Der Vernünftige Zeitvertreiber

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Die Begebenheiten des Aristonons

Sophronimes, welcher die anererbten Güter seiner Vorfahren, durch Schiffbruch und andere Unglücksfälle verloren, tröstete sich hierüber, durch die entzückende Betrachtung seiner Tugend, auf der Insel Delos. Er heiligte seine Bemühungen an diesem Orte, dem Dienste und dem Lobe Gottes. Er widmete, in dieser stillen Einsamkeit, seinen Fleis den Musen, deren Liebling er war. Er untersuchte alle Geheimnisse der Natur, den Lauf der Gestirne, die Bewegungen des Himmels, die Ordnung der Elemente, den künstlichen Bau der Welt, die Tugenden und Eigenschaften der Pflanzen, die bewunderungswürdige Bildung des Leibes der Thiere, und was das meiste war, so studierte er sich selbst, und ließ das seine gröste Beschäftigung seyn, seine Seele mit den gesegneten Früchten der Tugend zu zieren. Auf solche Weise hatte das Unglück,

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welches ihn erniedrigen wollte, ihn zur wahren Ehre, zur Ausübung der Weisheit erhoben.

Als er einige Zeit, ohne Hilfe und von allem entblößt an diesem stillen Aufenthalte zugebracht, ward er einsmals an dem Ufer des Meeres, einen verehrungswürdigen Greis gewahr, den er gar nicht kannte, und der so eben auf dieser Insel angeländet war. Dieses graue Haupt, bewunderte die Gestade des Meeres, weilen ihm bekannt war, daß auf selbigen ehedem diese Insel, ein schwimmender Körper gewesen. Er lenkte seine Aufmerksamkeit auf jene Küste, über welche noch Sandbänke und Felsen hervorragten, und auf welcher man kleine Hügel erblickte, die allezeit, mit einem beblümten und grünen Schmucke prangten. Er konnte nicht genug die reinen Qwellen und schnellen Flüße betrachten, die diese glückseligen Felder bewäßerten. Er setzte seinen Schritt gegen den geheiligten Wald fort, in welchen man die Gottheit verehrte. Er gerieht in die gröste Verwunderung, als er sah, daß die kältesten Nordwinde nicht vermögend gewesen, den grünen Schmuck der belaubten Bäume zu verunstalten, und er erblickte schon vom weiten den Tempel

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den man aus einem Marmor, aus der Insel Paros gehauen, welcher die Weiße des Schnees übertraf, und mit hohen Säulen von Jaspis umgeben war. Sophronimes, war nicht weniger aufmerksam, diesen Greis zu betrachten. Sein grauer Bart hieng ihm bis auf die Brust herunter. Sein runzlichtes Angesicht, hatte nichts häßliches an sich. Er war noch, von den widrigen Anfällen eines hinfälligen Alters, befreyet. Seine Augen, gaben eine angenehme Lebhaftigkeit zu erkennen. Seine Gestalt war hoch und ansehnlich, obgleich ein wenig gekrümmet, und ein Stock von Elfenbein, dienete ihm zu seiner Stütze. Mein wehrtester Fremdling! sagte Sophronimes zu ihm, was suchet ihr auf dieser Insel, die euch so unbekannt vorkömmt? Ist es vielleicht der Tempel der Gottheit, so sage ich euch, daß ihr ihn von ferne sehet, und ich erbiete mich, euch dahin zu begleiten. Denn, ich fürchte Gott, und ich habe aus meiner Religion so viel gelernet, daß man die Fremdlinge wohl aufnehmen soll.

