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V. Jahrgang, XIV. Stück, den 5. April 1775.
I. Wissenschaften
In dem XII. Stücke, in dem wir den Inhalt der Beyträge zu verschiedenen Wissenschaften, von eininigen östreichischen Gelehrten angezeigt haben, versprachen wir aus jenen Abhandlungen, die nach dem Geschmacke unserer meisten Leser uns zu seyn scheinen einen Auszug zu liefern. Nun machen wir mit der dritten den Anfang:
Von der wahren Größe, die der Durchmesser des vollen Mondes oder der Sonne zu haben scheint, wenn man ihn mit freyen Augen ansieht.
Der kaiserlich - königliche Astronom, unser berühmter Herr Maximilian Hell,
ist der Verfasser. Wir wollen uns der eigenen Worte dieses großen Gelehrten, so viel es seyn kann, bedienen.
Wird den erfahrensten Männern die Frage gestellet: Wie groß sie wohl glauben, daß der Durchmesser des vollen Mondes scharf sehenden freyen Augen vorkomme? So hat man verschiedene Antworten zu vernehmen: einige setzen ihn auf 8. Zolle, andere auf 6. bis 7. und die ihm am wenigsten geben, zählen 5. oder 4. Zolle.
Sage man ihnen die Scheibe des vollen Mondes, wenn er in der mittlern Entfernung von der Erde ist, käme dem scharfsehenden freyen Auge nicht größer vor, als ein Zirkel, dessen Durchmesser 1 37/100 Linie hat, den man vom Auge einen Schuh weit entfernet betrachtet*); so werden sie
*) Der Herr Verfasser richtet sich in dieser Abhandlung nach dem Pariser Maaße.
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es nicht nur für eine höchst widersprechenden Sache ansehen; sondern auch behaupten: man rede wider die allgemein angenommene Meynung, und nähme einen unglaublichen und ganz sachlichen Satz an.
Wir behaupten also, schreibt der Herr Verfasser: Der Mondesteller des vollen Mondes, wenn dieser in der mittlern Entfernung von der Erde ist, komme dem scharfsehenden Auge nicht größer vor, als ein Zirkel, dessen Durchmesser 1. Lin. und 37/100. einer Linie hat, der in der Entfernung eines Schuhes vom Auge betrachtet wird. = = = Wir nehmen aber darinn die Entfernung dieses Zirkels vom freyen Auge einen Schuh weit an, weil die gesunden Augen derer, die sowol in der Ferne, als in der Nähe gut sehen, die kleinen Gegenstände zum besten aufnehmen, wenn sie einen Schuh weit vom Auge entfernet sind; und beynebens ist diese vestgesetzte Entfernung eines Schuhes zur Bestättigung meines Satzes darum nothwendig, weil die Größe der Gegenstände, wenn man sie mit freyen Auge ansieht, nach dem Maaße der Entfernung vom Auge verändert wird; daher muß man eine gewiße Distanz annehmen, in der allein die Wahrheit unsers Satzes kann eingesehen werden, und diese Distanz ist die Weite eines Schuhes.
Die Wahrheit dieses Satzes wird durch einen trigonometrischen Kakul, den wir hier übergeben: dann aber auch aus der Erfahrung bewiesen: "Man halte das Auge in der Entfernung eines Schuhes weit vom Glase des Fensters, durch welches man den Vollmond betrachtet, und messe in dieser Entfernung mit einem Cirkel den Durchmesser des Mondes wie man ihn durch das Fenster auf dem Glas sieht: man
übertrage diesen Durchmesser des Mondes auf einen in Linien und hundert Theile einer Linie getheilten Maaßstab, und man wird sich von der Wahrheit unsers Satzes
selbst überzeugen. Man kann eben dieses versuchen, wenn man mit dem Auge einen Schuh weit vom Fenster entfernet, auf dem Glase mit einem Grisel den Umkreis der Mondscheibe abreißet: man erhält das nämliche, wenn man den
Durchmesser des Mondes, den man durch das Fenster siehet, zwischen zwo parallellinien die den Umkreis des Mondes berühren, einschließt; oder wenn man das Bild des Mondes in einem flachen Spiegel auffängt, und in der Entfernung eines Schuhes weit vom Auge messet: oder endlich, wenn man einen Zirkel, dessen Durchmesser 1 37/100. Linie enthält, auf weißem Papier abzeichnet, und vom Auge
einen Schuh weit entfernet, mit dem Monde vergleichet. Dieses sind die Erfahrungen, die einen von der Wahrheit dieses Satzes überweisen können."
