s. Werk Szegedi
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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin,
Band 1, Heft 2, Text 22, (S. 221-232)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1781
Autor:
Daniel Cornides
Zuordnung: Kulturgeschichte
(p221)
22. Von dem Ursprunge der ungrischen Wörter Labantz und Kurutz
Es ist bekannt, daß zu den Zeiten der
tökölischen und
rákoczyschen Unruhen die Kaiserlichen Soldaten von den Ungern Lanbantzen, die Ungrischen
Malcontenten hingegen Kurutzen sind genennet worden. Man findet von beyden diesen Benennungen in der ältern ungrischen Geschichte, vor den Königen aus dem Erzhause Oesterreich nicht die geringste Spur. Allein so neu auch diese Wörter sind, so wenig ist dennoch ihre Ableitung den Ungern selbsten bekannt. Denn, um von den Beynamen Labantz zuerst zu reden, was soll Labantz eigentlich andeuten? Ist es ein ursprünglich ungrisches, oder ein fremdes Wort? Woher ist es entstanden? Es haben diese Frage verschiedene Gelehrte zu beantworten gesucht: ich zweifle aber sehr, daß sie der Sache ein Genügen geleistet haben.
Otrokotsi, dem seine etymologischen Versuche meistens mißlungen sind, leitet den Namen Labantz von dem ungrischen Zeitworte in der gebietenden Art: lobbants, her, welches so viel heißet, als: mache, daß es auflodere. Wie weit ist dieses nicht hergeholet! Wie gezwungen! Keine einzige Anspielung irgend eines Geschichtschreibers, keine einzige besondere Gegebenheit, die sich auf das Auflodern bezöge, und welche diesen Beynamen könnte veranlasset haben, begünstiget die otrokotsische Muhtmassung. Die blosse Aehnlichkeit des Klanges, welche einige Wörter verschiedener Bedeutung von ohngefähr haben können, giebt noch keinen Grund eines gemeinschaftlichen Ursprungs ab. Und sollten wir die vom Auflodern oder Entflammen hergenommene metaphorische Benennung Labantz
(p222)
gelten lassen, woher ist es gekommen, daß solche nur den deutschen Kaiserlichen Truppen beygeleget wurde, da sie doch auf die feindliche ungrische eben so gut paßte? Weg mit dergleichen Hirngespinsten! – Der Einfall den
Jakob Tollius gehabt, ist meines Erachtens nicht viel gegründeter, aber doch weit witziger, und erträglicher. Er behauptet, der Beyname Labantz käme vom Laban her, der den
Patriarchen Jakob durch unerfüllte Versprechungen so oft getäuschet hatte. Tollius drückt sich hievon in seiner
Epistola Itineraria V. pag. 157. folgendergestalt aus: „Rebelles autem, Curuzzi, imo nec alio per Hungariam nomine, vocantur, indita sibi ipsis a Cruce appellatione, qua, injuste se a Caesarianis omnis cruciatum & persecutionum diritate affici, denotatare voluerunt, indito Caesareanis cognomine Labanicorum, a temeratae multoties datae fidei exemplo, es historia Labanis & Jacobi Patriarchae petito.“ Allein wem fällt die Unwahrscheinlichkeit dieses Vorgebens nicht so gleich in die Augen? Tollius ohne es dem Leser anzuzeigen, aus welcher Qwelle er seine Nachricht geschöpft habe, erzählet als einen sich wirklich zugetragenen Umstand ganz zuversichtlich, was bloß die Erfindung seines spielenden Witzes war. Und gesetzt Tollius hätte seinen Einfall für keine Begebenheit, sondern nur für eine Muhtmassung ausgegeben, würde er wohl auch in diesem Falle Beyfall verdienen? Ich zweifle sehr daran. Ein rohes, unwissendes, und aus dem niedrigsten Pöbel zusammen gerottetes ruchloses Volk, welches den größten Theil der sogenannten Kurutzen ausmachte, wird wohl schwerlich an die Patriarchenhistorie, gedacht haben. Uiber dieses scheint es mir sehr ungereimt, den Beynamen Labantz aus der biblischen Geschichte vom
Laban und
