ALERT!


Blättern: < zum Text 38zum Text 40 >

ZUM GESAMTINHALT

Ungrisches Magazin, Band 1, Heft 4, Text 39 (S. 466-474)
Hrsg. von Karl Gottlieb Windisch
Preßburg, Löwe, 1781
Autor: Huszty, Zacharias Gottlieb
Zuordnung: Zoologie, Ornithologie

(p466)

39. Der Ungrische Trappe.

Siehe das Titelkupfer.

Vom Aristoteles, bis auf die gegenwärtige Hauptepoche der Naturgeschichte, hat es immer auch Trappenerrzählungen gegeben, Fabeln wiederholt — und nach

(p467)

gebetet — Verwechslungen des Geschlechtsworts waren es zum Theile; zum Theile aber auch kennerisch fleißige Untersuchungen, die uns manche interessante Entdeckung treu geliefert haben. So sieht man es bey dem Herrn Grafen von Büffon.

Ganz gewiß sind viele Erzählungen von dem Trappen so beschaffen, daß man ihnen das Gewicht der Naturforschersprache mit allem Rechte absprechen kann: viele derselben aber können dem ungeachtet immer richtig bestimmt seyn, obgleich eine auffallende Verschiedenheit uns des Gegentheils zu überzeugen scheinet. Die Abweichungen der Größe, Schwere, Proportion der Theile und der Farbe, gehören hauptsächlich in diese Rechnung. Die Verschiedenheit des Klima und der Nahrung, tragen sehr vieles hiezu bey, und veranlassen Abweichungen, aber nie Unrichtigkeiten.

Die meisten Gegenden in Europa haben ihre Trappen beschrieben; Ungern noch nicht. Auch das ungrische Klima hat seinen besonderen Einfluß— vielleicht auch auf den Trappen.

Der ungrische Trappe wird aber allezeit nur Varietät bleiben, - also keine neue Gattung — immer die erste Gattung des Otis beym Linné. Otis tarda, Class. nat. avium, ord. grallarum. Rostro mandibula superiore sornicata; naribus ovatis, lingua emarginata;* pedibus cursoriis tetradactylis. Maris capite jugoloque utrinque cristato.

Alle lateinischen Benennungen wäre überflüßig zu wiederholen; da wir sie alle ohnehin schon durch den Herrn Grafen v. Büffon, und bey ihm durch Herrn Martini angemerkt haben. Bey unsern Ungern ist Bis Tarda die gewöhnlichste. Nicht Bistarda, wie andere wollen. Man muß dadurch so viel, als zweymal langsam verstehen, und in dieser Bedeutung kann es nie ein Wort seyn. Der Grund davon liegt in der Art, wie sich der Trappe

*Nicht bifida.

(p468)

zum Fluge — wie wohl selten — vorbereitet. Es geschiehet dieß durch ein zweymaliges langsames Rückwärtstreten, ehe er sich von der Erde abschwinget. Ungrisch heißt er Tuzok; Slawisch: Tußz; Pohlnisch: Drop; Illyrisch: Trofa; und Griechisch: Otis und nicht 0tus.

Den Irrthum, welcher durch die Verwechslung dieser, zwey verschiedene Vögel bedeutender Wörter entstanden ist, hat Büffon schon gerüget. Er beschuldiget desselben den Plinius und den Alexander Myndius. Otis bedeutet eigentlich den Trappen und Otus* eine Art von Eulen. Plinius und die es ihm nachgebetet haben, beschrieben den Trappen immer als eine Eule, und Jonston, dessen Büffon gar nicht gedenket, hat sich zu dem nämlichen Fehler verleiten lassen. Hier sind seine Worte: Otis seu asio vocem emittit similem ei, qua homo frigore rigens exclamare solet huhu. — Imitatur res eas, quas ab homine agi videt, etiam ab aucupibus. Stant illi e regione, et viscoso quodam pharmaco oculos inungunt et abeunt. Accedit otis et oculos sibi conglutinat, sicque capitur.** Wem wird es wohl einfallen, dieß von dem Trappen geltend zu machen. Was aber von dieser Eulenfabel zu halten sey, gehöret zur Trappengeschichte nicht.

Den Trappen, welchen das Kupfer vorstellet, habe ich aus der Wieselburger Gespanschaft im Brachmonate bekommen. Es ist ein Männchen, und wog, Eingeweide und Federn mitgerechnet, sechszehn Pfunde.*** Die ganze Länge vom Kopfe bis auf den Schwanz betrug zwey und dreyßig Zolle, deren achte die Hals - achtzehn die Rücken - und sechse die Schwanzlänge ausma-

*Strix otus Lin.: - die kleinere rohtgelbe Ohreule.Hallen.

