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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin,
Band 1, Heft 2, Text 16 (S. 129-141)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1781
Autor:
Daniel Cornides
Zuordnung: Kulturgeschichte
(P129)
16. Wenn das itzt übliche aus zerstossenen und zerstampften Haderlumpen verfertigte Papier in Ungern aufgekommen sey?
Die Frage von dem Ursprunge des Papiers, so aus alten
Haderlumpen verfertiget wird, ist in der Diplomatik, wie bekannt, von vorzüglicher Wichtigkeit. Urkunden, von deren Aechtheit, nicht nur grosse Freyheiten und Vorrechte, sondern auch der ruhige Besitz ansehnlicher Güter und Herrschaften abhangen; Urkunden, auf welchen sich das Glück der ganzen Nachkommenschaft gründet, werden zuweilen bey gerichtlicher Untersuchung bloß wegen dem einzigen Umstande für unterschoben und ungiltig erklärt, weil solche auf gewöhnlichen Haderlumpenpapier geschrieben sind, und das Datum des Diploms älter angegeben wird, als dergleichen Papier entweder noch bekannt, oder zu öffentlichem Gebrauche genommen wurde. Es lohnet also wohl der Mühe, dächte ich, daß wir die wahre Epoche des in Ungern eingeführten Gebrauchs dieser Art Papier genauer zu bestimmen suchen, da an diesem Umstande, wie gesagt, so gar vieles gelegen ist. — Ich will mich hier in keine weitläufige Abhandlung von den dreyerley Arten Papier, dem
egyptischen, dem
Cottonpapier, und dem itzt üblichen,
(P130)
so aus alten Lappen leinener Tücher gemacht wird, einlassen. Ein solches Unternehmen würde bey so vielen über diese Materie vorhandenen gelehrten Schriftten, nicht nur sehr überflüßig seyn, sondern mich auch von meinem eigentlichen Gegenstande zu weit abführen. Dennoch sehe ich mich gemüßiget, auch von den zwo ersten Arten Papier, mehrerer Vollständigkeit, und des nöhtigen Zusammenhanges halber, nur ein paar Worte beyzubringen. Daß das egyptische Papier, dessen Ursprung und Zubereitung man beym
Plinius (
Hist. nat. Lib. 13. c.11.) nachsehen kann, sich bis auf das zwölfte Jahrhundert nach Christi Geburt erhalten habe, ist aus dem
Eustathius erweislich, der in seiner
Auslegung des
Homers (ad
Odyss. φ p. 1913. lin. 41. edit. Rom.) ausdrücklich behauptet, daß der Gebrauch des egyptischen Papiers zu seiner Zeit aufgehöret habe. Das Cottonpapier (charta cuttunea, bombycina, damascena) ist eine Erfindung des neunten Jahrhunderts, wie solches
Montfaucon (in
Palaeographia graeca p. 19.und in IX. p. 323. 326. edit. Paris.) dargethan hat. Vermuhtlich mag das Cottonpapier das Meiste dazu beygetragen haben, daß man das ohnehin kostbare egyptische Papier hat abkommen lassen. Uibrigens ist von diesem Cottonpapiere zu merken , daß solches besonders im Orient unter den Griechen gebräuchlich gewesen, da man hingegen im Occident sich dessen nur sehr wenig, dafür aber des Pergamentes desto häufiger bedienet hat, und daß man griechische Bücher auf Cottonpapier vom 13ten und 14ten Jahrhunderte in Menge antrift. Was endlich das aus abgenutzter Leinwand zubereitete Papier anbelangt, so sind die Gelehrten zwar darinnen ziemlich einig, daß solches erst in den neuern Zeiten aufgekommen sey; nur sind ihre Meynungen wegen des eigentlichen Alters dieser Erfindung verschieden. Herr
Georg Christoph Hamberger, ehemaliger Professor auf der
Göttingischen Universität, ein
(P131)
Mann von ungemein grosser Belesenheit, hat von dem Alter des heut zu Tage gebräuchlichen Papiers, in der zweyten vorläufigen Abhandlung zum ersten Theil seiner
zuverläßigen Nachrichten von den vornehmsten Schriftstellern §.9. S. 82. 83. folgendes Urtheil gefället: Man hat noch keine gewisse Probe aufweisen können, die älter wäre, als das 14te Jahrhundert; hier beruft er sich in der Note auf das vortrefliche Werk:
Noveau Traité de DipIomatique T. 1. p. 523. sqq. Die älteste bekannte Urkunde, fährt er fort, ist vom Jahr 1339; und hier verweiset er uns in der Note auf die Braunschweigischen Anzeigen, J. 1745. p. 843. Diese letztere Aussage mag aber wohl nur auf Teutschland sich einschränken, obschon Herr
Paul Daniel Longolius ein auf Haderlumpenpapier zwischen den Jahren 1315 und 1330. gefertigtes Instrument mitten in Teutschland will gefunden haben. Man lese seinen kurzen Aufsatz , der den Titel führt:
Chartam indubitare linteam hactenus notis antiquiorem in medium ponit PAVLVS DANIEL LONGOLIVS, in des Herrn.