Der Alte sagte hierauf: Ich nehme euer so gütiges Anerbieten mit Freuden an, und ich bitte Gott, daß er eure Dienstfertigkeit, die ihr den Fremden er-

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zeiget, belohnen wolle! Laßt uns denn zu dem Tempel gehen. — Unterwegs erzehlte er dem Sophronimes die Ursache seiner Reise. Mein Name, sagte er, ist Aristonous. Ich bin aus der Stadt Clazomene, in Ionien gebürtig, die auf jener angenehmen Küste lieget, welche sich bis ins Meer erstrecket, und mit der Insel Chio, dem beglückten Vaterlande des Homerus, zu vereinigen scheinet. Ich ward von armen, doch edlen Eltern geboren. Mein Vater, der sich Polystrates nannte, und schon mit einer zahlreichen Familie versehen war, wollte gar keine Sorge auf meine Erziehung wenden. Er ließ mich daher durch einen seiner Freunde von Teos, als einen Verlassenen aussetzen. Ein altes Weib von Erytra, welche einige Güter nahe an dem Orte hatte, wo man mich niedergeleget, ernährte mich mit Ziegenmilch in ihrem Hause. Allein, wie sie selbst nichts mehr zu leben hatte, so verkaufte sie mich, als ich erwachsen war, an einen Sklavenhändler, der mich nach Lycien brachte. Zu Patera, verkaufte er mich an einen reichen, aber tugendhaften Mann, mit Namen Alcines. Dieser Alcines nahm sich meiner Jugend treulich an. Ich schien ihm gelehrig, bescheiden, aufrich-

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tig, gütig, und zu allen ehrbaren Dingen geschickt, zu deren Unterweisung er sich zu meinem Besten unterziehen wollte. Er widmete mich den Künsten, welchen Apollo seine Gunst nicht versaget. Er ließ mich die Tonkunst, die Leibesübungen, und sonderlich die Wundarztney erlernen. Ich erlangte gar bald einen ziemlich großen Ruhm in dieser so unentbehrlichen Kunst, und Apollo, der mich belebte, entdeckte mir die wunderbaresten Geheimnisse.

Alcines, welcher mich je mehr und mehr liebte, und darüber entzückt war, den glücklichen Fortgang, seiner auf mich gewandten Sorgen zu erblicken, schenkte mir die Freyheit, und schickte mich zu dem Damokles, König in Licaonien, welcher, weil er die Ausschweifungen liebte, sich ein langes Leben wünschte, und sich dabey immer fürchtete, daß er seine Jahre nicht hoch genug bringen möchte. Dieser König überhäufte mich mit großen Reichthümern, aus der Absicht, daß ich bey ihm bleiben sollte. — Einige Jahre hernach starb Damocles. Sein Sohn, der durch die Schmeichler des Hofs wider mich aufgebracht war, mußte mir dazu dienen, daß ich an allen demjenigen, was die Sinnen reizet, einen Eckel fand.

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Ich verspürte bey mir endlich ein heftiges Verlangen, mein Vaterland Lycien wieder zu sehen, allwo ich auf eine so angenehme Weise meine Jugend zugebracht hatte. Ich hoffte den Alcines daselbst wieder anzutreffen, welcher mich auferzogen, und welcher der erste Urheber meines ganzen Glückes gewesen ist. Als ich in diesem Lande ankam, erfuhr ich, daß Alcines gestorben war, nachdem er alle seine Güter verloren, und mit vieler Standhaftigkeit, die Unglücksfälle seines Alters ertragen hatte. Ich bemühte mich Blumen und Trähnen über seine Asche zu streuen, ich ehrte sein Grab mit einer Innschrift, und erkundigte mich, wo seine Kinder hingekommen wären.

Man sagte mir: daß nur ein einziger Sohn von ihnen übrig geblieben, mit Namen Orcilochus, und daß, weil derselbe sich nicht entschließen können, in seinem Vaterlande von allem entblößet, zu verbleiben, und worinn sein Vater, mit so vielem Ansehen gestanden, er sich an den Bord eines fremden Schifs begeben, um in einer abgesonderten Insel des Meers, ein stilles Leben zu führen. Man erzählte mir weiter, daß dieser Orcilochus, kurze Zeit hernach in der Gegend der Insel Carphate habe Schifbruch ge-

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litten, und daß folglich auf diese Art, niemand mehr von der Familie, meines Wohlthäters Alcines, vorhanden sey.

