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II. Jahrgang, XXXVIII. Stück >
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II. Jahrgang, XXXVII. Stück, den 9. Sept. 1772.
I. Allerhöchste Verordnungen.
Nicht allein schöne Kirchen, regelmäßige Gebäude, wohl aneinander hängende Häuser, gut geordnete Strassen, bequeme Nebengassen und gesittete Bürger machen den Vorzug der Städte vor den Dörfern aus. Nein! es soll auch die Reinlichkeit in den Strassen, und die Verwahrung vorm Staube ein Eigenthum der großen Sammelplätze des menschlichen Geschlechts seyn. Beydes ist nothwendig. Das eine dienet zur Bequemlichkeit, und das andere zur Gesundheit. Pflaster, die durch fest aneinander gefügte harte Steine gebauer sind, können diesen Endzweck erreichen. Man findet hiervon Beyspiele genug. Auch die größten und volkreichesten Städte bezeugen dieses. Die hiesige k. k. Residenzstadt Wien hat zwar selten Mangel an der Reinlichkeit der Strassen: sehr oft aber beschwerliche Staubewolken sowohl in als vor der Stadt gewiesen. Vor der Stadt hatte meistentheils die 600. Schritte breite Ebene bis zu den Vorstädten Schuld daran; weil diese niemals weder gepflastert, noch wegen der freyen Wege, mit Graß bewachsen gewesen. Durch die unermüdete Sorgfalt der k. k. Majestäten, um immer Verbesserungen anzustehen, ist bereits vor zwey Jahren durch die angemessensten Mittel, der Anfang zu Vertreibung dieses oft unerträglichen Staubes gemacht, und bishero fortgesetzt worden. Die Errichtung besonderer Strassen, und die Einfassung der übrigen Gegend, geben, nebst der Anblümung und Graßüberziehung der leeren Plätze, nicht allein kein geringes Ansehen einer solchen großen Ebene: sondern diese neu geschaffenen grünen Decken verschlingen den Staub, und helfen auch der nächsten Strasse ihren Theil Staubes vermindern.
Um nun auch dergleichen Endzweck innerhalb der Stadt zu erhalten, ist auf allerhöchsten landesfürstlichen Be-
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fehl und nach Vorschrift der von einer hochlöblichen N. Oe. Regierung, den 25. des abgewichenen Monats August, weiter ergangenen Verordnung von dem kais. königl. N. Oe. Landrechts Fürbieteramte, Folgendes, unter dem 22sten August, öffentlich bekannt gemacht worden.
Sämmtlichen Häuserinnhabern, Sequestern, und Administratorn der Freyhäuser wird hiemit ausgetragen: daß ein jeder derselben, gleich von nun an, zu all jenen trockenen Jahreszeiten, da der Staub zur , Unbequemlichkeit des Publikums überhand nimmt, durch seinen Hausmeister, oder dessen Weib, allenfalls durch hierzu zu bestellende Leute, vor seinem Hause, auf der Gasse, zwey-
auch dreymale (nachdem es die Noth erfordert) mit reinem Wasser, doch auch in solchem Maaße, daß daraus kein Koth entstehe, aufspritzen lassen solle. Welch allerhöchsten Befehl sich dieselben bey schwerer Verantwortung, genau und beständig zu fügen wissen werden.
v. P.
II. Wissenschaften.
Fortsetzung des im vorigen Blatte abgebrochenen Auszugs aus dem Werke: Sechstes Jahrhundert der zu Mariam nach Zeil in Steyermark angefangenen Wahlfahrt mit dazu gehörigen Nachrichten.
Die zwote Abtheilung handelt von dem Ursprunge des Zellerischen Gotteshauses. Der Herr Verfasser sagt: „der neuen Stiftung (St. Lambrecht) wäre noch immer was abgegangen, bis es endlich nach sechzig und einem Jahr (die Rechnung von dessen An. 1096. bewirkter Vollendung zu wachen) durch das Marinische Gnadenhaus in Zell zu einer geistlichen Herrlichkeit, die wir gewiß weit höher, denn alles übrige schätzen, erhoben worden ist."