Joh. Christoph Martini Thesauro Dissertationum T. I. P. l. (
Norimb. 1763. 8. mai.) p. 161. sqq. Was nun Frankreich anbelangt, so wird es ebenfalls dergleichen Papier vor dem 14ten Jahrhunderte wohl schwerlich aufweisen können. Denn weil die gelehrten Verfasser des Noveau Traité de Diplomatique, ohnerachtet ihres unsäglichen in Aufsuchung der Urkunden angewendeten Fleißes, kein einziges Instrument auf Haderlumpenpapier gefunden haben, welches älter wäre, als das 14te Jahrhundert, so glaube ich nicht zu irren, wenn ich daraus folgere, daß wirklich kein älteres in Frankreich möge vorhanden seyn. Daß aber auch in England kein älteres anzutreffen sey, erhellet aus des
Humphrey Prideaux Werke, in der teutschen Uibersetzung betitelt:
Altes und neues Testament in einem Zusammenhang mit der Juden und benachbarten Völker Historie gebracht rc. verbesser-
(P132)
te Auflage, Dresden 1771. 1. Theil, VII. Buch, S. 462. 463. Am angeführten Orte widerlegt Prideaux einen gewissen
Ray, der in seinem
Herbario (L. XXIl. c. 3.) fälschlich vorgiebt, daß das Papier, so aus Lumpen leinener Tücher gemacht wird, in Teutschland erst ums Jahr Christi 1470. bekannt geworden. Prideaux schließt seine Widerlegung mit folgenden Worten: In des Bischofs zu
Norwich Canzeley ist ein Register der Vermächtniße ganz von Papier, darinnen Registraturen von dem Jahr Christi 1370. her, gerade 100. Jahr vor der von Ray beniemten Zeit, da es in Teutschland aufgekommen seyn soll, befindlich sind. Ich habe eine Registratur einiger Akten von
Johann Cranden, Priorn in
Ely, ganz auf Papier geschrieben gesehen, die im 14ten Jahr Königs
Eduardi des II, das ist, im Jahr Christi 1320. datirt ist. Diese Registratur ist folglich um 19. Jahre älter, als das vom Herrn Hamberger angegebene Datum der auf itzo gebräuchlichem Papier ausgefertigten ältesten bekannten Urkunden. In verschiedenen andern Ländern weiset das Datum der ältesten papiernen Instrumente eine noch weit neuere Jahrzahl aus. So meldet
Bohuslaus Balbinus (in
miscellaneis regni Bohemiae Lib.1. c. 22.) von dem
Prager Archiv als etwas Besonderes, daß darinnen papierne Urkunden vom Jahr 1340. zu finden sind. Und im
Magdeburgischen Landarchiv hat Herr Kanzler
von Ludewig keine ältere papierne Urkunde ausfindig machen können, als vom Jahr 1350, wie er dieses selbsten von sich in seinen
gelehrten Anzeigen Tom. II. p. 271. bezeuget.
