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XLVI.
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Uiber den Winteraufenthalte der Schwalben.
Es ist wohl nicht glaublich, daß die so allgemeine Sage, von dem Uiberwintern der Schwalben in schiffreichen Wassern, ohne allen Grund oder aus wenigen zufälligen Beobachtungen sollte entstanden seyn. Die einmühtigen Versicherungen so vieler glaubwürdigen Augenzeugen, welche im Winter aus dem Wasser aufgefischte Schwalben zu sehen und in Händen zu haben Gelegenheit gefunden, können ohne den größten Eigensinn und die lächerlichste Zweifelsucht ohnmöglich geläugnet werden. Man mag immerhin die Unwahrscheinlichkeit, ja natürliche Unmöglichkeit der Sache, oder die bemerkten Wanderungen gewisser Schwalbenarten dagegen anführen; so wird es doch unläugbar bleiben, daß sich wenigstens
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eine Art der Schwalben bey Annäherung des Winters unter das Wasser begiebt, und nicht selten, mit unter dem Flügel verborgnen Köpfen, und oft fest an das Schilf angeklammerten Fußen, bald einzeln bald klumpenweise, in den Fischernetzen gefunden zu werden pflegt, besonders wenn damit an schilfigten Ufern hingestrichen wird. Ich könnte mehr als zwanzig glaubwürdige Personen von unterschiednen Stande und aus verschiednen Gegenden Deutschlandes anführen, die selbst gefischte Schwalben gesehen, und zum Leben gebracht zu haben, mir versichern, und zu bezeugen bereit seyn würden. Allein es scheint mir zur Bestätigung einer eben so allgemein unter erfahrnen Landleuten und Fischern angenommenen, als von Naturkündigern durch theoretische Einwürfe bestrittenen Sache unnöhtig, nach dem Beyspiel des ehemaligen
Danziger Naturforschers
Klein, gerichtlich erhärtete Zeugnisse zu sammeln. Dagegen glaube ich, daß man allem Zwist dadurch ein Ende machen würde, wenn man untersuchen wollte, welche Art von Schwalben eigentlich im Wasser gefunden zu werden pfleget. Ich glaube, man würde finden, daß die Erfahrungen, welche von de Zügen dern
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Schwalben oder deren Uiberwintern unter der Erde, aufgezeichnet worden, sich ganz leicht mit jenen Nachrichten von Schwalben die man im Wasser gefunden hat , vergleichen ließen. Allein es ist zu bedauren, daß fast alle Schriftsteller, die etwas über diese Materie aufgezeichnet haben, selbst Hrn. Klein nicht ausgenommen, in Absicht auf die Art von Schwalben, welche gefunden worden, nichts Zuverläßiges bestimmt haben.
Viererley Arten von Schalben lassen sich im Sommer über ganz Europa, auch in dessen nördlichsten Ländern sehen. Will man die seltnere Nachtschwalbe (Caprimulgus) darunter zählen, so haben wir fünferley. Am wenigsten häufig ist unter obigen vier Arten, die sogenannte Thurnschwalbe (Hirundo apus). Die gemeinsten und bekanntesten, weil wir solche beständig um uns haben, sind, die Schwalbe mit der braunrohten Brust, oder Rauchwalbe, und die Schwalbe mit rauchen Füßen oder die Mehlschwalbe (H. rustica & urbica). Hingegen entfernt sich die vierte Art, nämlich die Strand oder Uferschwalbe, (H. riparia) von unsern Wohnungen, lebt zerstreut, und mag auch wohl wirklich minder zahlreich
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seyn, als die zwo anderen gemeineren Arten Unter diesen ist die Rauchschwalbe mit ihren Nestern gern an den innern Theilen der Häuser, ja sogar oft in den Schornsteinen, die Mehlschwalbe aber sucht mehrere Freyheit und bauet nur außenher, an die Gebäude, Mauern und auch an die Bäume und Felsen, wo sie nur ein Obdach findet.
Daß jemals Nachtschwalben oder Thurnschwalben im Winter bey uns gefunden worden, hat noch niemand aufgezeichnet, und mir sind aller Nachfrage ohngeachtet davon keine Beyspiele vorgekommen. Weit zuverlößigere Wissenschaft hat man von den Winterqwartieren der Strandschwalben. Ich habe selbst dergleichen vormals bey
Göttingen aus den Ufern der Leine graben lassen. Ich fand deren zwey beysammen in einer ziemlich tiefen Höhle, wo sie im Sommer genistet hatten. Ein Freund von mir, der aus der Gegend von
Hameln gebürtig ist, hat in seiner Jugend eine Uferschwalbe in einer aufgegrabenen Maulwurfshöhle gefunden, und in der Warme deutliche Merkmaale des Lebens an ihr wahrgenommen. Ein Freund des Hrn.