Otto, unter den 44. Abbten, die das Stift bis auf den heutigen Tag verwaltet haben, in der Reihe der VIl., hatte fünf seiner Geistlichen, in das sogenannte Afflenzthal abgeschickt, um daselbst, das Heil der Seelen zu besorgen. Diese Gegend, in welcher das Zellerische Gebieth mitbegriffen ist, erstrecket sich in ihrem Umfange auf 8. bis 9. Meilen; Sie ist über 20. Meilen von dem Stifte entfernet, und befand sich unter den ersten Güthern, die von den herzoglichen Stiftern der neuen Abbtey einverleibet worden.
Wie der Geistliche geheissen, welcher in dem Theile des Afflenzthales, wo nun Maria Zell liegt, die Seelsorge übernehmen mußte, ist nicht bekannt. „Allem Ansehen nach mögen diese Nebensachen gar niemals angemerkt, oder aber auch die aufbehaltenen Nachrichten davon, zu Grund gegangen seyn", welches
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den Schriften des Abbts Heinrich des II. widerfahren, der durch seine große Gaben sich, auf der Kirchenversammlung, zu Basel, bey dem Pabst Eugenius IV., und Kaiser Sigmund , ehrwürdig gemacht, und um das Jahr 1430. eine Geschichte von Zellerischen Sachen verfertiget hatte. Nicht minder auch jenen, die von Christoph Schleicher, ehemaligen Abbte des Benediktiner Stifts Weichtenstephan in Bayern, und nachherigen Prediger zu Zelle; dann von Johannes Mannersdorfer einem wienerischen Rechtsgelehrten, vorhanden waren. Von dem letzten können nur noch einige Blätter auf Pergament geschrieben, und mit dem Namen des Verfassers, wie auch mit der Jahrzahl 1487. gezeichnet, aufgewiesen werden. Auf einem dieser Blätter lieset man: Im Jahr nach der Geburt des Herrn, als man zählt hat 1284, unter dem Abbt St. Lambrecht Burchardo Benediktiner Ordens Salzburgischer Diöces, und dem apostolischen Stuhl ohne Mittel unterworfen. Das kleine Ort, allda der Altar ist der allerseligsten, Jungfrau Maria, ruhet mitten in gedachter Kirche, war ein Zell eines gar andächtigen Bruders und Conventualen vorgemeldten Klosters St. Lambrecht ec.
Diese Erzählung hat nach der Zeit Anlaß gegeben, daß die Geschichtschreiber
über den Ursprung von Zell uneins geworden. Christophorus Andreas Fischer, in seiner Zellerischen Geschichte, die er im Jahre 1604. in Wien bey Ludwig Bonoberger drucken lassen, unter der Aufschrift: Historiae Ecclesiae Cellensis liber unus; richtete sich nach derselben , und bestimmte das Jahr 1280. Ihm folgten die meisten, die nach ihm, an dieser Geschichte gearbeitet haben.