Jacob, die mit dem Betragen des Kaiserlichen Hofes und der ungrischen Malcontenten nicht einmal eine entfernte Aehnlichkeit, herauszwingen, und gleichsam bey den Haaren herbey ziehen zu wollen. Wäre es ja damals
(p223)
den mißvergnügten Ungern um solche Benennungen durchaus zu thun gewesen, die sich auf gewisse biblische Geschichten des alten Testaments beziehen, würde sie nicht vielmehr die Geschichte vom Könige Pharao und den Israeliten hiezu gewählet, und die Kaiserlichen die Pharaoniten, sich selbsten aber die ihrer Meynung nach gedrückten Israeliten zweckmäßiger genennet haben? Da sie aber einmal auf die Geschichte vom
Laban und
Jakob verfallen sind, wie solches Tollius uns bereden will; warum haben sie denn selber, um in der Allegorie zu bleiben, den Beynamen der Jakobiten nicht angenommen, wie dieses der entgegengesetze Name der Labantzen, welchen die den Kaiserlichen Truppen beylegten, nohtwendig erforderte? Mußten nicht diese beyden Benennungen sich wechselweise auf einander beziehen, und einander entsprechen? Doch ich will mit der Widerlegung des Tollius mich nicht länger beschäftigen; zumal da der Ungrund seines Vorgebens von sich selbsten so einleuchtend ist. – noch muß ich einer besondern Meynung, die der seel. Herr
Mathias Bel vom Ursprunge des Worts Labantz hegte, mit Wenigem erwähnen. Dieser grosse Mann, der in der Aufklärung der ungrischen Geschichskunde und Geographie das Eis mit so glücklichem Erfolge zuerst gebrochen hatte, verwirft zwar selber auch die vom Tollius beygebrachte Ableitung des Worts Labantz: allein diejenige, auf die er selber gerahtet, scheinet, die Wahrheit zu gestehen, nicht viel richtiger zu seyn, ob sie gleich ein ausgebreitete Belesenheit in den lateinischen klassischen Schriftstellern, und ungemein vielen Witz verräht. Herr Bel hält nämlich dafür, der Name Labantz rühre vom lateinischen Participio: labans, welches in der ächten Sprache der alten Römer einen Abfallenden oder untreu gewordenen bedeute. Die Stelle beym Herrn Bel ist zu schön, als daß ich solche hier nicht ganz einrücken sollte. Sie stehet in seiner
Notitia Hungariae, Tom.IV.pag.595.not.9. und lautet von Wort zu Wort also:
(p224)
„Neque meliora sunt, quae, de vocabuli Labantz, quo Caesarianos contumeliose adpellabant, origine adtexit (Tollius); quando a temeratae multoties datae fidei, exemplo, ex historia Labanis & Jacobi, petitum esse, adfirmat. Non est ita! Latinum malim credere convitium id, a Participio LABANS, arcesfendum, quo, forte fortuna, Latinus non nemo e Hungaris, ita Curuczonum adversaries, vocitarit: quasi qui Labantes essent, ab amore & fide, patriae debita. Quem animi habitum, vulgi variare labantia corda,
VIRGILUS dixit, Aeneid. XII. 223. &
JUSTINUS Lib. XIV. C. 13. Labantium animos deterruit. Et in auctoribus passim.” Vermuhtlich hat Herr Bel die Kurutzen als eben so zierliche Lateiner, und im
Virgil,
Justin, und andern klassischen Schriftstellern Latiums als eben so sehr bewanderte Männer sich vorgestellt, als er es selbstens war. Das hieße wahrhaftig dem Kurutzenlatein zu viele Ehre anthun! Soll übrigens Labantz so viel als labans, das ist, einen Abgefallenen oder Abtrünnigen bedeuten, so käme ja der Name Labantz auf keine Weise den Kaiserlichen, sondern nur den vom Kaiser abgefallenen Ungern zu. Allein zu allem Unglücke verhält sich die Sache gerade umgekehrt. Denn nicht die Ungern, die vom Kaiser abgefallen waren, sondern im Gegentheile die ihrem Kaiser getreu gebliebenen Deutschen, hieß man Labantzen; ein Umstand, welcher der Belischen so sinnreichen Ethmologie schnurgrade zuwider ist. – Man wird nunmehr mit Recht erwarten, daß ich mein eigenes Lehrgebäude auf den Ruin der übrigen aufführe. Ich will es wagen; vorher aber muß ich einige vorläufige Sätze, die mir zu meiner Wortforschung unentbehrlich sind, festsetzen. Zuförderst also will ich darthun, daß die deutschen Fußvölker, die
