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V. Jahrgang, VIII. Stück, den 22. Horn. 1775.

I. Geschichte.

Die verschiedenen Gebräuche fremder Völker, bey ihren Verheurathungen.

Für eine Dame auf dem Lande gesammelt.

Bey ihrem neulichen Aufenthalte in unserer Stadt, sahen Sie, in meiner Gesellschaft, den Hahnenschlag, einen hochzeitlichen Gebrauch der Schlawen, die in unseren Vorstädten wohnen *); und diese lächerliche Ceremonie führte unser Gespräch auf die verschiedenen, meist wunderlichen Gewohnheiten, welche die meisten Nationen, bey ihren Heurathen beobachten. Sie wünschten diese Gebräuche in einer Sammlung zu lesen; ja,sie wünschten auch,daß ich mich zu einer solchen Arbeit entschlöße. Diese angenehmen Wünsche erfülle ich nun, und theile ihnen, alles dasjenige mit, was ich von dieser Materie merkwürdiges, bey den besten, und glaubwürdigsten Geschichtschreibern gefunden habe. — Vorher aber, muß ich ihnen über den Hahnenschlag unserer Schlawen, noch eine kleine Anmerkung machen. Wie sie wissen, so bestehet die ganze Ceremonie darinne, daß der junge Ehemann, den Tag nach der Hochzeit, und das zwar Vormittage, in Begleitung aller seiner Freunde, und Hochzeitgäste, darunter einer einen Hahn, der andre einen Hafen, der dritte aber eine Stange trägt, zu einem freyen Platz geführet wird, und dort den berühmten Hahnenschlag verrichtet. Nachdem man nämlich dem Hahne die Füsse gebunden hat, wird er in den leeren Hafen gesteckt, und in die Mitte des

*) Diese sind, in der Stadt Preßburg, wo die Nachrichten gesammlet worden und lauter gemeines Volk, Ochsenknechte, Weinhauer und Faßzieher.

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Platzes gesetzet. Alsdenn führt man den jungen Ehemann dreymal um diesen Hafen, verbindet ihm die Augen, giebt ihm die Stange in die Hände, und führt ihn wieder eine Strecke, die so lang, als die Stange zu seyn pflegt, zurück. Und, nachdem er mit mit dem Gesichte gegen den Hahn gekehret worden, läßt ihm die Freyheit nach demselben zu schlagen. Dreymal darf er den Streich wiederholen. Trift er den Hahn; so erschallet ein lautes Freudengeschrey, und er wird im Triumphe nach Hause begleitet; fehlt er ihn aber, so wird er weidlich ausgepfiffen, und mag sich allein, durch den Haufen höhnender Zuschauer, den Weg nach Hause bahnen.

Die geheime Bedeutung dieses Hahnenschlags, darüber sie mich zu fragen beliebten, hat mir erst dieser Tagen, ein in den Sitten dieser Nation sehr erfahrner Mann erkläret. Es ist nämlich ein Wahn unter diesem Volke, nach welchem derjenige, der den Hahn totschlägt, sich nie für einer üblen Ehe zu fürchten hat, demjenigen hingegen, der ihn verfehlet, gewiß dieses Unglück bevorstehet. — Wann diese Probe richtig und überall eingeführt wäre, wie viele Hähne würden da nicht lebendig bleiben! — —

Nach dieser kleinen Auschweifung, will ich zur Sache selbst schreiten, und mit den Heurathsgebräuchen der Russen*) den Anfang machen.

