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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin,
Band 1, Heft 3, Text 28 (S. 283-317)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1781
Autor:
Zacharias Huszty
Zuordnung: Medizin
Versuch über den Menschen in Ungern 1
Versuch über den Menschen in Ungern 2
Versuch über den Menschen in Ungern 3
(p283)
28. Zwote Fortsetzung des Versuches über den Menschen in Ungern, nach seiner physischen Beschaffenheit.
3. Uiber die Gewohnheiten in Ungern.
Leser, die mit meiner Absicht bekannt sind, hoffe ich, werden über keine andern Gewohnheiten in Ungern Reflexionen von mir erwarten, als über solche, die einen phvsischen Einfluß auf den menschlichen Körper haben.
Alle Menschen denken frey. Durch die Freyheit im Denken werden alle Handlungen, sie mögen gute oder böse Folgen nach sich ziehen, bestimmt. Alle Handlungen sind dem allgemeinen Begriffe nach entweder sittliche, oder physische. Größtentheils haben sie den mächtigsten Einfluß auf unser Leben, auf die mehr oder minder gestörte Fortdauer unserer sinnlichen, natürlichen, und zum Leben unentbehrlichen Verrichtungen. Unsere Handlungen sind also theils physisch nohtwendig, deren Nichtseyn unser Daseyn ausschließen würde, die von dem bestimmten Mechanismus des menschlichen Körpers, von der angebohrnen Empfindlichkeit, von der dürftigen Unentbehrlichkeit abhangen: theils sind sie unserm Willen ganz oder mit einer gewissen Einschränkung unterworfen. Diese können seyn, und nicht seyn, ohne daß wir dabey nicht sollten bestehen können. Und dieß ists, welches uns zu den Begriffen von den Gewohnheiten leitet.
Alle Menschen denken frey. Nicht alle Menschen aber denken, ja kein Mensch denkt von allen Seiten, zu seinem wahren Vortheile richtig. Angebohrne oder erworbene Einbildungskraft und Empfindeley, der zufällige oder nach einem Erziehungsplane erhaltene Unterricht läßt uns dabey bald unterliegen, bald zu Größe und Vollkommenheit nach verschiedenen Stuffenrange entwickelt werden. Daher entstehen durch diese oder jene Art von Nervenspannung,
(p284)
der so mannigfaltige Hang zu Begierden; daher entstehen Eigensinn, Leichtsinn, Vorurtheile des Ansehens, Unwissenheit oder Aufklärung über unsere und der natürlichen Gegenstände Bestimmung; vorteilhafte und nachtheilige Gewohnheiten; viele Erwartung physischer Vollkommenheiten, und keine Einholung, aber oft auch viele Einholung mit oder ohne Erwartung. Millionen Gegenstände umgeben uns; jeder Standort, jede besondere Gemühtsverfassung, unser so unendlich getheiltes Interesse, jede nach Verschiedenheit der Individuen individuelle Spannung der Nerven, jeder erste Eindruck, welchen je ein Gegenstand auf das Gefühl gemacht hat; — und welche Nerve gehet nicht gerne wieder in ihre erste Spannung zurück?
naturam expellas furca tamen usque redibit. So kannte
Horaz den Menschen schon! Alles das, nebst noch vielen andern Lagen der Menschheit , von welchen unsern Sinnen auch manche noch Geheimnisse sind, bey deren Betrachtung der Satz des zureichenden Grundes so selten bestehet. Alles stellet uns jeden einzelnen der Gegenstände ganz verschieden vor. So ist unsere Freyheit im Denken, und unser Wille im Wählen beschaffen. Beydes ist gränzenlos. So sieht auch der Unger in seinem Vaterlande aus!
Was man von dem Menschen in Ungern in Absicht auf seine Gewohnheiten weis, lieget noch wie zerstreute Baumaterialien hie und dort, unbearbeitet und roh, verwittert, oder im Schutte versunken. Niemand hat es noch gewaget sie zu bearbeiten. Die Furcht im Schutte zu ersticken, erstickte die Unternehmung; man that also immer nur Hinwürfe, und hier sind sie, die auch ich mache.
Luft.
Viele Gewohnheiten stehen mit der Luft in so genauer Verbindung, und die Wirkungen davon sind so einleuchtend, daß ich sie unmöglich unbemerket lassen kann. Lange
(p285)
können wir eine sanfte Luft von Süden geahtmet haben , und sie ist uns zur Gewohnheit geworden; aber plötzlich wird solche durch die rauhe nordische verdrängt, und wir leiden darunter. Dieß ists, welches den Trieb in uns erregte, durch welchen wir Mittel erdachten, damit wir nicht durch dergleichen Uiberraschungen von nachtheiligen Eindrücken der Luft des schon gewohnten Guten beraubet würden. So entstanden Kleider und Wohnungen. Ihr Daseyn ist dem ersten Menschenalter gleich ursprünglich, und in dieser Absicht machen sie einen Theil unserer Bedürfnisse aus. Dabey aber blieb es nicht. Unsere Einbildungskraft, die Ungleichheit der Begriffe von dem Nutzen und der Schädlichkeit der Luft, gaben zur Entstehung vieler Gewohnheiten Gelegenheit. Viele davon sind zu unserm Vortheile entstanden; viele aber laufen dem Zwecke zu einer erträglichen Gesundheit stracks zuwider. Und wer sollte es wohl glauben, daß das letztere mehr bey dem ausgebildeten als bey dem natürlichen Menschen in Ungern statt finde? Wenn die ungestörte Fortdauer unserer Verrichtungen ein Glück ist — und wo ist der, welchem es keines ist — so ist dieser natürliche Mensch gewiß zu beneiden!
Ich habe mich von den Vorzügen der ungrischen Luft
in dem ersten Stücke dieses Magazins überhaupt schon erkläret, ich habe sie auch gegen manchen ungegründeten Verdacht gerechtfertiget. Meistens klebet dieser Verdacht dem ausgebildetern Theile der Ungern an. Der natürliche steckt hierüber in einer glücklichen Unwissenheit, Bey ihm finden böse Gewohnheiten in Abficht auf die Luft selten statt. Der Mangel des Uiberflusses und der vielseitigen Begriffe härtet ihn gegen alle Einflüße derselben ab, der Mangel an eingebildeter diätetischer Erziehung läßt ihn nie nach falsch angenommenen Begriffen von der Güte und Schädlichkeit der Luft handeln, die ausschweifende Lüsternheit nach Veränderungen ist ihm genz fremd, sein Kleid, seine Wohnung, und deren Gebrauch
(p286)
sind von ungekünstelten großväterlichen Mustern die Kopien.
