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V. Jahrgang, XIII. Stück, den 29. März 1775.

I. Naturgeschichte.

Des Herrn Ignaz Edl. von Born, Ritters k. k. Bergraths, der königl. Akademie der Wissenschaften zu Stockholm, der Großherzogl. zu Siena, und der gelehrten Gesellschaft zu Padua Mitglieds ec. Briefe über mineralogische Gegenstände, auf seiner Reise, durch das Temeswarer Bannat, Siebenbürgen, Ober und Niederungarn, an den Herausgeber derselben, Johann Jakob Ferber, Mitglied der königl. Großherzogl. Akademie der Wissenschaften zu Siena, und der Ackerbaugesellschaft zu Vicenza, und zu Florenz, geschrieben. Frankfurt und Leipzig 1774. in Oktav.

Der berühmte und gelehrte Herausgeber dieser Briefe, hat nicht allein die wohlgerathenen Abrisse von einigen Gruben und Flächen, des Herrn v. Born in Kupfer stechen, und diesen Briefen beylegen lassen; sondern auch mit einigen sehr schönen und nützlichen Abhandlungen, deren in den Briefen gedacht wird, vermehret. Man findet hier: des Herrn Christoph Traugott Delius, ehemaligen Beysitzers der banatischen Bergwerkdirektion, und nunmehrigen Commißionsraths und Referenten bey der hochlöbl. Hofkammer in Berg- und Münzwesen, Vorschläge, das Kupfer geschmeidig zu erzeugen, welche den 16.Jul. 1768. der k. auch k. k. Hofkammer überreichet worden. Dann die fernern Beobachtungen des Herrn Hofraths von Koczian, über die Goldwäschereyen im Banat. Und endlich auch einen Auszug aus des Herrn Dembschers, kayerl. königl. Markscheiders, vorgenommenen Untersuchung dieser Goldwäschereyen.

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Die Briefe selbst, empfehlen sich ihrem Leser, nicht allein in Ansehung der wichtigen Gegenstände, die darinnen beschrieben und sehr gründlich abgehandelt worden sind; sondern auch in Ansehung der reinen und ungezwungenen Schreibart des Verfassers; die Kenner und Liebhaber der Naturgeschichte, nicht anders, als mit Nutzen und Vergnügen lesen werden. Wir hoffen nicht mißfällig zu werden, wenn wir zur Berechtigung und mehrerer Erläuterung dessen, was von der Naturgeschichte unseres Vaterlandes in diesen Blättern bereits enthalten ist, einen kurzen Auszug aus gedachten Briefen hersetzen, und zugleich auch dasjenige, welches wir, in den ersten Aufsätzen, entweder nicht deutlich genug beschreiben, oder gänzlich unberührt gelassen haben,hier beyfügen.

Für das Erste, haben wir in den III. Jahrg. XXX. Stück. S. 238. von dem ungarischen Luxsaphir, gemeldet: daß allem Ansehen nach Ungarn allein denselben besitze. Zu dieser Muthmassung hat uns der blosse Name, dieses in dem Mineralreiche vorkommenden Produkts, lediglich verleitet: weil wir unter dieser Benennung nicht das mindeste, in einem auswärtigen uns bekannten mineralogischen Schriftsteller gefunden, welches man füglich auf unsere Luxsaphire hätte deuten und anwenden können. Der Herr Bergrath aber merkte in dem neunzehnten Briefe S. 165. mit vieler Gründlichkeit an: daß diese hier genannte Luxsaphire, die man oft auf den Feldern und Weinbergen bey Tokay findet, nichts anders, als Stücke von glaßartiger Lava, (Pumex vitreus Linnaei) sind. Und in seinem zwey und zwanzigsten Briefe S. 225, schreibet er an seinen Herrn Korrespondenten von Wien folgendes: "Mit ihren Anmerkungen in der Hand, durchgieng ich das kaiserl. Mineralienkabinat. Ich fand ihre Beobachtungen richtig, und Sie haben wirklich alles, was daselbst für einen Kenner merkwürdig seyn kann, aufgezeichnet. Das große Stück glaßartige schwarze Lava, welches in Ungarn, auf einem Felde gefunden wurde, haben Sie doch nicht bemerket. Es stehet freylich in einem Winkel, und man muß es selbst aufsuchen; weil es sonst nicht würdig geachtet wird, vorgezeiget zu werden." Diese schwarze Lava hat nun in Ungarn von jeher den Namen eines Luxsaphirs und Edelsteins geführet, ohne daß man wissen kann, wer der erste Erfinder davon gewesen, und ihr, eben denselben, beygeleget haben mag. Wenn man aber diesen mineralischen Körper recht betrachtet, und seine Gestalt, sein glaßartiges Wesen, und übrige Eigenschaften in Erwägung ziehet, so wird man dem Herrn Bergrath vollkommen Beyfall geben, und den Schluß machen müßen; daß dieser sogenannte und für ein Edelstein bisher gehaltene Luxsaphir einem Feuer, seine Entstehung zu verdanken habe. Indessen bleibt es doch immer richtig,