Nachdem daselbst die Verlobten durch einen Priester in der Kirche ordentlich getrauet worden, wird in dem Hause der Braut eine kostbare Abendmahlzeit gegeben, bey welcher sich außer den übrigen Hochzeitgästen, auch ein Schwarzkünstler einfindet, welcher verhüten muß, daß die Vollziehung der Ehe, durch die Kunst eines andern Schwarzkünstlers nicht verhindert werde. Noch vor die Mahlzeit wird das neue Paar, mit vielen Ceremonien in die Brautkammer geführet; der Hochzeitvater, die Hochzeitmutter, der Brautführer und noch drey bis vier Weiber, die zu dem geheimen Rathe gehören, sind ihre Begleiter. Kaum sind sie dort eingetreten, so wird der Braut ein Teller mit Gläsern und Brandwein überreichet, welches sie der ganzen Gesellschaft anbietet. Gleich darauf macht der Schwarzkünstler seine Beschwörungen, und das Brautpaar wird von den Matronen ausgekleidet. Hierauf küßt die Braut die ganze Gesellschaft und nöthiget sie noch ein Paar Gläser Brandwein auszuleeren. Die Gesellschaft begiebt sich sodann, bis auf eine von den Matronen, in ein Vorgemach, das Brautpaar aber in das Bette. — Nach einiger Zeit wird die Rathsversammlung der

*) Aus der Abbé d`Auteroche Nachrichten von Rußland.

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Weiber wieder in die Brautkammer gerufen. Die Gesellschaft wird abermal mit Brandwein bewirthet, und das Brautpaar wieder zur Gesellschaft geführet. Eine Musik thönet ihnen entgegen. Endlich setzt man sich zu Tische, von welchem besonders die Mannspersonen nicht ehe aufstehen, als sie nicht mehr zu trinken im Stande sind.

Die Kosaken*), die ebenfalls der griechischen Religion zugethan sind, beobachten die nämlichen Ceremonien; nur mit dem Unterschiede, daß unter ihnen der Bräutigam seine Braut reitend abholet, und das Pferd, auf dem er sitzet, mit einer Menge Glocken versehen ist, um durch den Klang derselben, die Braut von der Ankunft ihres Bräutigams zu benachrichtigen. Diese Glocken, werden hernach von den Eltern der Neuverlobten zum Andenken aufbewahret. Die Braut bringt ihrem Bräutigam nicht das geringste zu, vielmehr ist dieser verpflichtet, sie vom Fuße auf zu kleiden, und ihr einen ganzen Kopfputz anzuschaffen.

Die Hochzeitfeyer der Mordvaner**) bestehet hauptsächlich aus nachfolgendem: die Braut wird von zween Freunden des Bräutigams, unter beständigem Geheule der nachfolgenden Weiber, bis vor dessen Hausthüre gleichsam getragen, wo sie zwischen den Brautführern, und Freywerberinnen, von der Familie begrüßet wird. Darauf erscheint die Mutter des Bräutigams, mit einer Pfanne voll Hopfen, den sie mit einigen brennenden Spänen anzündet, und die Pfanne an den rechten Fuß der Braut niedersetzet, welche diese aber sogleich wieder von sich stößt. Dieses wird noch zweymal wiederholet, und jedesmal etwas von dem verstreuten Hopfen in die Pfanne gescharret. Es wird sehr genau bemerket, wie die Pfanne fällt, geschieht es auf die verkehrte Seite, so bedeutet es dem jungen Paare lauter Unglück; fällt sie aber so, daß die Höhlung oben ist, so hat es auch nur glückliche Vorbedeutungen. In diesem Falle bingt man Bier herzu, welches den Hochzeitleuten aus einem Becher gereichet wird, in den die Braut, einige von den Ringen, deren sie eine Menge an ihren Fingern trägt, werfen muß. Endlich bringt man einen Kessel von Grüßbrey, wovon man einem jeden, eine Kelle voll, dem einen in die Mütze, dem andern in den Rockzipfel, oder wohin er es sonst haben will, austheilet.

Bey den Heurathen der Tschuwaschen*) ist zu merken, daß das Geld,

*) Nach Sam. Georg Gmelins Reise durch Rußland.

**) Nach P. S. Pallas Reisen, duch melins Reise durch verschiedene Provinzen des rußischen Reichs ersten Bande.

*) Nach eben demselben.

