-- AndreaSeidler - 23 Mar 2007 (PV1)

Statistik des Königreichs Ungern.

Ein Versuch von Martin Schwärtner,

Professor der Diplomatik, und erstem Bibliotheks-Custos auf der Kön. ungrischen Universität zu Pest.

Pest, gedruckt bey Matthias Trattner 1789

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Seiner Durchlaucht dem Hochgebornen des heiligen Römischen Reichs
Fürsten Nikolaus Eszterházy von Galantha.

Erbgrafen zu Forchtenstein, des heiligen Stephan Ritter-Ordens Großkreutze, Seiner Kaiserlichen Königlichen Apostolischen Majestät wirklichem geheimen Rathe und Kämmerer, General Feldwachtmeister, Premier Lieutenant bey der Königlich Ungrischen Adelichen Leibgarde, des Oedenburger Komitats Erbobergespan etc. etc.

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Durchlauchtiger Fürst und Herr!

Wenn ich den Namen Ew. Durchlaucht diesem Werke vorzusetzen mir die Freyheit nahm, so geschah es, weil dieser weltberühmte Name, in Ungerns Staatskunde nicht weniger, als in der Geschichte dieses Königreichs, eine ausgezeichnete Stelle einnimmt, und hier sowohl als dort im glänzendsten Licht erscheint. Groß, zahlreich, und mannigfaltig waren die Thaten, wodurch die Vorfahren Ew. Durchlaucht in alten und neuen Zeiten, im Kriege und im Frieden, auf den Reichstagen, in den höchsten Gerichtshöfen, im geheimen Rathe unserer Könige, und als Gesandte derselben an auswärtigen Höfen sich verherrlichten, und ihr Andenken in dem Tempel des Ruhms und

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der Unsterblichkeit verewigten. Es ist schwer, aus der langen Reihe vorliegender Beyspiele, die schicklichsten hier auch nur zu berühren; aber welcher Unger kennt nicht den 26. August des Jahres 1652, welchen in den Annalen Ungerns vier Helden von Eszterházy, auf dem Schlachtfelde bey Vezekény mit ihrem blutigen Tode bezeichneten? Und wem sind aus der vaterländischen Geschichte die zwey unsterblichen Reichs- Palatine, Nikolaus und der Friedens- Fürst Paul v. Eszterházy, unbekannt? Besonders ausgezeichnet war die Treue und Ergebenheit derselben gegen das jetzt glorreich regierende Erzhaus Osterreich, und diese Tugend hielt besonders dann

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die rühmlichste Probe, wenn gewaltige Stürme die Grundpfeiler des Ungrischen Staates zu erschüttern droheten; daher denn auch unsere weisen und gerechten Könige, gern, und oft, und laut, durch Wort und That, bezeugten, wie rein und bewährt sie die Liebe für König und Vaterland, in ihren getreuen Fürsten v. Eszterházy befunden haben, und wie sehr sie die Verdienste derselben zu würdigen und zu schätzen wußten. Alles dieses auszumahlen, und das vollendete Bild, als Muster, dem Anblicke und der Bewunderung der späten Nachwelt aufzustellen, ist dem Griffel der Geschichte vorbehalten. Das aber konnte dem jetzigen Zeitalter, und der künf-

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tigen Generation an keinem Orte, als in der neuesten Staatskunde Ungerns, schicklicher gesagt werden: daß Ew. Durchlaucht alle erhabene und rühmliche Eigenschaften Ihrer Vorfahren in sich selbst glücklich vereinigen; daß schon in den wenigen Jahren, seit welchen Ew. Durchlaucht Ihr väterliches Erbtheil beherrschen, Hochdieselben durch Aufopferungen aller Art, durch die eifrigste Verwendung für das Wohl des Staates, und durch die glänzendsten Beyspiele patriotischer Tugenden, dem erlauchten Namen Ihrer Vorfahren neuen Ruhm beygefüget, zugleich aber auch sich die lohnende Huld unseres weisen und gütigen

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Kaisers und Königs, das Zutrauen der verehrungswürdigen Ungrischen Nation, und die segnende Liebe Ihrer zahlreichen Unterthanen erworben haben; daß Sie, Durchlauchtiger Fürst! Durch eine sorgfältige Bildung Ihres hoffnungsvollen fürstlichen Nachfolgers, um König und Vaterland, auch in der spätern Zukunft sich noch verdient zu machen, auf alle erdenkliche Art bemühet sind; daß endlich Ew. Durchlaucht die Künste und Wissenschaften, ohne welche kein Staat blühen kann, nicht nur wahrhaft schätzen und lieben, sondern auch aus wahren und unwiderlegbaren Grundsätzen, auf das thätigste zu befördern suchen.