„Wenn Kinder, sagt
Zückert, welche von starken Eltern gebohren worden, von der Geburt an der freyen Luft ausgesetzt werden; so lehret die Erfahrung, daß ihnen solches nichts schade, wenn nur ihr Körperchen gut eingehüllet, und die Luft nicht gar zu strenge ist. Viele arme Weiber gehen mit ihren neugebohrnen Kindern und Säuglingen in Wind und Wetter, in Kälte, Regen und Schnee; sie thun mit ihnen in rauher Luft weite Reisen, wohnen mit ihnen in elenden Hütten, die vom Winde allenthalben durchwehet werden. Alles dieses schadet ihnen nichts; sie werden zu der Rauhigkeit der Luft gewöhnet, und erlangen eine dauerhafte Natur. „ * So ist sich Armuht und Natur in der ganzen Welt überall gleich. Was Herr
Zückert hier von dem Menschen überhaupt sagt, ist ganz, auch von dem in Ungern wahr. Aber nicht auf die Armuht allein paßt diese Anwendung in Ungern. Der Nationalunger gehöret allerdings noch unter diese Rechnung. Sein Aufenthalt ist meistens auf dem Lande, und nur selten ist er hie und dort in den Städten zerstreuet. Sein natürliches Verhalten gegen die Luft hat sich von vorigen Jahrhunderten, da seine Vorfahren durch wenig unterbrochene Kriege gegen alle Anfälle der Luft abgehärtet werden mußten, bis auf den itzt Lebenden fortgepflanzet. Ob er dabey nach Grundsätzen oder nach patriotischer Empfindung handle, will ich nicht entscheiden. Genug, sein Zustand ist behaglich. Das sollte sich auch von den so genannten ausgebildeten oder exnazionalisirten Ungern sagen lassen! Wie gut oder übel diese daran sind, soll bald deutlicher werden. Der Exnazionalismus nimmt von Jahr zu Jahr in unsern Städten mehr über Hand, und daß dieser oft bis zum Nachtheile ausarte, sind größtentheils übel verstandene
* Von der diätetischen Pflege der Säuglinge, S. 182.
(p287)
fremde Meynungen, oder verkannte schmeichelhafte fremde Gewohnheiten Schuld daran. Ich werde wie es dabey zugehe, aus seiner Art sich zu kleiden, aus seinen Wohnungen, und dann aus den Begriffen, welche er von der Luft überhaupt hat, zu erklären versuchen. Nichts weniger, als daß der sonst gesittete Unger die ursprünglich unqrische Kleidung mehr trage. Ein kleiner Rest von Patriotismus ists, der nur noch einige Merkmaale davon aufbehalten hat. Nach der Kleidung zu urtheilen, sind heut zu Tage manche Söhne nicht mehr die Söhne ihrer Väter, vielweniger manche Enkel die Enkel ihrer Großväter. Daß sie es aber nicht sind, ist doch nicht ganz ohne ihren Vortheil. Wider die warme Luft weis sich der Unger gegenwärtig besser zu schützen, als vormals. Er trägt in heißen Sommertägen leichte und weite Kleider. Es wäre aber zu wünschen, daß man dabey im Frühlinge und Herbste vorsichtiger wäre. In diesen Jahreszeiten ist uns die Sonne oft zu schmeichelnd, sie macht Manchen auf die Veränderung, die darauf erfolgen kann, und auch oft erfolget, vergessen; daß daher ein leichtes Sommerkleid dem
Quodlibet der Morgen - Mittag - und Abendluft widerstehen soll. Am meisten wird dieses bey jungen Leuten bemerket. Es gilt hier das beym
Horaz:
matutina parum cautos nunc frigora mordent. * Die Folgen davon sind betrübt, und aus der Erfahrung, so, wie aus Grundsätzen klar. Es sind Lungen - und andere Entzündungen, hitzige Fieber, Katharrhe, Bräunen, unerträgliche Schnupfen, Kolicken, Durchfälle u. d. m. und
Herr von Moneta hat Recht, wenn er die gewöhnlichste Ursache dieser Krankheiten in der Abwechslung der heftigen Wärme mit der Kälte suchet. Sollte hierinnen nicht Bewegungsgrund
*Daß ähnliche Abwechslungen, worüber man Ungern so oft allein angeklaget, auch unter andern Himmelsstrichen sich ereignen, bestätigen Fritzens medicinische Annalen, l. B. S. 72.
(p288)
genug liegen, den dichterischen Gedanken von den Vorzügen der Frühlingsluft zu ersticken. Ich mache keinem Dichter seine Freyheit streitig, aber eine Freyheit die unserer Gesundheit fesseln angelegt, ist unverzeihlich.
Wie sehr die Luft in Ungern im Frühlinge abwechsle, dazu soll der letztere ein Beyspiel seyn. Gegen das Ende des Monats May fiel in
Preßburg der farenheitische Thermometer in einer Zeit von vier und zwanzig Stunden, vom ein und achtzigsten Grade bis auf den Gefrierpunkt herunter.
Was die oben angemerkten Krankheiten betrifft, so ist ihr Verhältniß mit dem Unger zur Winterszeit nicht geringer. In Ungern ist nichts gewöhnlicher, als die Wohnzimmer über den achtzigsten Grad des farenheitischen Thermometers zu heitzen. Daran ist aber auch nichts anders Schuld, als der Uiberstuß an Brennmaterialien. Aber wer hat und wer benutzet solchen wohl nicht gerne? würden es dürftigere Nationen besser machen, wenn sie aus ihrem Mangel in einen Uiberstuß versetzet würden?