Was soll ich nun von Ungern sagen? Wird es hierinnen dem Beyspiele anderer Länder nicht später erst nachgefolget seyn? Keineswegs. Vielmehr getraue ich es mir gründlich beweisen zu können, daß das leinene Papier in Ungern weit früher als in Frankreich, England, Teutschland und Böhmen, im Schwange gewesen. Ich besitze nämlich in
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meiner geringen diplomatischen Sammlung ein ächtes auf ungezweifelten Haderlumpenpapier gefertigtes Original-Schreiben, welches ich dem berühmten
P. Pray, und verschiedenen andern gelehrten Männern gewiesen, und aus dessen Inhalt ich auf eine unumstößliche Art itzt gleich erhärten werde, daß es im Jahre Christi 1309. abgefaßt und niedergeschrieben worden. Es lautet von Wort zu Wort also.
„Frater Gentilis, miseratione diuina tit. Sancti Martini in Montibus Presbyter Cardinalis, Apostolice Sedis Legatus, Venerabili er Religioso Viro, Fratri Benedicto, Electo Transsiluanensi Salutem in Domino. Continebat inter alia littera uestra proxime nobis milla, quam benigne recepimus, quod nec Religiosi nec Clerici Seculares seruant in Transsiluanensibus partibus interdictum, quodque in audiendis uel celebrandis diuinis nusquam uos ingerere uoluistis nisi in Capella priuatim. Et quia nichil Vobis commiseramus uerbo uel litteris, de predicto Vos intromittere negotio distulistis. Super quibus Vestre discretionis studium commendantes, sic breuiter respondemus, quod nostre incentionis pro certo existit, ut interdictum seruetur ab omnibus regulariter, prout tenor nostrorum processuum continet et declarat. Vobis uero sicut nec commismus, nec committimus inde quicquam. Sed Capitulo Transiluanensi damus aliqua per alias nostras litteras in mandatis, quesi uidere uolueritis, poteritis per easdem. ut scilicet tam diu teneant interdictum donec Ladislaus ad nostra et ecclesie mandata humiliter rediens opere compleat quod pro Domino. Rege se facturum promisit. Desideraremus admodum quod idem Ladislaus per Vos mitteret nobis coronam, prout promisisse ipsum, nobis per alias litteras rescripsistis, qm erga Regem et nos haberet locum citius id negotium gratiose. De procurationibus autem
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nostris primi et secundi annorum, quicquid exegistis iam, uel potestis exigere, portari factatis ad Cameram nostram, cum ad nos duce Domino redietis. Scituri quod nos scribimus inter alia dicto Capitulo, quod nisi nunc soluant integre procurationes easdem, preter summas nostras spirituales, in quibus noscuntur in ipsorum animarum periculum inuoluti, uel per Ladislaum eundem, cui exactionem committemus ipsarum, uel alias de speciali mandato Domini nostri Summi Pontificis, ab eis triplum auctore Domino exigi faciemus. Consulimus ergo eis, quod satisfaciant nobis statim, et se dampnificari perinde non expectent. Datum Posonii VI. Non. May.“ Die Aufschrift von aussen enthält folgende Addresse: „Venerabili et Religioso Viro Fratri Benedicto Electo Transsiluanensi.“
Es ist diesem Instrumente zwar keine Jahrzahl, sondern nur der Monatstag beygeschrieben, allein aus den Worten: nec Religiosi, nec Clerici Seculares seruant in Transsiluanensibus partibus interdictum; und wiederum:respondemus, quod nostrae intentionis pro certo existit, ut interdictum seruetur ab omnibus regulariter; und wiederum: tam diu teneant interdictum, donec Ladislaus ad nostra, et Ecclesiae mandata humiliter rediens, opere compleat, quod pro Domino Rege se facturum promisit. Desideraremus admodum, quod idem Ladislaus per Vos mitteret nobis Coronam, prout promisisse ipsum per alias Litteras rescripsistis; aus diesen Worten, sage ich, läßt sich das Jahr 1309. mit Gewißheit bestimmen. Um dieses deutlicher einzusehen, wird es nöhtig seyn, eines und das andere aus der ungrischen Geschichte hier nachzuholen. Es ist nämlich bekannt, daß