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welches von die Braut erleget werden muß, oft die hundert Rubeln am Werth beträgt. Die Braut darf am Hochzeittage nicht zu Fuße gehen; sondern sie wird entweder gefahren, oder auf Matten getragen — Es geschiehet wohl auch, daß eine Ehescheidung statt findet, und in diesem Falle schneidet der Mann den Schleyer der Frau mitten entzwey, davon er die Hälfte zurückhält, die andre aber der Frau giebt.

Die Hochzeiten der Jaikerkosaken**) sind mit vielerley Ergötzlichkeiten verbunden. Es ist gewöhnlich, daß sich bey verlobten Mädchen, von dem Tage der Verlobung, bis zur Hochzeitfeyer, welches oft zwanzig oder mehr Wochen beträgt, ihre Gespielinnen bey ihr alle Abende versammeln, und sich, nebst ihr, mit Singen und Tanzen, und allerhand Spielen belustigen. In dieser Zeit dar sich auch der Bräutigam schon einiger Freyheiten bedienen. — An dem Hochzeittage muß derselbe seiner Braut einen vollen Anzug von Weibskleidern zum Geschenke bringen, wogegen ihm von der Braut, Mütze, Stiefeln, Beinkleider, und ein Hemd verehret wird. Nach geschehener Einsegnung fährt die Braut auf einem offenen Wagen aus der Kirche nach Hause, hinter ihr aber sitzen, ihre Mutter, und die Freywerberinn, welche letztere alle Finger mit Ringen besteckt haben muß, beide aber breiten auf den Seiten Tücher aus, um . das Gesicht der Braut für den Zuschauern zu verbergen. Vor dem Wagen geht der Bräutigam mit seinem Vater und nächsten Blutsfreunde zu Fuße; hinter dem Wagen aber reiten verschiedene junge Leute, von denen einer ein buntgestreiftes Stück Zeug, an einer langen Stange, gleich einer Fahne wehen läßt. Uebrigens aber wird das Hochzeitfest mit Singen, Tanzen, hauptsächlich aber mit Trinken, meist auf der Gasse zugebracht.

Die Kalmucken*) pflegen ihre Kinder, nicht nur in der ersten Kindheit; sondern auch schon im Mutterleibe bedingungsweise zu verloben, nämlich: wann von den contrahirenden Partheyen, der einen ein Knabe, der andern ein Mädchen geboren werden sollte; und diese Verlobungen werden allezeit heilig gehalten. Die jungen Leute aber werden meist erst im vierzehnten Jahre kopulieret. Indeß sind dem Bräutigam schon zwey Jahre vor der Hochzeit kleine Freyheiten bey der Braut erlaubt, die aber, wann sie bis zur Ausschweifung getrieben würden, durch Geschenke bey den Brautältern gut gemacht werden müßen. — Vor der Hochzeit muß man sich mit den Eltern der Braut über die zu liefernde Anzahl der Pferden, und

**) Idem ibid.

*) Idem ibid.

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anderm Viehe vergleichen, wogegen zur Ausstattung der Braut mit Kleidern, Hausgeräthe, und einem weißen Zelte von Filz, Anstalt gemacht wird. Vor der Hochzeit, wird der Geistliche, um einen dazu glücklichen Tag befragt. Wann dieser bestimmt ist, so reist die Braut miot ihren Eltern und Verwandten, zu dem Bräutigam. Das neue Zelt wird sodann aufgestellet, und in demselben ließt der Pfaff einige tangutische Gebeter über das Brautpaar. Auf dessen Befehl werden sodann die Haarflechten der Braut losgemacht, und nach Weiberweise in zween Zöpfe geflochten. Der Geistliche läßt sich darauf die Mützen des neuen Paares geben, entfernet sich damit etwas in die Steppe, und räuchert sie unter einigen Gebetsformeln mit Weyhrauch, worauf sie den Brautleuten wieder aufgesetzet werden. Man bewirthet alsdann die Gäste, und nach deren Entfernung bleibt die Braut bey dem Bräutigam in dem Zelte, und sie darf sich einige Zeit aus demselben nicht entfernen, auch niemand, als die Mutter und die nächsten Anverwandtinnen zu ihr kommen. — Bey vornehmen Hochzeiten wird ein großes Gastmahl angerichtet, wobey diejenigen, welche die Speisen tragen, durch einen Herold angeführet werden, der allzeit auf einem fuchsfärbigen Pferde reitet, prächtig gekleidet ist, über die Schulter aber eine lange Schärpe von seiner weißer Leinwand, und an der Mütze einen schwarzen Fuchs oder Otterbalg hängen hat. An dem Hochzeittage werden von allen Geistlichen Gebeter verrichtet, und viele Schauspiele, mit Pferderennen, Ringen, und Bogenschießen gegeben.