Kaiser Ferdinand der Erste in den Feldzügen gegen den
Johann von Zapolya gebraucht, nicht
(p225)
Infanteristen, (welcher Name erst in spätern Zeiten in die deutsche Sprache aufgenommen zu seyn scheinet) sondern Landsknecht sind genennet worden. Es erhellet dieses deutlich aus der
Leibitzerischen Chronik, die der gelehrte
D. Karl Wagner im zweyten Theile seiner
Analectorum Scepusii ans Licht gestellt hat. Daselbst lieset man S. 57 folgendes: „Eodem anno (1556) 16. Februarii ingressi sunt Leutschoviam duo manipuli MILITUM PEDESTRIUM, quos Teutonice vocant LANDSKNECHT.“ Und in den zusammengezogenen
Zipserischen Annalen Conrad Spervogels, beym Herrn Wagner am angeführten Orte, S. 152. heißet es: „Johannes Katzianer Generalis Capitaneus Ferdinandi venit XXX. Martii Anno MDXXVIII Leutschoviam cum 500. Euqitibus Germanis, 500. Hussaronibus, & 3000. LANDSKNECHT seu PEDITIBUS.“ Eben daselbst beym Jahre 1531. S. 162 befinden sich nachstehende Worte: „Stipendiarii, seu LANDSKNECHT in castro Scepusiensi Ferdinando servientes, non obtento stipendio suo, abierunt ex arce.“ Und wiederum im Jahre 1537. S. 186: „in die Crispini venit Ebersdorff supremus Capitaneus, cum bis mille LANDSKNECHT, & centum equitibus Leutschoviam.“ Ferner muß ich anmerken, daß die Ungern das deutsche Wort Landsknecht wegen der gehäuften Mitlauter, und dem darinnen vorkommenden ch, nie anders als nach ihrer angebohrnen Mundart ausgesprochen und geschrieben haben, nämlich: Lantzkenet. Ich beruffe mich deshalb auf
Sebastianen Tinodi, eine Zeitgenossen des
Kaisers Ferdinand des Ersten, und
Johanns von Zapolya, der die merkwürdigen zwischen diesen beyden Kronkompetenten vorgefallenen Schlachten in ungrische Werke gebracht hat, und von dessen historischen Gedichten und Lebensumständen man einige Nachricht beym
(p226)
Joh. Szegedi in
Rubric. Jur. Hung. P. II. p. 115. not. a. und beym Herrn
Peter Bod in seinem
Magyar Athenás p. 293. aufgezeichnet findet. Dieser Tinodi wenn er das im Jahr 1552. bey Pallást unterm
Erasmus Teuffel vorgefallene Treffen beschreibt, drückt sich unter andern so aus: Három ezer LANTZKENET indulla, u.s.w. und kurz darauf: A LANTZKENET Német elöször futni kezde, u.s.w. Daß hier Tinodi durch seine Lantzkenet niemanden anders, als die deutschen Infanteristen verstehe, ist aus dem
Ischtwánfy erweislich, der Lib. XVIII. p. m. 205. 206. die nämliche Bataille mit den nämlichen Umständen erzählet, dabey aber die tinodischen Lantzkenet ausdrücklich Pedites Germanos, oder auch Legionem Germanicum nennet. Denn was Tinodi in den kurz vorher angeführten Worten von seinem Lantzkenet in ungrischer Sprache meldet, gerade das Nämliche hat Ischtwánfy lateinisch in folgende Ausdrücke eingekleidet: Tria quoque millia PEDITUM GERMANORUM mercede conducta, quorum dimidia pars sclopetarii, caeteri hastati erant, & c. und wiederum: primo omnium LEGIO GERMANICA turpi fugae se committit, etc. Noch ist ferner nöhtig zu erinnern, daß die Ungern fremde mehrsylbigeWörter, wegen ihrer beschwerlichen Aussprache sehr gerne abkürzen, indem sie entweder die Anfangs- oder Endsylben eines solchen Worts wegzulassen pflegen. Auf diese Weise ist, zum Beyspiele, aus Catharina im Ungrischen Kata, aus Brandenburgus aber Burgus entstanden. Eine ähnlichen Bewandtniß hatte es auch mit dem Worte Lantzkenet, welches mit Weglassung der zwey letzten Sylben gemeiniglich nur Lantz schlechtweg ausgesprochen wurde. Den Beweis hievon nehme ich wiederum aus oberwähnten Tinodi her, der, wie es ihm einfällt, manchmal Lantzkenet und manchmal Lantz spricht. So ist, zum Beyspiele, die erstangeführte Stelle des Ischtwánfy; tria millia peditum germanorum --- quorum dimidia pars
