Die Korrespondenz zwischen Daniel Cornides und Tamás Róth
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Cornides an Tamás Róth de Királyfalva
Pest, 22. Februar 1776
Wegen der heftigen Kritik Róths an der Abstammungshypothese der Ungarn von den Juhri an der Nordsee und seiner Bedenken wegen der von den Tataren übernommenen Schriftzeichen, führt Cornides weitere Beweise an.
Er versucht zu widerlegen, dass die Jugri und die Tataren identisch wären, nur weil sie dieselben Schriftzeichen verwendeten und die Tataren jugrischen Sekretären tatarische Briefe diktierten. Schließlich ist ja die tatarische Sprache der jugrischen ganz entgegengesetzt. Nach Róths Argumentation wären alle Europäer, die das lateinische Alphabet verwenden, miteinander identisch. Die meisten Ungarn sind der deutschen und slawischen Sprache mächtig, woraus man aber nicht ableiten kann, dass die ungarische und die slawische Nation vom selben Ursprung wären, führt Cornides aus.
Spectabilis Domine,
Patrone Gratiosissime!
Si quae mihi arcana animi sensa essent quantumvis momentosa: ea TIBI, Spectabilis Dne, quem ut singularem Benefactorem meum venerabundus semper suspiciam, quam cuiquam mortalium alteri, aperire mallem. Quae autem nuperrime de Jugris protuli in medium, nec secreta mea fuere, nec ita comparata, ut aliquam inde gloriolam exspectem, aut Anonymo Bela Regis Notario illustrando reservanda ducam. Quoniam vero sententiam meam de Jugris infirmare modis omnibus conaris; caussam, quam semel defendendam suscepi, tuebor, quoad potero. Ad TUAS itaque objectiones paucis iam respondebo: neque enim mihi per occupationes meas, et interpellatores perpetuos, nunc licet esse prolixiori. Quae mihi opponis, Spectabilis Domine, ad duo commode revocari possunt capita. Alterum est: Verisimile TIBI haud videri, Jugros Hungarorum fuisse maiores; alterum, Jugros Tartaris accenseri debere, si hi ab illis scripturam suam sint mutuati. Quod igitur ad primum attinet, Jugaria incolas eundem hodienum, quem Hungari nostri, sermonem loqui, praeter nuper a me excitatos auctores, testantur omnes rerum Moscoviticarum Scriptores, in corpus unum congesti, editique Francofurti, 1600. in fol. Brevitatis caussa nunc duos saltem ex iis adducam. Alexander Gnagninus in Moschoviae descriptione, laudati Operis pagina 169. ita habet in caeteris: Jugra, sive Juhra regio, cuius incolae Juhri vel Jugrici appellantur, ad Oceanum Septentrionalem sita est, ex ea Hungaros sterilitate regionis causata olim prodiisse, et Pannoniam occupasse ferunt, aiuntque eos patriis locis egressos, primo ad paludes Meotides consedisse. Deinde ad Danubium fluvium Pannoniam versus concessisse, a suique denominatione Pannoniam Juhariam, deinde Ungariam nominasse.....Indigemae huius regionis /: Jugra :/ eodem idiomate cum Ungaris utuntur.” Porro in Joannis Basilidis, Magni Moscoviae Ducis, vita ibidem, pag. 244. haec legas verba: Ex Jugoria ad Septentrionalem Oceanum sita, Ungaros prodiisse autumant. Ii enim cum longo tempore ad paludes Meotides consedissent, loci sterilitate, ut credibile est, offensi, ad Danubii ripas commigrarunt, occupataeque Pannonia eam suo de nomine Jugariam primum, et postea litteris paululum immutatis Ungariam appellaverunt. Et Jugrii quidem in hodiernum diem idem cum Ungaris idioma usurpant.” Nolo in hanc rem plura cumulare testimonia.