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In allen diesen Rücksichten hoffe ich denn auch, daß Ew. Durchlaucht gegenwärtiges Werk, welches ich Ihnen als ein geringes Zeugniß meiner Verehrung ehrfurchtsvoll öffentlich darbringe, gnädig ansehen, und die reinen Gesinnungen der unterthänigsten Ergebenheit huldvoll aufnehmen werden, mit welchen ich bin

Euer Durchlaucht

Pest den 10. April 1798.

unterthänigster Diener
Martin Schwartner

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Vorrede.

Seit dem ich von der Göttingischen Universität, deren Mitbürger ich in den drey ersten Jahren des vorigen Jahrzehend's zu seyn das Glück hatte, mit einigen historisch-politischen Vorkenntnissen ausgestattet, nach Ungern zurückgekommen bin, hatte ich theils auf meinen mehrmaligen Reisen, theils als aufmerksamer Zuschauer bey den letzten zwey Reichstagen, theils (begünstiget durch die Lage, in welcher ich durch K. Franz II. Gnade mich befinde) durch unermüdetes Lesen gedruckter, noch mehr aber ungedruckter Schriften, theils endlich durch die Bekanntschaft und den Umgang mit staatskundigen Mannern, und einen zweckmäßigen Briefwechsel, so vielfache Gelegenheit, Ungern nach allen seinen Bestandtheilen kennen zu lernen, daß ich es endlich wagen zu dürfen glaubte, diesen, wie ich es mit der Ruhe eines guten Gewissens sagen kann, ersten Versuch einer Statistik Ungern's zu verfertigen, und denselben durch den Druck bekannt zu machen.

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Nur sehr wenige werden es begreifen können, wie viele Mühe und Anstrengung mich diese Arbeit gekostet hat, mit wie großer Vorsicht und Sorgfalt ich dabey zu Werke gegangen bin, und wie vieles auch noch außer der Bekanntschaft mit den 4 Species dazu nöthig war, um, was denn doch eigentlich Haupterforderniß der Statistik ist, nicht mit willkührlichen Zahlen zu spielen, oder gar mit vorsetzlich erdichteten Größen, das lesende gutherzige Publikum zu hintergehen. Und doch ist's nichts weniger, als schriftstellerische Bescheidenheit, wenn ich diese Frucht meines mehr als dreyjährigen Privatfleisses, nichts weiter als einen Versuch nenne. Manches statistische Datum entgieng, ich weiß es sehr wohl, meinem Forschungsgeist, manches, ich gestehe es offenherzig, habe es auch an seinem Orte nie zu verbergen gesucht, bedarf noch einer Berichtigung, und ich kann mir's leicht vorstellen, daß auch mit meinem Ausdruck, und der Art, mit welcher ich so mannigfaltige Gegenstande, als in einer Statistik vorkommen, dargestellet habe, nicht jeder Recensent wird zufrieden seyn. In der That fehlte es auch nur wenig, und ich hätte, als mir die unvergleichliche Einleitung in die Staatskunde

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vom Hn. Prof. Lueder in die Hände kam, mein Vorhaben, die Staatskunde Ungern's zu beschreiben, auf immer muhtlos aufgegeben, hätte mich unter andern nicht der Gedanke wieder beruhiget, daß, meines Wissens, noch keine einzige statistische Beschreibung irgend eines europäischen Staat's erschienen ist, welche verglichen mit den großen und doch gerechten Forderungen, welche Gatterer, Schlözer und Lueder aufgestellet haben, auf etwas mehr, als den Titel eines Versuchs, Anspruch machen könnte. Nachdem Plane, den ich mir entwarf, und nach dem Maaße meiner Kenntnisse und Kräfte, mußte die Statistik Siebenbürgens von diesem Versuche wegbleiben. Die Staats- und Regierungsverfassung Unqerns und Siebenbürgens, sind auch zu verschiedenartig, als daß sie ohne Verwirrung, in einer fortlaufenden Darstellung bequem genug nebeneinander könnten geschildert werden. Es würden der Anmerkungen und der Ausnahmen zu viele geworden seyn. Von den geistlichen und weltlichen Ständen des Reichs, und den verschiedenen Klassen der Landesbewohner, habe ich durchgängig, wie ich denn auch nicht anders konnte, mit Achtung und Beschei-

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denheit geschrieben. Nie habe ich die tiefste Ehrfurcht, mit welcher ich eben so, wie mit unverbrüchlicher Treue und Gehorsam meinem König verpflichtet bin, aus den Augen gesetzt; und es ist durchaus nicht die Sprache der Schmeicheley, es ist vielmehr aufrichtigstes Geständniß der vollesten Ueberzeugung, daß ich mich glücklichschätze, ein ungrischer Bürger, und ein Unterthan Königs Franz I. zu seyn. Geschrieben in der Universitäts-Bibliothek zu Pest den 7. März 1796.

Nachschrift.