Ich entschloß mich, sogleich das Haus, worinn er gewohnet, sammt den fruchtbaren Feldern, die er in der dasigen Gegend besessen, an mich zu kaufen. Ich freute mich, denjenigen Ort wieder zu erblicken, der mir das Andenken meines so zarten Alters, und meines so grossen Wohlthäters, auf eine angenehme Weise erneuerte. Es kam mir vor, als wenn ich noch in der Blühte meiner ersten Jahre stünde, die ich auf den Dienst des Alcines damals verwendete. Kaum war der Kauf, zwischen seinen Gläubigern, und mir, in Richtigkeit gebracht, so mußte ich nach Clazomene reisen. Mein Vater Polystrates, und meine Mutter Phidile, sturben. Ich hatte noch mehrere Brüder, die sich nicht allzuwohl miteinander vertrageu konnten. Sobald ich zu Clazomene ankam, zeigte ich mich ihnen unter einem schlechten Anzuge, als ein Mensch, der an allem Mangel litte, und ließe sie die Kennzeichen sehen, mit welchen man, wie ihr wißt, Sorge trägt, die Kinder auszusetzen. Sie wunderten sich sehr, die ohne dieß schon so große Anzahl der Erben des Polystrates ver-

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mehret zu sehen, die sich in seinen kleinen Nachlaß theilen sollten. Sie wollten mir sogar Zweifel wegen meiner rechtmäßigen Geburt erregen, und sie giengen so weit, daß sie mich nicht einmal vor den Richtern für ihren Bruder erkannten. Hierauf erklärte ich, um ihre Unmenschlichkeit zu züchtigen, daß ich darein willigte, in Ansehung ihrer ein Fremdling zu seyn, und bat, daß sie auf ewig von meiner Verlassenschaft ausgeschlossen seyn sollten. Die Richter erkannten dieses alles für recht und billig, und bald darauf zeigte ich die Reichthümer, die ich auf mein Schif mitgenommen hatte. Ich entdeckte ihnen, daß ich dieser Aristonous wäre, der so viele Schätze bey dem Damocles, Könige in Licaonien erworben, und daß ich mich niemalen verehlichet hätte.

Es kam meine Brüder die Reue an, daß sie auf eine so ungerechte Weise mit mir verfahren, und in der Hoffnung, dereinst meine Erben seyn zu können, wendeten sie alle Mühe, wiewohl vergeblich an, meine Freundschaft wieder zu gewinnen. Ihre Uneinigkeit brachte es dahin, daß die Güter unsers Vaters öffentlich verkauft wurden. Ich kaufte sie an mich, und sie hatten den Verdruß,

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zu sehen, daß alle die Güter unsers Vaters, in die Hände desjenigen kamen, dem sie nicht den geringsten Theil davon gönneten. Auf solche Weise fielen sie in eine erschreckliche Armuht. Allein, nachdem sie lange genug ihren Fehler empfunden hatten, wollte ich ihnen dennoch mein gutes Herz zu erkennen geben. Ich vergab ihnen. Ich nahm sie in mein Haus auf. Ich gab einem jeden soviel, daß er etwas damit für sich in der Handlung erwerben konnte. Ich verbannete die Zwietracht unter ihnen, daß sie wiederum friedlich miteinander lebten. Sie, und ihre Kinder, genossen bey mir einen ruhigen Aufenthalt. Ich ward der gemeinschaftliche Vater, aller dieser verschiedenen Familien. Durch ihre Einigkeit, und durch ihren Fleis zur Arbeit, sammleten sie gar bald beträchtliche Schätze.