Der berühmte kaiserl. Bibliothekarius, Lambecius hingegen behauptet in seinem Diario Cellensi pag. 53., daß bereits im Jahre 1157. der erste Grundstein zur Zellerischen Wahlfahrt geleget worden. Zum Beweise dieser Meynung wird die Inschrift angeführet, welche sich auf jenem Stein findet, der ohngefähr 4. Jahrhunderte über dem Eingang des großen Kirchenthors ausgesetzt stehet: Anno Domini MCC. inchoata est haec Ecclesiae gloriosae MARIAE das ist: Im Jahr unsers Herrn 1200 ist diese Kirche der glorwürdigen Jungfrau Maria angefangen worden. Noch werden andere Beweise mehr nachgebracht, z. B. ein Schreiben Friedrich des Sneitbaren Herzogs in Oestreich und Steyermark vom Jahre 1243.; dann eine Urkunde aus den Fastis Campilil. des P. Chrysostom. Hanthaler S. 1044. nach welcher im Jahre 1266. Gottschalk, von Neitperg und Ehrenger von Landeser, bey dem zu Ehren der gebenedeyten Jungfrau Maria errichteten Altar zu Zell einen feyerlichen Eid abgeschworen haben. Im Vorbeygehen wird hier auf der 31. S. zu dem Werklein des P. Thomas Weiß, Benediktiner Ordens: Diva Virgo Cellensis, welches im Jahre 1637. hier in Wien gedruckt, auch dem damals regierenden Kaiser
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Ferdinand III., und der römischen Kaiserinn Maria zugeeignet worden, eine schöne Anmerkung gemacht. Endlich wird auch noch der stärkste Beweiß aus der Bulla Adriani IV. vom Jahre 1156. hergenommen, und S. 36. eine kurze Untersuchung angefüget, woher der Name Maria Zell, entstanden? „ Die meisten halten dafür, sagt der Hr. Verfasser, der sich auch für diese Meynung erkläret, es wäre die Benennung Maria Zell von jener Kapelle oder hölzernen Zelle gekommen, welche gleich anfangs durch unsern Marianischen Lambrechter aufgerichtet, und zum gewöhnlichen Wohnsitz der H. Bildniß Mariä gewidmet worden."
v. R. * * *
III. Fortsetzung des Gellertischen Urtheils über die meisten Werke der Gelehrten itziger Zeit.
Briefe der Lady Montague sind der Sevigné ihren gleiches Werths. Sie sind auch ins Deutsche übersetzt.
Bourfauls Briefe sind trocken und mager. Sonst hat er le veritable étude de souverains für den Dauphin, auf Befehl Ludwig des XIV.; ingleichem eine Zeitung in Versen, und viele theatralische Stücke verfertigt: starb 1701.
Bussi schreibt mit der Höflichkeit eines Hofmanns, und dem Geiste eines Authors: bisweilen auch mit einem unglücklichen Stolz. Ein Auszug kam in Halle heraus.
Estrades Briefe sind, was sie seyn sollen.
Lettres de Ninon l'Enclos: der Verfasser ist der jüngere Crebillon. Diese sind die Metaphysik der Wohllust.
Briefe der Babet: scherzhaft, doch besser als der Ninon ihre. Sie hat Naivete und viel Muthwillen.
Lettre d'une Portugaise: unerträglich lang.
Lettres peruviennes: besser. Die beste Uebersetzung ist von 1751.
Lettres du Moutier: von Mr. Beaumont gehören auch hieher.
Sammlung von Frauenzimmerbriefen in Leipzig von 1762 — 67 in 12. Bänden. Die Uebersetzung und Wahl der Briefe ist gut.
Caro Briefe gehören zu den besten.
Bonfacio Gozzi Briefe sind meistentheils satyrisch und kritisch. Er war einer der besten Geschichtschreiber des 16ten Jahrhunderts.
Gleims und Stockhausens Briefe
sind gut.
Madame de Maintenou Briefe, sind geistreich. De Ia Beaumelle, gab sie, nebst ihrem Lebenslauf heraus: sind gut zu lesen.
Madame de Villars Briefe sind zu empfehlen.
Graf von Teffin seine Briefe sind sehr lehrreich; auch noch im 80sten Jahre schrieb er einige hievon.
Lettres sur la Dannemarc von 1723 an die Königin sind gut.
Racine: jugendliche Briefe, witzig, bisweilen frostig. Sein Brief an
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Boileau ist vollkommen: noch einer an seinen Sohn, der allen jungen Leuten zu empfehlen ist.
Lettres histor. & galantes sind nicht alle von der Frau Noyere: viel Gutes.
Fleschier Briefe: wie Plinius. sie sind schwülstig und sehr gezwungen,
Gresset Panegyr. er lobt übertrieben.
