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I.

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Nöhtige Regeln der Vorsicht bey ertrunkenen Menschen.

Aus einer holländischen periodischen Schrift, der Philosoph, betitelt.

Es ist bekannt, sagt der Verfasser dieser Schrift, daß in einem so wasserreichen Lande, als Holland, jährlich eine ansehnliche Zahl Menschen, im Wasser das Leben einbüßen. Eben so ausgemacht ist es, daß viele dieser Unglücklichen, nachdem sie aus dem Wasser gezogen worden, blos deswegen umkommen, weil man bey ihnen die nöhtigen Hilfsmittel nicht anwendet. Man vernachläßiget diese Unglücklichen meisten theils. Man sieht sie als unheilbar an, und dennoch versichern uns geschickte Aerzte, daß es eine barbarische Nachläßigkeit ist, sie, ohne einige Mittel gebraucht zu haben, um ihnen das Leben wieder zu geben, liegen zu lassen, oder zu begraben, wenn sie nicht länger, als 48 Stunden im Wasser gewesen sind. Man hat mehr als ein Beyspiel, welches beweiset, daß man

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sie mit Anwendung der gehörigen Behutsamkeit hatte retten können, und wir sollten in diesem Puncte desto behutsamer verfahren, da selbst der erfahrnste Arzt, wenn der Leichnam eines Ertrunkenen keine Fäulniß von sich giebt, in Ansehung seines Todes, zweifelhaft seyn muß. Gleich wohl verläßt man diese Elenden, oder, man behandelt sie auf eine Art, die für ihren Zustand gar nicht zuträglich ist, so, daß man unter zehnen, neune ohne Barmherzigkeit begrabt, die man doch hätte retten können.

Alle diese Betrachtungen, haben die Akademie zu Besanson bewogen, demjenigen den Preis zu geben, der die beßten Mittel, die Ertrunkenen zu erretten, an geben würde. Herr Isnard hat diesen Preis erhalten, und ist Bürge für diejenigen Anmerkungen, die man hier mittheilet.

Die gewöhnliche Methode, den Ertrunkenen zu Hilfe zu kommen, sagt Herr Isnard, taugt gar nichts, und ist dem Endzwecke gänzlich zuwider. Man müßte sich bemühen, die Unglücklichen, welche man aus dem Wasser gezogen hat, zu erwärmen, und den Umlauf des Ge blütes wieder herzustellen. Man läßt sie aber im Gegentheile am Ufer in der Käl

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te, und oft mit den Füßen im Wasser liegen, und macht es folglich dadurch unmöglich, den Umlauf des Geblütes wie der in Gang zu bringen. Man bringt sie darauf unmittelbar an ein großes Feuer, welches vielleicht, wegen plötzlicher Ausdehnung der Säfte, eben so gefährlich ist, als die gehemmte Bewegung vorhin seyn konnte.

Das lächerliche Vorurtheil, daß der Magen der Ertrunkenen mit Wasser angefüllt sey, hat zu folgender Marter Anlaß gegeben. Man hängt die Ertrunkenen bey den Beinen auf, man wälzt und schüttelt sie, und beklemmt dadurch die Lunge noch mehr, da man doch suchen sollte, sie frey zu machen. Man beschwert das Gehirn, dem man zu Hilfe kommen sollte, und qwält diese Schlachtopfer mit unnützen Beystand bis an den Tod. In dem Magen der Ertrunkenen, befindet sich wenig, oder gar kein Wasser. Es ist wahr, vermittelst des Athemhohlens dringt etwas Wasser in die Luftröhre; allein, verschiedene Bemerkungen beweisen, daß das im Magen der Ertrunkenen befindliche Wasser keineswegs eine Ursache des Todes ist, und daß man sie blos als im Wasser erstickte ansehen müße. Es ich bekannt, daß wir, ohne Athem zu hohlen,

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nicht leben können, weil dieses den Umlauf des Geblütes befördert. Allein die Unmöglichkeit, in welcher man sich befindet, unter dem Wasser zu ahtmen, verursacht, daß das Blut nicht circuliren kann. Hierzu kömmt die äußerliche Kalte, welche die Circulation sowohl, als die Ausdünstung hemmet. Alle diese Ursachen, müßen endlich den gewissen Tod nach sich ziehen. Ich sage endlich, denn die Erfahrung beweiset, daß es nicht so plötzlich geschieht, als man es wohl glauben könnte.

Das beßte Mittel, einem Ertrunkenen zu Hilfe zu kommen, ist, daß man sich bemühe, die Lunge von dem Wasser, und der Luft, welche sich darinnen befinden, zu befreyen, und alsdann den Umlauf der Säfte wieder herzustellen.

Die Herren Heister, von Haller, und andere, rahten, eine Aderlasse, in der Vena jugulari vorzunehmen, um den ersten Zweck zu erreichen. Allein, man kann eben diese Wirkung herfürzubringen hoffen, wann man durch einen sanften Druck mit warmen Servieten, den Unterleib in die Höhe zu bringen suchet. Man kann auch ein Erbrechen erregen, indem man den Schlund mit einer Feder kützelt, wo durch die Luftröhre erweitert wird. Das Oxymel squilliticum, und Salz mit

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Branntwein vermischt, bringen eben diese Wirkung hervor. Diese Hilfsmittel wirken sehr langsam, und man muß sie öfter verschiedene Stunden lang wiederholen.

Eine durch Wärme, und Tabacks Rauch verursachte Reitzung, kann nebst den Mitteln, die wir eben in Vorschlag gebracht haben, von guter Wirkung seyn. Zu diesem Ende, kann man sich einer Tabackspfeife, oder eines ähnlichen Instruments bedienen, wodurch man den Rauch geschickt in den Leib bringen kann.

In Ermanglung anderer Hilfsmittel, um die Ertrunkenen zu retten, kann man ihnen durch den Hintern etwas Rauch von Taback beybringen. Dieses Hilfsmittel ist sicherer als alle übrigen. Die starke Reitzung der Gedärme, vermittelst des Rauches, die daraus erfolgende Zusammenziehung, verbunden mit ihrer starkem Bewegung, die sich bis in den Unterleib, in den Magen, ja sogar bis in das Zwergfell erstrecket, wird dadurch zur Ursache des Ahtemholens, und kann die Wiederherstellung derselben befördern.

Indem man sich hiemit beschäftiget, muß man den Kranken so warm halten, als es möglich ist. Man sieht leicht ein, daß es sehr gefährlich ist, ihn, so zu re-

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den, an einem großen Feuer zu braten, weil man dadurch, da der Umlauf des Geblütes noch nicht wieder hergestellet ist, eine heftige Ausdehnung der Gefäße, vornamlich an einer Seite verursachet, da indessen die andere Seite, steif, und lahm bleibt. Nichts ist den Ertrunkenen heilsamer, als eine sanfte, natürliche Wärme. Herr Isnard führt das Beyspiel eines ertrunkenen Matrosen an, den man dadurch rettete, daß man ihn in Felle von Hammeln wickelte, die man eben geschlachtet hatte, in Ermanglung dieses Mittels kann man sich anderer bedienen, die eben dieselbe Wirkung hervor bringen. Man kann z. B. den Kranken mit den Kleider, der Anwesenden bedecken. Diese Kleidern welche die natürliche Wärme derjenigen die sie tragen, an sich haben, sind außerordentlich beförderlich, die Bewegung der Lebensgeister wieder herzustellen, und dem Kranken das Leben zu geben.

Die Fortsetzung folgt.


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Topic revision: r17 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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