**Thaumatographia natural. admirand. avium. Cap.IV.

***Man findet aber auch größere, die 20 bis 25 Pfunde wiegen.

(p469)

chen. Die Höhe von den Füßen bis auf den Rücken hat achtzehn Zolle, und die Breite von einer Flügelspitze bis zu der andern sieben Schuhe gemessen. Ich darf doch nicht erinnern, daß die Stellung, wie man sie im Kupferstiche sieht, nicht natürlich sey? Um die ganze Blöße der Hauptfarben zu zeigen, dazu wußte ich keine schicklichere. Seine gewöhnliche Stellung ist aufrechts, so wie man es bey dem Büffon und Hallen sehen kann. Die sechs und zwanzig Schwungfedern, und die zwanzig größern Schwanzfedern sind mit der Zahl, welche die beßten Naturforscher bemerket haben, genau übereinstimmend. Die Farben der Federn überhaupt sind weiß, schwarz, rostfärbig, silberweiß, und rosenfarb. Weiß sind die Federn des Deckflügels, des Bauches, des Schenkels, und die unter dem Schwanze. Die Rostfarbe ist über den ganzen Rücken des Rumpfes, der Flügel und des Schwanzes ausgebreitet, verlieret sich aber allmählig in ein helles Braun, je mehr sie sich dem Schwanze nähert, und ist mit vielen schwarzen Flecken und Streifen durchaus bezeichnet. Die Hauptfarbe der Schwungfedern ist die schwarze, die sich aber allmählig gegen dem Rumpfe zu in das aschfärbige, und endlich in das Weiße verlieret; schon in der dritten und vierten wird die Mitte des Fahns aschfärbig, und das Ende gegen der Spule zu, weiß. Silberweiß ist der Hals von vorne — von hinten mehr aschfärbig — und der Kopf. Die Pflaumen am untern Theile aller Federn, und die Wurzeln der kleinern Spulen sind rosenroht. Die Fahnen der Schwungfedern sind mit der Größe des Vogels verglichen überaus schmal, und werden dieß noch mehr, je näher sie dem Rumpfe zu stehen. Der Schnabel ist ganz Hünerschnabel, mit dem oberen Theile desselben etwas verlangt, über den untern gekrümmt. Die Nase ist oval; die Augen schön chamoisfärbig; die Ohren so weit, daß ihre Oefnung die Dicke meines kleinen Fingers ertrug. Die Zunge ist spitzig, — nicht gespal-

(p470)

ten, wie Linné und Beckman mit ihm behaupten will — an den Rändern ausgezackt, und knorplicht. Dicht an der Wurzel des untern Schnabels befindet sich ein fast fingerlanger silberweißer Bart, welcher aus so schmalen Federn bestehet, daß man sie dem ersten Anscheine nach für dicke Hahre ansehen könnte. Die Füße sind bis über die Hälfte der Schenkel nackend, und durchaus mit grauen Schuppen besetzt; statt der Hinterzäen ist nur an jedem Fuße eine stumpfe knorplichte Hervorragung merklich. Daher läßt sichs nicht möglich denken, daß ein Trapp auf Bäumen sich erhalten könne. Ich habe in der Kupfertafel geflissentlich die umgekehrten Klauen besonders zeigen wollen, um die Wahrheit zu bestätigen, daß sie unten so, wie oben abgerundet, folglich zur Verteidigung fast unbrauchbar sind.

Ungern muß der Natur des Trappen fast ganz angemessen seyn. Man trift ihn auf allen Ebenen bald mehr, bald weniger von Sümpfen entfernet an; nur hält er sich nicht gern an sandigen Gegenden auf. Heerdenweise zu 20 — 30— 50, gleich oder ungleich an der Zahl; auch einzeln sieht man ihn in folgenden Gespanschaften: in der Wieselburger, Bátscher, Bodroger, Stuhlweißenburger, Schümeger, Tschongráder, Arader, Torontaler, Temescher, Békescher, Bihárer, Saboltscher, Tschanader, Ugotscher und Sahtmárer. In diesen vorzüglich; aber auch in vielen andern, die nicht ganz gebirgicht sind.*

Wenn die Veränderung des Platzes von ungefähr 55-20 Meilen Wanderung heißt, so lasse ichs immer von dem ungrischen Trappen auch gelten: mehr aber nicht. Er wandert nur von einer Ebene in die näheste andere: nie in das Gebirg. So erfährt man es wenigstens in Ungern. Es läßt sich aber auch von der Schwere seines Rumpfs, von den schmalen Schwungfedern, und

*Besonders aber in der Preßburger und Komorner Gespanschaft, auf der so genannten grossen und kleinen Insel Schütt.