In der Wahl der Winterkleider nach ihrer Wärme übertrifft der heutige Unger seine Vorfahren gewiß. Die
Wildschuren vervielfältigen sich von Winter zu Winter. Ich sehe den Gebrauch derselben in Städten immer schädlich. Eine Wildschur und einen Chapeu pas dazu, welche elende Verträglichkeit mit der Gesundheit! Die zu erwärmende Gewohnheit im Winter erstreckt sich auch auf die Kinder. Man pfleget sie in Pelzwerk und Mützen ganz einzumummen. Man höre aber auch einmal wie
Zückert sich hierüber ausdrückt. „Die dicken Kleider und das Pelzwerk für Kinder tauget nichts. Sie machen den Körper weichlich, ungesund, flüßig. Sie sind dem heilsamen Zwecke der Abhärtung des Körpers entgegen. Ich muß daher die ungrischen und pohlnischen Pelze, worinn man einige Kinder zu kleiden pfleget, gänzlich verwerfen. Sie sind um so viel schädlicher, weil man
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in dieser Kleidung in der warmen Stube bleibet. Der Körper wird darum sehr durchgewärmet, und wenn dann die Kinder in die Luft kommen, können sie sich leicht erkälten, weil sie gegen dieselbe keine andere Bedeckung haben, als die sie auch in der warmen Stube hatten. Sie gewöhnen sich endlich so sehr an die Wärme, daß sie, wenn, sie nicht beständig in Pelzwerk eingewickelt sind, von einer jeden kühlen Luft Beschwerden empfinden.
u. f. f. *
Ganz anders aber sieht der natürliche Unger aus. Er bedecket sich im Winter nicht so sehr mit Pelzwerk, entblößt sein Haupt nicht, träagt grosse weite Schuhe, welche mit Heu oder Stroh ausgefuttert sind. Diese letzte Gewohnheit dienet zum Beweise für die Seltenheit der Frostbeulen bey unserem Landmanne. Im Sommer ist ihm das blosse Hemd nebst der langen weiten Hose von Leinwand * * zur Bedeckung seines Körpers genug. Lebt er im Herbste oder Frühlinge, so sieht er sich vor, daß ihn die Abwechslungen der Luft, welche sich da am gewöhnlichsten zu ereignen pflegen, so leicht keinen Nachtheil zufügen können. Die Maaßregeln dazu, holet er nicht aus eingebildeten Hypothesen her, er misset sie bloß nach der Empfindung, die der allererste Eindruck auf ihn machte, ab. Früh, wenn er ausgehet, nimmt er seinen Rock von dickem Tuche, welchen er nach Beschaffenheit der Witterung anleget, oder umhänget. Fängt er seine A rbeit an, so leget er solchen, wenn es das Wetter zuläßt, wohl gar weg, und ist diese vollendet, so bedecket er sich wieder, wie vorher.
Es giebt in Ungern verschiedene Völker: Ungern, Slawen, Deutsche, Griechen, Juden, Zigeuner. Bey der Verschiedenheit ihrer Kleidung fällt dem Physiker gewiß nichts mehr auf, als daß der ungrische Bauer zur Sommerszeit einen Pelz von Lammfellen trägt. Nie macht
* Von der diätetischen Erziehung der entwöhnten Kinder. §.63.
(p290)
er aber während der grossen Hitze Gebrauch davon, das Rauche hat er immer auswärts gekehret, und dieser Pelz hängt ihm so locker am Leibe, daß ihn die Luft beständig durchstreichen kann. Diejenigen Ungern, die diese Gewohnheit haben, sind meistens solche Menschen, die ganze Monate auf dem Felde zubringen, und die fast beständig reisen, deßwegen verlassen sie nie ihre Pelze, sind gesund, und kennen keine Schädlichkeit der Nachtluft.
Man hat in Ungern wenig Beyspiele von erheblichen Epidemien, deren Ursache man von der Hitze oder Kälte , oder ihren Abwechslungen allein herleiten könnte. * Entstehen solche ja, so geschieht es nicht ohne den Einfluß hundert anderer mächtigen Mitursachen. Unter diesen zeichnet sich am meisten die durch viele und schädliche Ausdünstungen verdorbene Luft aus.
Der Begriff von der feuchten und trocknen, von der leichten und schweren Luft, hat in Ungern fast unüberwindliche Schwierigkeiten. Man nennet die leichte Luft schwer, und die schwere leicht. Der Betrug kömmt von der Empfindung her. Denn je mehr die Luft mit Dünsten erfüllet ist, desto schwächer ist ihre Schnellkraft, und folglich auch ihr Druck auf unsere festen Theile. Wir empfinden nun eine Schwere in uns, — die vermeynte Schwere der Luft — und wissen nicht, daß unsere Säfte, deren ganze Schwere auf den erschlappten Blutgefäßen lieget, dieses verursache. Der augenscheinlichste Beweis davon
*Wie wenig Einfluß die Hitze auf den Menschen in Ungern habe, dafür spricht die Seltenheit des Sonnenstiches bey ihm. Auch die Tobsucht ist unter dem Landvolke seltener, als in den Städten; ein Beweis, daß die grosse Hitze gewiß nicht allein Schuld daran sey. Der Verdacht auf die Luft in Ansehung des ungrischen Fiebers, vieler mit ihr verwandten faulen Fieber, der Ruhren, der hartnäckigen Quartanfieber, der bösartigen Pocken, und anderer Ausschläge/fällt auch sogleich weg, so bald man die im ersten und zweyten Stücke erwähnten Vorurteile über die Enthaltsamkeit des Obstes, und die geflissentlich unternommene Erpressung der Kranken in eine nähere Erwägung ziehet.
(p291)
ist das Fallen des Qwecksilbers im Barometer, zu der Zeit, wenn wir eine schwere Luft zu empfinden uns einbilden wollen.
Einem Theile des Nazionalungers ist die besondere Gewohnheit eigen, daß er sein Hemd, welches er bis es zerrissen ist nicht vom Leibe läßt, durchaus mit Speck schmieret. Seine Absicht dabey ist, daß er sich für dem Ungeziefer bewahre. Aber wer sollte glauben, daß mit dieser Gewohnheit auch sonst noch ein Vortheil verknüpfet sey, ein Vortheil, welchen der selbst, welcher ihn davon trägt, nicht weis. Daß die Wirkung der feuchten Luft ans die Oberfläche unsers Körpers stark sey, ist bekannt: aber wunderbar ists, daß der Unger, welcher sein Speckhemd nie vom Leibe legt, so wenig Blöße für den Einfluß der Feuchtigkeit aus der Luft habe. Von der ersten Kindheit an werden seine Schweißlöcher durch das Speckhemd verschlossen. Die Natur gehet daher nach und nach von dem Mechanismus der Ausdünstung ab, und sucht es allmählig durch andere Ausleerungen zu ersetzen. Jede fette Substanz hindert überdieß allen Zugang von Feuchtigkeiten. So ist dieser Unger gegen die meisten Einflüße der feuchten Luft sicher gestellt; er weis von allen den Krankheiten, die gewöhnlich daher entstehen, wenig.