Der Herr Verfasser erkläret hierauf die Ursachen: warum der volle Mond, der in der Entfernung eines Schuhes so klein zu seyn geschiehnen, in einer
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weitern und größern vom Fenster auch viel größer zu seyn scheine. Der Mondesteller (dieser ist unveränderlich) wächset bey der Entfernung vom Fenster nicht an; sondern die Figur des Vierecks des Fensterglases wird durch die Entfernung vom Fenster so lange verkleinert, bis sie endlich einerley Größe mit dem Mondesteller im Netze des Auges bekommt, und dann von ihr gänzlich übertroffen wird.
Der aufgehende Mond ist vom Auge fast um den ganzen Halbmesser der Erde, das ist um 860. Meilen, weiter entfernet, als wenn er dem Scheitelpunkt nahe ist.
Der Herr Verfasser berichtiget, nach diesem seinen Satze, eine Stelle in den englischen philosophischen Transactionen, in welchen Meldung geschieht, von dem Durchgange der Venus vor der Sonne des 1761sten Jahres am 184. Blatte, 35. Num. Herr Dunn hat darinne den scheinbaren Durchmesser der Venus, die er durch ein Sehror angesehen, das die Gegenstände 220Mal vergrößerte, auf 5 1/2 Zoll angegeben: Unser berühmter Astronom beweiset, daß derselbe nicht mehr als 9. Linien habe betragen können.
Hierauf wird der Nutzen dieser Entdeckung in drey Absätzen erörtert.
Zum Beschluß setzt der Herr Verfasser hinzu, die Art, wie man sich überzeugen könne, daß der Durchmesser der Sonne in der mittlern Entfernung dem freyen Auge nicht größer erscheine, als 1 42/100. eine Linie.
Dieses kann erstlich geschehen durch den trigometrischen Kalkul, den wir hier abermal weglassen.
Zweytens durch die Erfahrung selbsten: erstens wenn man die Sonne durch ein flaches, durch ein rauh- oder sonsten verdunkeltes Glas ansiehet.
Drittens: Da die Sonne durch die Wolken scheinet, wenn man das Sonnenbild auf einen Spiegel, oder im Wasser, welches einen Schuh weit vom Auge entfernet ist, betrachtet, und auf oben angezogene Art messet.
Ein guter Astronom und Optiker wird aus den in der Abhandlung erörterten Sätzen noch mehrere richtige und wichtige Folgen ziehen können. Dieses sagen wir mit dem Herrn Verfasser.
II. Naturgeschichte.
Fortsetzung der Recension der in vorhergehenden Stücke angezeigten Bornischen Beweise.
Dies wäre also der kurze Auszug aus den lesenswürdigen Briefen des Herrn Bergraths von Born,
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welchen wir zur Ergänzung derer von uns beschriebenen Petrificaten und Steinspiele, hier einzurücken, für nöthig erachtet haben. Hätten wir von dieser Art mehrere Reisende und Reisebeschreibungen in Ungarn, die in einer so kurzen Zeit, von drey bis vier Monathen, so viele Entdeckungen in dem Mineralreiche, zu machen, das nämliche Glück haben möchten; so würde dadurch die Naturgeschichte, so wohl in ihrem ganzen Umfange, als auch in ihren besondern Theilen, was unser Vaterland betrift, in sehr kurzer Zeit einen nicht geringen Zuwachs erhalten, und die Klagen *) über den Mangel der Beyträge, und vielleicht auch endlich über die Schläfrigkeit unsrer Mitbürger, müßten nach wenigen Jahren völlig afuhören. Allein es fehlet zu dergleichen gemeinnützigen Unternehmungen machem an der Zeit und Gelegenheit, andern an hinlänglicher Kenntniß und Erfahrung in dergleichen Dingen; dem größten Theile aber am Geschmack und Belieben daran. Daher gelinget es nur einem von Born, bey dem durch die Natur und das Glück alle dazu nöthige Eigenschaften zusammen gekommen sind. Wir hoffen von diesem eifrigen und gelehrten Naturforscher noch mehrere Früchte seines Fleißes, zu sehen; wir trauen der Versicherung, die er uns in seinen Briefen gegeben, und wünschen, daß sein rühmliches Beyspiel, bey vielen, einen Eindruck machen, und sie zur eifrigen Nachfolge ermutnern möchte!
