Martin Schech an Karl Gottlieb Windisch
Schäßburg, 12. August 1782
Schech berichtet Windisch von einer gefährlichen Seuche in seiner Heimat und von einem Konflikt um die territoriale Ausbreitung der zwei Dörfer Groß-Polder und Etsellö in Siebenbürgen, der sich seit Jahrhunderten hielt. Ist bereit, Beiträge für das Wienerische Diarium zu senden.
Theuerster Freund!
Gestern hatte ich abermahlen das Vergnügen, Dero schätzbarste Zuschrift vom 30ten Julii richtig zu erhalten. Wie erfreut bin ich, daß Dero Hochwerteste Familie außer wiederum ausser Gefahr ist. Der Höchste sey dafür gepriesen! ich weiß es leyder! aus oftmahliger Erfahrung, waß es einen empfindsamen Herzen kostet, seine Lieben leyden zu sehen oder gar in Gefahr zu wiessen. Die Meinige sind zwar dermahlen alle gesund. Allein ängstliche Besorgnisse haben mich in meiner Abwesenheit von Hauß gnugsam geqwählet, und hören auch itzto noch nicht auf. Denn es grassieret bey uns eine sehr verderbliche Khur, die vielle Leute wegnimbt dergestallt, daß selten ein Tag vorbey gehet, wo nicht 2. auch 3. Leichen begraben werden, welches an einem Orth, der nicht gar volckreich ist, schon viell ist. Bey diesen besorglichen Umständen habe meinen kleinen Sohn, bloß der Aufsicht seines ältern Bruders überlassen müssen. Unter dieser Zeit habe einem wiewohl sehr kurtzen National-Conflux in Herrmanstadt, dann aber einem Territorial Proceß, und einer Müllen Differencz im Thordenser Comitat mit beygewohnet, und bin erst die vorige Woche nach Hause gelanget.
Bey vorberührtem Territorial Proceß sind mir verschiedene Gegenstände vorgekommen, die einem Liebhaber der Alterthümer nicht gleichgültig seyn können. Solte ich dero Geduld nicht mißbrauchen wenn ich dieselben erzähle? Ihre Güttigkeit wird meine Schwachheit entschuldigen.
Dieser Proceß dauert etliche Jahr-Hunderte. Das zum Sächsichen Keißmärckter Stuhla.) gehorige Dorf Ober- oder Groß-Pold,b.) streitet mit dem zum Unter-Albenser Comitat gehörigen Edlen Dorf Etsellö.
Um ein ansehnlich Stück Feldes welches die fruchtbarste Acker, Erde und Wiesen, wie auch Viech Weyden enthält. Die Gemeinde zu Groß-Pold, besitzet sehr alte Urkunden, die ihr das Stück Hattert, worum gestritten wird, versichern. Die eine ist von der Universitaet der Sachsen noch im Jahr 1354 ausgegeben, worauf im Jahr 1377 die Strittigkeit von den Etsellöern bereits angefangen, und durch die damals ausgeschickte Commissarien zum Vortheil der Groß-Polder entschieden, auch darüber eine bündige Urkundt ausgefertigt worden. In dieser letztern sind die Gräntzen, welche beeder strittiger Orthschaften Felder unterscheiden sehr clahr und deutlich beschrieben. Besonders aber ist der 9te Gräntz Haufen, mit diesem kennbahren Unterscheidungs-Zeichen bemercket, daß solcher sehr nahe an der Capelle des Heyl[igen] Jodocus aufgeworfen sey. In dem XV.ten Jahrhundert, hat Etsellö seine Ansprüche wiederum erneuert, da denn diese Streitsache zum Vortheil des Dorfs Groß-Pold entschieden wurde. So erging es denen Etsellöern auch im XVI.ten und XVII.ten Jahr Hundert, wo sie ihre Ansprüche wiederum rege machten. Im Jahr 1736 wurden auf wiederhohltes Anhalten der Etsellöer wiederum Commissarien ausgeschicket, diese Zwistigkeit zu entscheiden. Aber auch noch behielten die Groß-Polder ihren Hattert. Im Jahr 1751. meldeten sich die Etsellöer wiederum bey den Landes-Ständen. Die Commissarien von den 3 Nationen wurden ausgeschicket, und weiln Mann die Capelle des Heyl[igen] Jodocus an einem gantz unrechten Orthe (da nunmehro keine Spur mehr davon vorhanden war) suchte, und we sich vorbildete, so verlohr die Gemeinde Groß-Pold ein sehr beträchtliches Stück ihres bißhero im Besitz gehabten Hatterts.
Es fügte sich aber einige Jahre nach dieser Entscheidung, daß ein Wallachischer in Etsellö wohnhafter Popa, nahe an dem, den Groß-Poldern abgesprochenen Felde, pflügte, und weil das Pflug-Eisen in eine verborgene Grund-Mauer gerieth, so zerbrach dasselbe. Der ärgerliche Popa suchte nach, und fand die Grund-Mauren von einem Gebäude. Es mußte sich fügen, daß eben damahls einige Groß-Polder Insassen, die nahe befindliche Land-Strasse vorbey, nach Herrmanstatt zum Wochen-Marckte reiseten, und vorberührten Popa in voller Beschäftigung, einige Steine heraus zu werfen antrafen. Sie hinterbrachten diesen Vorgang, bey ihrer Nachhausekunft, ihren Beambten. Diese verfielten so gleich auf die Muthmassung, daß dieses die Grund-Mauren der so lange vergeblich gesuchten Capelle seyn müsten, weiln Sie in der nehmlichen Gegend dieselbe zu seyn, von alters her geglaubet.