Quod denique ad secundum attinet; ex scripturae Jugricae et Tartaricae identitate, non sequitur, Jugros Tartarosque unam eandemque esse nationem. Haec enim si consecutio valeret; sequeretur, eundem loqui sermonem, eandemque nationem esse Potugallos et Hungaros; Slavos et Germanos; Valachos et Moscovitas. Iisdem enim litterarum characteribus utuntur Portugalli et Hungari; Slavi et Germani; Valachi et Moscovitae. At quanta inter memoratos populos et linguae, et nationis disparitas! Adde, quod Rubraquisius, loco nuper citato, diserte affirmet, Mungalos si quid scripturae mandant, lingua quidem uti Tartarica, sed characteres adhibere Jugricos, atque adeo linguam Tataricam Jugricae omnino contradistinguat. Obiicis tamen: Si Secretarios a Jugris petebant Tartari, unius sermonis eos oportuit esse; si unius sermonis, tunc et sanguinis quoque. Nego consequentiam! Erant nimirum Jugri cum Tataris per vicinitatis iura, commercia mutua, connubia affimitatesque utrinque initas &c. coniuncti semper; unde Jugris Tataricae, et vicissim Tataris Jugricae linguae usus non poterat non esse perquam familiaris; perinde ac hodie apud nos vix alicuius nominis Hungarum reperias, linguae Slavicae Germanicaeque ignarum, et vix aliquem cultiorem Slavum, quin Germanicum Hungaricumque calleat idioma. Quis tamen inde inferat, Hungaros et Slavos cognatas esse gentes, aut origines suas Nationem alteram ab altera repetare? Tempore exclusus nil amplius addo: plura tamen hac de re proxime. Gratia singulari Spectabilis Domini perenni cultu commendatus persevero
Spectabilis Domini
Cultor devotissimus et obsequentissimus
servus
Dan Cornides.
Pesthini, d. 22. Febr. 1776.
Ganotzianam Commentationem huiates Bibliopolae nondum procurarunt. Quam primum adlata fuerit, eam TIBI protinus mittere non negligam.
Deutsche Übersetzung des Briefes:
Gnädigster Schutzherr!
Wenn ich noch so geheime obgleich nur flüchtige Gedanken des Geistes hätte, dies möge ich Dir, Achtenswerter Herr, den ich als meinen einzigen Gönner immer ehrerbietig annehmen werde, lieber offenbaren, als irgendeinem anderen Sterblichen. Was ich aber neulich über die Jugri bekannt gemacht habe, waren weder meine Geheimnisse, noch so beschaffen, dass ich deshalb irgendein bisschen Ruhm erwarte, oder dass ich zur Bewahrung dessen, was Anonymus, der Notar König Bélas, erläuterte, führe. Da Du tatsächlich versuchst, meine Theorie über die Jugri mit allen Mitteln zu widerlegen, werde ich die zu verfechtende Sache, die ich aufgenommen habe, so gut schützen wie ich kann. Auf Deine Vorwürfe werde ich daher schon mit einigen Worten antworten: denn nicht durch meine Beschäftigung, sondern vielmehr durch die ewigen Störer, ist es mir jetzt erlaubt, ausgedehnter zu sein. Was Du mir einwendest, Achtenswerter Herr, können die Quellen in zwei Punkten widerlegen. Der eine ist: Dir scheint es nicht gerade wahrscheinlich, dass die Jugri die Vorfahren der Ungarn waren; der andere, dass die Jugri den Tataren unterstellt werden müssen, wenn diese von jenen ihre Schrift geborgt hätten. Was also das erste betrifft, dass die Einwohner Jugarias heute dieselbe Sprache sprechen wie unsere Ungarn, bezeugen außer den neulich von mir aufgestöberten Autoren alle Schreiber der Moskauer Geschichte, in einer Gesamtausgabe zusammengefasst und in Frankfurt 1600 als Buch herausgegeben. Wegen der Kürze werde ich jetzt mindestens zwei von ihnen anführen. Alexander Gnagninus schreibt in der Beschreibung Moskaus auf Seite 167 des gelobten