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XL.
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Kurze Geschichte von Grönland, und von dem Wallfischfange.
Aus dem Universal Magazine.
Grönland liegt unter allen bekannten Ländern dem Nordpole am nähesten, und wird von den Holländern Spitzbergen, von andern Erdbeschreibern aber nur schlechtweg Grönland genennet, welches soviel heißt, als Grünland, indem das Erstere nach der dänischen, und holländischen Aussprache, so viel sagt, als das Letztere. -- Es ist uns nicht bekannt, ob in diesem Lande Städte, oder Dörfer zu finden sind, oder, ob es von Menschen bewohnt sey. Der Boden hat fast nichts, als Felsen, und Berge, deren Gipfel sich in den Wolken zu verlieren scheinen; und von dannen fallen ungeheure Haufen Eis, und Steine, in die Thäler herab. An einigen wenigen Oertern liegt das Land zwar niedrig, und ist mit Schnee, und Eise bedecket,
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welches, wenn es imSommer zerschmelzet, ein unfruchtbares Erdreich macht, das mit Haide, und Moos überdecket ist. Die herabhängenden Felsen werden auch von einer grossen Menge Vögel bewohnet, deren Mist das Erdreich, an einigen Oertern, nahe bey der Küste fruchtbar macht, indem er nebst dem Moose, von dem geschmolzenen Schnee herunter gespület wird, und eine Art von Lattich, Sauerrampfen, Mausohr, Löfelkraut, und einige andere Pflanzen, die in unseren Gegenden unbekannt sind, hervorbringt. Die Luft ist so streng, daß es fast ohne Unterlaß frieret, ausgenommen in den Monaten Iunius, Iulius, und Augustus, da das Wetter gemeiniglich warm,und lieblich ist. Im Winter hat man daselbst fast vier Monate hindurch beständig Nacht, und eben eine so lange Zeit, gehet im Sommer die Sonne niemals unter, sondern verursachet einen einzigen langen Tag.-- Die weißen Bären in Grönland sind ganz anders gestaltet, als diejenigen , die man in andern Ländern antrift, indem sie geschlanker und hurtiger sind, auch einen langern Hals, und einen Kopf haben, der einem Hundskopfe ähnlicher, als sonst einem andern Bärenkopfe siehet. Man kann auch nicht sagen, daß
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sie wie andere Bären brummen, sondern sie bellen vielmehr, wie die heischern Hunde. Ihr Fell vertheidiget sie wider die strenge Kälte, indem das Hahr darauf lang, und so weich wie Wolle ist, und ihr Fleisch hat noch einen ziemlichen Geschmack. Man findet einige darunter , welche sechs Schuhe hoch, und vierzehen lang sind; und man sagt, daß sie gegen ihre Jungen eine so zärtliche Liebe tragen sollen, daß sie sich lieber todt schlagen lassen, als sie in Gefahr verlassen sollten. Man sieht sie oft auf den Eisschollen, eine grosse Strecke von der Küste, voneinem Eisgebirge zum andern fortschwimmen, indem sie die todten Wallfische, oder auch andere Fische zu ihrem Fräße suchen. Die Rennchiere sind in diesem Lande grau, und zotticht, und haben Hörner wie die Hirsche, an denen drey, oder vier Zacken, ungefähr einen Schuh lang, und zweene Zolle breit von jeder Seite derselben stehen. Die Ohren dieser Thiere sind lang, die Schwänze aber kurz. Den Winter hindurch verhungert eine grosse Menge derselben, die übergebliebenen sind im Frühlinge sehr mager, allein im Sommer werden sie von einer Art gelben Moosfutters so fett, daß ihr Fleisch an den Rippen zuweilen vier Zolle hoch lieget.
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Gebrathen schmeckt ihr Fleisch sehr gut, wie auch das Fuchsfleisch, als welche in Grönland sehr häufig, und von verschiedenen Farben angetroffen werden. — Man sieht nicht viele Landvögel, aber desto mehr Seevögel, obgleich auch diese nicht so unbekannt sind, daß man eine besondere Beschreibung davon geben sollte.