Außer dem, was wir aus diesen Briefen herausgezogen haben, finden wir noch in Ansehung dessen, was wir im IV. Jahrg. S. 44. von einer gewissen Art inkrustirter Krebse angebracht, etwas zu erinnern. Die Sache hat ihre Richtigkeit: nur müssen wir jenen zu gefallen, denen etwa die Lust ankommen möchte, dergleichen Krebße selbst aufzusuchen und zu fangen, den Bach, darinnen sie befindlich sind, etwas genauer bezeichnen: Es fließet derselbe allerdings naha bey Lutschka, dennoch aber ist er dem Dorfe Kalameny noch näher, und eben hier bey diesem Dorfe müßen dergleichen Krebße gesuchet
*) Der Herr Bergrath von Born, klaget darüber in seinem zwanzigsten Briefe, S. 202. 203. mit folgenden Ausdrücken: "Wäre das Studium der natürlichen Geschichte, daß man in Ungarn auch kaum den Namen nach kennet, und itzt höchstens nur von ein paar fremden betrieben wird, in diesem Lande mehr verbreitet, so würde man aus diesen Gegenden, in kurzer Zeit mehrere Beyträge zur Naturgeschichte liefern können, als vielleicht aus einem Lande in der Welt. Aber leider! wird man den, wenigstens in Absicht auf diese Wissenschaft, saumseligen Einwohnern, eines so edlen Landes noch lange mit dem ehrlichen Seneca zuruffen können: "Sicut barbari plerumque inclusi & ignari machinarum, segnes, labores obsidentium, spectant, nec quo illa pertineant, quae ex longinqou sernuntur, intelligunt, idem vobis evenit. Marcetis in rebus vestris, nec cogitatis." Unpartheyische Leser, die eine genauere Kentniß von den Bewohnern des Königreichs haben, mögen das Urtheil des Herrn Bergraths wägen.
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werden. Die Erfahrung aber hat uns auch davon überwiesen, daß man unter
hundert Krebßen, die hier gefangen werden, kaum einen einzigen inkrusirten antrift. Was die wahre und eigentliche Ursach davon seyn mag, können wir bisher weder ergründen, noch erklären. Solche inkrustrirte Krebße können in der Luft getrocknet und als eine Seltenheit, in einem Naturalien-Kabinette aufbehalten werden.
In dem XXXIX. Stück eben desselben Jahrganges, haben wir S. 311. von der menschlichen Kraft einiger Steinverhärtungen im Wasser gedacht; wohin wir dasjenige nothwendig auch rechnen müssen, was Herr Fridwalßky in seiner Mineralogia Magni Principatus Transilvaniae*) von einer gewissen Art Tropfsteine (Stalactires) berichtet, die man in Siebenbürgen, in der Provinz Talmatsch in einer Höhle antrift, daß nämlich dieser Tropfstein die Kraft besitze, bey allerhand vernünftigen und unvernünftigen Thieren weiblichen Geschlechts die Milch zu vermehren. Die Mütter, die Säuglinge zu ernähren haben, dürfen nichts anders thun, als daß sie durch einen röhrichten Tropfstein, der in dieser Höhle entstanden ist, Wasser in sich ziehen, und trinken: den Weiblein unvernünftiger Thiere aber, schüttet man den Tropfstein mit ordinärem Wasser vermischt, in die Tränke. Die Anwendung un der Gebrauch dieses Mittels, soll, wie der Herr Verfasser berichtet, so sicher und unfehlbar seyn, daß die gehofte Wirkung, und ein erwünschter Erfolg, denen die es brauchen, niemalen fehlschlagen könne.
ab H.
III. Vermischte Nachrichten.
Fortsetzung, der verschiedenen Gebräuche fremder Völker, bey ihren Verheurathungen.
In Pegu*) werden, wie es in den meisten morgenländischen Gegenden geschiehet, die Weiber gekauft. Wann aber den Mann seine Wahl über kurz oder lang gereuet, so kann er sie wieder entlassen. Eine gleiche Freyheit hat auch das Weib, und so kann, wann ihr der Mann nicht anstehet, ihn wieder verlassen; in diesem Falle aber ist sie gehalten, das für sie erlegte Geld zurückzugeben. Man hat hier die seltsame
*) Fridval Mineral. Part. VI. §. 4. pag. 181. "Stalacliter, hunc subministrat provinciola Talmacs Valachiae contermina, qua semita ad vicum Porcsedt tendit, specus est, qui post augustum sui aditum, ubi in prolixius usque spatium extenditur, undique stalactite consitus est, hoc incolae ad multiplicandum lac utuntur; Mulieres aquam per sistulorum stalactitem sorbilant, sed animantibus foeminia aquam mixtam praebent, nec unquam desiderato effectu frustrantur.
*) Aus den Schelden und Lindschoten.
