Erläuterung: Schriften und Flugblätter
Luthers gelangten durch Kaufleute und Studenten bereits 1519 nach Siebenbürgen. In der Folge entfaltete sich eine lebhafte Rezeption der Lutherschen Ideen, den sowohl der ungarische
König Ludwig II., als auch der
Graner Erzbischof zu unterbinden versuchten, allerdings mit wenig Erfolg: weder die Anordnungen zur Einsammlung und Verbrennung der Bücher Luthers, noch die Drohungen und die Verbote konnten die Verbreitung der Reformationsschriften verhindern.
Die Zentren der sächsischen Reformation in Siebenbürgen waren
Kronstadt und
Hermannstadt. Das
Reformationsbüchlein (1543) des Kronstädter Humanisten
Johannes Honterus fand auch in anderen sächsischen Städten großen Anklang, und gelangte zur Begutachtung an
Melanchthon und Luther. Die positive Aufnahme in den anderen Städten, sowie die erfreuliche Reaktion Luthers und Melanchthons veranlassten den
Pfarrer Mathias Ramser die Reformation auch in Hermannstadt durchzuführen. Die katholische Kirche, allen voran der strenggläubige Katholik
Bruder Georg (Georg Martinuzzi), seit 1542 Statthalter Siebenbürgens mit Sitz in
Weissenburg, sah zwar keineswegs tadellos zu, die Reformation konnte jedoch nicht mehr aufgehalten werden. Die
Nationsuniversität forderte bereits seit 1544 die Vereinheitlichung der gottesdienstlichen Gebräuche, das 1547 zur Erlassung der
Kirchenordnung aller Deutschen in Sybembürgen geführt hat. Honterus' Reformationsbüchlein diente hierbei als Grundlage. Durch einen Beschluss der Nationsuniversität von 1550 wurde die Kirchenordnung zur Richtschnur für alle sächsischen Städte und Gemeinden. Zum ersten Bischof, oder Superintendent, wurde 1553
Paul Wiener gewählt.
Die Reformationsbewegung in Siebenbürgen ist insgesamt als ein Prozess zu verstehen, der sich von den Beschlüssen bis zur Annahme und Akzeptanz dieser bei allen Sachsen über einen weiten Zeitraum erstreckte, als nur über die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. Bis hierher war die Reformation ein einheitlicher Prozess, denn sie breitete sich in ganz Siebenbürgen auch unter den Ungarn aus. An den Streitigkeiten über die Gegenwart Christi im Abendmahl, die schon im westlichen Europa zur Spaltung in ein reformiertes (
Zwingli,
Calvin,
Bugenhagen) und ein lutherisches Lager (Luther, Melanchthon) geführt hatten, sollte auch in Siebenbürgen um das Jahr 1560 die protestantische Bewegung auseinanderbrechen. Von der vorwiegend deutsch bestimmten, lutherisch geprägten Kirche trennten sich zunächst die Reformierten mit einem eigenen Bekenntnis 1556 ab, die unter calvinistischem Einfluss, keine Realpräsenz, sondern nur eine geistige Anwesenheit Christi im Abendmahl vertraten. Der Sitz der 'deutschen' Kirche mit einem Bischof war bis 1572 Hermannstadt, danach
Birthälm, während die reformiert-calvinistische, vorwiegend ungarische Kirche ihren Bischof in
Klausenburg hatte. In Klausenburg folgte bald eine zweite Abgrenzung durch antitrinitarische Lehren, aus deren Anhänger die Unitarier hervorgingen - eine als protestantisch angesehene ungarisch-sprachige Kirche mit Sitz in Klausenburg. Die Mehrheit der Rumänen war und blieb orthodox.
Bereits 1557 beschloss der Landtag zu
Thorenburg, dass jeder den Glauben behalten könne, den er wolle, mit neuen und alten gottesdienstlichen Gebräuchen und in Sachen des Glaubens ihrem Gutdünken überlassen, dass geschehe was ihnen beliebt, jedoch ohne Beleidigung irgendjemandes. Schließlich hat
König Johann auf dem Landtag von 1568 einen Gesetz über die völlige Freiheit der Verkündigung des Evangeliums mit der Begründung: "denn der Glaube ist Gottes Geschenk" akzeptiert. Damit wurde in Siebenbürgen eine für ganz Europa beispielhafte religiöse Freiheit geschaffen, die in Deutschland, Österreich erst durch leidvolle Kriegserfahrungen hindurch, schließlich durch den
Westfälischen Frieden von 1648 in vergleichbarem Umfang realisiert werden konnte. Die Religionsfreiheit Siebenbürgens darf allerdings nicht so einfach mit modernen Freiheitsbegriffen verglichen werden. Die Erklärung für die religiöse Toleranz ist in der weitgehenden Differenzierung der ständischen Gesellschaft zu suchen: Das Luthertum fand Unterstützung in der sächsischen Nation mit ihren autonomen Rechten. Der mit dem Zerfall des Landes in eine geistige Krise geratene ungarische Adel wurde ebenfalls Anhänger zuerst der lutherischen und dann der kalvinistischen Lehre, und der Antitrinitarismus wurde zur Konfession des ungarischen Bürgertums (Klausenburg) in Siebenbürgen und eines Teils der
Szekler.
Die wichtigsten Errungenschaften und Änderungen, die durch die Reformation in Siebenbürgen erreicht worden sind, kann man folgendermaßen zusammenfassen: Die evangelisch geprägten Konfessionen erreichten die Selbständigkeit gegenüber der katholischen Kirche. Sie wählten ihren eigenen Bischof; die lateinische Messe wurde abgeschafft und durch einen Gottesdienst in der jeweiligen Sprache ihrer Mitglieder ersetzt. Die kirchliche Liturgie wurde vereinfacht und das Abendmahl in beiderlei Gestalt eingeführt. Die Klöster wurden aufgelöst; ihr Vermögen ging in den Besitz der Städte und Gemeinden über. Mit der Annahme des Augsburger Bekenntnisses 1572 erfolgte für die Evangelische Kirche A.B. die Annäherung an die lutherische Kirche in Deutschland. Die Reformation in Siebenbürgen wurde sicherlich in entscheidendem Maße von der Auseinandersetzung zwischen geistlicher und bürgerlicher Macht vorangebracht, insbesondere auf dem Gebiet der Rechtsprechung. Die Durchführung der Reformation lag in Kronstadt und Hermannstadt in den Händen der Stadträte, für den ganzen
Königsboden bei der Nationsuniversität. Die Macht der katholischen Kirche wurde zwar gebrochen, doch erwuchs durch die sich konstituierende evangelische Kirche bald ein neues Potential heran, das sich immer wieder auch politisch einzubringen versuchte. Nach der Reformation unterschieden sich die siebenbürgischen Völkerschaften nicht nur durch ihre Sprache, sondern nun auch durch ihre Religionszugehörigkeit. Die Kirchen wurden zu 'Nationalkirchen'. Für die Sachsen war es wichtig, und ist es in gewisser Weise bis in die Gegenwart hinein so geblieben, dass 'evangelisch-lutherisch' gleichbedeutend mit sächsisch oder deutsch ist. Die religiöse Spaltung war ein wichtiger Schritt für die Identitätsbildung der Sachsen und Deutschen in Siebenbürgen.
Quellen:
KGS, ROMAN/HOFBAUER 1996, WAGNER 1990