Ladislaus, siebenbürgischer Waywode, den König von Ungern,
Otto von Bayern nebst der ungrischen Reichskrone in seine Gewalt bekommen, und daß er diesen König gezwungen ha-
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be, nicht nur die ungrische Krone ihm einzuhändigen, sondern auch auf den ungrischen Trohn Verzicht zu thun, und ungesäumt das Land zu räumen. Nun sollte aber des Otto aus Bayern Kroncompetent,
Karl Robert, welchen der
Pabst eifrigst unterstützte, zum Könige von Ungern feyerlich gekrönt werden; allein der mächtige siebenbürgische Waywode, der nebst vielen andern Grossen des Reichs, vom Karl nichts wissen wollte, weigerte sich die in Händen habende Krone herauszugeben. Der Pabst schickte daher im Jahr 1308. den
Cardinal Gentilis als gevollmächtigten Legaten nach Ungern, um sämmtliche Landesstände dahin zu vermögen, daß sie Karln zu ihrem Könige annehmen, und krönen sollten. Durch das Ansehen und dringende Zureden des päbstlichen Gesandten bewogen, erklärte sich der größte Theil nunmehr für Karln; nur Ladislaus, auf welchen das Meiste ankam, und noch wenige andere, wollten sich durch nichts gewinnen lassen. Hierauf that der päbstliche Legat im Jahr 1309 alle Widersacher des Karls, besonders aber den Ladislaus und seinen Anhang in den öffentlichen Kirchenbann; da aber auch Bannstralen beym Ladislaus nicht viel fruchten wollten, ließ sich endlich der päbstliche Gesandte Gentilis mit dem siebenbürgischen Waywoden, wegen der Herausgebung der Krone, in gütliche Traktaten ein, da denn Ladislaus nach getroffenen Vergleich, und gewissen für sich bedungenen königlichen Schenkungen, die Krone im Jahr 1310. auslieferte, und die Krönung Karls kurz darauf zu
Stuhlweißenburg vor sich gieng, anno Domini MCCCX. feria quinta, in octauis Sancti Regis Stephani, wie es in unserer ungrischen Chronik heißt. Daß es in dieser Erzählung, mit den angegebenen Jahrzahlen, auf welche itzt alles einzig und allein ankömmt, seine vollkommene Richtigkeit habe, erhället nicht nur aus dem klaren Zeugnissen des gleichzeitigen Verfassers der ungrischen Chronik, die der gute
Thuroczi uns aufbehalten, und in seinem Namen bekannt gemacht hat, Part. II. cap. 89; sondern auch aus
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denen hieher gehörigen diplomatischen Akten, die man in des berühmten
P. Pray Annal. Reg.Hung. P. l. p. 382. sqq. nachlesen kann. Die von Sr. Hochwürden, dem so verdienstvollen Herrn Canonicus zu
Zipß,
Johann von Fridwäldßky, in seiner
Mineralogia M. Principatus Transsiluaniae, pag. 107. 108. aus Licht gebrachte Eidesformel , wodurch sich der siebenbürqische Waywode Ladislaus sowohl zur Auslieferung der Krone, als auch zur künftigen unverbrüchlichen Treue für den König Karl verpflichtet, hat folgendes Datum: „Datum in Segnedino, seria quarta proxima post Dominicam Judica, Anno Domini 1310.“ Es ist aber zufolge einer genauen chronologischen Rechnung die feria quarta post Dominicam Judica im Jahr 1310, auf den 8.April gefallen; folglich war die Krone wenigstens bis auf den 8. April des 1310. Jahres noch in den Händen des Way-woden geblieben.