Unterdessen hat sich, wie ihr sehet, das Alter bey mir eingefunden. Die hohen Jahre, haben mein Haupt mit Schnee bedeckt, und mein Gesicht in Runzeln gezogen. Die Schwäche meines Alters, giebt mir unvermerckt zu erkennen, daß ich nicht lange mehr, einer so vollkommenen Glückseligkeit genießen werde. Ehe ich sterbe, habe ich noch zum letzten-

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mal dieses Land, das mir so angenehm ist, sehen wollen; dieses beglückte Lycien, worinn ich unter der Anführung des tugendhaften Alcines, die Lehren der Klugheit, und Weisheit eingesogen. Als ich zu Wasser dahin zurückkehren wollte, traf ich einen Kaufmann, aus einer der Cycladischen Inseln an, der mich versicherte, daß noch zu Delos, ein Sohn des Orcilochus am Leben wäre, welcher das, seine einzige Beschäftigung seyn ließ, die Weisheit und Tugend seines Großvaters Alcines, nachzuahmen. Ich änderte sogleich den genommenen Weg nach Lycien, und eilte, unter der verspürten Gunst des Apollo, denjenigen kostbaren Rest einer Familie, welcher ich alles zu verdanken hatte, in seiner Insel aufzusuchen. Ich habe noch wenige Zeit zu leben übrig. Der Tod, wird diese süße Zufriedenheit, welche den wenigsten Sterblichen zu Theile wird, mit dem Ende meiner Tage auf einmal aufheben. Allein, ich will gerne sterben, wenn nur meine Augen, ehe sie sich schliesen, noch den Enkel meines Herrn sehen, können!

Redet itzt, ihr, die ihr mit ihm diese glückliche Insel bewohnet! Kennet ihr ihn? Könnet ihr mir wohl sagen, wo ich

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ihn antreffen werde? Wenn ihr macht, daß ich ihn sprechen kann, so wünsche ich euch zur Vergeltung, daß ihr eure Kindeskinder, bis ins fünfte Glied, auf eurem Schoose herzen möget. Euer Haus, müße in Frieden und Uiberflusse, als die Frucht eurer Tugend, und in beständigem Flore erhalten werden! — Als Aristonous noch so redete, fielen dem Sophronimes für Schmerz und Freuden, die Trähnen aus den Augen. Endlich fiel er, ohne ein Wort reden zu können, diesem ehrwürdigen Greise um den Hals, er umarmte ihn, er drückte ihn fest an sich, und ließ diese mit Seufzer vermengten Worte, mit schwacher Stimme von sich hören:

Ach! mein Vater! Ich bin derjenige, den ihr suchet. Ihr sehet den Sophronimes, den Enkel eures verewigten Freundes Alcines. Ja, ich bin es, und indem ich eure Begebenheiten anhöre, so trage ich nicht den mindesten Zweifel, daß euch Gott hieher gesendet, mein Leiden zu versüßen. Die Erkenntlichkeit, welche auf Erden verschwunden zu seyn scheinet, ist bey euch allein anzutreffen. In meiner Jugend habe ich gehöret, daß ein berühmter, reicher und in Lycaonien seßhafter Mann, bey meinem Großvater

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auferzogen worden sey. Allein, gleich wie mein Vater Orcilochus, in seinen jungen Jahren verstarb, und mich als ein unschuldiges Kind in der Wiege, zurück ließ, so hatte ich von allen diesen Dingen, nur eine dunkele Vorstellung. Bey solcher Ungewißheit, getrauete ich nicht nach Lycaonien zu kehren. Ich wollte lieber auf dieser Insel bleiben. Die Verachtung der eitlen Reichthümer, und die süße Beschäftigung, den Wissenschaften in dem geheiligten Tempel des Apollo obzuliegen, richteten mich auf. Die Weisheit, welche die Menschen lehret und gewöhnet, mit wenigem zufrieden und vergnügt zu seyn, hat mir bisher statt aller anderen Güter gedienet. —

Als Sophronimes diese Worte geendiget, und sich dem Tempel genähert hatte, schlug er dem Aristonous vor, daselbst ihr Gebet zu thun. Sie verrichteten es, mit einer rührenden Andacht.