Die Gewohnheit, die Zimmer feucht auszufegen, ist schon länqst als eine Mitursache zur Entvölkerung bekannt. Diese Gewohnheit ist in Ungern in den Städten allenthalben verbreitet. Uiberhaupt ist das schöne Geschlecht dafür eingenommen. Wie erschrecklich ist es nicht, wenn man diese übertriebene Reinlichkeit zur Winterszeit, ohne Rücksicht auf die Witterung, unter folgenden Erscheinungen ausüben siehet. Es müßen Fenster und Thüren dabey ganz verschlossen bleiben, und in der Absicht, daß es cgeschwinder austrocknen soll, werden die Oefen auf das Stärkste geheitzet. Das betrübteste dabey ist, daß dergleichen Wohnungen nicht selten, ehe sie noch austrocknen
(p292)
bewohnet werden. Mit Recht glaube ich die Gewohnheit Wäsche in den Zimmern zu bügeln, hieher zu rechnen. Eine allgemeine Erschlappung, die gestörte unmerkliche Ausdünstung, Husten, Stecksflüße, Lungenentzündungen, Durchfälle, eine Neigung der Säfte zur Faulniß, das ganze Register von Nervenkrankheiten, u. d. m. lassen sich daraus erklären. Vielleicht würden sich alle diese Krankheiten in ihrer Heftigkeit und in ihrer Anzahl vermindern, wenn man ihre Ursachen in der Luft, die man sich selbst verdirbt, und nicht allezeit in der freyen Atmosphäre suchte. Wenigstens hat diese, auch die unerträglichste, doch das zum Voraus, daß sie keine eingeschlossene Luft ist.
Die Armuht ist auf dem ganzen Erdboden gepreßt, und das ist sie auch in Ungern. Bettler, arme Juden, schmutzige Handwerker, und dergleichen mehr nach Ramazzini's Anleitung von den Krankheiten der Künstler und Handwerker, * werden durch ihre Dürftigkeit den meisten Gattungen der unreinen, und durch ihren falschen Wahn der eingeschlossenen Luft ausgesetzt. So geräumig man übrigens die Wohnungen in Ungern antrifft, so sind es manche doch für diese armseligen Menschen zu wenig. Sie sind in ihren Wohnungen so zusammen gepfropft, daß sie zu Hause selten oder gar keine gesunde Luft schöpfen können. ** Wird einer von ihnen überdieß krank, so werden die andern durch ihn unter sich selbst angesteckt. Greiffen doch Krankheiten, die sonst nicht ansteckend sind, in eingeschlossener Luft um sich; um wie vieles muß sich dieses bey Epidemien nicht noch mehr ereignen. Es fehlet uns an den deutlichsten Beyspielen, wie grausam die Krankheiten unter einem solchen Volke
* Davon haben wir nun eine freye und auf unsere Zeiten eingerichtete Uibersetzung vom Herrn D. Ackermann.
** Auch in Ungern ist unter den Juden die Luft so voll mit blauchduft, daß diese allein hinreichend ist, eins faule Ansteckung zu verursachen.
(p293)
wüten gar nicht. Selten erhalten diese Leute gleich im Anfange durch Aerzte Hilfe, und erhalten sie ja welche, so geschiehet es meistenteils nur dann, wann das Uibel überhand genommen , und auch dann erst durch gerichtliche Verordnungen. Durch Zwang muß man diese Leute zu dem Eröfnen der Thüren und Fenster bringen. Denn das Vorurtheil, daß die freye Luft schädlich sey, klebet diesem elenden Volke so sehr an, daß es nicht geringe Mühe kostet, es davon los zu machen. Das ist vermuhtlich noch ein Uiberbleibsel der alten Aerzte, und ihres Stahlischen Schlendrians; und hätte unser Landmamm vor fünfzig Jahren auch Aerzte gehabt, so würde es ihm itzt um nichts besser gehen. Nie greiffen die epidemischen Krankheiten auf dem Lande so um sich, wie in den Städten. Das Landvolk trägt gar kein Bedenken, die Luft in ihren Stuben zu erneuern; ja man sieht auf dem Lande Kinder mit Pocken bey heiterer und gelinder Witterung nicht ohne ihren Vortheil der freyen Luft ausgesetzt.
Diesem allen ungeachtet aber, ist es doch in Städten schon so weit gekommen, daß wir uns hierüber bald mehr ausgebreitete Aufklärung werden versprechen können. Man wird endlich sowohl durch traurige Beyspiele, als auch durch die guten Folgen der Hospitaleinrichtungen, welche gegenwärtig in Ungern dem unverbesserlichen Zustande in Absicht auf die Erneuerung der Luft, gewiß am nähesten kommen, täglich klüger. Ungern kann wirklich schon Menschen aufzeigen, die sichs zum Gesetze gemacht haben, auch in dem strengsten Winter, die Luft in ihren Zimmern täglich zu erneuern.
Zu wünschen wäre es, daß man in Ansehung der Kerker, besonders bey vielen Gerichten auf dem Lande, für eine reinere Luft besorget wäre! Dann dürfte nicht mancher Verbrecher einen unerwarteten Tod dahin sterben, und weniger würden kachektisch und erdfarbig der Menschheit zum Abscheu, auf den Richtplatz geliefert. Wie diesem
(p294)
abgeholfen werden könne, ist gar keine Frage. Man darf die Arreste nur mit mehr, und gegenseitigen Oefnungen versehen lassen, und die Delinquenten nicht so tief in die Erde versenken, so ist geholfen.
Daß die Luft durch das Austrocknen der Moräste in manchen Gegenden von Ungern schon um Vieles reiner sey, als vor dreyßig und mehr Jahren, habe ich oben schon angemerket. * Würden auch die Schanzgruben in den Städten, welche heut zu Tage keine Festungen mehr sind, ganz getilget, oder wenigstens nur besser gereiniget, so hätten wir zweymal gewonnen.