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daß die Dosen, die daraus verfertiget werden, schön sind, und bey Liebhabern besondern Beyfall finden.

Ferner kann zu unserer Abhandlung in dem XI. Stück des III. Jahrg. S. 83. von Granaten, aus des Herrn Bergraths neuntem Briefe, S. 53. folgendes beygefüget werden: "Gelbe 18. und 36. eckigte Granaten, oft von Größe eines Taubeneyes, und öfters auch ganz klein, werden bey Dognazka gefunden, welche die Bergleute gelbe Blende nennen."

Wir selbst haben nach der Zeit einige Granaten zu Gesichte bekommen, aus dem Semplinerkomitate, bey dem Dorf Leszna oder Podleszna, an dem Gebirge Rakotz, die zwar nicht uneben aussehen, dabey aber nicht größer als die kleinsten Saamenkörner sind.

Zu unserer Beschreibung des Chalcedons, in dem XXXIII. Stücke, des angeführten III. Jahrg. S. 183. kann aus dem 20ten und zwey und zwanzigsten Briefe S. 201. und 221. noch dieses angemerkt und hinzugesetzt werden; daß nämlich, in der bey Poimk zur Kammer Neusohl gehörigen Eisengrube, Eisenärzte zwischen Schiefer brechen, die mit blaulichten Chalcedon überzogen sind.

Von ungarischen und siebenbürgischen Versteinerungen, davon wir im IV. Jahrg. in veschiedenen Stücken (die hier besonders anzuführen, zu weitläuftig wären) gehandelt haben, finden wir in diesen Briefen mehrere und umständlichere Nachrichten, die desto höher zu schätzen sind, je gewisser es ist, daß der Herr Verfasser, von allem dem, was darinnen enthalten ist, selbst ein Augenzeuge gewesen. Wir wollen, in diesem kurzen Auszuge, ihn selbst reden lassen, und so viel möglich seyn wird, seine eigene Worte beybehalten.

In dem ersten Briefe von Temeschwar, am 14. Jun. 1770. S. 3. heißet es: Bey Ofen besuchte ich die kalkichten Hügel, auf denen der beste Ofnerwein wächst, selbst; sie sind ganz poröser Kalkstein, der von einer unglaublichen Menge von Chamiten Turbiniten und Pukriniten angefüllet ist. — Hinter Ofen fängt die berühmte Ketschkemeterhaide an, der Boden derselben ist mit Sand (Glarea Linnaei) bedeckt, der mit kleinen zerrütteten Muschelschalen untermengt ist.

In dem siebenten Briefe von Saska den 30. Jun. 1770. S. 31. Saska selbst liegt in einem Thale, zwischen Kalkbergen, der auf Schiefer aufgesetzt ist, und dessen aufgelößte Theile von dem Wasser welches über selbige herablauft, und von dem Regen in das Thal berabgeführet worden, daselbst die Wurzeln verschiedener Gewächse und das Mooß mit einer kalkartigen Rinde überziehen.

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Im zwölften Briefe von Zalathna, den 15. Jul. 1770. S. 128. und 129. Näher an der Marosch, bey dem Dorfe Kischnumesch, liegen im Thonschiefer einige Bleyärztgänge. — Nicht weit davon siehet man an der Strasse Kalkhügel, welche mit einer großen Menge von Turbinitzen und andern Meerschnecken angefüllet sind.

Im vierzehnten Briefe bey Földwinz, den 24. Jun. 1770. S. 136. Nahe bey diesem Orte (Enyed) sind Kalkberge. Das Städtchen ist aus einem mit Kalk zusammengebackenen bleichgelben Sandstein erbauet, in welchem viele versteinerte Muscheln liegen.

Im funfzehenten Briefe von Klausenburg, am 28. Jul. 1770. S. 136. Ueberhaupt ist diese ganze Gegend (nämlich bey Clausenburg) eine der reichsten an Versteinerungen, obwohl ich eben unter der Menge, die mir zu Gesichte gekommen ist, keine seltenere Art gefunden habe.

