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VIII. Beytrag zur Geschichte des Nikolaus Drabicius, eines prophetischen Schwärmers.
Nikolaus Drabik, oder wie man damals den Gelehrten lateinische Namen oder Endung gab, Drabitzius, ward den 5ten des Christmonats im Jahre 1586 zu
Straßnitz einem
Mährischen Städtchen an der ungrischen Gränze, wo sein Vater Bürgermeister war, gebohren. Dieser sein Vater widmete ihn dem geistlichen Stande, und da er in sehr guten Glücksumständen war, so ließ er auch nichts an seiner Erziehung und an dem nöhtigen Unterricht in den Wissenschaften fehlen. Der junge Drabik nahm auch in denselben so sehr zu, daß sein Vater sowohl als seine Freunde und Vorge-
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setzten sich von seinen Talenten in der Zukunft sehr viel versprachen. Er bezog daher seine Kenntnisse zu erweitern die Universitäten, und legte sich daselbst auf die Theologie und die orientalischen Sprachen mit gutem Forgange. Die
Offenbarung Johannis studirte er sehr fleißig, und diese mag auch seinen Verstand verrückt und den Grund zu seinen Erscheinungen und Schwärmereyen gelegt haben. —
In dem Jahre 1616 ward er zum Prediger nach
Drahonowitz einige Stunden von
Ollmütz, berufen, wo er sein Amt mit vieler Treue und Eiser bekleidete. Als aber im Jahre 1628 auf Befehl
Kaisers Ferdinand des Zweyten alle protestantische Geistliche des Landes verwiesen wurden, traf ihn auch dieses harte Schicksal, und er mußte sein ganzes Vermögen mit den Rücken ansehen. —, Von allen Nohtwendigkeiten entblößt, wandte er sich nach
Lednitz in der
Trentschiner Gespanschaft*)
*) Itzt besitzt diese Herrschaft, die von dem Schlosse den Namen führt, die gräfliche Familie von Aspermont. - - - Noch lebt der Name dieses
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welcher Ort sammt dem Schlosse und der dazu gehörigen Herrschaft damals dem
Siebenbürgischen Fürsten Rákotzi zugehörte. — Ganze fünfzehn Jahre, lebte er dort, von der geringen Unterstützung der Einwohner in drückender Armuht, und ward endlich gezwungen sein Brod durch einen kleinen Handel mit groben Landtuche zu erwerben. — Als ein solcher Krämer besuchte er alle Jahrmärkte in der benachbarten Gegend, und auf diesem Herumziehen gerieht er in die Gesellschaft roher und lüberlicher Leute, mit denen er in den Schenken zechte, sich hernach dem Trunke ergab, und überhaupt ein ärgerliches Leben führte. Dieses veranlaßte die exulirten Prediger in Pohlen, ihm auf einer daselbst gehaltenen
Schwärmers in diesem Orte, indem man eine Höhle, welche sich an dem Fusse eines steilen Felsen befindet Drabikowa Djra, das ist: das Loch des Drabik, nennet. Diese Höhle soll er nach der Sage der Einwohner fast täglich besucht, und in derselben einigen Schätzen nachgespürt haben. Sein elender Zustand aber, mit dem er immer zu kämpfen hatte, ist ein geltender Beweis, daß er daselbst keine Schätze gefunden habe.
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Synode, sowohl das Predigen, welches er noch zuweilen trieb, als alle andere Pastoralhandlungen zu verbieten. Dieses, und die Bedrohung mit dem Banne, wenn er sein Leben nicht ändern würde, fruchtete so viel, daß er von dieser Zeit an wieder sehr ordentlich und eingezogen lebte.
In dem Jahre 1638 gieng er heimlich nach
Mähren, in der Hoffnung, etwas von seinen hinterlassenen Vermögen zu retten. Er ward aber erkannt, und nur eine schleunige Flucht rettete ihm das Leben. — Auf dieser Flucht hatte er seine erste Erscheinung. Von Mitternacht sah er ein grosses Kriegsheer, ein ungleich größeres aber von Morgen herkommen, und eine Stimme verkündigte ihm, daß Gott durch diese Heere alle Verfolger der Wahrheit und der reinen Lehre ausrotten wolle. — Fünf Jahre lang ruhte seine Phantasie, erwachte aber im Jahre 1643 viel stärker; denn er träumte da von einer bevorstehenden Verbesserung der Kirche Christi, von der Belehrung der Heyden, Türken und Juden. —
Lednitz ward unterdessen von den kaiserlichen Kriegsvölkern belagert, und die
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Rákotzischen Güter verheeret. Die Belagerung ward zwar aufgehoben, die Kaiserlichen aber kehrten bald wieder zurück und eroberten den Ort. Diesem ungeachtet prophezeyhte
Drabitzius dem
Fürsten Rákotzi einen gewissen Sieg, und ermahnte ihn sich dem Durchleuchtigsten Erzhause von Oesterreich und dem Pabste getrost zu widersetzen. Ja, er reiste sogar nach
Patak, wo sich dieser Fürst damals aufhielt, um ihm das alles mündlich zu sagen, was ihm seinetwegen von Gott aufgetragen worden. Er ward aber, weil dieser Fürst seine Sendung für ein blosses Hirngespinst hielt, nicht vorgelassen. — Unterdessen starb Rákotzi im Jahre 1648 den 11ten Oktober, und mit ihm alle die herrlichen Prophezeyungen des armen Drabitzius.