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Gewohnheit, daß die Töchter von ihren Eltern, den Ausländern angebothen, und vermiehthet werden. Ueberhaupt sind die Weiber gegen die Ausländer sehr gefällig, und auf die Heurathen mit Europäern sehr erpicht. Die meisten, die sich des Handels
wegen, in dieses Land begeben, miethen sich eine Frau auf die Zeit ihres Aufenthalts, und finden meist dabey ihren guten Vortheil. Denn diese Weiber sind sehr verbindlich und gehorsam, und besorgen die häußliche Wirthschaft auf das pünklichste und getreueste. — Wann eine Absönderung zwischen beyden Eheleuten geschiehet; so muß der Vater für die Knaben, die Mutter aber für die Töchter sorgen. Reiset der Mann ab, so kehret die Frau wieder zu ihren Eltern, und hat deswegen nicht die mindeste Hinderniß, wegen einer Heurath zu besorgen. Kömmt der Mann aber wieder in das Land, und findet sie verheurathet; so kann er sie von dem Manne verlangen: sie wird ihm auch ohne Widerrede verabfolget, nach seiner Abreise aber, nimmt sie der Mann wieder zu sich. Es gereichet auch keinem Weibe zur Schande, wann sie mehrere europäische Männer gehabt hat; ja, es ist kein vornehmer in Pego, vom Edelmanne bis zum Könige, der ein Mädchen heurathet, ehe ein Europäer mit ihr gelebet hat.
Die Landesgewohnheit erlaubet den Töchtern in Siam *) keinen Umgang mit den Mannspersonen, sie werden von den Müttern sorgfältig gehütet, und wegen der geringsten Ausschweifung auf das schärfste gestrafet. Um das zwölfte Jahr bekommen sie schon Kinder, und daher werden sie auch sehr frühzeitig verheurathet. Die Eltern der jungen Mannspersonen, werben mittelst betagter und wohlberüchtigter Frauen, um die Mägdchen. Bekommen sie die Einwilligung ihrer Eltern, so müßen sie die Geburthsstunde des Freyers sagen, und man berichtet ihnen ein gleiches von den Mägdchen. Beyde Theile gehen sodann zu einem Wahrsager, und vernehmen von ihm, ob die Ehe bis an den Tod ohne Scheidung geschehen könne? Hernach besucht der Freyer seine Geliebte zu drey verschiedenen malen, und bringt ihr einige geringe Geschenke. Bey dem dritten Besuche erscheinen die beyderseitigen Anverwandten, bestimmen das Heurathsgut, und zahlen einander ohne weitere Ehestiftung sogleich auzs. Die neuen Eheleute werden von ihren Anverwandten beschenket, und der Bräutigam tritt sogleich in alle Recht des Ehestandes, ohne alle Cäremonien ihrer Priester. Erst nach einigen Tagen, kommen ein paar Pfaffen, besprengen die Neuverehelichten mit ihren gesegneten Wasser, und sprechen einige Gebethe über sie. Bey der Hochzeit wird geschmauset, und den Gästen allerhand Ergötzlichkeiten, von Tanzen und Schauspielen verschaffet. — Die Siamer können zwar mehr als eine Frau nehemen, der
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gemeine Mann aber bedient sich dieser Freyheit nur selten, und selbst die Reichen, und Vornehmen, thun es mehr aus Pracht, als aus Wollust. Nebst dem hat die vornehmste Frau, welche Großfrau genennet wird, allemal mehr, als die übrigen zu sagen. Denn die andern sind nichts als Leibeigene, und haben den Titel kleiner Frauen. Ihre Kinder nennen ihren Vater allezeit Herr, da der Großfrau ihre, ihn nur schlechtweg Vater heißen. In die nächsten Grade der Blutsverwandschaft, darf man hier nicht heurathen, worunter jedoch Geschwisterkinder nicht begriffen sind.