(p471)

von den kurzen Ruderfedern nicht vermuhten, daß er durch den Flug eine weite Wanderung, sollte aushalten können: er fliegt auch sobald nicht, ausgenommen, wenn er forcirt wird. Die außerordentliche Wachsamkeit des Trappen, muß schlechterdings den Gebirgaufenthalt aufheben. Denn er will weit aussehen, um der ihm drohenden Gefahr desto früher ausweichen zu können: und dabey hat auch die Natur für seinen Vortheil gesorgt; sie hat ihn zum Ersatze seiner Zaghaftigkeit, seiner Dummheit, und seines Waffenmangels mit außerordentlicher Gesichts- und Gehörschärfe versehen.

Die Nahrungsmittel des Trappen haben verschiedene verschieden gefunden. Getraide, kleine Vögel, Kräuter, Gesäme, Kohlblätter, Löwenzahn, Rüben, Mäuseöhrchen, Wikken, Eppich, Mohrrüben, Heu, Regenwürmer, Schirlingssaamen, im Nohtfalle Schilfrohr, Baumrinden, Steine, Metalle. Alles das hat man in seinem Magen gefunden.* Um mich davon zu überzeugen, ließ ich die Gelegenheit, die ich bey meinem Trappen hatte, nicht vorbeygehen, und untersuchte seinen Magen auf das Genaueste. Den Magen selbst stand ich bis zur Größe eines Gänseeyes ausgedehnt; und nachdem ich solchen eröfnet hatte, fand ich ihn voll mit Graswurzeln, einigen schwarzen Flügeldecken von Käfern, die ich aber nicht erkannte, und mit Gold - und Rosenkäfern** gefüllt; welche letztern mehr als den halben Theil der enthaltenen Sachen ausgemacht haben. Wir wissen, daß der Aufenthalt der Goldkäfer an Sümpfen gar nicht, und in Kornfeldern unveträchtlich sey, und im Brachmonate war es überdieß, da dieser Trappe in Kornfeldern geschossen ward. Er hatte also keinen Mangel an den ihm sonst gewöhnlichen Nahrungsmitteln: mußte er also diese Käfer nicht mühsam aufsuchen, um den Lieblings-

*Edward, Geßner, Brisson; unter den Neuem: Linné, Büffon, Hallen, Blumenbach, und andere.

**Scarabeus auratus Linnei.

(p472)

geschmack — der er allen diesen Umständen gemäß, gewiß ist, — zu stillen.

Die Stimme des Trappen ist monotonisch, wird selten gehört; auch nicht einmal bey der Begattung; nur wenn er verzagt oder erzürnt ist. Zu dieser Zeit stehen die Federn des Barts, welche sonst schlaf hangen, starr und aufrecht. Seine Hauptfeinde sind: Füchse, Wölfe, Hunde, grosse Raubvögel, und Menschen. Daher, wenn eine ganze Heerde beysammen ist, sich immer einer auf eine Anhöhe stellt, um die Gefahren zu beobachten, und die Flucht den übrigen anzukündigen. Am wenigsten aber sind sie vor den Pferden scheu, nähern sich ihnen unerschrocken, und fressen den halbverdauten Haber aus ihrem Kohte weg. Die Pferde sind es aber auch, welche gar keine Ansprüche auf ihren Körper machen: daher so viel Verträglichkeit.

Wie überhaupt die Vögel die verliebtesten unter allen Geschöpfen sind, so gilt dieses auch voll den Trappen. Unter diesen herrscht Polygamie: die Männchen betreten ihre Weibchen hitzig, und sind dabey so eifersüchtig, daß wenn zwey Männchen um ein Weibchen buhlen, gemeiniglich eines davon im Kampfe unterliegen muß. Die Brut geschiehet in Korn- noch lieber aber in Haberfeldern, seltener zwischen dem trockenen Schilfe. Die Brutzeit fällt nach der Art aller übrigen grossen Vögel im April und May ein. Die Henne legt gewöhnlich nur zwey Eyer, manchmal drey, und nach dreyßig Tagen sind die Jungen ausgebrütet. Die Eyer sind in der Größe eines Gänseeyes, gelblicht mit lichtbraunen kleinen Flecken. Das Nest, worinnen gebrütet wird, ist das allereinfachste unter den Nestern; es ist ein blosses Loch in der Erde, welches sich die Henne dazu ausgescharret hat.

