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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin,
Band 1, Heft 2, Text 25. (S. 247-249)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1781
Autor:
Karl Gottlieb Windisch
Zuordnung: Religionsgeschichte
(p247)
Das jüdische Volk ward nicht selten von solchen Betrügern, die sich für den Messias ausgaben, geäffet; wie denn das zwölfte Jahrhundert allein neun falsche Propheten hervorbrachte. Das größte Aufsehen aber machte in dem letzt verflossenen Säkulo der bekannte Betrüger
Sabbathai Sevi, der 1638 in Syrien aufstund, sich in
Smyrna zum Könige in Israel ausruffen ließ, und einen unglaublichen Anhang auch unter den gelehrtesten seines Volkes bekam. In Konstantinopel aber, nahm er aus Furcht gespießt zu werden, den muhammedanischen Glauben an, ward aber dennoch bald hernach auf Befehl des Soltans enthauptet. * Aus dem Beyfalle mit welchem dieses Volk fast einen jeden Betrüger, der sich für den Messias ausgab, aufnahm, erhellet die große Hoffnung sehr deutlich, mit der sich dasselbe wegen einer baldigen Erlösung schmeichelte. Und, ungeachtet sich ein jeder Auftritt, den ein solcher falscher Messias wagte, mit einer Verfolgung endigte : so geriehten sie doch allezeit wieder in Bewegung, so oft sich ein neuer Betrüger auf der Schaubühne sehen ließ.
Da sie nun durch solche ohnmächtige Erlöser so oft hintergangen worden, so erregte dieses unter den Vernünftigsten ihres Volkes Zweifel, und Nachdenken; ja, sie hielten es endlich für höchstnohtwendig, die Weißagungen genauer zu untersuchen, und durch ihre berühmtesten Gelehrten entscheiden zu lassen: Ob der Messias schon
*Paul Ricaut ein Engländer hat seine Geschichte sehr schön und gründlich beschrieben.
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Gekommen sey, oder noch erwartet werden müsste? – Es ward daher unter ihnen beschlossen, ein grosses rabinisches Koncilium anzuordnen, und man besprach sich verschiedene Mal über den Ort, wo solches gehalten werden sollte. Endlich ward Ungern als das beqwemste Land zu dieser ihrer Unternehmung gewählt, weil es dazumal durch die beständigen Türkenkriege größtentheils entvölkert war. Die
Zusammenkunft aber sollte auf dem freyen Felde bey
Nagy-Ida * geschehen, welches denn auch die damals im Kriege verwickelten Türken ganz gern gestatteten.
Ein solches bey den Juden sonst so ungewöhnliche Koncilium ward im Jahr 1650 gehalten. Zur bestimmten Zeit aber kamen dreyhundert Rabinen, und eine Menge anderer Juden aus verschiedenen europäischen und asiatischen Ländern, an bemeldetem Orte zusammen, wo vorher schon die beßten anstalten gemacht worden, eine so beträchtliche Anzahl Menschen mit den nöhtigen Lebensmitteln zu versehen. Alle hielten sich unter freyem Himmel in Gezelten auf, von welchen das größte zu ihrer Unterredung diente. – Es wurden aber zu diesem Koncilium keine andern Juden zugelassen, als welche die hebräische Sprache fertig reden, und ihre Geschlechtsregister aufweisen konnten. Durch das letztere wurden sehr viele ausgeschlossen, die aus Spanien, Italien und Frankreich dahin kamen, und sie erhielten blos die Freyheit, sich in einer gewissen Entfernung von dem Zelte, wo die Rabiner waren, unter den dahin gekommenen neugierigen Ausländern aufzuhalten.
Ein Rabine, aus dem stamme Lewi, Zacharias genannt, ward zum Vorsitzer, und sprecher dieser Versammlung gewählet. – Den ersten Tag brachte man mit der Untersuchung zu, ob auch alle die angekommenen Personen
*Nagy-Ida ist ein Marktflecken, mit einem Schlosse in der Abaujwárer Gespanschaft, der Gräflich Tschäkischen Familie zugehörig.
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die erforderlichen Eigenschaften besitzen ? und es wurden über 600 die ihre Herkunft nicht beweisen konnten, ausgeschlossen. - Am zweyten Tage ward das Koncilium mit einer Anrede eröfnet, und der Vortrag gemacht, daß man vor allem andern untersuchen müßte: ob der Messias bereits gekommen sey, oder ob man auf seine
Zukunft noch warten müße? Nachdem man hierüber sehr lang gestritten hatte, ward man endlich einig, daß der Messias noch nicht gekommen sey, und daß daran allein die Sünden und die Unbußfertigkeit der Nation Schuld sey. — Man untersuchte hierauf die Art, auf welche sich der Messias offenbaren würde, und setzte einige Kennzeichen fest. —
Nachdem nun dieses Koncilium sieben Tage lang gedauert hatte, ward es wegen der Ankunft sechs christlicher Priester, welche von Rom abgeschickt waren, plötzlich aufgehoben; denn der gründliche Beweis derselben, daß Christus der verheißene Meßias sey, machte eine Aufruhr unter der Versammlung; und den folgenden Tag giengen alle Mitglieder derselben auseinander, nachdem sie vorher noch einig wurden, nach drey Jahren ein anders Koncilium in
Smyrna zu halten. *
*Bey dieser Nachricht bin ich hauptsächlich dem Bretts, einem engländischen Schriftsteller gefolget, der in seinem Narrative of the proceding & c. die Geschichte diesesKonciliums sehr umfändlich beschreibet, und um so mehr Glauben verdienet, da er, wie er sagt, selbst ein Augenzeige davon gewesen.