Hogarth: Seine Schreibart ist nicht sehr angenehm, sonst gut. Er starb zu Londen 1764. im 67sten Jahre. Sein Uebersetzer ist der ungluckllche Mylius.
Von der Beredsamkeit.
Hierunter gehören auch einige Werke der Alten, welche nützlich und gut geschrieben sind, als:
Cicero, Quintilian und Longin, welche alle drey vorzüglich zu lesen sind. Besonders ist des erstern Gespräch vom Redner sehr nützlich. Hr. Heinitze Rektor zu Lüneburg hat es ins Deutsche übersetzt, und ist gut gerathen.
Aristoteles: sein zweytes Buch enthält Erfahrungen, ist brauchbar.
Quintilian lehret durch Regeln, Lesen, Urtheilen und Fühlen. Er machte überall Betrachtungen, und verknüpfte allezeit das Angenehme mit dem Nützlichen. Die Ausgab des Rollins ist sehr brauchbar.. Die Vorrede ist ein ganzer Auszug aus dem
Quintilian.
Dyons Kritik der Alten ist vorzüglich zu gebrauchen. Er starb zehen Jahre vor Christi Geburt.
Die Werke von der Beredsamkeit der neuern Gelehrten bestehen meistentheils in folgenden:
Rapin der besten einer seiner Zeit.
Lomy sehr gut.
Gilbert: gut, verdienet eine bessere Uebersetzung.
Fenelon ist gut, besonders in der geistlichen Beredsamkeit.
Rollins Werke sind vor allen zu lesen.
Voltaire darf nicht gelesen werden.
Lawson ist auch nützlich zu lesen. Er stehet als Professor der Beredsamkeit zu Dublin.
Gottscheds Redekunst: der theoretische Theil ist brauchbar, der praktische aber nicht.
Ernesti dienet gut, den Quantilian und Cicero zu verstehen.
Lindner Professor in Königsberg; seine Anweisung ist gut.
Berger: Professor in Wittenberg ahmt die Alten gut nach.
De Patra ehemaliges akademisches Mitglied starb 1631.: seine Schreibart ist sehr fein.
Pitaval ist berühmt wegen seiner fast ohnmöglichen Vorfallenheiten.
Gerard Gillet kann Patra noch vorgezogen werden.
D' Aquasseau ist fast zu geschmünkt poetisch beredt: starb 1654. Er war ein rechtschaffen gelehrter Kanzler: verstund hebräisch, griechisch, spanisch, lateinisch, englisch, italiänisch und französisch, und las alle Tage in der Bibel.
Balzac schrieb die Preißreden der Akademie: ein großes Kennzeichen seiner guten Schreibart. Sie sind von Stockhausen ins Deutsche übertragen.
Adelung gab Staatsbriefe heraus, die gut sind.
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Gärtner: seine Reden sind heutiges Tages die besten.
Abbt Jerusalem: seine Lebensbeschreibung des Prinzen Heinrich ist lehrreich und voller Empfindungen.
Daß wir ohne Zweifel große Muster in Kanzelreden finden, ist wahr, obsgleich die Briefe der neuesten Litteratur widersprechen. Chrysostomus bleibt hier jederzeit ein Beyspiel. Er ist wie Saurin dem Cicero vorzuziehen.
Bourdaloue: Viele Verdienste: seine Schreibart ist richtig und ordentlich: redet einfältig und edel, ohne zu mahlen. Von seinen Werken sind 10. Bände übersetzt. Er starb 1704.
Fleschier schreibet in einem ordentlichen Zusammenhang: enthält gute Moral
Bossuet denkt auch ordentlich: seine Moral ist nicht zu tadeln. Er starb 1704. Dieser Gelehrte hatte mehr Natur, als Fleschier, dieser aber mehr Kunst. Bossuet war ehrgeizig. Seine Exposition ist beredt und sehr gefällig: hierinne vertheidigte er die Religion am besten. Er hatte mit Madem. Devier eine geheime Ehe geschlossen; sie führte auch mit seinen Erben Proceß.
