zweifel gehoben war. Sie wendete sich als denn von ihm weg, zerriß ihre Kleider, sah gen Himmel, und verwünschte sich so lang, bis ihr die Stimme entgieng, und sie in Thränen zerstoß.
Die Ursache dieser Verzweifelung die Nouraddin mit unaussprechlicher Angst ansahe, erfuhr er endlich durch den unterbrochenen Ausruf der Amana. „ In der Schaale, sagte sie, die du aufgefangen hast, war der Tod. — Als ich sie niedersetzte, wüuschte ich, daß der übrige Trank, Gift seyn möchte. Ein Pulver wurde augenblicklich durch eine unsichtbare Hand hinein gestreuet, und eine Stimme lispelte mir ins Ohr, daß derjenige, der den Trank trinken würde, unvermeidlich sterben müßte."
Nouraddin, dessen Herz die tödliche Kraft nunmehr erreicht hatte, fühlete, daß sein, Tod plötzlich heran stürmete. seine Füße wankten bereits; seine Au-
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gen wurden trüb, er streckte seine Arme gegen Amana aus, und sein Gesicht wurde durch ein vergebliches Bestreben, zureden, verrückt. Eine undurchdringliche Finsterniß überfiel ihn; er ächzte und fiel zurücke. In seinem Falle schlug der Talismann wieder an seine Brust; seine Gestalt wurde wiederum verwandelt, und den Schrecken des Todes, Osmins Züge eingedrückt. Amana, welche herbeyrannte, ihn zu halten, erblickte nicht sobald die letzte Verwandlung, als sie nur der wilden Ungestümmigkeit der Bestürzung und Verzweifelung aus dem Zimmer rannte. Das Serail war augenblicklich in Bewegung. Der Leichnam den man für den Osmin hielte, wurde von den Aerzten besichtigt. Die Wirkungen des Gifts waren handgreiflich. Der Verdacht fiel augenblicklich auf die Amana; und auf Befehl Shomars, der seinem Vater succedirte, wurde sie hingerichtet.—
Dieses, sagt der Mitgefährte des Rhedi, war das Ende Nouraddins und der Amana; des Osmins und Caleds; deren Schicksale ich hier enthüllet habe. Laßt die Welt es betrachten, und weise seyn! Sey auch du der Bohte des Unterrichts, und laß die Vermehrung deiner Einsicht dich in Demuht kleiden!
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Indem mein Auge noch auf den ehrwürdigen Weisen, der mich seines Rahts und Ermahnung gewürdiget hatte, gerichtet war, wurde sein Antlitz strahlend wie der Morgen, und sein Gewand flatternd wie eine Wolke. Er stieg, wie ein Dunst von der Erde auf, und den nächsten Augenblick sah ich ihn nicht mehr.—.
Ich wendete mich hierauf von Ehrfurcht starrend, und von Erstaunen stumm gegen Rhedi den Einsiedler. Allein, Rhedis Antlitz schilderte die ruhige Heiterkeit erhabener Tugend, und ich sahe, daß die Heiligkeit seines Lebens ihn mit göttlichen Lehren bekannt gemacht hatte. „Hamet, sagte er, die Stimme, die du gehöret hast, ist die Stimme Zachis des Genius; durch dessen Macht die Wunder, die er erzählet hat, sind gewirket worden. Zachis Ammt ist, Ungedult und Frechheit, durch die Erfüllung der Wünsche derjenigen zu strafen, welche wünschen, die Ordnung der Natur zu unterbrechen, und sich erkühnen, die Hand der Vorsehung zu lenken. Erzähle, was du gehöret hast, um andere für seiner Macht zu verwahren."
Laßt daher die Tugend ihre Trübsale mit Gedult ertragen, und die Laster sich für dem
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Unglücke fürchten, so es verursachen würde. Denn, derjenige, der sich über die Waagschaale des Himmels ärgert, der vermindert das Loos seiner Glückseligkeit; und wer sich das Schwerd frech anmasset, der wird die Spitze desselben auf sein eigenes Herz kehren!