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XLIX.
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Fortsetzung von dem Instinkt der Thiere.
Ein Wolf, der auf Beute ausgeht, weiß aus der Erfahrung, daß der Wind ihm die Witterung von andern Thieren, die er aufsucht, entgegen führe; sein Gang ist also immer gegen den Wind gerichtet. Vermöge der Feinheit seines Geruchs kann er sogar urtheilen, ob ein Thier fern oder nahe, ob es in der Ruhe, oder Flucht sey? Nach dieser Einsicht richtet er seinen Gang ein, und schleicht entweder, um es zu überraschen, oder eilt, um es einzuholen. Unterwegens begegnen ihm Hamster, Frösche, oder andere kleine Thiere; sonst ebenfalls eine Nahrung für ihm. Jetzt achtet er diese leicht zu erhaltene Beute nicht. Er weiß, daß ihm das schmackhafte Fleisch eines Hirschens oder Rehbocks, die er auf der Spur hat, bald
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eine beträchtlichere und angenehmere Mahlzeit anbieten werde. Alle Hilfsmittel, die man von dem Muht, und von der List eines einzelnen Thieres erwarten kann, braucht der Wolf nur so lange er einsam ist. So bald ihm die Liebe mit einer Wölfinn gesellschaftlich vereiniget, so zeigt er, in Absicht auf die Jagd, neue Begriffe, die aus der Beqwemlichkeit flüßen, welche ihnen die Geselligkeit verschaft. Aus wiederholten Erfahrungen haben diese Wölfe einsehen gelernt, wo der gewöhnliche Stand des rohten Wildbräts ist, und was es für einen Weg nimmt, wenn man es aufjaget. Sie wissen auch, wie nützlich es für sie ist, wenn sie im Nachjagen mit einander abwechseln, um den Tod eines schon ermüdeten Thieres zu beschleunigen. Sie theilen also ihre Verrichtungen klüglich untereinander. Der Wolf setzt dem Thiere nach, und die Wölfinn, als der schwächere Theil, erwartet das kriechende Thier, weiches sie wieder auftreiben soll, an einem engen Wege. Am besten kann man sich von diesem Verfahren überzeugen, wenn man es (durch die Ferten) auf dem weichen Erdboden oder auf dem Schnee beschrieben findet; denn da kann man die Geschichte der
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Gedanken des Thieres am deutlichsten aufgezeichnet lesen.
Der Fuchs, ein viel schwächeres Thier, als der Wolf, ist schon, um seine Nahrung zu erhalten, zu weit mehrern Kunstgriffen gezwungen. Er hat bey seinen Fang so viel Mittel anzuwenden, und so vielen Gefahren auszuweichen, daß sein Gedächtnis nohtwendig mit einer Menge von Begebenheiten angefüllt seyn muß, die seinem Instinkte eine weitläuftige Ausdehnung geben. Die großen Thiere, deren eines ihn auf viele Tage nähren würde, kann er nicht überwältigen. Es fehlt ihm sogar an dem Grade der Geschwindigkeit, der bey ihm den Mangel der Stärke ersetzen könnte. Seine natürlichsten Mittel sind also: List, Geduld, und Geschicklichkeit. Ihm dient der Geruch, wie dem Wolfe, zum sichern Leitfaden. Hat er diesen Sinn genugsam geübt, so erfährt er durch Hilfe desselben treulich die Annäherung dessen, was er sucht, und die Gegenwart alles dessen, was er zu vermeiden hat. Es ist nicht seine Sache, mit offenbarer Gewalt auf den Raub auszugehen; er nähert sich demnach leise einem ausgespürten Rebhuhn, oder dem Orte, durch welchen, nach seiner
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untrüchlichen Vermuhtung, ein Haase, oder ein Kaninchen zuruckkommen muß. Kaum drückt er dem Erdreiche eine leichte Spur seiner Tritte ein Getheilt zwischen der Furcht, überfallen zu werden, und zwischen der Notwendigkeit, selbst einen Anfall zu thun, verräht er durch den behutsamsten Gang, auf welchem er oft einhält, seine Unruhe, Begierde, und seine Kunstgriffe.
In Gegenden, wo es nicht an kleinen Wild und Beute fehlt, vermeidet der Fuchs sorgfältig die bewohnten Plätze. Nur dann erst, wenn die Noht ihn dringt, nähert er sich den Wohnungen der Menschen. Das Bewußtseyn der Gefahr reizt ihn unter diesen Umständen zur Verdoppelung seiner Vorsichten. Er schleicht, unter dem Schutze der Nacht, an Hecken und Gebüschen hin. Er weis recht wohl daß Hühner ein kostbarer Fraß ist? Es fällt ihm aber zugleich ein, daß Schlingen, und Hunde gefährlich sind. Diese doppelte Erinnerung leitet seinen Gang; sie hält ihn auf, oder beschleunigt ihn, nachdem die Umstände entweder der einen oder der andern Erinnerung ein Uibergewicht an Lebhaftigkeit ertheilen. Der Einbruch einer langen Nacht erlaubt der Vorsicht des Fuchses oft einigen
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Vorschub seines Raubes. Das entfernte Bellen eines Hundes ist zu der Zeit hinlänglich, ihn in seinem Laufe anzuhalten. Er sieht jetzt in Gedanken alle Gefahren vor sich, denen er zu unterschiedenen Zeiten bloß gestellt gewesen. Sobald der Anbruch des Tages sich nähert, tritt die lebhaftere Raubbegierde an die Stelle der vorsichtigen Furchtsamkeit. Die Noht macht den Fuchs beherzt. Nun eilt er der Gefahr entgegen; überzeugt, daß ihn bey der Ankunft des Tages noch größere Gefährlichkeiten drohen.