Massillon starb 1742. Ludwig der XIV. sagte ihm einsmals : ich habe viele gute und große Redner, als Fleschier gehabt, mit denen ich zufrieden gewesen bin: höre ich aber Sie, so bin ich mit mir selbst gar nicht zufrieden. Der beste Redner ist er eben nicht, so gut er sonst in einzelnen Stücken war. Eine Rede muß, wie Bourdaloue sagt, im Ganzen, und nicht stückweise gut seyn.
Tillotsou ist deutlich, gründlich, folgt immer der Wendung seiner Materie. Er gefällt, erbauet, ohne es zu suchen. Die Uebersetzung ist gut. Er starb 1694. als Erzbischof in England. Er hatte viele Feinde, und die Schmähschriften, welche sie ausstreueten,
sammelte er in seinem Schreibpult, und schrieb darauf: ich habe meinen Feinden vergeben, und bitte, daß Gott ihnen auch vergeben möge.
v. W.
IV. Vermischte Nachrichten.
Die Natur zeiget Veränderungen, die aber auf dem ganzen Erdkreiß mehrentheils die nämlichen bleiben. Die Kunst hingegen, oder vielmehr die Liebe zum Neuen, sucht immer unsern Geist aufzumuntern, und ihn anzufeuern; etwas ungewöhnliches , etwas neues, und noch nicht gesehenes zu erfinden: sollten es auch Kleinigkeiten seyn : Und wo zeigt er sich bereitwilliger: wo ist er beständig reich an neuen Erfindungen, als in den allermeisten christlichen Staaten: wo die Mode gesucht, geliebt, ja gar zur Echau getragen wird.
Man untersuche eine Reihe von 50. Jahren! Wie viele Veränderungen hat sie nur bey der Kleidertracht herfür gebracht! Ist sie es nicht, die uns alle Jahre etwas Neues aus diesem Fache zuführet? Nur etwas aus der Ferne! Man suchts, ohne den
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Nutzen zu untersuchen. Es wird gelobt und geliebt, kaum daß es erblickt wird. Und endlich tragt man es: warum? weil es bereits andere tragen. Ohne uns mit vielen Beweisen aufzuhalten, wollen wir nur eins unsern Lesern aufstellen. Der Hut ist es! der von dem Gellert schon einmal besungene Hut beweiset hinlänglich unsern Satz. Wie viele Veränderungen seiner Gestalt hat diese Decke des Haupts in einer Zeit, nur von 20. Jahren überkommen? es sollte manchem tiefsinnigen Geiste wohl schwer fallen, wenn man ihm ein solches sehr einfaches Kleidungsstück gäbe, daraus so viele, doch allezeit veränderte Gestalten zu formiren, als in diesem Zeitraum aufgekommen, und zur Mode geworden sind. Allein Erfindungen werden nicht gleich zur Vollkommenheit gebracht. Die Mode hat gar viele Gehülfen. Der Ursprung des Huts ist nicht so alt: man hält dafür, daß der Gebrauch erst seit dem 15ten Jahrhundert aufgekommen ist. Der Hut, welchen Karl der VII. König in Frankreich trug, als er 1449. seinen öffentlichen Einzug in Rouen hielt, ist der erste, von welchem in der Geschichte Frankreichs Meldung geschiehet. Unter der Regierung dieses Königes wurden die Müzen und Barete durch die Hüte vertrieben. Den Geistlichen waren sie bey schwerer Strafe verbothen. Aber zu eben dieser Zeit trug man sie schon lange zuvor ganz ungestraft in England; Man sagt, daß ein Bischof von Dole, le, der von Eifer für die gute Ordnung und von Haß wider die Hüte brannte, den Gebrauch derselben bloß den Domherren erlaubte, und hingegen verordnete: daß man mit der Meße inne halten sollte, sobald ein Kopf mit einem Haar (wie die Hüte damals spottweise genennt wurden,) in der Kirche erscheinen würde. Es scheinet jedoch, daß diese so ärgerliche Hüte, eine Art eckigter Müzen gewesen sind.
