Galizien und Lodomerien
Zuordnung: historische Region
Heute: in der Ukraine
Weitere Namensformen: Halics, Gácsország, Galícia (ung.)
Bemerkungen:
Bis 1772 hatten die Teilgebiete Galiziens (Rotreußen, Kleinpolen) keine einheitliche gemeinsame Geschichte. Mit der Namengebung »Königreich Galizien und Lodomerien« knüpfte Österreich an die mittelalterliche Geschichte des Ostteils Galiziens, des Fürstentums Galitsch (Halitsch, ukrainisch Halytsch, latinisiert »Galicia«) am Dnjestr, an. Österreich richtete nach 1772 eine zentralistische Verwaltung im »Königreich Galizien und Lodomerien« mit einem in Lemberg residierenden Gouverneur und deutschen und tschechischen Beamten ein (seit 1849 meist Kronland; 1786–1849 unter Anschluss der Bukowina), nahm aber auf die ethnischen Verhältnisse (47 % Polen, 45 % Ukrainer, 6 % Juden) kaum Rücksicht (Februarpatent). Die örtliche Verwaltung lag bei den Kreishauptleuten (18 Kreise wurden gebildet), durchweg landfremden Beamten. Die Sozialstruktur blieb trotz der Bauernbefreiung unter Joseph II. unverändert, da die Bauern kein Gutsland erhielten. Die Ansiedlung von 5 000 deutschen Familien (meist Protestanten aus der Pfalz) im ukrainischen Ostgalizien durch Joseph II. (ab 1774/81) sollte der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes dienen. Die Siedlungen blieben bis zur Umsiedlung der etwa 64 600 Galiziendeutschen 1939/40 (»Vertragsumsiedler«) als deutsche Sprachinseln bestehen. Im 18. Jahrhundert war Galizien ein bedeutendes Zentrum ostjüdischen Kultur- und Geisteslebens. Die Einschränkungen der jüdischen Ansiedlung und Selbstverwaltung (v. a. Toleranzpatent 1789) führten zur Abnahme der jüdischen Bevölkerung in Galizien, die im 19. Jahrhundert (Freizügigkeit durch das Oktoberdiplom von 1860; rechtliche Emanzipation durch die Dezemberverfassung von 1867) wieder enorm anstieg (1803: 400 000; 1910: 900 000, 10,5 % der Bevölkerung).
Quellen:
BROCKHAUS