(Die Fortsetzung folgt.)

II. Policey.

Fortsetzung, von der IIten Abtheilung der Abhandlung von denen Gold- und Schatzgräbern.

Bey dem, von diesem Vorurtheil beherrschten Beobachter wirkte nun diese Erscheinung und Veränderung, in seiner Einbildung lauter Wunderdinge. Nach seiner Vorstellung öfnete sich der Felß, diese von ihm, in einer ziemlichen Entfernung erblickte Menschen, giengen durch diese Oeffnung ein und aus, und brachten Schätze herfür. Die Neugierde, und die seltsame Begebenheit, die er bemerkt zu haben vermeinte, trieb endlich diesen Beobachter zu dem Felsen hin, als sich diese Fremde davon bereits entfernet hatten, um die Sache recht in Augenschein zu nehmen, und alles genau zu erforschen; allein da er hier keiner Oefnung gewahr wurde; so dachte er nicht nach, wie uns in einer Entfernung auch eigene Augen betriegen können; sondern stärkte sich vielmehr in seinem Wahne, und bestund darauf: daß diese Leute

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denen Felsen gebiethen könnten, und daß auf ihren Wink, sich dieselben nicht allein eröffnen, sondern auch wiederum verschließen müßten. Wer in diesen Gebirgen nur ein wenig bekannt ist, und sich die dasigen krummen Gänge und Stege, die bald erhoben, bald tief sind, vorzustellen weiß, dem werden dergleichen Erscheinungen nicht im geringsten befremden; er wird sich die Sache ganz natürlich vorstellen, und wie es in Wahrheit zugehe, es vollkommen einsehen, und begriffen. Ein kleiner Versuch kann es ausweisen, und deutlich machen: man darf nur einen Menschen an dergleichen Oertern vor sich eine Strecke gehen lassen, und seinen Gang beobachten: so wird er sich zu wiederholtenmalen, plötzlich aus dem Gesichte verlieren, nicht anders, als wenn ihn ein Felß verschlungen, oder die Erde bedeckt hätte, bald aber wird er wieder zum Vorschein kommen. Dieses verursachen auf solchen Wegen, die verschiedenen Beugungen, die dem Auge der Beobachters Hindernisse entgegen stellen, nach welchen er seinen Hauptgegenstand, bald verlieren, bald wiederum bemerken kann. Was mach aber die Einbildung eines Menschen daraus, der für eine Meinung von Schwarzkünstlern von Gold und Edelgesteinraubern vorher schon eingenommen ist? Lauter Zaubereyen und Wunderdinge, damit nur der einmal gefaßte irrige Wahn bestätiget, und behauptet werde. Nicht anders verhält sich auch die Sache mit der Flucht solcher Leute wann ihnen nachgeruffen, oder nachgesetzt wird, und mit der Bedeckung des Rebels, und der Wolke, wovon wir oben Meldung gemacht haben: alles gehet dabey ganz natürlich und begreiflich zu. Nur muß man wissen; daß diese Gebirge den ganzen Sommer über (wenn die Witterung nur einigermaßen erträglich ist) niemalen von Menschen völlig leer sind; und daß sich unter diesen auch nicht wenige Ausländer befinden: einige sammlen Kräuter und Wurzeln, andre hat die bloße Neugierde und Kuriosität dahin gebracht, andre sind auf ihrer Reise aus Mähren und Schlesien begriffen; einige darunter sind auch in der That solche, die mit närrischen Beschreibungen da herumirren, und die vorerwähnte Schatzkammer aufsuchen wollen*): Diese sind also