Wir haben nun auch in Ungern eine Verordnung, welche die Absonderung aller Kirchhöfe von den bewohnten Plätzen betrifft. Diese Verordnung wird gegenwärtig auf das Sorgfältigste befolget. Sie beziehet sich auch auf das sonst gewöhnliche Begraben der Todten in die Kirchen. Anstatt daß man sonst die Leichname frey in den Gruften liegen ließ, hat man den Entschluß gefaßt, diese Art von Begräbnissen abzuschaffen, und dagegen jeden einzelnen Todten in ein eigenes Behältniß zu vermauern gestattet. Man glaubt, daß nach dreyßig Jahren, nach der vollendeten Verwesung wieder neuer Gebrauch davon könne gemachet werden. Dazu hat nichts anders die Veranlassung geben können, als die Meynung, daß die faulen Dünste nicht gähling mit der atmosphärischen Luft sich vereinigen sollen. Aber sollte sich denn in diesem Gemäuer nichts verhalten können, welches durch den versagten Zufluß der freyen Luft wohl gar pestilenzialisch werden könnte? Der Luft wird da dreyßig Jahre lang der freye Zug verweigert; und soll denn eine so lang verschlossene Luft an Schädlichkeit den thierischen faulen Dünsten , welche wohin sie duften sollen, Platz haben, in Absicht der Schädlichkeit nachstehen. Gesetzt man verschlösse dreyßig Jahre eine Luft ohne Hinzuthun einer thierischen Substanz, was kann der wohl erwarten, der es
*M. stehe des ungrischen Magazins 1. St. S. 4.
(p295)
unternehmen wird, das Behältniß aufzubrechen! — Da ich alles dieses sage, bin ich noch nicht überzeugt, woraus sich die faulen Dünste geschwinder und heftiger erheben, aus den Gruften durch ihr Luftloch, oder aus den gemauerten porösen Behältnissen. Denn, um eine faule Luft einzuschließen, dazu gehöret mehr als Kalk und Steine. Das Beßte dazu ist die Erde, in dieser werden alle Dünste gleichsam ersticket , und durch diese Vermischung entstehet wohl gar eine neue weniger schädliche Gährung. *
Noch ein Wunsch für Ungern! In grossen Städten ist für die Gesundheit nichts verderblicher, als die Fleisch-und Schlachtbänke an bewohnten Plätzen. Darauf hat man in Ungern wohl noch nie gedacht; und so lang dem Uibel nicht nachgedacht wird, so lang ist keine Hoffnung zur Abwendung desselben.
Flachs und Hanf pflanzet man schon lang in Ungern; der Reisbau aber hat erst seit einigen Jahren in dem sumpfigen Theile des
Temescher Banats angefangen. „ Italien hat ein Gesetz, daß man die Aussaat des Reises näher als eine halbe Stunde von den Städten nicht mache. In dem
Tortonesischen und
Novarresischen, wo der Reis häusig gepflanzet wird, haben alle Einwohner eine wahre Todtenfarbe. — Pestilenzialisch ist der Dunst, der von dem im Wasser eingeweichten Hanf und Flachs aufsteiget, und er ist so giftig, daß er auch die Fische tödtet. In Deutschland bekümmert man sich um den daherrührenden Schaden nicht, in Italien geschieht die Einweichung in der Entfernung einiger Stunden von den Städten. Man hat Exempel, daß aus diesem Dunste des eingeweichten Flachssaamen eine bößartige Krankheit entstanden ist, die einer Familie das Leben genommen, und eine ganze Gegend
* Wie sehr die Erde der Fäulniß widerstehe, ist durch die Untersuchung der Wampire schon aufgekläret worden. der Wampire schon aufgeklaret worden. Von der Existenz der Wampire in Gruften weis kein Mensch etwas, und in gemauerten Modebehälter wird es ihrer noch weniger geben.
(p296)
angesteckt hat. Lancist sagt, daß zu Konstantinopel sehr oft gefährliche Fieber unter dem Volke herrschen, weil man den ganz naß von
Kairo gebrachten Flachs und Hanf in die öffentlichen Scheuen einführe, wo sie den Sommer hindurch gähren, und nachher zum Verkaufe ausgesetzt, dieses Elend unter das Volk bringen. „ * Was wird also wohl aus den Reispflanzern im
Temescher Banate noch werden? und woher kömmt jene Erdfarbe der Einwohner von vielen ungrischen Dörfern, wo Flachs und Hanf gebauet wird?
Es giebt noch andere Gattungen von Dünsten, welche unsere Gesundheit und unser Leben in Gefahr setzen. Es sind diese die von der Gährung der neuen Weine in den Kellern, es sind auch mineralische, u. d. g. Ihre Wirkung ist so außerordentlich hefftig, und geschwind, daß sie daher unter den Gewohnheiten keinen Platz finden können. Diese Dünste sind in der ganzen Welt durch Unvorsichtigkeit, oder wenn man zufälliger Weise denselben ausgesetzet wird, plötzlich schädlich. Die vielen Weingebirge und Aerzgruben in Ungern machen die Gefahr, welcher ein jeder Bearbeiter ausgesetzt ist nicht selten. Ausführlich davon schrieb
Ramazzini. Und das wäre es von der Luft in Absicht auf die Gewohnheiten.
Speisen
Als Bedürfnisse oder als Gewohnheiten betrachtet? Vielleicht beydes. Denn übel verstandene Hypothesen, überspannte natürliche Neigungen, der allzulange Genuß machen aus Gewohnheiten endlich gar Bedürfnisse. Und darinnen glaube ich liegt der Grund warum die Menschen unserem Beobachtungsgeiste so unendlich mannigfaltige Seiten darbieten. So kann der zu lang anhaltende Mißbrauch es so weit bringen, daß dies, welches uns vor langer Zeit eine Gewohnheit war, gegenwärtig das schädlichste
*J.S.Zimmermann von der Erfahrung in der Arzneykunst II. Theil S. 218.