In dem sechzehnten Briefe von Nad - Banja, den Aug. 1770. S. 147. Der ganze Weg (von Clausenburg) den ich durchreisete, alle Anhöhen und Berge, waren mit einem bleichgelben Kalkstein, der viele Spuren zerrütteter Muschelschalen enthielt, überdeckt.

Im zwanzigsten Briefe, von Schemnitz, den 7. Sept. 1770. S. 184. und 185. Als eine der größten Seltenheiten muß ich hier anführen, daß ich auf dem, auf diesem Hauptgang (es ist die Rede von dem Dillnerstoln bey Schemnitz) abgesunkenen Lauf, das ist in einer Teufe von neun und achzig Klaftern — von der Höhe des Elisabethschachts gerechnet, mitten in dem derben Zinopel, eine Art von versteinerten Porphyten (ist eigentlich ein Meerthier) angetroffen habe. Eben in diesem Briefe S. 185. Man hat auf dem bey Schemnitz gegen Mitternacht gelegenen Hügel, auf welchem der Calvariberg errichtet worden, öfters versteinerte Turbiniten und Chamiten gefunden. S. 194. Bey Lehotka fand ich ohnweit der Strasse weißen schiefrichten Hornstein, der fast einen Chalcedon änlich sieht, in welchem versteinerte Körper liegen, die entweder Gewächse, oder aber Korallen seyn mögen. Allem Ansehen nach sind diese bloßliegende Stücke, durch den Bach, von Leßkowitz, einem Dorfe über Cremnitz, herausgeführet worden; woselbst man ganze Lagen, von einem fast milchweißen Hornstein, und auf den dortigen Feldern, bey Deutsch Littau, verschiedene lose Jaspis und Agathsstücke antrift.

Im zwey und zwanzigsten Briefe, von Schemnitz, den 18. Sept. 1770. S. 217. Auf dem Kaiserstoln in der Hodritsch, wird mit Dendriten bemahlter eisenschüssiger Qwarz gewonnen. S. 218. Auf dem alt Antoni von Paduastoln, bey

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Schemnitz, habe ich Dendritisch Rothgülden auf weitem Quarz eingelegt gefunden.

(Die Fortsetzung folgt.)

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Fortsetzung, der verschiedenen Gebräuche fremder Völker, bey ihren Verheurathungen.

Die Hindustaner*) heurathen nie aus dem Stamme, zu dem sie gehören; und so heurathet ein Braman, die Tochter eines Bramans; ein Kaufmannssohn verbindet sich, mit der Tochter eines Kaufmanns; und der Sohn eines Bauers, nimmt die Tochter eines Bauers, zum Weibe. Eben so werden auch die Kinder allzeit in der Handthierung ihres Vaters erzogen. — Ein Mann hat nicht mehr, als ein Weib auf einmal; sie heurathen schon im sechsten oder siebenten Jahre, sie vollziehen aber die Ehe nicht vor dem dreyzehenten. Ihre Hochzeiten werden wie bey den Muhamedanern mit vielem Lärmen vollzogen; nur mit dem Unterschiede, daß die jungen Leute öfentlich auf Pferden reiten, und ihre Kleider mit vielen Blumen ausgeschmücket haben. Weil die Hindustaner das Heurathen für eine der glückseligsten Handlungen des menschlichen Lebens halten, und es als das größte Unglück ansehen, unverheurathet zu sterben: so verheurathen sie ihre Kinder so früh, damit sie das eine erlangen, und das andere verhüten mögen. Ist nun die Heurath zwischen den Eltern gestiftet; so werden Bothen an die Eltern der Braut abgeschicket, die ihr unter Paucken- und Trompetenschall, und allerhand Gesängen zu ihrem Lobe, verschiedene Geschenke überbringen: und diese überschickt zum Zeichen der Genehmigung wider einige Geschenke zurück. An dem von den Braminen zu der Hochzeitfeyer bestimmten Tage, gehet der Bräutigam, von allen den ledigen Mannspresonen, die in der Stadt, ein gleiches Gewerbe treiben, begleitet, durch die vornehmsten Straßen der Stadt. Der Zug geschiehet theils zu Pferde, oder in Kutschen, und Palantzien, unter Vortrettung einer Bande Musikanten. Der Bräutigam unterscheidet sich von den übrigen durch eine Krone, die er auf dem Haupte hat, die nach den Umständen desselben, mehr oder weniger mit Juwelen besetzet ist. Den folgenden Tag hält die Braut auf eben diese Art ihren Umgang, und wird von allen Jungfern, aus eben derselben Familie begleitet. Gegen Abend wird sie mit ihrem Bräutigame kopulieret. Der Anfang dieser Cäremonie geschiehet mit Anzündung eines Feuers, das zwischen das Brautpaar gestellet wird; wodurch die Innbrunst ihrer Liebe

*) Aus des Terry Voyages Ind. und des Vingtons Vos. to surat.