Und nun ist es einmal Zeit auf das oben beygebrachte Schreiben des Cardinals Gentilis wiederum zurückzukehren. Die Worte, die ich darinnen vom Interdicto, oder dem Kirchenbanne, und von der Krone, vorzüglich ausgezeichnet habe, beweisen es unwidersprechlich, daß oft gedachtes Schreiben zu einer Zeit sey abgefasset worden, da über den Ladislaus der Kirchenbann bereits ergangen war, und die ungrische Krone noch in seiner Gewalt sich befand. Wir haben aber allererst gesehen, daß der Kirchenbann im Jahr 1309. verkündiget, und daß die ungrische Krone schon im folgenden Jahre 1310. vom Waywoden sey ausgeliefert worden; woraus das Jahr 1309. für das wahre Datum des oben mitgetheilten Schreiben sich von selbsten ergiebt. Man könnte freylich hiewieder einwenden, daß man den eigentlichen Zeitpunkt, in welchem Ladislaus vom Kirchenbanne loßgesprochen wurde, nirgends aufgezeichnet finde; daß ferner Ladislaus nicht eher, als erst am 8. April des 1310. Jahres die Krone herauszugeben sich erbohten habe; daß folglich das Interdikt oder
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oder der Kirchenbann bis dahin fortgedauert haben müße; und daß also oben eingerückter Brief eben sowohl im Jahre 1310, als im Jahr 1309. könne ausgefertigt seyn worden. Allein dieser scheinbare Einwurf fällt sogleich weg, wenn man bedenket, daß erwähntes Schreiben von VI. Non. May, das ist, vom 2ten May datirt ist. Denn hoffentlich wird es wohl niemand läugnen, daß der Kirchenbann, unter welchen Ladislaus einsweils gestanden, so bald aufgehoben worden seyn müße, als dieser den Eid der Treue dem Könige Karl Robert abgelegt, und eine schriftliche Verpflichtung gestellet hatte, die Krone unverzüglich herauszugeben. Es hatte aber Ladislaus bereits den 8. April 1310. dem Könige Karl Robert die Treue, und die baldige Auslieferung der Krone zugeschworen, auch darüber einen mit allen Formalitäten versehenen Schein gestellt, wie dieses schon oben ist angezeiget worden; es konnte also Ladislaus im Jahre 1310. den 2. May unmöglich mehr unter dem Kirchenbanne gestanden seyn. Da nun aber das an den siebenbürgischen Bischof erlassene Schreiben des Cardinals Gentilis, Vl. Non. May, das ist, den 2. May, gefertiget ist, und dennoch auf die genaue Beobachtung des Interdikts so sehr dringt: so folget daraus ohne alle Widerrede, daß man darunter den 2. May des 1309ten, keinesweges aber des 1310ten Jahres, verstehen müße. Dieser Beweis ist, däucht mir, so einleuchtend und so überzeugend, als irgend ein historischer Beweis es nur immer seyn kann. Und hätten wir gleich keine so überzeugenden Gründe für das Jahr 1309: so würde doch das beygeschriebene Wort Posonii schon allein hinreichend seyn, uns auf diese Vermuthung zu bringen. Denn gerade im Jahre 1309. hatte Gentilis eine National-Kirchenversammlung zu Preßburg gehalten, wovon die kirchlichen Verordnungen beym Péterfy de Conc. Regni Hung. P. I. pag. 142-148. anzutreffen sind: es ist über dieses erweislich, daß Gentilis, während seines zweyjährigen Aufenthalts in Ungern, we-
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der vor dieser Kirchenversammlung, noch nach derselben, in Preßburg mehr gewesen sey.— Und also hätten wir die wahre Jahrzahl des ofterwähnten Instrumentes, und auch zugleich das hohe Alter des in Ungern eingeführten leinenen Papiers außer allen Zweifel gesetzet. Es ist wahrscheinlich, daß noch ältere papierne Urkunden in verschiedenen privat- und öffentlichen Archiven Ungerlandes mögen befindlich seyn. Denn, ist es wohl glaublich, daß unter so vielen tausenden papiernen Instrumenten, die im Lande vorhanden sind, gerade das Meinige das allerälteste seyn sollte? Dieses zu behaupten wäre eine Ungereimtheit.