Den übrigen Theil des Tages, brachten sie damit zu, daß sie sich einander lhre Begebenheiten erzählten. Sophronimes empfieng den Aristonous mit der Zärtlichkeit und Ehrfurcht bey sich, welcher dem Alcines selbst bewiesen haben würde, wenn er noch am Leben gewesen wäre. Den andern Tag reiseten sie mit-

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einander ab, schifften sich nach Lycien ein. Sie langten mit günstigem Winde daselbst an. Aristonous führte sogleich den Sophronimes auf ein fruchtbares Gefielde, an dem Ufer des Flusses Xanthus, in dessen Wasser Apollo, als er von der Jagd zurückkehrte, und ganz mit Staube bedecket war, so oft seinen Leib wusch, und seine schönen blonden Haare, vom Schweife und Schmutze reinigte.

Sie fanden längst des Flusses hohe Pappelbäume, und niedrigstehende Weiden, deren grüne und zarte Decke, eine Menge Nester unzähliger Vögel verbarg, welche Tag und Nacht mit ihrem lieblichen Gefange, die Luft erfüllten. Der Strom, der von einem Felsen, mit vielem Geräusche und Schaume, herabstürzte zerbrach seine Fluhten in einem Kanale, der voller kleinen Kieselsteine wimmelte. Die ganze Ebene schmückte eine goldene Erndte. Die Hügel, die sich wie ein Amphitheater erhoben, waren mit Weinstöcken und fruchtbaren Bäumen bepflanzet. Die ganze Natur, war daselbst in einer reizenden, und enzückenden Gestalt. Der Himmel war heiter und aufgekläret, und die Erde alleizeit bereit, aus ihrem Schoose neue

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Reichthümer herzugeben, um den Fleis des Ackermanns zu belohnen

Wie sie immer längst des Flusses fortgiengen, erblickte Sophroniones, ein, sonder großen Zierraht, aufgeführtes mittelmäßiges Haus, jedoch von einer regelmäßigen Bauart, und richtigem Verhältnisse aller seiner Theile. Er fand daran weder Marmor noch Gold, weder Silber noch Elfenbein, noch Hausrath von Purpur. Alles war an demselben reinlich, und voller Beqwemlichkeit, doch ohne Pracht. Ein Springbrunnen war mitten in dem Hofe zu sehen, und machte einen kleinen Kanal aus, der mit einem grünen Wasen, wie mit einem Teppiche bekleidet war. Der Garten war nicht allzugroß. Man sahe darinnen nützliche Früchte und Pflanzen, die zur Nahrung der Menschen dienten. Auf beyden Seiten des Gartens, ragten zwey Gehölze hervor, deren Bäume fast so alt, als die Erde, ihre Mutter, waren, und deren dicke Aeste einen Schatten von sich warfen durch welche die Sonnenstralen nicht durchbrechen konnten. Sie traten hernach meinen großen Saal, wo sie eine angenehme Mahlzeit von solchen Speisen thaten, die die Natur in den Gärten darbot. Man fand daran nichts von

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demjenigen, was die Lüsternheit der Menschen, so weit und so theuer, aus denen Städten herbeyzuholen pflegt. Die Gerichte bestunden aus Milch, und zwar von so süßem Geschmacke, als diejenige gewesen, welche Apollo getrunken, als er ein Schäfer bey dem Könige Admetes war. Ferner aus Honig, der weit vortreflicher gewesen, als den die Bienen von Hibla, in Sicilien, oder auf dem Berge Himotte, in Attica, bereitet. Es waren Hülsenfrüchte aus dem Garten dabey, und sehr schmackhaftes Obst, das man frisch von den Bäumen gebrochen. Endlich wurde ein Wein, weit niedlicher als der Nectar, aus großen Gefäßen, in Bächer von getriebener Arbeit, gegossen.