(p227)
Sclopetarii, caeteri hastati erant, nicht als eine Uibersetzung folgender Tinodischen Werke: három ezer LANTZ, puskás, kopias, iöue. Vermuhtlich hat der damalige dumme Nationalhaß der Ungern gegen die Deutschen, damit ich dieses hier gleichsam im Vorbeygehen berühre, aus dem Wort Lantz, dass, wie gesagt, einen deutsche Infanteristen bezeichnete, die höchst sündliche Formel des ungrischen Fluches: Lántzos &c. welche ganz nieder zu schreiben ich mir ein Gewissen machen würde, hervorgebracht; wenigstens scheint Kaiser Ferdinand der Erste in seinem Dekret vom Jahre 1563. art.42 auf etwas dergleichen anzuspielen, indem er den Ungern gewisse Gotteslästerliche Redensarten, his proximis annis exortas, so nachdrücklich verbeut. Doch dieses lasse ich itzt an seinem Orte gestellt seyn, und merke nur noch dieses an, daß das Wort Lántz in der Bedeutung eines deutschen Soldaten sich bis zu den Zeiten des Botschkaischen Kriegs in der ungrischen Sprache allzeit erhalten habe. Ich besitze eines Brief, welchen
Helena Ormándi, die Wittwe eines vornehmen ungrischen Edelmanns,
Franz Kapy genannt, an ihre beyden Söhne,
Johann und
Siegmund Kapy im Jahr 1604. hat ergehen lassen, und worinnen sie ihren Söhnen unter anderem folgendes berichtet: „Kaszán száz LANTZ hajlott, ´s-Magyarrá lett, mindgyárást kurta Dolmányt tsináltak nékiek: das ist: Zu Kaschau sind 100. deutsche Soldaten zu den Ungern übergegangen, denen man sogleich kurze Röcke hat machen lassen.“ Hieraus erhellet zur Genüge, dass der Ausdruck Lantz noch im Jahr 1604. unter den Ungern üblich und im Schwange gewesen. Allein nach und nach gerieht diese Wort in völlige Verwessenheit, und heut zu Tage wird von tausend gebohrnen Ungern wohl schwerlich ein einziger es wissen, dass Lantz einen deutschen Infanteristen jemals bedeutet habe. Es wurde nämlich das veraltete Wort Lantz unvermerkt in Labantz verwandelt, welches unter seiner etwas
(p228)
veränderten Gestalt, durch den Reiz der Neuheit endlich die Oberhand für jenem behielt, und es in der Folge gänzlich verdrang. Auf was Weise aber Labantz an die Stelle des Worts Lantz gekommen, und was zu dessen Einführung und Aufnahme mag Anlaß gegeben haben, ist für mich ein unauflösliches Problem, und wird es wohl ewig bleiben. Vielleicht klang damals das Wort Labantz in ungrischen Ohren weit schöner, als Lantz; vielleicht gab hiezu eine Kleinigkeit, als etwa ein Scherz, oder eine Anspielung auf einen gewissen Namen, oder auf einen gewissen andern uns zur Zeit noch unbekannten Umstand, Gelegenheit: vielleicht liegt gar der Grund hievon in der Analogie anderer auf eben diese Art formirter ungrischer Wörter, so wie man aus Tár, Tavar; aus Tárnok-Mester das lateinische Tavernicorum Magister, aus zár, in der Molnárischen in ungrische Reime gebrachte Uibersetzung der Psalmen, Psalm 141, v.3. závár; aus ett, evett, u.d.g. gemacht hat. Konnte nicht nach diesen Mustern aus Lantz ebenfalls Lavantz, oder Labantz, auf die nämliche Art entstehen? Ich für meinen Theil sehe hierinnen gar nicht Ungereimtes, oder auch nur Unwahrscheinliches. Freylich sind dieses nur lauter Vielleichte, lauter Muhtmassungen, die nicht entscheiden; allein wer weiß, ob solche einem spähenden Nachforscher in Zukunft nicht auf die rechte Spur verhelfen können? Uibrigens versichere ich, dass ich mein System von der Entstehungsart des Wortes Labantz, welches ich bis itzo noch immer für das richtigste halte, den Augenblick aufgeben will, sobald man mich eines bessern belehren wird.