Allein welcher günstige Zufall, wird man fragen, hat das Papier unserm Ungerlande früher bekannt gemacht, als den meisten übrigen europäischen Ländern? Ich gestehe, daß ich diese Frage zu beantworten nicht im Stande bin. Eine Muhtmassung will ich wagen, die vielleicht nicht ganz und gar ungegründet seyn dürfte. Meines geringen Erachtens mögen wohl die Ungern ihr allererstes Papier aus Italien, zugleich mit ihrem allerersten aus Italien herstammenden Könige, bekommen haben. Es waren nämlich inItalien schon häufige Papiermühlen, als man anderwärtig noch wenig oder nichts vom Papier wußte. Ohnfehlbar werden diese Papiermühlen von den
Saracenern, als sie noch einen grossen Theil Italiens inne hatten, seyn angeleget worden: denn überhaupt scheint das leinene Papier eine Erfindung der Saracenen zu seyn. Ich beruffe mich, was letzteres betrift, auf den grossen
Hermann Conring, der
Operum Tomo VI. p. 612. sagt: "Chartae lineae nostrae usus serius in Europa caepit, et nisi fallor, demum cum litteratura Arabica, cuius populi videtur charta illa inuentum esse."
Humphrey Prideaux ist gleichfalls dieser Meynung. Denn, nachdem er in den obenangeführten Worten eine Registratur ganz auf leinenen Papier geschrieben, und im Jahre Christi 1320. datirt, gesehen zu haben
(P139)
uns versichert, so setzt er folgendes unmittelbar hinzu: Diese Erfindung scheinet aus Orient gekommen zu seyn. Denn die meisten Schriften in Arabischen und anderen Orientalischen Sprachen, welche wir daher haben, sind auf solch (leinenes) Papier geschrieben, und manche noch älter, als die ich oben über diese Materie angeführet habe. Dem sey nun, wie ihm wolle: so ist doch wenigstens so viel gewiß, daß Italien bereits in der ersten Hälfte des 14ten Jahrhunderts vortrefflich eingerichtete Papiermühlen hatte.
Bartolus der größte Jurist seiner Zeiten, zu
Sassoferrato in der
ankonitanischen Mark im Jahr 1313. gebohren, schreibt in seinem
Traktate de insigniis et armis, welchen der gelehrte Engländer
Heinr. Spelmann seiner
Aspilogiae einverleibet hat, unter andern folgendes: „Si alius alterius signum acciperet, posset prohiberi. Idem de signis, quibus vtuntur Fabricatores chartarum de papyro.“ Und eben daselbst nach einem kurzen Zwischenraume: „In Marchia Anconitana est quoddam nobile castrum, cuius nomen Fabrianum. Ubi artificium faciendi chartas de papyro principaliter viget. Ibique sunt aedificia multa ad hoc, et ex quibusdam aedificiis meliores chartae veniunt. Licet etiam ibi faciat multum bonitas Operantis. Et ut videamus; hic quodlibet folium chartae habet suum signum. Per quoud significatur cuius aedificii aut molendini est charta. Dic ergo, quod apud illum remaneat signum, apud quem remanebit aedificium.“ Bartolus entlehnt die Beyspiele seines auszuführenden Satzes freylich nur von einheimischen Papiermühlen, weil ihm, wie leicht zu erachten, die Beyspiele, die ihm sein Vaterland, die Mark
Ankona, darboht, die bekanntesten und liebsten seyn mußten: doch spricht er andern Gegenden Italiens den Besitz von Papiermühlen deswegen nicht ab. Vielmehr giebt der Ausdruck, dessen er sich bedienet, wenn er von
Fabriano spricht: vbi artifi-
(P140)
cium faciendi chartas de papyro PRINCIPALITER viget, deutlich genug zu verstehen, daß man zu seiner Zeit auch anderwärtig Papier verfertiget habe, nur nicht so gutes, und in so grosser Menge, als zu Fabriano. In der That hat Fabriano noch itzt den Preis in Italier, daß dort das beste Papier gemacht wird, und daß daselbst die meisten Papiermacher sich aufhalten, wie dieses aus