Sie machten einige Versuche, selbige zu entdecken, sie wurden aber von den Etsellöern gestöhret, und verjaget. Sie brachten ihre Beschwerführung bey hoher Behörde an, und verlangten ebenfalls Commissarien die Sachen genauer zu untersuchen. Im Jahr 1776 wurden die Commissarien ernennet, jedoch die Sache gerieth ins Stecken. In diesem ietztlaufenden 1782ten wurden abermahls Commissarien von einem Hochlöblichen Landes Gubernium abgeschicket, welche die gantze Gegend genau untersuchet, und endlich die völlige Grund-Lage, der so viell gesuchten Capelle glücklich gefunden.
Diese Grund-Mauren wurden von beyden Seiten entblösset, und es fande sich, daß solche 2 ½ Schuh in der Dicke hatten. Das Chor hatte 2 Klaft[er] und 2 Schuh in der Länge, und 2 Klaft[er] 1 ½ Schuh in der Breite. Das Schiff hatte 3 Klaft[er] in der Länge, 3 Klafter in der Breite. In der Mitte des Chors befande sich eine quadrat[ische] Mauer von etwa 1 ½ Schuh, so aller Wahrscheinlichkeit nach, das Postament des kleinen Altars gewesen. Und so stunde nunmehro das so lange gesuchte Uberbleibsel eines schätzbaren Altherthums in seiner eigentlichen Gestalt da. Wir bemühten uns zwar noch einige nähere Kennzeichen, einige eingegrabene Schrift, oder dergleichen anzutreffen, konten aber gar nichts antreffen. Von diesem Gemäuer war der in den Urkunden so deutlich bezeichnete 9te Hattert-Haufen nicht mehr als 60. bis 70. Schritte entfernet, dahingegen derjenige Orth, der im Jahr 1751 vor die Stelle angegeben worden, wo die Capelle gestanden haben soll, über 300 Klaft[er] von vorberührtem Gräntz-Hauffen entlegen war. Daß also die größte Wahrscheinlichkeit vorhanden war, daß auf diesem Gemauer die Capelle des Heyl[igen] Jodocus würcklich gestanden habe, wie denn auch die Entscheidung dahin ausfiel, daß der beträchtliche Theil des Hatterts, welchen Groß-Pold bey nahe 400 Jahr im Besitz gehabt, Ihnen aber A[nno] 1751. entrissen worden, denenselben bey dieser Gelegenheit wiederum zugesprochen worden.
Es ereignete sich die Frage: Wer dieser Heyl[ige] Jodocus, dessen Andencken diese Capelle gewiedmet gewesen, seye? Hierüber haben uns die Köpfe viell zerbrochen. Endlich fanden wir in dem Historischen Lexikon, so A[nno] 1709 in Großfolio, in 2. Bänden herausgekommen, nachgehends aber neu vermehrt, in mehreren Bänden wiederum aufgelegt worden, so viell Nachricht: Daß Jodocus ein Printz aus Bretagne, als diese Landschaft noch ihre eigen Könige gehabt, gewesen. Daß König Juthael sein Vatter und Judichael sein älterer Bruder gewesen, daß dieser nach Ableben des Vatters den Thron zwar bestiegen, bald aber der Regierung überdriesig worden, und in das Kloster S[anct] Meen von Gael gegangen. Da denn Jodocus zur Regierung gelanget, jedoch selbige gar bald verlassen, und endlich ein Einsiedler geworden, und im Jahr 653. oder 668. d. 13ten Februar verstorben sey.
Solte Mann nicht muthmassen dörfen, daß die Capelle, deren Grund-Mauren itzo gefunden worden sehr alt, und noch vor der letztern Ankunft der Hunnen, vielleicht noch vor den alten Datziern oder Gothen erbauet worden sey. Jene Spuren findet Mann in der Geschichte, daß die Christliche Lehre im 6ten 7ten und 8ten Jahr-Hundert in Datzien nicht unbekannt gewesen, nur daß sie endlich in die Arianische Irrthümer umgeschlagen.
Jedoch nun muß ich abbrechen, und um Verzeihung bitten, daß ich mit solchen Kleynigkeiten Dero wichtigem Geschäfte unterbreche, ich dancke Ihnen gantz ergebenst vor die güttige Mittheilung der Titel, die im 3ten und 4ten Theil, des 2ten Bandes des Ungerländischen Magazins vorkommen werden. Mit Verlangen sehe [ich] denselben entgegen. Herr Bartsch ist mir aus dessen gelehrten Beyträgen zum Magazin allerdings bekant, ich bitte demselben meinen ehrerbiethigste Empfehlung zu vermelden. Das Wiener Diarium wird bey uns gelesen! ich glaube aber es sind andre Zeitungen, worüber derselbe die Direktion übernommen. Unsere Gegend ist zwar sehr arm, an solchen Vorfällen die in Zeitungen bekant zu werden verdieneten. Solte sich aber etwas ereignen, was dahingehörte, oder schicklich wäre, so will gewiß nicht versäumen, solches an dieselbe einzuberichten. An Dero, wie ich hoffe, wiederum hergestellte Liebe Patientinen, bitte meinen ergebensten respect zu vermelden, ich aber beharre mit vollkommenster Ergebenheit Dero
aufrichtigster
M[artin] G. Schech Mpia.
Schäßburg,d[en] 12ten Aug[ust] 1782