(p297)
und unzertrennlich qwälende Bedürfniß ist. Der größte Theil der Menschen kennet des Misbrauch der Speisen nicht, und eben daher kann er ihn auch nicht fürchten. Diese traurige Nichtbewußtsein, und ein Uiberfluß, der über eine ganze Nation allenthalben verbreitet ist, können ganze Familien exnaturalisieren. Geschiehet dieser Exnaturalismus überdieß durch einen Sprung, so vervielfältiget sich das Elend. Die Natur läßt sich nie Gewalt anthun. Soll dies denn wirklich auch von den Ungern gelten? Desto mehr, je mehr wir in dem Abschnitte von den Nahrungsmitteln, von ihrem Uiberflusse überzeuget wurden. Gewiß nichts anders als der Uiberfluß, und die verabsäumte Mäßigkeit sind Schuld daran. Wie ist es möglich, daß Fremde, bisher an Armuht und Hunger gewöhnt, wenn sie plötzlich nach Ungern kommen, sich in dieser Wohllust nicht berauschen sollten? Die wahre Pest Ungerns, ist also nicht jene Krankheit, jene aus der Türkey herüberwehende Schwester: sondern der natürliche Uiberfluß und Reichthum des Klima.*
Aber um wie viel glücklicher ist nicht der gemeine Mann in Ungern vor dem, welcher sich besser dünket? Jener leidet nur vom blossen Uiberflusse, er genießt nur das, was ihm die Natur in seinem Vaterlande darbietet, und hält sich gegen einen grossen Theil seines Uiberflusses durch die Arbeit schadlos. Dieser hingegen leidet durch den Uiberfluß sowohl, als durch die fehlerhafte Wahl, und hat dazu noch lange Weile genug, in welcher er immer nach Abwechslung schmachtet.
So viel läßt sich überhaupt hievon sagen; wir wollen aber sehen, was wir noch aus besondern Beobachtungen lernen können.
Nichts ist für den Menschen mehr bemühtigent, als der Brodmangel. Lasset also den Unger auf sein Brod stolz seyn; er hat gewiß das erste Recht dazu. Die Vorsicht hat ihn nicht nur mit Uiberflusse desselben versehen,
*Wekhrlins Chronologen 1. Band S. 115.
(p298)
sie hat ihm auch Verstand genug gegeben, um den gemeinnützigen Gebrauch davon zu machen. Dem Uiberflusse haben wir es zu danken, daß sich die Unternehmung Brod zu verfälschen, in Ungern selten, oder gar nicht äußert. Ich kenne keinen Zeitpunkt in Ungern, welcher sich durch die in Ländern bekannte grausame Kriebelkrankheit ausgezeichnet hätte. Ein Beweis für die Seltenheit der Kornzapfen in unserm Roggen. Uiberhaupt ist der ungrische Boden selten zur Hervorbringung der Kornzapfen, des Kornbrandes, und der Trespe geneigt. Und bringt dieß ja die Mißgunst der Witterung zur Wirklichkeit: so wird keine Mühe und keine Sorge für die Reinigung gespart. Mit einem Worte, das Brod welches man in Ungern bäckt, behauptet vor jedem andern den Vorzug. Haber- und Haidekornbrod wird nur in ermanglung des Waitzens, Roggens und der Gerste, aber doch ohne besondern Nachtheil genossen. Der ungrische Bauer lebt größtentheils vom Brode, er ist daher auch sehr gesund.
Die übrigen Speisen aus dem Pflanzenreiche giebt es in ungern nach der ausgesuchtesten Wahl und im erwünschten Uiberflusse. Das Verzeichniß davon ist
in diesem Magazin S. 204. enthalten. Ich habe dabey noch keinen Mißbreuch entdecken können, welcher auf Ungern einen allgemeinen Einfluß hätte. Vielmehr ist der gemeine Mann so sehr daran gewöhnt, daß wir vielleicht betrübtere Folgen von dem übermäßigen Genusse des Schweinefleisches sehen würden, wenn die Menge des Sauerkrauts und anderer Gartengewächse, nicht Hindernisse setzten. Ohne diesem würde der Skorbut in ungern gewiß mehr aufkeimen. Dann sehe ich die Kunst Gartengewächse zu pflanzen und zu ziehen, in vielen Städten Ungerlands auf derjenigen Stuffe, bey welcher die Lüsterheit in keiner Jahrszeit umsonst nach den leckerhaftesten Gerichten aus dem Pflanzenreiche schmachten darf. Von der Zurichtung sehe man die
199. Seite. Die
(p299)
Verschiedenheit und die Menge des Obstes in ungern erhellet aus
des Magazins 192. Seite. Der Mißbrauch der Enthaltsamkeit davon ist beträchtlicher, als der Mißbrauch der Berauschung. So ei Reichthum am Obste und dies Furcht dazu, daß auch der mäßigste Genuß desselben schade; wer hätte sich wohl diese Ungereimtheit vorgestellet? An kränklcihen oder an solchen Personen die sich krank zu seyn einbilden, haftet diese ungergründete Furcht noch mehr. Ich habe diese Ursache S.190. bey Gelegenheit der Melonen schon angemerket. Auch die gesündesten Leute machen sich das größte Bedenken daraus, Obst vor Mittage zu essen, wofür doch Instinkt und Grundsätze sprechen. Der gemeine Mann, und Kinder, welche da weder nach Grundsätzen, noch nach Hypothesen oder Vorurtheilen handeln, genießen viel unreifes Obst; und diese sinds auch, welche meistens mit Kolicken, Durchfällen, Ruhren, Fiebern u.a. befallen werden. Die Furcht, das Obst möchte gestohlen werden, verleitet viele Leute es unreif abzulesen, und dann so auf den Markt zum Verkaufe zu bringen. Nicht überall wird dieser entvölkernden Gewohnheit gerichtlich sattsam vorgebeugt, und abgeholfen, welches doch billig geschehen sollte. Noch ist die sogenannte Töpferkolick in Ungern selten, indem man den Gebrauch des Obstweins noch nicht angenommen hat. - Bey dieser Gelegenheit fällt mir eine Meynung ein, welche viele Menschen in Ungern von der Wirkung der zusammenziehenden Früchte haben. Von den
Qwitten nämlich, vielen Gattungen der Birnen, von der Speyerlingen, Arlaßbeeren, und Wispeln. Durch das Zutrauen hierauf, habe ich manche Durchfälle in Ruhren sich verwandeln sehen. Viele haben dieses blinde Zutrauen zu diesen Früchten, auch wenn solche schon weich sind, da ihre zusammenziehende Kraft durch die Gährung schon verloren gieng. Den Qwitten traut man diese Wirkung zu, wenn sie in Zucker oder Most schon eingesotten sind. Darüber
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aber wundere ich mich gar nicht; denn diese Leute werden selbst durch aerzte dazu verführt, deren viele den
Qwittensaft für ein heroisches Mitel in der Ruhre halten.