Dieses Buch war also im März 1796. fertig. Gewisse Umstände aber waren Schuld daran, daß dasselbe erst zu Anfange des Jahres 1798. gedruckt werden konnte. Wer mit dem Laufe der Dinge bekannt ist, wird es nun leicht begreifen, warum ich die, in diese zweyjährige Periode fallenden Produkte der neuesten Literatur, insofern dieselben eine Beziehung auf Ungern's Staatskunde haben, nicht zu Hülfe nahm, z. B. die nachahmungswerthen Reisen durch U. des jungen Reichsgrafen

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Dominik Teleky a) [ a) Egynehány Hazai Utazások le irása, Tot és Horvath Országoknak rövid esméretésével egygyütt. Bétsben 1796. 8.]; Schlözer's kritische Sammlungen zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen (I. - IIl. Stück Göttingen 1795.- 97.);Estner's Versuch einer Mineralogie (besonders des 11ten Bds. 2te Abtheilung); die Arbeiten der ungr. Gesellschaft in Siebenbürgen b) [b) A’ Magyar nyelv-mivelő Társaság Munkáinak első Darabja. Szebenben 1796. 8.]; die Geschichte von Ungern, welche Hr. Joh. Christ. v. Engel in dem 49tenTheile der Allg. Welthistorie (Halle 1797. 4.) zu bearbeiten angefangen hat; des Hrn. Prof. Vályi geographisches Lexikon von Ungern c) [c) Magyar Országnak le irása.] Ir Bd. A bis D. Ofen 1796. u. s.w. — In Hunter's Reisen (der Engländer kam geflogen bis Ofen und Pest,) fand ich von und für Ungern nichts bedeutendes, dagegen werden Townson's (ebenfalls eines Engländers) Travels in Hungary in the year 1793. London 1797. (vergl. Göttingische Anzeigen 10. Stück. 1798.) wenigstens von keinem ungrischen Naturforscher ungelesen bleiben. Schade ferner, daß in meinem Buche von dem im Nov. 1796. gehaltenen, wenn

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gleich kurzen Reichstage, und von der Bereitwilligkeit der ungrischen Stände, für ihren geliebten König, Gut d) [ d) Sie versprachen und gaben, theils im Gelde, theils in Natura 2400000 Metzen Korn, 3760000. M. Haber, 20000 Ochsen und 10000 Pferde.] und Blut e) [ e) Sie stellten gleich nach dem Landtag — 50000 Rekruten. S. Art. 2. 1796. vergl. die gedruckten Diaetal - Acten, aus welchen Hr. J. E. Fabri in den 3ten Bd. seines Magazins für Geographie, Staatenkunde u. s. w. die Reparation unter die Komitate und Städte aufgenommen hat.] herzugeben, und von der im Sommer 1797. zu Stande gekommenen General-Insurrection, von der Art, wie dieselbe organisiret wurde, von ihrer Größe u.s.w. nirgends (nur einmal S. 336.) die Rede ist. — In derselben Zwischenzeit (vom März 1796. bis zum April 1798.) wurden in Ungern zwey neue Klöster der barmherzigen Brüder errichtet, eine K. K. Steinkohlen- u. Kanalbau- Actien-Gesellschaft (welche den Plan hat, einen Kanal von Wien über Neustadt und Oedenburg nach Raab, und wenn's angehen wird, bis nach Triest zu führen) den 24. Aug. 1796. von S. Majestät privilegirt, ein Pensions-Institut für Civilbeamte und ihre Wittwen und Waisen unter öffentlicher Auctorität zu Ofen in Gang gebracht, eine Schule für landwirtschaftliche Beamte

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vom Grafen Georg, v. Festetich zu Keszthely am Gestade des Balatons angelegt, das Theresianum zu Wien, wo künftig 15 ungr. adeliche Jünglinge erzogen werden sollen, wieder hergestellt, in dem reformirten Kollegium zu Debretzin an die Stelle der lateinischen Sprache, die ungrische zur Schul- und gelehrten Sprache erhoben, und unter andern, nebst dem stolzen Venedig, auch das ehemalige venetianische Dalmatien vom K. Franz in Eid und Pflicht genommen. Von allen diesen Staatsmerkwürdigkeiten, konnte ich natürlich, als ich mein Buch der Censur übergab, ohne inspirirt zu seyn, noch gar nichts sagen. Ueberhaupt aber kann eine Statistik, wie es Kenner wissen, nie früh und neu genug erscheinen; denn sehr oft geschieht's, daß der gewaltige Strom der Zeit, der keine Gränzen kennt, manches, das noch heute zum Gebiethe der Statistik gehörte, schon bis morgen, hinüber auf das breite Feld der ehrwürdigen Alterthümer wälzt. Geschrieben zu Pest den 3. April 1798.
Topic revision: r8 - 19 Jan 2012, KatalinBlasko
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