Werkes unter anderem so: Die Region Jugra oder Juhra, deren Einwohner Juhri oder Jugrici genannt werden, liegt an der Nordsee; es wird gesagt, dass die Ungarn aus dieser, von der Unfruchtbarkeit der Region verursacht, einst herausgekommen sind und Pannonien besetzten, und man sagt, dass sie aus der Heimat hinausgetreten, sich zunächst bei den Maeotischen Sümpfen niedergelassen haben. Dann sollen sie zum Fluss Donau Richtung Pannonien gegangen sein und Pannonien nach ihrer Benennung Juharia, dann Ungaria genannt haben…Die Eingeborenen dieser Region /: Jugra :/ verwenden dieselbe Sprache wie die Ungarn.“ Des Weiteren liest Du in der Biographie des Johannes Basilides, des Fürsten des Großen Moskau, ebenda S. 244 diese Worte: Man sagt, dass die Ungarn aus Jugaria an der Nordsee gelegen, aufbrachen. Denn sie übersiedelten wegen der Unfruchtbarkeit des gefundenen Ortes, wie es glaubwürdig erscheint, und ließen sich für eine lange Zeit an den Maeotischen Sümpfen nieder und besetzten Pannonien an den Ufern der Donau, dieses nannten sie zuerst nach ihrem Namen Jugaria, und später mit ein wenig veränderten Buchstaben Ungaria. Und die Jugri verwenden bis zum heutigen Tag dieselbe Sprache wie die Ungarn.“ Ich will in dieser Sache nicht noch mehr Zeugen anhäufen. Was schließlich das zweite betrifft, aus der Identität der jugrischen und tatarischen Schrift folgt nicht, dass die Jugri und die Tataren ein und dasselbe Volk sind. Wenn nämlich diese Folgerung gelten würde, würde folgen, dass Portugiesen und Ungarn, Slawen und Germanen, Walachen und Moskoviten dieselbe Sprache sprechen und dasselbe Volk sind. Denn Portugiesen und Ungarn, Slawen und Germanen, Walachen und Moskoviten verweden dieselben Schriftzeichen. Und wie groß ist der nationale Unterschied zwischen den erwähnten Völkern und Sprachen! Gib zu, was Rubraguisius, neulich an der Stelle zitiert, klar bestätigt, dass die Mongolen, wenn sie etwas den Schriften anvertrauen, zwar die tatarische Sprache verwenden, aber die jugrischen Buchstaben gebrauchen, und dass sogar die tatarische Sprache der jugrischen völlig entgegengesetzt ist. Du wirfst jedoch entgegen: Wenn die Tataren die Sekretäre von den Jugri erbeten haben, sollten sie dieselbe Sprache haben, wenn dieselbe Sprache, dann auch dasselbe Blut. Ich verleugne die Konsequenz! Freilich waren die Jugri mit den Tataren durch die Rechte der Nachbarschaft, dem gemeinsamen Handel, die Eheverbindungen und Verwandtschaften von beiden Seiten eingetreten usw. immer verbunden, woher den Jugri der Gebrauch der tatarischen, und andererseits den Tataren der Gebrauch der jugrischen Sprache überaus vertraut sein konnte, und ebenso mögest Du heute bei uns kaum den Ungarn irgendeines Namens, der der slawischen und deutschen Sprache nicht kundig ist, finden, und kaum irgendeinen gebildeten Slawen, ohne dass er die deutsche und ungarische Sprache kennt. Wer mag jedoch deshalb vorgeben, dass die Ungarn und Slawen verwandte Völker seien, oder die eine Nation ihre Ursprünge von der anderen herleitet? Wegen Zeitmangels füge ich nichts Bedeutendes hinzu: mehr von dieser Sache freilich bald. Ich verbleibe in der Güte des einzigartigen Herrn empfohlen der nicht versiegenden Verehrung des Achtenswerten Herrn
unterwürfigster Verehrer und gefälligster
Diener
Daniel Cornides
Pest, 21. Februar 1776
Die Buchhändler besorgen die Commentationes des Gánóczy noch nicht. Was zuerst berichtet wurde, werde ich nicht verabsäumen, Dir unverzüglich zu schicken.