*) Es hat sich erst den abgewichenen Sommer zugetragen, daß zwey Schlesier mit einer solchen Beschreibung in die XIII. Stadt Bela kamen, und daselbst einen Menschen aufsuchten, der sie in dem karpatischen Gebirge herufuhren, und nach denen in ihrer Schrift angegebenen Merkmalen zu den Schätzen hinbegleiten sollte. Sie giengen in die Gesellschaft ihres Führers auch wirklich hin, und fanden zulezt weder Merkmale noch Schätze, sondern begaben sich, wie es leicht zu begreifen ist, ohnverrichteter Sache wiederum nach Hause. Denn gesezt, es wäre auch etwas daran, so ist es doch eine sehr harte Sache unveränderliche Merkmale eines Weges nach einem gesezten Orte in diesem Gebirge zu bestimmen, indem die Wasserfälle, und die scharfen Witterungen vom Jahr zu Jahr, darinnen solche Abänderungen machen, daß es einem Menschen, dem ansonst in diesen Gegenden das meiste wohl bekannt ist, dennoch schwer fallet und selten gelinget, einen Ort wiederzufinden,

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meistens Fremdlinge und unbekannte Menschen, die nicht anders, als schüchtern, und furchtsam seyn können, wenn sie sich in einer wüsten Gegend befinden, in welcher sie für der Hand eines Mörders so wenig gesichert sind. Was thun also diese, wenn sie eines unbekannten Menschen ansichtig werden? Sie trauen ihm nicht, und weichen ihm aus. Und wenn ihnen dieser nachruffet, oder nachsetzet; so wird bey jenen der Verdacht um desto stärker, sie trachten daher sich entweder zu verbergen, und nehmen ihre Zuflucht in eine Höhle, oder sie ergreifen die Flucht, um dadurch den Nachstellungen zu entgehen; und sich in Sicherheit zu setzen. Hier kann es sich nun zufälliger Weise sehr leicht ereignet haben, daß auf der nämlichen Stelle, wo sich dergleichen Flüchtlinge befunden, plötzlich und unvermuthet, sich ein dicker Nebel zusammen gezogen; nachdem dieses in denen karpatischen Gebirgen gar nicht ungewöhnlich ist; und von denen, die um diese Gebirge herum wohnen, beynahe täglich beobachtet werden kann. Wie an manchem Orte eine Wolke nicht anders, als wenn dieselbe aus einem Felsen herausstiege, entstehet, und über eine Weile weiter hinauf steiget, oder auch nach und nach sich vermindert, und auf der Stelle verschwindet*) Solche Veränderungen pflegen diejenige sehr oft zu erfahren, die in diesen Gebirgen auf- und absteigen; und bey der schönsten und heitersten Witterung, mit einem finsteren Nebel also bedeckt werden, daß sie, ohne sich der größten Gefahr auszusetzen, auch von der Stellen nicht weichen därfen, sondern die Zeit abwarten müssen, bis der Nebel abziehe oder gar verschwinde. Aus einer solchen ganz natürlichen Veränderung (wenn sich dieselbe unter besondern Umständen ereignet) kann nun ein Mensch, der in seinem Urtheil zu Ausschweifungen geneigt ist, gar leicht den Schluß machen: daß es Leute gebe, die denen Wolken gebieten, und ihren Lauf nach eigenem Belieben bestimmen können. Doch aber darf man sich über dergleichen Einfälle gar nicht wundern, wenn man bedenket, daß es beynahe zu einer allgemeinen Gewohnheit worden ist, aus allen Begebenheiten, und Veränderungen, die man in diesen Gebirgen wahrnimmt, wenn sie auch noch so natürlich, begreiflich, und unschuldig wären, lauter Geheimniße, und Wunder zu machen. Denn eben auf die Art haben die Geister, von denen gesagt wird, daß sie die Schätze dieses Gebirges besitzen, bewachen, und sonst niemanden den Zutritt dazu vergönnen, außer dem, der die heimlich gehaltene Wissenschaft besitzet, ihnen zu begegnen, und sie zu bändigen, ihre Existenz in dem Gehirn vieler Menschen erhalten. Die ganze Sache bestehet eigentlich darinne: es giebt