Beynahe hätte ich vergessen, dass ich auch von dem entgegengesetzten Beynamen Kurutz, und dessen Abstammung noch etwas hinzufügen soll. Lächerlich wäre es, wenn wir mit Herrn
Oerteln in
Harmonia Linguarum Orientis & Occidentis, speciatimque Hungaricae cum Hebrae, p.52. annhemen wollen, Kuruz
(p229)
Wäre nicht anders, als das umgekehrte Wort Zurück, welche rückwärts gelesen, den Namen Kuruz darstellt. Dergleichen Spielwerke überlasse ich einem jeden, der an solchen Tändeleyen einen Geschmack findet; mir wenigstens schiene es ein wahrer Zeitverlust, wenn ich mich dabey nur einen Augenblick länger aufhielte. Diejenigen hingegen verdienen unsere ganze Aufmerksamkeit, die das Wort Kurutz a cruce herleiten; denn diese haben allerdings weit mehr Wahrscheinlichkeit für sich. Tollius, dessen Worte ich bereit oben angeführt habe, bahauptet, die Ungern hätten deswegen den Beynamen Kurutz a cruce angenommen, weil sie ihrer Meynung nach vieles Kreuz und Verfolgung von den Kaiserlichen hätten ausstehen müßen. Diesem widersetzt sich Herr Mathias Bel, der zwar die a cruce hergeholte Ethymologie zugiebt und billiget, aber nur kein Kreuz im tropischen oder verblümten Verstande, wie Tollius, dondern die wirkliche Figur eines Kreuzes mim eigentlichen Wort gebrauche, als die wahre Ursache dieser Benennung ansieht. Herr Bel glaubt nämlich, der Name Kurutz schriebe sich von dem im Jahre 1514. unter dem
Könige Wladislaw den Zweyten ausgebrochenen Bauerkriege her, weil damals die Bauern in Ungern, die man zu einem Kreuzzuge wider die Türken ausgeüstet hatte, und die wegen des Kreuzes, womit ihre Kleider bezeichnet waren, im Lateinischen Cruciati genennet wurden, anstatt wider die Türken loszugehen, die Waffen gegen ihr eigenen Vaterland gekehrt, und solches durch Rauben, Morden, und Brennen erbärmlich zugerichtet hätten; woher es denn gekommen wäre, dass nach diesem der Name Cruciati oder Kurutzen allen ungrischen Rebellen wäre beygelegt worden. Herrn Bels eigene Worte, deren er sich in seiner
Noticia Hungariae, Tom.IV. p.595. not.q. bedienet, lauten also: „Ita est, a cruce, convitiosum vocabulum (Kurutz) traxit originem; sed non ab ea, quam somniat TOLLIUS; verum, qua se
(p230)
Promiscua, & essera plebis multitudo, sub WLADISLAO Polono, anno MDXIV. In Turcas profectura, inaugurato, significaverat.” Ein Gleiches versichert uns
Joh. Szegedi in Rubricis Juris Hung. P.I. p.147. not.a. wo er sagt: “Hos (Cruciatos, Wladislai Decr. 1514. art. 4. commemoratos) quia vulgus a cruce Kurutzios vocitabat; factum est, ut tumultuantes patriae cives semper Kurutzii posthac audirent: vocabulo adsitis quoque Nationibus noto.” Auch Herr
Steph. Kaprinay Hist. Diplom. Temporibus Mathiae de Hunyad P.II. p.297. not.3. ist dieser Meynung zugetan: “Hungari, sagt er, cruce signatos vocavere Curucios (Kuruczok) a cruce: at quia hi anno 1541. temporibus Uladislai II. E rustica potissimum plebe collecti, Ducibus Georgio Dosa, ac Laurentio quodam Prebytero, a fide Regis & Regni, desciscentes ingens nobilitati bellum Curucii nomen in Hungaria adhaesit.” Mehrere anzuführen ist unnöhtig, weil sie uns doch nichts anders sagen würden, als was wir schon vernommen haben. Kurz, diese Ableitung a cruce, weil sie so ungezwungen ist, und sich durch die Wahrscheinlichkeit so sehr empfiehlt, hat durchgängig einen so allgemeinen Beyfall erhalten, dass es noch niemenden eingefallen ist, an deren Richtigkeit