Ohne den Gebrauch der vegetabilischen Oele könnte Ungern sehr wohl bestehen. Freylich ist das Baumöl, welches nicht bey und erzeuget wird, in Betrachtung des Genusses unerheblich. Für den Armen ist es zu theuer, und der bessere Theil von Menschen genießt es im Salate, und das mit Essig vermischt, mäßig. Desto mehr aber spricht ein großer Theil unsers gemeinen Mannes von seinem Leinölkraute mit Entzücken. Das größte Glück dabey ist, daß das Sauerkraut die Wirkung hat, durch welche die öligten Theile ganz aufgelöst werden. Nebst diesen sind die guten Verdauungskräfte, und sie fast unausgesetzte Arbeit, diejenigen Mittel, die weder Ranzidität, noch Erschlappung über Hand nehmen lassen. Aber wenn es den Menschen gut geht, - die lange Weile, die sie dabey haben ausgenommen, - so giebt es nichts was sie zu affektiren nciht unternähmen, und so lange unternähmen, bis sie erst die Folgen zur Reue bringen. So giebt es Leute in Ungern, welche ohne Rücksicht auf die Uibereinstimmung ihrer sonstigen Lebensordnung, das Leinölkraut im Genusse dem gemeinen Manne nachahmen wollen, und die Verdauung hat manche Noht dabey. Es giebt auch Menschen, über die sich das Vorurtheil bemeistert hat, daß in Brustkrankheiten ohne Unterscheid das Leinölkraut oder auch gar Leinöl für sich allein, seh gut bekäme. Bey dem beßten Magen gehet so ein Versuch wohl an, und dieß giebt Gelegenheit zu Proben, ohne dabey auf den Magen, ob solcher es auch vertragen könne oder nicht, zu denken. Auf einmal sieht man alle Hoffnung fehl geschlagen; kurz vorher war es nur eine Krankheit, und nun sehe ich die zweyte mit verwickelt. Diese fordert stärkende Arzneymittel, und jene erweichende. Welcher Arzt kann wohl beyden Anzeichen
(p301)
auf einmal genug thun? Viele werden zwar dazu aufgefordert, daß sie es flugs zuwege bringen sollen. Vernünftige Aerzte aber verzeihen es denen, die nicht wissen was sie fordern.
Ehe ich mich in die Gewohnheiten in Betracht des Thierreiches einlasse, muß ich der Milch in Absicht des Verhältnisses auf den physischen Menschen in Ungern noch gedenken. Denn ihrer innern Beschaffenheit nach, hält sie zwischen den Speisen aus dem Pflanzenreiche, und aus dem Thierreiche das Mittel.* Daß schon vor uns viele Menschen von der Milch allein lebten, lesen wir in dem
Plinius,
Justin, und andern; und daß es auch heut zu Tage ganze Nazionen gebe, welche größtentheils von der Milch und ihrern Produkten leben, das bestätigen die neuesten Geschichten der Menschheit, und viele Reisebeschreibungen zur Genüge. Wer siehet da nicht zugleich, daß der Genuß der Milch und ihrer Produkte, selten bis zu einer üblen Gewohnheit ausarten könne? Für die Vorzüge der Milch in Ungern wäre es überflüssig viele Beweise anzuführen, und alle sind in dem Maaße der Viehzucht, und in der Güte der vorzüglichsten Weiden gegründet. Glückliches Land, welches so ein Haupotbedürfniß nicht entbehren darf! Aber dennoch sind die Wirkungen der Milch auch auf den Unger nicht allezeit von grossem Vortheile; und wenn ich mich mit Idiosynkraften abgeben wollte, so könnte ich wohl tausend Fälle, wo der Genuß der Milch mißlungen hat, herschreiben. Bey Kindern ist der schädliche Einfluß derselben gar nichts Neues, und daran ist fast allezeit die Menge Schuld. Der Genuß der Butter ist in Ungern sehr individuel, daher sich auch ncihts Allgemeines davon bestimmen läßt. Saure- und Buttermilch, besonders aber die letztere, hat schon manchem Ungern das Leben gerettet, aber auch manchen hat eine eingebildete Furcht dafür zum Tode befördert. Wer es weis, was die Buttermilch
*J.G.Zimmermann
(p302)
für ein vortreffliches Mittel in den meisten epidemsichen Krankheiten sey, der wird es auch wissen, was ich damit sagen wollte. Bey unserm Uiberflusse von Milch, kann es gar nicht anders seyn, als daß es nicht auch sehr vielen Käs geben sollte. Den allgemeinen Schaden auf die Gesundheit von dem ungrischen Käse, tragen mehr die Ausländer, indem der größte Theil davon aus dem Lande geführet wird. Viele einzelne Personen sind freylich nicht ganz davon frey. Man macht auch in Ungern weiche Käse - Schmierkäse - die so gut als in der Schweiz dazumal von vielen Vornehmen hochgeachtet werden, wenn sie ganz faul, und daher entsetzlich scharf sind, und ungefähr riechen, wie bey den Römern vormals der so beliebte und von den
Ostindianern eine Götterspeise genannte
Teufelsdreck.* So ist diese Ochsengalle und das unverdaute Gras aus den Eingeweiden der Thiere mit Senf vermengt, den Grossen in Abißynien ein wohlschmeckendes Zugemüß zum rohen Rindfleische. So sind die Eingeweide der Thiere, das Ungeziefer, das sie in Menge plagt, und so gar die ältesten Schuhe der Europäer im Wasser erweicht, und gebraten, den
Hottentotten die angenehmste Kost.** Lauter haut gout bey Christen und Nichtchristen, und Menschen.
Was die Fleischspeisen betrift, die genießt der gesunde Unger alle, die ich im Abschnitt von den Nahrungsbedürfnissen angegeben habe. Es ist gar nicht daran zu zweifeln, daß ihm auch Reiher, Kraniche und Störche in Gegenden wo es solche Vögel giebt, zur Speise dienen, und dies desto mehr, wenn sie noch jung sind. Der seltsame Gedanke einiger diätetischer
Grillenfänger, welche das Fleisch dieser Vögel den gesunden Menschen entziehen wollen, ist nur ein hypochondrisches Produkt, und eine Art von Patriotismus, durch welchen sie die ungrische Nazion besserer speisen würdig machen wollen. Sie
*J.G.Zimmermann von der Erfahrung in der Arzneykunst.
