Blättern: < zum Text 4zum Text 6 >

V.

(P33)

Erklärung der natürlichen Ursache des Erdbebens.

Aus dem Journal Oeconomique.

Wenn bey Ungewittern der Donner, welcher prasselt, und der Blitz, der leuchtend herabschießt, der Welt Grauen, und Schrecken einzuflößen vermag, wie viel mehr muß nicht das Erdbeben derselben schrecklich werden? Der Blitz kann nur eine kleine Anzahl von Menschen, oder Gebäuden niederschlagen; es gehen auch noch vor ihm gewisse, und sehr merkliche Zeichen, die uns für der Gefahr warnen, und meisten» theils die Zeit gönnen, uns für seinen Wirkungen in Sicherheit zu setzen. Allein, das Erdbeben läßt sich in einem Augenblicke, da man es am wenigsten vermuhtet, spüren. Es verändert den Lauf der Flüße, verheeret die Felder, kehret die Städte um, und begrabt viele tausend

(P34)

Menschen, die für diesen Zufällen, weder Hilft, noch Zuflucht finden. Eben dadurch beweiset uns der Urheber der Natur unwidersprechlich, nicht nur, daß unsre Güter, und unser Leben in seinen Händen sind, und es in seinem Willen stehet, uns jn einem Augenblicke alles dessen zu berauben; sondern auch, daß die Erdkugel, die wir bewohnen, in wenigen Stunden gänzlich umgekehrt, und in einen Haufen zerscheitert werden kann, um wieder das Pild des alten Chaos Vorzustellen, — Besteht die Welt seit sechstausend Jahren in dem Stande der Vollkommenheit, worinnen sie erschaffen ist: so folgt nohtwendig, daß eine, eben so weise, als gütige Vorsehung, die krampfichten Bewegungen, wodurch dieser Haufe, bis in seinen innersten Grund zerrüttet werden kann, regieren müße.—

Diejenigen, welche sich nicht um die Erkenntniß der Naturlehre bemühet haben, bilden sich ein, daß es sehr schwer ist, die Ursachen des Erdbebens zu bestimmen. Ist man aber nur ein wenig mit dieser Wissenschaft bekannt, so weiß man auch, daß die Höhlungen von Schwefel, und Harz, welche in dem Innersten unserer Erdkugel eingeschlossen sind, unaufhörlich zu Ausdünstun-

(P35)

gen, die durch die Bewegung davon los gemacht werden, Stoff geben. Wenn diese zum Brennen geschickte Theilchen, in einer unterirdischen Höhle, die weit genug ist, daß die Luft darinnen spielen kann, in hinlänglicher Menge zusammen treffen, so flössen sie unordentlich, und hefftig aufeinander, und bringen erst einige Funken, hernach eine allgemeine Entzündung zuwege; diese aber vermehret alsdann die Federkraft der Luft um ein beträchtliches, und nöhtiget sie alle ihre Gewalt zu gebrauchen. Indem nun dieses Element einen freyen Ausgang suchet, so erschüttert es die Mauern seines Gefängnisses, welches das eigentliche Erdbeben verursachet, und bricht durch bie Spalten, und Risse, die eine Folge der ersten Erschütterung sind, und allzeit an der Stelle, wo die Luft den geringsten Widerstand findet, entstehen. Da aber die Spitze von den Bergen der schwächste Theil derselben ist, wenn sie inwendig hohl sind, weil die abgebrochenen Stücke, die sich von außen bestandig von dem Gipfel absondern, auf die Seiten fallen, und diese befestigen: so dampfet das unterirdische Feuer gemeiniglich , durch die Spitze der erhabenen Oerter aus, und das ist der Ursprung der feuerspeyenden Berge.

(P36)

Die Erfindung der Minen, oder Sprenggruben, ist eine Nachahmung dieses erschrecklichen Spieles der Natur; und das Schießpulver, wird aus ähnlichen Materien, mit denen, deren sie sich hier bedienet, zusammen gesetzt. Mehr ist nicht nöhtig, die mechanische Einrichtung, wodurch das Erdbeben entsteht, überhaupt zu begreifen. Allein, unsere Absicht ist, hier eine umständlichere, und genauere Erklärung von diesen fürchterlichen Erscheinungen, zu geben.—

Man muß sich die Erdkugel, wie von unendlich vielen Gangen, oder Kanälen durchbohrt vorstellen, welche man mit den zurückführenden Adern, und den Schlagadern, die durch den ganzen Umfang des menschlichen Körpers vertheitt sind, vergleichen kann. Einige von diesen Kanälen gehen selbst unter dem Grunde des Meeres hindurch. Denn, man kann den abwechselnden Ausbruch des Aetna und Vesuvius nicht änderst erklären, als wenn man unter diesen beyden feuerspeyenden Bergen, eine Gemeinschaft durch einen hohlen Gang unter dem mittelländischen Meere annimmt.

Unter den Gängen, welche durch die Erde laufen, sind einige bestimmt, den Kreislauf des Wassers, wodurch sie be-

(P37)

feuchtet wird, zu unterhalten. Die andern dienen zu Behältnissen und Luftröhren, die schwefiichten, und harzichten Dünste, welche durch ihre Entzündung, das Feuer in dem Mittelpunkte, wovon die innere Bewegung der Theile unserer Erdkugel entsteht, nähren.