Wenn die Trappen noch sehr jung sind, kann man sie leicht mit Hunden fangen; die altern aber nicht. Denn so ungeschickt sie zum Fluge sind, so hat ihnen das die

(p473)

Natur reichlich im Laufen ersetzt. Die beßten Pferde haben zu thun, um sie einzuholen. Zur Winterszeit, wenn es Glatteis giebt, kann man ihnen sehr nahe kommen, einige wollen sie um diese Zeit gar in die Scheunen eingetrieben haben. Das ist aber doch gewiß, daß sie auf dem Eise weder fliegen noch laufen können. Ihre ganz gerundeten Krallen sind um dieß zu erklären allein hinlänglich. Um sie zu schießen, geht es sehr leicht an, wenn man sich in einen Wagen verbirgt, und so getrost auf sie zufährt; denn Pferdescheu sind sie am wenigsten, wie ich es oben schon gesagt habe. Zur Brutzeit kann man ihnen auch näher kommen; da sind Furchtsamkeit und Zaghaftigkeit durch den sorgenden Instinkt für ihre Sprossen erstickt; aber, wäre es nicht Grausamkeit, zu einer solchen Zeit, da die Natur in einer der größten ihrer Herrlichkeiten pranget, Störer und Mörder zu seyn? So schwer man aber die Trappen außer ihrer Brutzeit erhaschen kann, so giebt es doch manchmal — wie unter allen Geschöpfen — auch dumme Teufel, die man ohne viele Mühe zur Beute machen kann.*

Das Resultat aller naturforschenden Bemühungen ist doch immer der Nutzen, oder der Schade, welcher durch die Entdeckungen bekannter wird. Dadurch wird der Mensch in den Stand geseht, aus beyden zu seinem Vortheile vorsichtig zu wählen.

Der Nutzen, welchen man vom Trappen ziehen kann, ist nur ökonomisch. Das Fleisch des Jungen ist der herrlichste Bisse, aber auch nur so lange, bis er nicht über halbjährig wird: ist er aber schon jährig, so wird er fast

*Die sehr jungen werden ganz leicht gefangen, und oft in Höfen aufgezogen, wo sie so zahm wie die Hühner werden, mit denen sie sich ganz gut vertragen, und einerley Futter genießen. — Die rohte Farbe können sie gar nicht leiden, und fliehen sogleich, wenn sie solche erblicken. Sie fressen sehr gierig, und daher kömmt es, daß sie jedes Metall — Geld, Rechenpfennige, Knöpfe, u. d. g. verschlingen. A. d. H.

(p474)

gar nicht mehr geachtet.* Die Brauchbarkeit der Kiele zum Schreiben ist kaum der Bemerkung wehrt, denn Gänsekiele sind doch ungleich brauchbarer. Die Pflaumen sind eben so gut, als anderer Federthiere ihre zu benutzen. Der Hauptvortheil aber, welchen wir durch die Trappen erhalten, ist umstreitig dieser, daß sie vieles zur Ausrottung schädlicher Thiere und Insekte beytragen.

Die Brauchbarkeit des Trappenfettes wider die Schmerzen der Brüste bey den Sechswöchnerinnen ist eitel Chimäre. Plinius war es, welcher es der Nachwelt, sie so oft aufzuwärmen, hinterließ. Vielleicht bin ich der letzte, der dieß thut: wenigstens wünsche ich, daß ich es seyn möchte. Gerne will ich es unter meinen Händen verrauchen lassen, damit für die Zukunft nichts mehr aufzuwärmen übrig bleibe!

Was die Meynung des Hippokrates von der Schädlichkeit des Trappenfleisches in der fallenden Sucht betrift, darüber habe ich mich schon auf der 303ten Seite des ungrischen Magazins erklärt. Ich hoffe, daß jeder, der die Stelle des Hippokrates selbst lesen wird, ihn ohne Bedenken von diesem anerdichteten Irrthume loßsprechen kann.

Z. G. Hußty v. Raßynya. d.A.K.D.

*Versteht sich, wo er häufig angetroffen wird; in andern Gegenden aber, läßt man sich auch jährige Trappen, gebeitzt und gebraten, oder in einer Pastete, recht gut schmecken. A.d.H.
Topic revision: r22 - 29 Nov 2011, KatalinBlasko
This site is powered by FoswikiCopyright © by the contributing authors. All material on this collaboration platform is the property of the contributing authors.
Ideas, requests, problems regarding Foswiki? Send feedback