Collinsons sahe einmal im März bey
Basel viele Knaben
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damit beschäftigt, solche Strandschwalben aus den hohen Ufern des Rheins mit einem Kugelzieher heraus zu bringen. Er bekam einige davon; ja eine lebte in seinem Busen auf, und flog davon. ( *
) Im
hannoverischen Magazine (
**
) wird auch als eine bekannte Sache angeführt, daß Uferschwalben an der Leine ausgegraben würden; und zu Seeburg bey
Halle, wie auch an vielen andern Orten in Ober- und Nieder
sachsen ist solches den Landleuten ganz wohl bewußt. Von dieser Art von Schwalben scheinen auch die unten angesetzten Verse des
Albinovans zu verstehen zu seyn. Und eben diese scheint es zu seyn, welche nach des
Heath Berichte (
***) im Winter in alten Zinngruben und Felsenritzen auf der Insel
Scilly gefunden werden. Ich will darum nicht behaupten, daß alle Uferschwalben in den kalten Ländern auf diese Art überwintern; gleichwohl ist es gar nicht unwahrscheinlich, daß sie, wie die Fledermäuse, Dachse, Murmelthiere und andere Mäusearten, während der
(*) Philos. Trans. vol. 53. art. 24. p. 101.
(**) Für das Jahr 1766. n. 97. p. 1546.
(***) History of Scilly by Heath p. 300.
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kalten Jahrzeit in eine Art von Schlaf oder Betäubung verfallen, und in denjenigen Löchern, wohin sie die Kälte der freyen Luft zuerst getrieben, bis zum Frühjahre liegen bleiben. Allein, daß es diese Schwalben seyn sollten, welche (wie von einigen hat gemuhtmasset werden wollen) durch Uiberschwemmung oder Einfälle der hohen Ufer ins Wal ser geLängen, daraus von den Fischern hervorgezogen werden, und zu der Erzählung von dem Uiberwintern der Schwalben im Wasser Anlaß gegeben haben sollten, kömmt mir ans vielen Gründen, und besonders darum wahrscheinlich vor, weil sie nicht eben schaarenweise, sondern nur einzeln in den Löchern angetroffen werden, dahingegen im Wasser oft ganze Klumpen von Schwalben sollen gefunden worden seyn.
Eben so wenig scheint es mir glaublich, daß die sogenannte Rauchschwalbe diejenige sey, welche im Wasser gesehen worden
Adanson hat selbige in Senegal, und der
Abt la Caille am Vorgebirge der guten Hoffnung eben in denenjenigen Monaten gesehen, da bey uns der Winter einfällt; und was das Besonders ist, so bemerkt Adanson, daß sie alldort nicht nisten und brüten,
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sondern sich in allen Stücken wie Zugvögel, die nur auf eine kurze Zeit da sind, verhalten.
Vermuhtlich sind es eben solche Rauchschwalben gewesen, mit welchen
Frisch seinen Versuch angestellet, und welche ihm die um ihre Füße gebundenen rohten Fäden, unentfärbt, nach Jahresfrist wiedergebracht haben. Vermuhtlich sind es auch eben diese, welche man einigen Berichten zufolge, sich hat schaarenweise versammeln und fortziehen gesehen, und deren jener Admiral, dessen
Collinson Erwähnung thut, einmal auf der See, beym Eingange des
brittischen Canals, eine ganze Schaar angetroffen hat, die sich auf sein Schiff zur Ruhe niedergelassen.
Da diese Schwalbenart bis in die nördlichsten Gegenden von Europa dem Sommer folgt, so ist kein Wunder, daß selbige auch in Nordamerika gefunden werde. Ich habe dergleichen aus
Virginien gebrachte im Jahre 1762. bey dem Hrn. Collinson gesehen, welche denen unsrigen in allen Stücken gleich waren. Daß sie aber auch in diesem Welttheile nach den wärmeren Gegenden ziehen, wenn der Winter im Norden einfällt, habe, ich daraus schlüßen müßen, daß
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mir dergleichen aus der in Südamerika gelegnen holländischen Colonie
Surinam unter allerhand ausländischen Vögeln übersandte, bey einem Freunde in Holland vorgekommen sind. Ich bin begierig zu erfahren, ob sie daselbst auch nur gewisse Monate hindurch bleiben, und habe meinen Freund ersucht, sich nach diesem Umstände genau zu erkundigen. Ich wundere mich indessen desto weniger unter südamerikanischen Vögeln eine euroväische Schwalbe anzutreffen, da auch unser sogenanntes Goldhähnlein (Motacilla Regulus) und unsere gemeine Baumklette (Certhia familiaris) unter den surinämischen Vögeln nicht selten gefunden werden.
Das Uibrige künftig.
Congelantur aquae, scopulis se condit hirundo,
Verberat egelidas garrula vere lacus. Albinovan.
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