nur einmal zu zweifeln. Und eben dieses kanonishe Ansehen einer verjährten Meynung macht mich einigermassen schüchtern, meine Zweifel, die ich darwider habe, vorzutragen. Wird man mich nicht für einen Skeptiker, oder wenigstens für einen Sonderling halten, wenn ich anders denke, als andere Leute? Vorwürfe dieser Art muß ich nun freylich gewärtig seyn; doch gerne werde ich mir alles gefallen lassen, wenn nur die Wahrheit dabey gewinnt. – Dasjenige nun, was ich wider die herrschende Meynung vom Ursprunge des Namens
(p231)
Kurutz einzuwenden habe, bestehet erstens darinnen, daß dieses Wort vor dem Ausgange des vorigen Jahrhunderts nie gehört worden, und bey keinem einzigen Schriftsteller früherer Zeiten vorkömmt. Wäre die im Jahre 1514. mit einem Kreuze bezeichneten rebellirenden Bauern in der ungrischen Sprachen Kurutzen genennet worden, so würden sie gewiß auch bey den ungrischen Schriftstellern des damaligen sechszehnten Jahrhunderts also heißen müßen. Nun aber wissen
Stephan Székely,
Mathias Nagy-Batzai, und
Caspar Heltai, deren jeder im 16ten Jahrhunderte gelebt, und uns Nachrichten von erwähntem Bauernkriege in ungrischer Sprache hinterlassen hat, nicht das Geringste von Kurutzen: denn jene mit einem Kreuze bezeichneten Rebellen werden von ihnen nie anders, als Keresztesek betitelt, welches eine buchstäbliche Uibersetzung des lateinischen Ausdrucks Cruciati ist. Es muß also der Name Kurutz unläugbar erst in neuern Zeiten aufgenommen seyn, und keineswegs a cruce herkommen. Zweytens: wenn jemals die Ungern mit dem Worte Kurutz den Begriff eines Rebellens verknüpft hätten, würden sie sich wohl selber diesen schimpflichen Namen beygelegt haben? Wer kann das glauben? Und dennoch ist es mehr als gewiß, daß dieser Beyname von den Ungern selbsten angenommen, und geführet worden. Folglich muß Kurutz ohnfehlbar ganz was anderes, als einen Rebellen bedeutet haben. Was aber? Das würde schwer zu errahten seyn, weil Kurutz nicht die geringste Verwandtschaft mit irgend einem andern ungrischen Worte hat. Vielleicht ist dieses Wort zugleich mit türkischen Hilfstruppen, die Tökölyi von der ottomanischen Pforte erhielt, aus der Türkey nach Ungern herüber gekommen. Kurudschi bedeutet in der türkischen Sprache so viel: als militem emeritum, einen geprüften alten Soldaten, der seines Dienstes entlassen ist. Diesen Namen mögen die Ungern öfters von den Türken gehört, solchen aufgefangen, und wohl endlich
(p232)
gar, wegen des Ruhms der Verdienste und Tapferkeit, die der Begriff eines Kurudschi voraussetzt, sich selber zugeignet haben. Es wäre ja dieses weder das erste, noch das einzige Beyspiel dieser Art. Denn kommen nicht die Ausdrücke Martalosi, Haramia, Besli, sogar in unserm Gesetzbuche vor, welche doch ebenfalls türkische Benennungen gewissen Gattungen von Soldaten sind, so wie Kurudschi? Und verlangt man mehrere dergleichen zum Kriegswesen gehörige türkische Wörter, die ehedessen das ungrische Bürgerrecht erhalten hatten: so lese man nur das vortreffliche ungrische Heldengedicht des
Grafen Niklas Zrini, welches unter dem Titel:
Adriai Tengernek Sirenája im vorigen Jahrhunderte zu Wien im Druck erschienen ist. Man wird sich nicht genug wundern können über die Menge der darinnen vorkommenden türkischen Kriegswörter, die damals noch unter den Ungern gebräuchlich gewesen sind, und die kein Unger heut zu Tage mehr versteht. Doch genug hievon!
M. Daniel Cornides.