Das Meer um Grönland ist mit verschiedenen Arten von Fischen, welche andern Ortern nicht so gemein sind, angefüllet. Insbesondere sind die Wallfische merkwürdig, als welche daselbst größer sind, als in andern Welttheilen, indem einige derselben, zweyhundert Schuhe in der Länge haben. Doch ist ihre gewöhnliche Größe von fünfzig bis hundert Schuhen. Der eigentliche Wallfisch unterscheidet sich von einem andern Fische, der eben diesen Namen führet, dadurch, daß er keine Zähne hat, an deren statt aber ist er mit einem starken Knäbelbarte von einer hornartigen Substanz versehen, welche von beyden Seiten seines oberen Kinnbackens hervorwächst, und aus einer Menge verschiedener Stacheln bestehet von denen etliche unten einen Schuh breit, und zwölf bis fünfzehen Schuhe lang sind; an den äußersten Enden, sehen sie
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zerschplittert, beynahe wie die Schweinsborsten aus. Eben diese Stacheln, wenn sie gespalten, und zubereitet werden, gehören mit zu dem Fischbeine, wozu auch dasGeburtsglied dieses Thieres gebraucht wird, nicht aber die Floßfedern, wie man gemeiniglich glaubet. Der Wallfisch hat einen sehr großen, doch etwas platten Kopf, und ein paar kleine Augen, welche nicht größer als Ochsenaugen sind. Nach seiner ungeheuern Größe hat er nur einen engen Schlund, indem er selten über einen Schuh weit gefunden wird, ob er gleich seinen Rachen, etliche Klaftern weit aufsperren kann. Oben auf dem Kopfe hat er zwey Löcher, durch welche er Luft schöpfet, und sich von dem Wasser, welches er durch den Mund eingezogen, entlediget, welches er in erstaunender Höhe heraus spritzet. Seine Knochen sind so hart, wie bey vierfüßigen Thieren, aber, anstatt, daß sie eine Höhlung in der Mitte haben sollten, so sind sie durchlöchert , und voller Mark. Am Bauche ist er weiß, an dem übrigen Leibe aber schwarz, oder röhtlicht, und das Fleisch ist schlecht, hart und voller Sennen. Die oberste Haut ist dünn, und bedecket eine andere, die wohl einen Zoll dick, dabey aber so zart ist, daß sie diesem Thiere gegen die
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Anfälle seiner Feinde, wenig, oder gar keinen Schutz verschaffen kann. Zwischen dieser Haut, und dem Fleische, sitzt das Fett, wovon der Trahn gekocht wird. Hinten am Schwänze hat der Wallfisch sehr starke Sennen, mit denen er sich nach Gefallen drehen und wenden kann. Er kann auch sehr schnell schwimmen, und macht einen Strich hinter sich in der See, wie ein grosses Schif, das mit vollen Seegeln forttreibt. Diese Thiere werden von gewissen Lausen überaus stark geqwälet, welche zuweilen ziemlich grosse Löcher in ihren Leib fressen. Sie müßen vermutlich, wenn sich ein Sturm erheben soll, grosse Schmerzen empfinden, denn man sieht,daß sie sich zu der Zeit entsetzlich werfen, und herumwalzen. Was ihre Nahrung betrift, so müßen es ohne Zweifel kleine Fische von verschiedenen Gattungen seyn; doch findet man bey ihnen selten etwas anders, als ein wenig Unkraut, und eine Menge schwarzen Ungeziefers, die wie Spinnen aussehen, und in dem Nordmeere in grosser Menge vorkommen. Die Wallfische paaren sich wie andere Thiere, und bringen ihre Jungen lebendig hervor, die sie auch mit ihrer Milch säugen. Der Vortheil, den man aus den Gebeinen, und dem Oele dieses
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ungeheuern Thieres ziehet, treibt die Holländer, und andere Nationen an, eine große Menge Schiffe jährlich an die grönlandische Küste abzuschicken, woselbst man ihn auf folgende Art fängt: Wenn die Schifleute das springende Wasser eines Wallfisches hören oder sehen, so eilet ein jeder seinem Fahrzeuge zu. Jedes Schif hat fünf bis sechs solcher Fahrzeuge, und auf jedem derselben, sind sechs bis sieben Mann. Wenn diese nun auf den Wallfisch ganz nahe zugerudert sind, so wirft ihn der Harpunier mit dem Harpune, oder Wurfeisen, welches eine Aehnlichkeit mit einem Wurfspisse hat, fünf bis sechs Schuhe lang ist, und eine stählerne Spitze hat, die einem Pfeile mit einem Widerhacken gleichet, an dem andern Ende desselben aber ist ein Strick befestiget. Es werden hierzu sowohl Kräfte als Geschicklichkeit erfordert, die Wunde tief genug, und an der gehörigen Stelle zu schlagen, sobald sich der Wallfisch verwundet siehet, so stürzt er sich eilends in den Abgrund des Meeres, ja das Fahrzeug würde ganz gewiß von ihm versenket werden, wenn man ihm nicht das Seil weit genug nachlassen möchte, welches dadurch bewerkstelliget wird, indem man beständig ein Seil an das andere
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knüpfet, so, daß es zuweilen acht bis neunhundert Klafter betragt. Der Steuermann giebt unterdessen Acht, wohin das Seil gehet, und richtet sich darnach mit dem Wenden des Fahrzeuges, damit es gerade vorwärts gehen möge, denn sonst würde es gar bald umgestürzet werden. Der Harpunier hingegen siehet darauf, damit die Stelle, wo das Seil abläuft, feucht bleibe, damit das Fahrzeug nicht durch die schnelle Bewegung in Brand gerahte. Die andern Boote rudern voran, und geben auf das Seil Acht, ziehen es auch manchmal langsam an sich wenn sie sehen, daß es schlapp wird, damit es der Wallfisch nicht unter den Klippen verwickele. Wenn nun der Fisch sehr abgemattet, und schwach geworden ist, so hebt er sich wieder in die Höhe, frische Luft zu schöpfen. Hierauf wirft ihm der Harpunier die zwote Wunde, und man schießt ihm zugleich einige kleine Lanzen in den Leib. Endlich, wenn er durch den Abgang des Blutes ganz matt, und kraftlos geworden, bekommen die Leute Gelegenheit, sich ihm zu nähern, und ihm unter den Flößen eine lange stählerne Lanze in das Eingeweide zu stossen, welches ihn bald tödtet.
Der Beschluß folgt.
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