Weit gefehlt, daß ihn die vielen fehlgeschlagenen Prophezeyungen hätten kluger machen sollen, ward er vielmehr in seinem Irrwahne bestärkt, und wollte die ganze Welt von der Göttlichkeit seiner Offenbarungen überzeugen. Er schrieb sie daher fleißig auf und sann darauf, sie durch den Druck bekannt zu machen. Da dieses aber im
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Lande unmöglich geschehen konnte, er auch im Auslande keine Bekanntschaft hatte: so wendete er sich an seinen ehemaligen Mitschüler und Kollegen im Predigtamte, den zu Amsterdam sich aufhaltenden
Johann Amos Komenius, den er schon einige Zeit vorher mit seinen Erscheinungen und Offenbarungen bekannt gemacht hatte. Auf des Drabitzius dringendes Begehren kam er im Jahre 1650 nach Ungern sich mit demselben zu unterreden. Anfänglich machte er allerhand Bedenklichkeiten sich den Anträgen des Drabitzius zu fügen, er überwand sie aber, als ihn dieser den Willen Gottes ankündigte, und ihm mit der göttlichen Strafe drohete. Daher entschloß er sich die Prophezeyungen des Drabitzius, welche in böhmischer Sprache geschrieben waren, in die lateinische zu übersetzen, und gab solche auch zu Amsterdam unter dem Titel:
„Lux in Tenebris" heraus. Im Jahre 1665 aber besorgte er eine weit vollständigere Ausgabe unter dem veränderten Titel:
Lux e tenebris variis radiis aucta. -— Beyde diese unsinnige Starteken enthalten die abscheuligsten Verläumdungen wider
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das Durchleuchtigste Erzhaus von Oesterreich, besonders aber wider die geheiligten Personen
Kaiser Ferdinand den Dritten und
Leopold. Diese unsinnigen Lästerungen mußten bey allen Vernünftigen und Redlichgesinnten Widerwillen und Abscheu, bey den ungrischen Protestanten aber, deren Lage ohnehin sehr bedenklich war, Furcht und Schrecken erwecken.*) Dem
Fürsten Georg Rákotzi aber waren so viele Herrlichkeiten und Wunderdinge zugedacht, deren Erfüllung jedoch, da dieser Fürst an einer empfangenen Wunde in der den 27igsten May 1660 vorgefallenen Schlacht mit den Türken zu
Großwardein starb, auch nicht erfolgte, so sahen sich auch die wenigen Anhänger des Drabitzius getäuscht, und sein geringes Ansehen, das er sich bey dem leichtgläubigen Pöbel erworben hatte verschwand gänzlich. Seit dieser Zeit führ-
*) Ein evangelischer Prediger, Namens Johann Felinus schrieb daher: Ignis fatuus Nicolai Drabitzii, und verwarf die Prophezeyungen dieses Elenden als leere Einbildungen und Betrügereyen.
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te er ein unstätes Leben, und hielt sich bald hie bald dort verborgen auf.
Unterdessen ward eine gefährliche
Verschwörung wider den
Kaiser Leopold, deren Haupt der
Palatin Franz Wesselini,
Zrini aber,
Rákotzi,
Nádaschdi,
Frangepan und
Tattenbach die vornehmsten Mitverschwornen waren, im Jahre 1670 entdecket. Die meisten wurden ergriffen, einige das darauf folgende Jahr am Leben gestraft, andere aber aus dem Reiche verbannet, und ihre Güter eingezogen. Als die Urheber dieser Verschwörung gab man fälschlich die Protestanten an, und sogleich ward in
Preßburg ein außerordentliches Tribunal unter dem Vorsitze des
Grafen Johann von Rottal errichtet, zu dem noch verschiedene adeliche und andere ansehnliche Personen, auch viele protestantische Geistliche vorgeladen und auf die unbilligste Art behandelt wurden. — Vor dieses Tribunal ward nun auch Drabitzius, der im Monate May gefangen ward gebracht, und da er sich als den Verfasser des gemeldeten Buches bekannte, auch alle in demselben enthaltenen Offenbarungen für
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göttlich ausgab,*) ward er den 14ten July 1671 der beleidigten göttlichen und weltlichen Majestät schuldig erkläret, verurtheilet, und dem Preßburger Magistrate zur Vollziehung des über ihn gesprochenen Urtheils übergeben.