den er sich nur vor einem Jahre genau bezeichnet hatte.

*) S. davon  die Beschreibung des karpatischen Gebirges im II. Jahrgang das XXXII. St. S. 255. 256.

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einige Gegenden in diesem Gebirge, worunter insonderheit der sogenannte Drachenkumpen (Slavakisch, Satinsky Zleb) berühmt ist, wo sich oben auf der Bergspitze von denen Felsen einige Stücke ablösen, und fast unaufhörlich, mit einem schröcklichen Getöse herabrollen. Einige von diesen Steinen fallen von selbsten herab, so bald sie sich von dem Felsen abgelöst haben, wenn es auf einer Stelle geschieht, wo sie sich nicht erhalten können; andere hingegen, die noch daran kleben, bekommen von denen auf- und abspringenden Gemsen einen solchen Stoß, der sie in Bewegung bringet, und herabstürzet. Was machen nun hieraus solche Menschen, denen es allezeit besser gefällt, etwas aus albernen, als aus natürlichen und vernünftigen Gründen herzuleiten? sie verfallen auf Gespenster, und solche Geister, denen denen die Aufsicht über die Schätze dieses Gebirges zukäme, und die sie in ihrer Gewalt hätten. Sie glauben daher, daß diejenige allein solcher Schätze theilhaftig werden könnten, die das Glück haben, diesen Geistern auf keinerley Art zu mißfallen, und die vielmehr wußten, ihre Gunst und Zuneigung zu gewinnen: diejenigen hingegen, die diese Geister beleidigten, und erbitterten, wären der Gefahr ausgesezt, ihre Gesundheit, oder gar ihr Leben einzubüssen, wenn sie sich frech unterstünden, einem solchen Orte nahe zu kommen. Und das wäre eben, nach ihrer Meinung, die Ursache eines solchen Gepolters, und des Herabwerfens der Steine; sie sehn es, als ein Werk der Geister an, zugleich aber auch, als einen untrüglichen Beweiß, der anwesenden großen Reichthümer und Schätze eines solchen Ortes. Viele haben sich daher auch zu unsern Zeiten durch eine solche Einbildung dahin verleiten lassen, in diesen Drachenkumpen (der in Mingsdorfergrund ober den Poppersee linker Hand liegt) ihr Heyl zu versuchen; wi sie aber anstat der Schätze, ihr Verderben fanden, und mit Arm und Bein, oder gar mit Leib und Leben ihren Fürwitz theuer genug bezahlen mußten. Denn indem sich ein Stück von einem Felsen loßreißet, so stößt es im Herabfallen an andere rauhe, und herfürragende Felsen an, zertrümmert, und nimmt noch andre mit sich, welches gleichsam einen Steinregen verursachet, dessen Gefahr niemand so leicht zu entrinnen im Stande ist, der sich einmal zuweit hinein gewagt hat.

(Die Fortsetzung folgt.)


In Wien zu haben in dem von Ghelenschen privil. Zeitungscomtoir, in der Sinngerstrasse Nro. 931.
Topic revision: r4 - 08 Mar 2012, AgostonBernad
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