Der Lehrbegriff von dem allgemeinen Kreislaufe der Wäßer, welche die Erde netzen, führet uns auf die gegründete Vermuhtung, daß die Meere, die ihre Oberfläche bedecken, mit den tiefsten Abgründen Gemeinschaft haben, und bis an die Wurzeln der Berge gehen. Man kann sogar annehmen, daß die beständige Bewegung der Luft, woher die Winde entspringen, die Gemäßer zwinge, in die tiefesten Höhlen unter der Erde zu treten, wozu das Feuer in dem Mittelpunkte, das von der Luft unterhalten wird, gleichfalls das Seinige beyträgt. Diese Grundsätze können durch gewisse Erfahrungen bewiesen werden.

Der Wolgafluß führet dem kaspischen Meere eine so grosse Menge Wasser zu, daß es die ganze Erdkugel in einem Jahre überschwemmen würde,wann sich in dem Grunde dieses Meeres kein Ablauf fände. Der P. Kircher meynt, daß dieser Ablauf unter dem Berge Kaukasus

(P38)

fortgehet, und mit dem schwarzen Meere Gemeinschaft hat, so, daß Georgien, und Mingrelien eine Art von einer Brücke, über denselben ausmachen.

Eben das muß man von dem persischen Meerbusen sagen, der dem kaspischen Meere zu einem Behälter dienet, und in dem Becken desselben, die Gewäßer, welche die Winde daraus in das schwarze Meer getrieben haben, wieder ersetzen. Eine ähnliche Gemeinschaft muß auch zwischen dem rohten, und mittelländischen Meere seyn.

Die unsichtbare Verbindung untet diesen Meeren wird uns nicht so wunderbar scheinen, wenn die Beispiele von eben der Art, welche uns die Erdebeschreibung im Kleinen an die Hand giebt, überlegen. Man versichert, daß der Niger, nur von dem Nil, der sich unter der ungeheuren Kette von den Bergen in Nubien einen Weg geöffnet hat, ein Ausfluß ist, und also der Nil, unter dem Namen des Nigers, von Nubien aus seinen Lauf gegen Abend fortsetzet, und in das atlantische Meer fällt. Man ist heut zu Tage überzeugt, daß in dem Berge Taurus eine ungeheure, und tiefe Höhle ist, die der Tigerstrom aufnimmt, und ihm an der entge-

(P39)

genstchenden Seite einen Ausfluß giebt. An eben der Seite geht dieser Fluß, nachdem er durch den See Thospites gekommen ist, vom neuen zwölf Meilen lang unter der Erde fort, und bricht darauf wieder hervor, um sich bey Babylon in den Euphrat zu ergießen.

Auch, ohne aus Europa zu gehen, weis man daß die Quadiana, welche Spanien von Portugal absondert, zwey und dreyßig Meilen lang unter der Erde fortläuft. Die Rhone stürzet sich, nachdem sie durch den Genfersee geflossen ist, in einen Abgrund, wo sie eine halbe Meile über, unsichtbar bleibt. Der Fluß Mole, in der englandischen Provinz Surrey verbirgt sich bey Bayhill auf eine beträchtliche Weite; anderer Flüße, und Brunnen hier zu geschweige. —

Daß sich auf gleiche Weise in der Erde Hohlen voller Dünste, die der Entzündung nahe sind, oder die sogar in einem beständigen Brande stehen, finden, das erlauben uns die verschiedenen feuerspeyenden Berge, die wirklich sind, und noch alle Tage entstehen, nicht in Zweifel zu ziehen. Man sieht, daß aus dem selben, Flammen, Asche, Rauch, Steines Mineralien, Metallsteine, und bisweilen Ströme von Harz kommen. Es

(P40)

ist kein betrachtlicher Theil der Welt, der nicht einige solcher Feuermündungen hätte. Hie Staaten von Neapel, und Sicilien, sind in diesem Stücke, einer bestandigen Gefahr unterworfen. Peru ist nicht weniger dergleichen Zufallen ausgesetzet, und es wird die Zerüttung, die es vor einigen Jahren durch ein Erdbeben ausgestanden hat, in langer Zeit nicht vergessen. Dasselbe ließ sich in den Meeren weit hinein, langst den Küsten auf sechshundert Meilen gegen Süden, und auf fünfzehen hundert Meilen gegen Norden spüren. — Man zählet bis auf fünfzehen feuerspeyende Berge, in der langen Kette von Gebirgen in Amerika, welche Cordilliere des Andes genannt wird. Unter diesen ist einer, der den Namen des Wasservulkans führet, weil er eine Menge von Bächen auswirft. Ein anderer, welcher der Feuervulkan heißet, speyt so helle Flammen aus, daß man bey diesem Lichte des Nachts in einer Entfernung von drey Meilen einen Brief lesen kann.— Es ist nicht möglich, die Verwüstungen, welche diese feuerspeyenden Berge an verschiedenen Orten, und zu verschiedenen Zeiten, verursacht haben, zu schätzen.

Die Fortsetzung folgt.


Blättern: < zum Text 4zum Text 6 >

Topic revision: r10 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
This site is powered by FoswikiCopyright © by the contributing authors. All material on this collaboration platform is the property of the contributing authors.
Ideas, requests, problems regarding Foswiki? Send feedback