Diesem zu Folge ward der 16te July besagten Jahres zur Hinrichtung dieses unglücklichen fünf und achtzig jährigen Greises anberaumet. Er ward demnach um 9 Uhr vor Mittag vor den Stadtmagistrat gebracht, und ihm das von dem königlichen Tribunale gefällte Urtheil in lateinischer Sprache vorgelesen.**) Er hörte es mit aller
*) Auf einer 1663 den 10ten July zu Puchow in der Trentschiner Gespanschaft, durch den Komenius veranlaßten Versammlung, bestätigte er die Wahrheit seiner Prophezeyungen mit einem Eide.
**) Dieses Urtheil, welches hier in authentischer Abschrift folget, ist das nämliche welches von dem königl. Tribunale abgefaßt und dem Delinquenten vorgelesen worden. In des Joh. Ribini erst vor ein vor Jahren herausgegebenem Werke, Memorabilia Augustanae Confessionis in R. Hungariae betitelt, ist es etwas verändert angeführt worden. Die Umstände meiner Nachrichten aber sind ein getreuer Auszug der Inquisitionsakten.
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Gelassenheit an, und bestätigte nochmals die Göttlichkeit seiner Offenbarungen. Ein par Jesuiten versuchten ihr Heil an seiner Seele, er antwortete ihnen aber nur wenig, und bat sie, ihn in den letzten Augenblicken seines Lebens, die er zu geistlichen Betrachtungen so nöhtig hätte, nicht zu stören. — Unterdessen ward dem auf dem Platze vor dem Rahthause in unglaublicher Menge, auch von den benachbarten Orten versammeltem Volke, dieses Urtheil durch den Gerichtsschreiber aus einem Fenster der Gerichtsschrane in deutscher Sprache vorgelesen. — Nach Endigung desselben ward er auf den Richtplatz vor besagtes Rahthaus geführet, von einem der Büttel ausgekleidet und dem Scharfrichter übergeben. Nachdem er einige Minuten lang gebetet hatte, ward ihm der Kopf und die rechte Hand zugleich abgehauen, hernach die Zunge ausgerissen, und an den Pranger genagelt.*) Dann
*) Es ist also falsch, was Kaspar Jenchen in einem Programma sagt, daß ihm die Zunge, nachdem ihm die Hand abgehauen war, ausgerissen worden, und er solche an den Pranger müßen annageln sehen,
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ward sein Körper nebst dem Kopfe, und der Zunge auf einem Karren zu dem Hochgerichte geschleppt, und auf einen dort aufgerichteten Scheiterhaufen, sammt seinen Schriften zu Asche verbrannt, diese aber in die Donau geworfen.
Quandoquidem Nicolaus Drabitzius, posposito Dei & hominum timore, vilipensis divinis & humanis constitutionibus,
auch darüber in eine Ohnmacht gefallen; und daß er vor seinem Tode, wie es die Unschuldigen Nachrichten vom Jahre 1728. versichern, zur katholischen Religion übergetreten sey. Dieses letztere aber sieht seinem so hartnäckigen Karakter gar nicht ähnlich. - - - Mehr oder weniger richtige Nachrichten von diesem Schwärmer findet man beym Comenius Hist. Revelat. Witsius Miscel. sacra, beym Gottfried Arnold in seiner Kirchen- und Kätzerhistorie, in des Peter Bayle Dictionaire historique, im siebenten Bande des Universallexikons, in des Frid. Adolphi Lampe Historia Eccles. Reform. in Hung. & Transilv. in Joh. Dav. Koehleri Diss. de Nic. Drabitzio, Jaegeri Hist. Eccl. Tom. I. in Riegers 24igsten Stücke der böhmischen Brüder, und im zweyten Theile der Geschichte menschlicher Narrheit.