Die gewöhnlichen Handlungen der Thiere, und ihr tägliches Betragen setzen also, wie man sieht, ein Gedächtniß, eine Betrachtung über das Vergangene, eine Vergleichung zwischen einen gegenwärtigen Subjekt, das sie an sich lockt, und zwischen den wahrscheinlichen Gefahren, die sie davon entfernen; eine Unterscheidung der Umstände, die sich in einigen Rücksichten ähnlich, in andern aber unterschieden sind; ein Urtheil, und eine Wahl voraus, zwischen allen diesen Beziehungen. Was ist also der Instinkt? Die mannigfaltigen Wirkungen, welche der Hang zum Vergnügen, und die Furcht vor Schmerzen bey
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den Thieren hervorbringt; die Folgerungen, welche sie aus den Begebenheiten gezogen haben, die sich ihrem Gedächtnisse tief einprägten; die Handlungen, die daraus entstehen; — der ganze Zusammenhang solcher Erkenntniße, welche durch Erfahrungen erweitert, und durch Uiberlegung täglich zu größern Fertigkeiten werden; alles dieß läßt sich entweder unmöglich unter dem Worte Instinkt zusammenfassen, oder er muß mit dem Worte Verstand gleich bedeutend werden.
Wir haben gesagt, daß es die dringenden Bedürfnisse sind, welche dem Gedächtnisse der Thiere heftige und wichtige Sentationen einprägen, deren Zusammenhang das ganze ihrer Kenntnisse ausgemacht. Aus diesem Grunde sind die fleischfressenden Thiere in dem Aufsuchen ihrer Nahrung weit reicher an Erfindungen, als diejenigen, welche von Pflanzen und Früchten leben. Man versuche es indessen, und verscheuche oft die Letztern so wird man sehen, daß sie eine Menge Begebenheiten, in Absicht auf ihre Verteidigung, anmerken, und sich an eine Menge von Schlußfolgen gewöhnen, die sie den listigen fleischfressen den Thieren ähnlich macht.
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Unter allen Thieren, die von Kräutern leben, scheint der Haase das einfältigste zu seyn. Die Natur hat ihm nur schwache Augen, und einen ziemlich stumpfen Geruch verliehen. Wenn man sein vortreftiches Gehör ausnimmt, so fehlt es ihm, dem Schein nach, an allen Werkzeugen, die ihn zu wichtigen Erfindungen veranlasse konnten. Uiberdem ist kein anderes Vertheidigungsmittel in seiner Gewalt, als die Flucht. Inzwischen scheint er auch alle Absichten, und Veränderungen, welche die Flucht erlaubt, zu erschöpfen. Wir reden hier nicht von einem Haasen, den die Windhunde durch den Vortheil einer größern Geschwindigkeit erhaschen; sondern von einem solchen, den bloß die Spürhunde verfolgen. Ein auf solche Weise gejagter alter Haase fängt damit an, daß er seine Flucht der Geschwindigkeit der Verfolgung gemäß einrichtet. Er weiß aus der Erfahrung, daß eine schnelle Flucht ihn nicht außer Gefahr setzen würde; daß die Jagd länger dauren, und seine Kräfte, in sofern er sie schont, ihn desto länger auf seiner Flucht unterstützen können. Er hat angemerkt, daß ihn die Hunde in dichtern Gebüschen, wo die Berührung seines ganzen Leibes
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ihnen eine lebhaftere Witterung hinterläßt, ihn hitziger, und anhaltender verfolgen, als auf dem freyen Felde welches seine Läufte nur obenhin berühren; er vermeidet daher die Gebüsche, und läuft fast immer auf gebahnten Wegen. Wenn ihn aber Windhunde in der Nähe verfolgen, entfernt er sich von ihnen, und sucht seine Zuflucht in den Gebüschen. Die Uiberzeugung, daß ihn gute Spürhunde auch ungesehen verfolgen, und seiner Fehrte genau nachgehen, reitzt ihn zu einer List, die man bewundern muß. Wenn er eine große Weite in gerader Linie gelaufen ist, geht er auf demselben Wege etwas zurück, um auf diesem Stücke Weges seine Spur zu verstärken. Nach dieser List thut er einige große Seitensprünge nacheinander, und entzieht dadurch, wenigstens auf eine Zeitlang, den Hunden die Witterung des Weges, den er genommen hat. Durch diesen Vortheil hält er die nachsetzenden Hunde eine Weile auf, und verschaft sich einen vortheilhaften Vorsprung.
Die Fortsetzung folgt.
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