Während dieser nützlich eingerichteten, doch angenehmen und ruhigen Mahlzeit, wollte sich Aristonous doch nicht zu Tische setzen. Er suchte gar bald, unter allerley Vorwand, seine Bescheidenheit zu verstecken. Allein, wie Sophronimes ihn endlich weiter nöhtigen wollte, erklärte er, daß er sich niemals entschließen würde, mit dem Enkel des Alcines zu speisen, dem er so lange Zeit, und zwar in dem nämlichen Saale als Sclave gedienet. — Hier ist der Ort, sagte er zu

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ihm, allwo dieser weise Greis zu speisen pflegte. Dort ist es, allwo er mit seinen Freunden, einen genauen und vertrauten Umgang unterhielt. Hier ist es, wo er sich mit dem Spiele ergetzte. Dort gieng er öfters spatzieren, und las den Hesiodus, und den Homerus; und hier ist der Ort, wo er des Nachts ruhete. — Indem er aller dieser Umstände sich wiederum erinnerte, wurde sein Herz erweichet, und die Trähnen fiengen an, ihm haufenweise über die Wangen zu rollen.

Nach der Mahlzeit, ließ er den Sophronimes die schönsten Wiesen sehen aus welchen seine zahlreichen Heerden weideten, und die an dem Ufer des Flusses, durch ihr freudiges Blöcken, und Brüllen, ihre Zufriedenheit zu erkennen gaben. Darauf wurden sie große Heerden von Hammeln und Schaafen gewahr, welche von grüner Weide zurückkamen. Die Euter der blöckenden Schaafe, strotzten den für Schwere, und Menge ihrer fetten Mich, und ihre jungen hüpfenden Lämmer, folgten ihnen auf dem Fusse nach. Uiberrall sah man die Arbeitsleute beschäftiget, welche zum Besten ihres gütigen und freundlichen Hernns, sich der härtesten Arbeit unterzogen. Sie thaten alles aus Liebe für ihn, weil er ih-

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nen die Beschwerlichkeiten der Sklaverey erträglich machte.

Als nun Aristonous dem Sophronimes sein Haus, seine Sklaven, seine Heerden und Ländereyen, die durch einen sorgfältigen Fleiß, so fruchtbar geworden waren, gezeiget hatte, sprach er zu ihm: ich bin erfreut, euch in dem Besitze des alten Erbtheils eurer Vorfahren zu sehen. Ja, ich bin vergnügt, weil ich euch den Ort zum Eigenthum überlasse, allwo ich so lange Zeit als Sklave dem Alcines gedienet. Genießet dasjenige in Frieden, was ihm angehörte. Das Glück müße euer beständiger Gefährte seyn! Durch eure Wachsamkeit, bereitet euch auf die Zukunft, auf ein angenehmeres Ende, als das seinige gewesen.

Bald darauf übergab, und schenkte er ihm würklich diese Güter, mit allen denjenigen Feyerlichkeiten, welche die Gesetze erfordern, und erklärte dabey, daß seine Erben, auf den Fall, auf immer von seiner Verlassenschaft ausgeschlossen seyn sollten, wenn sie sich etwan aus Undankbarkeit beygehen ließen, die Schenkung, welche er zum Besten des Enkels vom Alcines, als seines großen Wohlthäters gethan, in Zweifel zu ziehen.

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Allein, das war noch nicht genug, dem Willen des Aristonous ein Genüge zu thun. Ehe er sein Haus abtrat, so schmückte er es noch mit ganz neuen Meublen aus, die zwar keinen grossen Pracht zu erkennen gaben, aber dem ohngeachtet angenehm in die Augen fielen. Er füllte die Scheuren und Kornböden an, und versah den Keller mit dem niedlichsten Weine. Endlich fügte er noch eine unzählbare Menge Stücke Tuch, von feiner und schneeweißer Leinwand hinzu, als eine reiche Abgabe von den zarten Schaafen, die auf den hohen Gebirgen von Arcadien, und in den fetten Triften von Sicilien, weideten.