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animo deliberato & ex praeconcepta malitia, ab annis jam plurimis, ad munus propheticum a Deo vocatum spiritu phanatico sese jactasset, exinde non solum in privatas fummae dignitatis perfonas, fed & facratissimas Romanorum Imperatores, Regni hujus Hungariae & Hispaniae Reges apostolicos & catholicos, ac facri Romani Imperii Electores, ore plasphemo in eos invehi & augustissimam domum Austriacam, ipsumque sacrum Rom. Imperium proscindere, Imperatores Romanos praesertim, Pharaones, fidefragos, tyrannos, turbatores, sanguinarios vocare, modernum quoque clementissimum Dominum, citra ordinationem & voluntatem divinam electum, immerito coronatum, mortuum simulacrum appellare, domumque eandem, domum Achab, domum crudelem, perfidam, tyrannicam & viperariam progeniem ingeminare, imo quod amplius est, divinam ipsam Majestatem, de cujus revelatione haec & alia dira & atrocia verba accepisse, impie blasphemare, & per hoc tantorum malorum, scelerum atque
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criminum authorem facere, non solum verbis propalare, veram etiam in universum orbem terrarum, cum privilegio, uti jactat, Regis Regum sub favore regum terrenorum, tamdiu ubique recudenda insinuare, donec omnia reddantur nota omnibus sub coelo existentibus populis & linguis, ac typis mandanda & evulganda injungere, prout etiam in Anno 1665. Amstelodami typis mandare, ac sub titulo: Lux e tenebris in lucem edere, ac in Angliam, Hollandiam, Galliam, Hungariam, Poloniam, Transilvaniam ac Turciam evulgare praesumserit. Ac haec omnia blasphema, sacrilega & enormia sua sigmenta per se conscripta, & modo praevio per quendam Joannem Comenium typis mandata, sibi a Domino nostro Jesu Christo dictata suisse, scelerato ore suo & blasphemo, coram excelso Tribunali perfonaliter in confirmationem facti, tam vitam quam animam suam se ponere asseverare veritus non suisset.
Quia vero per praemissa universa delicta, cum scandalo & ruina multarum animarum christianarum commissa, idem Ni-
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colaus Drabitzius, Christianitatis, fidei & fidelitatis erga Suam Sacratiss. Majestatem, ejus regnum Hungariae defectionem, rebellionem, insurrectionem, internam & externam conspirationem in perniciem praetitulati Domini & Regis sui legitimi, quin imo totius Christianitatis cum periculo eversionis Reipublicae fideique Christianae, juratosque orbis Christiani hostes, Turcas, Tartaros ac Judaeos incitando, molitum, ex eoque perdullium Suae Sacratissimae Majestatis tumultuarium incitatorem exstitisse. Insuper divinam Majestatem praemissorum scelerum & criminum suorum authorem esse impie asseverando, blasphemasse, poenam hujusmodi scelerum patratoribus infligi folitum non reformidando. Ac proinde eundem Nicolaum Drabitzium, ex rationibus & causis praeallegatis juxta tenorem & continentias legum patriarum, signanter S. Stephani Regis Libri II. cap. 51. & Titulo 13, 14 ac 49. Part. I. operis Tripartiti; Item Tit. 12. & 51. Part. II. ac Sigismundi Imperatoris & Regis Decret. I. ad frontem & cal-
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cem, crimen lesae tam divinae quam terrenae Majestatis incurrisse, adeoque in poena notae perpetuae infidelitatis convinci & aggravari, personamque ipsius manibus carnificis tradi, qui in foro publico manum, dextram, qua utpote praemissas suas impias & blasphemas imposturas scribere veritus non suisset, una um capite simul & femel amputare, deinde ibidem linguam ejus blasphemam evellere, eamque columnae publicae acclavare, tandem vero cadaver & caput ejus, ac manum ejusdem ad locum supplicii evehere, ibidemque praeparando rogo ob praemissam suam in divinam Majestatem blasphemiam, una cum scriptis & libris suis blasphemis, (alios vero libros eosdem tanquam infames, blasphemos & ipso jure tam divino quam humano prohibitos, ac sub Jurisdictione praefatae S. Regni Coronae existentes minus manifestantibus vel producentibus, non comburentibus, aequali poenae notae perpetuae infidelitatis subjacentibus) comburere, taliterque eundem e vivis tollere, memoriamque ejus ex orbe eliminare debeat; pronti convincitur & aggravatur,
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convictusque & aggravatus pronunciatur. Ipsi quidem sceleratissimo Nicolao Drabitzio in poenam demeritam, ac ut omnis ejus posteritas poenalem ipsius afflictionem in perpetuum lugeat; aliis vero similia forte molituris, haec poenalis ipsius afflictio terribile ac formidabile cedat in exemplum ac refrenamentum aeternum.
v. W.