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angedeutet werden soll. Hierauf werden sie mit einer seidenen Schnur umgeben, welches das unzertrennliche Band der Ehe vorstellet. Darauf wird ein Tuch zwischen sie gelegt, damit anzeigen, daß vor der Ehe keine Vertraulichkeit zwischen ihnen statt gefunden haben müße. Wann dieses geschehen; so sagen die Braminen ein gewisses Formular her, worinne sie dem Manne gebiethen, dem Weibe alles Nöthige zu geben, und das Weib ermahnen, ihrem Manne gehorsam und getreu zu seyn. Endlich wird ein Segen, daß sie fruchtbar seyn sollen, über sie gesprochen; das Tuch weggenommen; die Schnur aufgelöset, und solchergestalt die ganze Feyerlichkeit geendiget. —

Außer den Juwelen, die am Hochzeittage getragen worden, hat die Braut keine Mitgift, und zur Gasterey wird außer denen, die aus der nämlichen Familie sind, niemand geladen.

Die Parsier*), ein Volk, welches aus Persien herstammet, und sich in den Staaten des großen Moguls niedergelassen, haben für die Ehe überaus große Hochachtung; weil für sie, nach ihrer Meinung, sehr viel zur ewigen Glückseligkeit beyträgt. Wann daher der Sohn, oder die Tochter eines reichen Mannes unverehelichet stirtbt; so miethet er eine Person, welche die Verstorbene heurathen muß. — Die Trauungscäremonie, geschiehet nie in der Kirche; sondern allzeit zu Hause. Um Mitternacht kommen die Verlobten zusammen, werden auf ein Bett gesetz, und bey jedem stehet ein Priester, der Reis in seinen Händen hat. Sodann legt derjenige, der bey dem Bräutigam stehet, seinen Zeigefinger auf die Stirne der Braut, und fragt: ob sie diesen Mann zu ihrem Gatten haben will? Der bey der Braut stehende Priester thut die nämliche Frage an den Bräutigam, und wann sie beyde mit Ja geantwortet haben, so vereinigen die Priester ihre Hände, und streuen Reis über sie.

Hierauf bitten sie Gott, daß dieses Paar so fruchtbar sey, wie die Ernte; daß sie friedlich und im Segen leben, und viele Jahre bey einander wohnen mögen. — Nach Vollendung dieser Cäremonie, giebt der Vater der Braut das Heurathsgut, und sie geht mit ihrem Manne nach Hause.

Die Gebräuche, welche die Muhamedaner *) in diesem Lande bey ihren Verheurathungen beobachten, sind von denen, die sie überhaupt befolgen, nicht viel unterschieden. Denn

*) Aus Lords Banian relig.

*) Aus des Thevenot Trav. Ind.

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wann der Priester sein Amt verrichtet hat, welches allzeit Abends geschiehet, so zieht die ganze Hochzeit in Proceßion durch die vornehmsten Straßen der Stadt. Vor dem Bräutigam der zu Pferde sitzet, und von seinen Anverwandten begleitet wird, gehet ; eine Bande Musikanten, und verschiedene Possenreißer, nebst einer Menge Bedienten mit brennenden Fackeln. Die Braut folgt mit ihren Freundinnen in bedeckten Kutschen nach, und wann dieser Zug vorbey ist, kehren sie in das Haus des Bräutigams zurück, wo die Gesellschaft bewirthet wird. — Ob es gleich den Muhamedanern erlaubt ist, vier Weiber zu nehmen; so haben doch hier, außer den reichsten, die übrigen selten mehr, als eine. Aber sie sind so eifersüchtig, daß weder Vater noch Brüder außer in Gegenwart des Mannes, mit einem Weibe sprechen darf. Der Ehebruch und die Hurerey werden für so grobe Verbrechen gehalten, daß man sich gar kein Gewissen macht, denjenigen zu tödten, der über einer solchen That betroffen wird, ohne deswegen zur Rechenschaft gefordert zu werden. Man duldet hier gleichwohl öffentliche Frauenspersonen, wovon einige zu gewissen Zeiten berufen werden, um den großen Mogul mit ihren unzüchtigen Liedern und ihrer Musik zu belustigen. Ueberhaupt sind die Weiber in diesen Gegenden so glücklich, daß sie überaus leicht entbunden werden, und heute sieht man eine Frau noch in der Hofnung, die man morgen schon mit ihrem Kinde fahren sieht.