In solchem Zustande übergab er dem Sophronimes sein Haus. Er begleitete dieses Geschenk, noch mit der ansehnlichen Summe von funfzig tausend Thaler, und behielt seinen Freunden diejenigen Güter bevor, die er auf der Halbinsel von Clazomene, in den Gegenden von Smyrna, Lebede und Colophen besaß, und die von sehr großem Werthe waren. Als diese Schenckung in Nichtigkeit gebracht war, gieng Aristonous wiederum an Bord seines Schifs, um nach Ionien zurückzukehren.

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Sophronimes, der durch eine so prächtige Schenkung in die größte Verwunderung gesetzet, und zärtlich gerühret war, begleitete seinen Wohlthäter, mit trähnenden Augen bis an das Schiff, indem er ihn beständig seinen Vater nannte, ihm um den Hals fiel, und ihn unter seinen Armen fest ans Herz drückte, so daß es schien, als könnte er sich ohnmöglich, von einem so großen Wohlthäter trennen, und ihn auf einmal verlassen. Aristonous gieng endlich zu Schif, und langte gar bald, unter einem günstigen Winde, an dem Orte seiner Bestimmung an. Kein einziger von seinen Freunden, getraute sich, darüber zu beklagen, was er so eben zum Besten des Sophronimes gethan hatte. Er sagte zu ihnen: Ich habe in meinem aufgerichteten letzten Willen, diesen Befehl hinterlassen, daß alle meine Güter verkauft, und unter die Armen in Ionien vertheilet werden sollen, wenn jemals einer von euch, sich unterfangen wird, die Schenkung, welche ich itzo zum Vortheil des Enkels vom Alcines, gethan, in Zweifel zu ziehen.

Dieser weise Greis, lebte inzwischen in Frieden, und genoß in Ruhe der Gü-

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ter, welche die Belohnung seiner Tugend gewesen. Ohngeachtet seines hohen Alters, unternahm er dennoch alle Jahre eine Reise nach Lycien, um sowohl den Sophronimes zu besuchen, als das Grabmaal des Alcines zu ehren, welches er mit den schönsten Zierrahten der Bau-und Bildhauerkunst ausschmücken ließ. Er hatte befohlen, daß seine eigene Asche nach seinem Tode, in die nämliche Gruft gebracht werden sollte, damit sie ihre Ruhe bey derjenigen seines Herrn haben möchte.

Aus Begierde und Verlangen, den Aristonous wieder zu sehen, gieng Sophronimes jedes Jahr im Frühlinge, an das Gestade des Meers, und sah mit unverwandten Augen, nach derjenigen Gegend, woher in dieser Jahreszeit das Schif des Aristonous zu kommen pflegte. Er hatte jedes Jahr das Vergnügen, von weitem dieses ihm so angenehme Schif, mitten unter den salzigten Wellen anlangen zu sehen, und die Ankunft desselben, war ihm viel wehrter, als alle die erqwickenden Annehmlichkeiten, womit der Frühling, nach ausgehaltener Strenge des unfreundlichen Winters, die Natur wieder aufs neue belebet.

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Jedoch, es verfloß ein Jahr, in welchem er dieses so sehnlich gewünschte Schif, das er gewohnt war, alle Jahre zu sehen, nicht mehr ankommen sah. Er seufzete, und vergoß hierüber bittere Trähnen. Furcht und Traurigkeit, verstellten sein Angesicht. Der süße Schlaf, entfernte sich weit von seinen Augen. Es wollte ihm kein Essen, kein Trinken mehr schmecken, so niedlich es auch zugerichtet war. Er schwebte in einer beständigen Unruhe, und das geringste Geräusch erschreckte ihn. Seine Augen, waren allezeit nach dem Hafen gerichtet, in welchem er das Schif seines Wohlthäters einlaufen gesehen. Er fragte jeden Augenblick, ob nicht ein Schif aus Ionien angelandet. Es kam eines. Aber! leider! Aristonous befand sich nicht auf demselben. Es hatte nur eine silberne Todtenurne am Borde, worinn man seine Asche verwahret hatte.