Das Schicksal dieser Kopfzierde und Decke, in Betreff seiner gehabten Veränderungen bis auf gegenwärtige Zeit, ist zu groß, als daß man es zu beschreiben, unternehmen könne. Ein jeder, auch nur von mittelmäßigem Alter, weiß sich recht vieler Hutgestalten zu erinnern, welche die Mode jederzeit gerechtfertigt hat. Wir wollen also nur von seiner verschiedenen Güte etwas erwähnen. Die englischen und französischen, und unter diesen die Pariser Hüle haben den Vorzug vor allen andern. Die besten und schönsten Hüte in Deutschland sind die Dresdner und Berliner. Man verfertigt auch in Dresden, die erst neulich in Paris erfundenen Hüte, halb von Seide und halb von Biber-und Vigognehaaren. Diese Hüte übertreffen alle andere an Feinheit und Leichtigkeit. In Frankreich muß die Beschaffenheit der Hüte durch gewisse Buchstaben angedeutet werden. Ein Kastorhut bekommt ein C. Ein halber Kastorhut CD. Ein vermischter ein M. Wie leicht diese Zeichen in Deutschland nachgemacht werden können, ist leicht zu begreifen. Wenn
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endlich nur die Güte da ist. Woraus diese verschiedene Güte entstehet, wollen wir nur kürzlich berühren. Man verfertiget die Hüte von Biberhaaren, von Hasen, von Kaninchen, von Vigogne-und von gemeiner Wolle. Die mehresten Bieberfelle kommen aus Kanada. Rußland liefert auch eine beträchtliche Anzahl. Man hat zwo Gattungen, die fetten und die trockenen Felle. Die fetten sind diejenigen, welche schon auf dem Leibe sind getragen worden: je länger dieses geschehen ist, desto besser sind sie für die Hutmacher. Die trockenen sind so, wie sie von dem Thiere abgezogen worden. Man bedienet sich der erstern zu den schönsten Hüten: da aber die fetten Biberfelle selten sind, so werden mehr trockene verarbeitet. Auf jedem Biberfelle befinden sich zweyerley Haare: die groben und die feinen. Zu den Hüten kömmt bloß die letztere Gattung. Die Vigogne Wolle wird von einem Thiere in Peru das Vigogne genannt wird, erhalten. Dieses hat etwas von dem Schaafe und von der Ziege. Jedoch ist es stärker, und größer. Seine Farbe ist röthlich. Es liefert dreyeiley Art Wolle: die feine, die bastart-und die knotigte Wolle. Die schönsten Vigogne-Haare erhält man aus Spanien. Man unterscheidet an dem Hasen ebenfalls zweyerley Haare, das Rücken - und das Lendenhaar.
Zu einem Hut von der ersten Feinigkeit kommen zwey Drittel fetter, und ein Drittel magerer Haare. Da aber diese Hüte sehr theuer sind, so werden sie selten verfertigt, und man begnüget sich mit den halben Kastorhüten, wozu gemeine Vigogne - Hasen- und Kaninchenwolle kömmt; sodenn zwey Loth Biberhaare, die nur dazu bestimmt sind, daß man den Hut damit überdeckt. Die Hüte, die man Vigogne, oder Dauphine nennet, sind von Kaninchen- und Vigognehaaren. Die Kautbecker Hüte haben das Besondere, daß man unter die Lämmerwolle noch eine Art Kameelhaare mischet.
Endlich müssen wir von der Mode noch dieses sagen: sie nützet dem Nahrungsstande: sie bringt das Geld in Bewegung: sie hilft vielen Armen ihr Brodt gewinnen: und sie weiset die Mittel an, wie die Reichen ihren Ueberfluß mit Vergnügen andern überlassen können. Nach diesen Wahrheiten wäre die Mode lobenswürdig.
v. Kr.
In Wien zu haben in der Baderischen Buchhandlung neben dem Todtenkopf in der Bognergasse.