Die Chineser*) sehen den Ehestand, als eine der größten Verbindlichkeiten an; daher hält es ein Vater für schimpflich, wann er nicht alle seine Kinder verheurathet; und ein Sohn ist trostlos, wann er keine Erben hinterläßt. — Weil sich das
chinesische Frauenzimmer nie vor den Männern sehen läßt, so werden die
heurathen, blos durch dazu bestellte alte Weiber, oder Kuplerinnen zur Richtigkeit gebracht. Die Eltern sind daher auf alle Art besorgt, daß eine vortheilhafte Abbildung von ihren Töchtern gemacht wird, und deswegen geschieh es nicht selten, daß diese Weiber bestochen werden: sie entgehen aber der Strafe nicht, wenn sie den Betrag zu weit treiben. Ist nun durch diese Unterhändlerinnen alles zur Richtigkeit gebracht, der Heurathsvergleich unterzeichnet, und das Geld, worüber man sich verglichen, ausgezahlet worden, so mach man Anstalten zur Hochzeit. Indessen werden verschiedene Gebräuche beobachtet, unter welchen diese die vorzüglichsten sind, daß beyde Theile ihren Anverwandten allerhand Geschenke machen. Die meisten ziehen auch die glücklichen Tage zu Rathe, welche zur Hochzeit am tauglichsten befunden werden. Dieses aber ist nur unter gemeinen Leuten gebräuchlich; denn die Ehebündnisse vornehmer Personen, werden viel prächtiger, und auf eine weit edlere Art vollzogen. Nach Berichtigung der Heurathspunkte, wird der Kontrakt mit goldenen Buchstaben auf ein Papier geschrieben, worauf sich die Eltern jeder Familie besonders, in einer Hauskapelle, in welcher die heiligen Tafeln mit den Namen der Voreltern bis ins vierte Glied verwahret werden, versammeln. Man glaubt in China, daß man die Seelen der Vorfahren, die ihrer Meinung nach um die gedachten Tafeln schwärmen, von den Heurathen ihrer Nachkömmlinge benachrichtigen müße. Der Aelteste der Familie nimmt also das Tuch weg, womit die Tafeln bedeckt sind, und nach einer tiefen Verbeugung, zündet er einiges Rauchwerk an, liest die vornehmsten Stücke des Kontrakts mit lauter Stimme ab, und wirft endlich den geschriebenen Aufsatz ins
Feuer.
Wann nun der Hochzeitstag angebrochen ist, so wird die Braut auf
*) Aus dem Du Halde.
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das prächtigste ausgeschmücket, in einen Tragsessel gesetzt, und von denjenigen begleitet, die ihre Mitgabe tragen. Diese bestehet bey gemeinen Leuten in allerhand Kleidern, Haurath und dergleichen. Neben ihr her, geht ein Gefolte mit brennenden Kerzen und Fackeln, ob es gleich am hellen Mittage geschiehet. Vor dem Tragsessel ziehen Trompeter, Pfeiffer, und Trommelschläger auf, hintennach aber ihre Anverwandte, und gute Freunde ihres Hauses. Ein getreuer Bedienter hat den Schlüssel zu dem Tragsessel, und diesen darf er niemand aushändigen, als dem Bräutigame, welcher seine Braut zu empfangen, in kostbaren Kleidern an der Thüre seines Hauses wartret. Sobald dieselbe angelangt ist, nimmt er den Schlüssel von dem Bedienten, öfnet geschwind die Sänfte, und urtheilt, weil er sie hier das erstemal siehet, von seinem Glücke, oder Unglücke. Manche sind mit ihrem Loose
nicht zufrieden, schließen die Sänfte sogleich wieder zu, schicken das Mägdchen ihren Eltern zurück, und wollen lieber ihr Geld einbüssen, als eine ihnen unanständige Waare behalten. Wann die Braut aus der Sänfte gestieghen, so gehet sie an des Bräutigams Seite in den Saal, wo das Hochzeitmahl bereitet ist. Wann sich das Brautpaar die Hände gewaschen hat, welches sie, mit einander zugekehrten Rücken thun, so neigt sich die Braut viermal vor dem Bräutigam, und dieser dagegen zweymal vor ihr. Nach diesem setzen sie sich zur Tafel, gießen aber, ehe sie noch selbst etwas genossen haben, ein wenig Wein auf die Erde, und legen auch eine Portion Fleisch für ihre Götter auf die Seite. Wann sie ein wenig gegessen haben, stehet, der Bräutigam auf, und biethet der Braut einen Trunk an, welches diese auch thut. Nach diesen Komplimenten reicht man ihnen zwoo Schaalen von Wein, wovon sie einen Theil trinken, das übrige aber in eine Schaale zusammengießen, und davon wechselweise trinken. Und durch diese Cäremonien wird den chinesischen Ehen gleichsam das letzte Siegel aufgedrückt. Endlich wird die Braut zu dem Frauenzimmer, welches zu diesem Feste geladen worden, geführet, und bringt mit denselben den ganzen Tag unter Schmausen, und allerhand Lustbarkeiten zu. Ein gleiches geschiehet mit dem Bräutigam, der seine Gäste in einem andern Zimmer bewirthet.
(Die Fortsetzung wird folgen.)
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