Leandri Italia, p. 435. zu ersehen ist. Um also auf meine Hypothese wiederum zurück zu kehren, so halte ich dafür, daß das leinene Papier im Jahre 1300. zugleich mit dem Könige Karl Robert aus Italien nach Ungern zuerst gekommen sey. Es ist beynahe nicht möglich, daß ein italiänischer Prinz, der unsere Nation, was die Einrichtung der Polizey, und die Verbesserung des Justitz- und Münzwesens betrift, mit so vielen ausländischen Bequemlichkeiten bekannt gemacht hat, nicht auch dafür werde landesväterlich gesorgt haben, den in Italien im Schwange gewesenen Gebrauch des leinenen Papiers, in Ungern ebenfalls, zu nicht geringem Vortheile der Nation, einzuführen. Wenigstens ist, meines Wissens, kein einziges papiernes ächtes Instrument in Ungern und Siebenbürgen noch bis itzt aufgewiesen worden, welches älter wäre, als Karl Roberts Ankunft in Ungern. Zu dem kömmt noch der Umstand, daß selbst die leichte Gelegenheit das Papier von
Ankona über
Dalmatien kommen zu lassen, die frühere Aufnahme des Papiers in Ungern veranlassen, und befördern konnte. Ankona hatte beständig einen starken Verkehr mit denen an der dalmatischen Seeküste gelegenen Städten, und stund seit dem Jahre 1236. mit der Stadt Traw (Tragurium) sogar in einen besondern Kommerzien-Verbindnisse, wovon die Urkunde Joh. Lucius in seinen Memorie istoriche di Tragurio ora detto Trau, Lib. II. cap. 9. pag. 37. bekannt gemacht hat. Wird folglich Ankona mit Papier nicht eben sowohl, als mit andern Waaren ihr Gewerbe nach Dalmatien getrieben haben, zumal da Ankona vielleicht das beßte in
(P141)
seiner Art liefern konnte? und wird sich alsdann das Papier von Dalmatien nicht auch nach Ungern gar bald verbreitet haben? Mir wenigstens kömmt dieses höchst wahrscheinlich vor; doch will ich meine Meynung niemanden aufdringen. — Zum Beschlusse will ich nur noch dieses anmerken, daß Ungern bis in das 17te Jahrhundert sich leständig ausländischen Papiers bedienet habe. Erst im Jahr 1613. hat man eine Papiermühle zu
Teplitschka in
Zipsen angeleget, welches also die allererste Papiermühle in Ungern ist. Es bezeugen dieses ausdrücklich die
Zipser Chroniken, aus welchen der um die Aufklärung der Vaterlandsgeschichte so unermüdete P.
Karl Wagner in seinen
Analectis Scepusii, Parte II. sehr schätzbare Auszüge gemacht hat. In diesen Excerptis ex Chronicis Scepusiensibus seu Leutschoviensibus findet man pag. 27. folgende Nachricht aufgezeichnet: „Anno eodem (1613.) primus in Scepusio, imo in hoc Hungariae Regno, officinam chartaceam, siue Papyrisicinam extruxit Dominus Samuel Spillenberg Medicinae Doctor Leutschoviensis, in Pago Leutschoviensi Teplitska.“ Ist es nicht zu verwundern, daß die Siebenbürger hierinnen denen Ungerländern zuvorgekommen sind? Jene hatten bereits im Jahr 1546. zu Kronstadt Papier gemacht, wie solches aus des
Mathias Miles siebenbürgischen Würgengel, S. 40. zu ersehen ist. Hier sind seine eigenen Worte: In diesem Jahr (1546.) ist zum ersten mahl in
Chron-Stadt Papier gemacht worden, durch Verlegung H.
Hans Fuchsens Richters, und H.
Hans Benckners: Auch wurd das Wollen-Tuch zum ersten mahl zu Chron-Stadt gemacht, durch Verlegung eines Bürgers
Hans Teyß genannt. — So viel für diesesmal von dieser Materie!
M.
Daniel Cornides.