In Malabar*) werden die Prinzeßinnen, an die Geistlichen verheurathet, und ihre Kinder sind Prinzen, auch fähig die Krone zu erben, wann die Reihe an sie kömmt. Da aber die Anzahl der Prinzeßinnen nicht so groß ist, daß alle Geistliche im Lande, mit Weibern versorgt werden können, so ist es ihnen erlaubt, auch aus ihrer Familie zu heurathen, und ihre Kinder tretten in den Stand ihrer Mutter; denn der Stamm, und das Erbschaftsrecht dieses Reichs, richtet sich nach der weiblichen Linie. Zu dem Ende heurathen die Prinzen nie Prinzeßinnen; sondern die Töchter der Aedeln, zu deren Stand alsdann die Kinder gehören. Die andern Stämme und Familien haben in Heurathsachen, die Freyheit zu wählen; nur därfen sich die Weibspersonen, bey Lebensstrafe nicht untersehen, unter ihren Rang zu heurathen. Die malabarischen Prinzen, Priester und Aedlen, haben gemeininglich nur eine Frau, welche sie durch die größten Liebkosungen zu bewegen suchen, außer ihnen keinen Mann mehr zu nehmen. Denn zwingen können sie diese nicht; da ihnen die Landesgesätze erlauben, zwölf Männer zu nehmen. *) Wenn sich ein Weib an ihren

*)  Aus Hamiltons Neco. Account of East. India, und Dellons Voyage to India.

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ersten Mann verheurathet; so wird für sie ein Haus gebauet, und dieser wohnet mit ihr so lange, bis sie den zweyten Mann, oder ihre in den Gesätzen erlaubte Anzahl von Männern nimmt. In diesem Falle vergleichen sich die Männer untereinander, daß sie sich alle Tage ablösen, und binnen dieser Zeit muß ein jeglicher die Frau versorgen. Das sonderbarste, und woraus man die Macht der Gewohnheit erkennen kann, bestehet darinn, daß diese Vielmännerey nicht mit der geringsten Unordungung oder Eifersucht verbunden ist. Denn, wenn der eine Mann, die Waffen eines anderen vor der Thüre der gemeinschaftlichen Frau hängen sieht; so gehet er seine Wege, und wartet, bis er einen freyen und sichern Zutritt findet. Den Männern gereicht es indessen, bey dieser weiblichen Usurpation zum Troste, daß ihre eheliche Verbindungen, nur so lange dauern, als sie es selbst wollen, und daß die Partheyen, wenn sie einander überdrüßig worden, so frey wieder auseinander gehen können, als sie zusammen gekommen sind. Es ist auch diese Art des Ehestandes mit keinen großen Kosten verbunden; Denn, das Geschenk, welches der neue Ehemann seinem Weibe überreichet, bestehet blos aus einem Stücke Leinwand zu ihrer Bedeckung. So lange sie mit einander auf diese Art leben; so dienet die Frau dem Manne als Köchinn, hält auch seine Waffen und Kleider reinlich. Wann sie in die Wochen kömmt, so sagt sie, von welchem Manne das Kind sey, und wann es gehen und reden kann, so übernimmt derselbe die Erziehung des Kindes. Von dieser Gewohnheit, das die Weiber so viel Männer nehmen, und beurlauben können, als ihnen beliebig ist, rühret es her, daß die Kinder ihren Stamm von den Müttern her rechnen, indem man bei dieser Einrichtung unmöglich den Vater wissen kann. Eben aus diesem Grunde werden auch hier die Söhne, nicht für ihre nächsten Erben angesehen, sondern ihre Neffen; die aber der Schwestersöhne seyn müssen: und wann diese keinen Sohn hat, so kömmt die Reihe an den nächsten Blutsverwandten von der Großmutter.

(Die Fortsetzung wird folgen.)


In Wien zu haben in dem von Ghelenschen privil. Zeitungscomtoir, in der Sinngerstrasse Nro. 931.
Topic revision: r3 - 11 Mar 2012, AgostonBernad
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