Amphicles, ein alter Freund des Verstorbenen, der, fast gleiches Alters mit demselben war, und sich der Ausrichtung seines letzten Willens mit aller Treue unterzog, überbrachte mit vielen Thränen, diesen Rest der menschlichen Sterblichkeit. Als er den Sophronimes anreden wollte, konnten beyde für Schmerz kein

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Wort vorbringen, und sie drückten sich nur durch Seufzer aus. Sophronimes, als er das Gefäß worinn die Asche seines erblaßten Wohlthäters aufbehalten ward, geküßet, und mit seinen Trähnen benetzet hatte, ließ er endlich diese Worte von sich hören: O! ehrwürdiger, und nun erblaßter Greis! Du hast bisher die Glückseligkeit meines Lebens ausgemacht, und itzo verursacht mir dein Tod den allerempfindlichsten Schmerzen. Soll ich dich denn auf ewig verlieren! Nichts, als der Tod, würde mir angenehm seyn, dich wieder zu sehen, und dich in jene selige Gegenden zu begleiten, wo dein Geist der stolzen Ruhe, und des süßen Friedens genießet, der die Belohnung der Tugend ausmacht. Du hast in unsern Tagen die verbannete Gerechtigkeit, die Gottesfurcht und Erkenntlichkeit wieder hervorgebracht. Du hast in unserer rauhen Zeit, jenes goldene Weltalter wieder aufleben lassen. Ehe deine Tugend dich bis zum Sitze der Sterne erhoben, hat dich selbige erst noch hienieden mit einem glücklichen, angenehmen und langen Alter gekrönet.

Aber, ach! leider! das, was beständig dauren sollte, ist niemalen lang genug. Ich empfinde kein Vergnügen mehr,

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diejenigen Güter, so du mir gegeben, zu genießen, weil ich in die traurige Nohtwendigkeit versetzet worden, dieselben ohne dich zu gebrauchen. O! wehrtester Schatten! wenn werde ich mich zu dir nahen können! Köstliche Asche! wenn du noch einiger Empfindlichkeit fähig bist, so wirst du sonder Zweifel das Vergnügen gewahr werden, dich mit der Asche des Alcines vereinigt zu sehen. Ja! meine Asche soll sich auch einmal mit der eurigen vereinigen. Unterdessen soll dieses mein einziger Trost seyn, diesen köstlichen Rest von demjenigen, was mir in der Welt am liebsten gewesen, getreulich zu bewahren. Ach! Aristonous! Ach! mein Aristonous! Du sollst beständig in dem innersten meines Herzens leben! Dein Angedenken soll mir immer unvergeßlich bleiben! Ehe will ich mich lieber selbst vergessen, als diesen so liebenswürdigen Wohlthäter, mir aus dem Gedächtnisse bringen lassen; diesen Freund, der mich so sehr geliebet, der mir die Tugend eingepflanzet, und sie selbst in Ausübung gebracht, dem ich alles zu verdanken habe!

Nach diesen, mit vielen tiefen Seufzern unterbrochenen Worten, setzte Sophronimes die in der Todtenurne aufbe-

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wahrte Asche seines verblichenen Wohlthäters, in die Gruft des Alcines, weil er dafür hielt, daß zwey vertraute Freunde, die in dem Leben so genau miteinander vereiniget waren, auch im Tode nicht von einander getrennet bleiben müßten.

Topic revision: r16 - 27 Sep 2011, PetraZinngieser
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