**Lübecks charakteristisches Völkerlexikon.
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wissen aber nicht, daß der türkische Waitzen, gedörte Hülsenfrüchte, jährige Nüße, alte Käse, alte wilde Gänse und
Trappen, roher Speck, alle geräucherten Fische u.v.m. mit in die Klasse der höchst unverdaulichen Speisen gehören. Und doch wird alles dieses in ungern überflüßig genossen. Zu wünschen wäre es, daß sichs mit dem frischen Schweinefleische sowohl, als mit dem geräucherten anders verhielte, und daß dieses mit dem Specke der gemeine Mann wenigstens nicht den ganzen Sommer hindurch genöße.* Dieß ist eine von den Hauptursachen der so gewöhnlichen bösartigen anhaltenden Fieber in Ungern, vieler hartnäckigen chronischen Hautkrankheiten, so lange anhaltender Ruhren; daher kömmt es auch, daß so viele unserer Gallenfieber in die bösartigsten faulen übergehen. Ich sehe es gar nciht ein, warum viele Aerzte die Ursache dieser, und auch anderer krankheiten, oft in Nichts bedeutenden Kleinigkeiten so ängstlich suchen? Wer wird sich zum Beyspiele einfallen lassen, daß die fallende Sucht in Ungern von Genusse des Trappenfleisches entstehe? Ich habe Fallsichtige gesehen, welches kein Trappenfleisch jemals gegessen haben, und die, welche es überflüßig genieße, sehe ich ganz von der Epilepsie frey. Man hat auch kein Exempel daß jemand durch das Trappenfleisch öftere oder heftigere Anfälle erlitten hätte.** Von den Fischen beobachtet
*Unter den Juden gilt dieses vom Gänsefleische, hauptsächlich aber unter den an den österreichischen und mährischen Grenzen.
**Zu dieser Bemerkung gab mir eine übel verstandene Stelle des Hippokrats Gelegenheit. Es ist falsch, daß Hippokrat es geglaubt habe, daß da Trappenfleisch eine Ursache der Epilepsie sey. Aldrovand und andere beschuldigen ihn dessen, und der Graf von Büffon hat vermuhtlich die stelle nicht gelesen, noch weniger untersuchet. Hätte er sich nicht vielmehr über den Aldrovand und seine Kollegen, als über den Hippokrat wundern sollen? Do heißt es nach der Lindenschen Uibersetzung die zu Leyden 1665 heraus kam, Tom. II. p.325. - qui primum hunc morbum sacrum esse pronunciaverunt, tales homines mihi esse videbantur, quales etiam nunc sunt magi & expiantores & circulatores, & quidam arrogantes, qui se vehementer pios esse simulant, & amplius quid scire. Hi itaque consilii ac mentis inopiae obvelantes ac praetexentes divinitatem, quum nihil haberent, quod exhibitum prodesset, ut ne manifesta fieret ipsorum ignorantia, sacram hanc affectionem esse pronunciaverunt, & rationibus idoneis collectis, curationem constituerunt sibi ipsis securam - abstinere jubentes - ex volucribus a gallo & turture ac otide. Wer sieht nicht daß unser gründlicher Hippokrat hier gerechtfertigt ist, und daß er anstatt selbst diese Meynung zu hegen die Charletanerie der Betrüger entdecket, und sie lächerlich machet.
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man keine besondern Wirkungen in Ungern. Man sieht, daß Leute, die an fischreichen Plätzen wohnen, von den nämlichen Krankheiten befallen werden, wie andere, die vielleicht durch ein ganzes Jahr keinen Fisch zu essen bekommen. Vielleicht kömmt dies von der Analogie der Wirkung her, die an andern Plätzen von gleichwirkenden Nahrungsmitteln wie vom Schweinefleische z.B. entstehet. - Es werden auch marinirte Seefische nach Ungern gebracht; der gemeine Mann bezahlt sie nicht, bey Grossen aber hat man nicht selten plötzliche Todesfälle, oder die gefährlichsten Krankheiten aus dem übermäßigen Genusse derselben beobachtet, und dieß desto mehr, jemehr von unseren geistigen Weinen dabey getrunken wurde. Unter den Gewürzen macht man in Ungern den größten Mißbrauch von dem Pfeffer, Ingwer, und Knoblauch. Wieder ein Beytrag zu allen den Krankheiten, deren Grund viele aus der Luft herzuleiten gewohnt sind. Wider den Zucker aber, welcher dem Temperamente des Ungern gewiß besser bekäme, ist man schlechterdings eingenommen. Man spricht es den alten Aerzten immen noch nach: der Zucker macht Schleim. Ich nehme hievon doch diejenigen aus, die nun anfangen, sich eines bessern belehren zu lassen. Honig hat Ungern genug, und wäre diese nicht, so würden manche Risse in der Gesundheit unseren Aerzten gewiß mehr Mühe, und unsern Kranken mehr Leiden und Gefahr kosten. Wer
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alles das, was ich von den Gewohnheiten in Absicht auf die Speisen gesagt habe, in eine nähere Erwägung zieht, dem muß auch sogleich die Abwechslung, die der Unger dabey haben kann, in die Augen fallen. Es ist nicht Alles, was ich gefolgert habe so allgemein verbreitet, als es in einem dem ersten Scheine nach vorkommen könnte; und ich habe es auch öfters angemerket, daß die schädlichsten Wirkungen manche vortheilhafte Gegenwirkung immer zur Seite haben. Wohl dem Lande, mit dem es die Vorsicht so gut gemeynet hat!
Die Sorge für die Gefäße, in welchen man kocht, oder in welchen Speisen aufgetragen werden, ist auf die Reinlichkeit sowohl, als auch auf die Sicherheit gerichtet. Juden, Bettler, schmutzige Leute, und andere, die vom Nazionalcharakter weit entfernt sind, kommen hier in keine Betrachtung. Der Begriff von der Schädlichkeit des Kupfergeschirrs war in Ungern längst schon aufgeklärt, und wir haben auch gegenwärtig in
Preßburg eine Gesundheitseisengeschirrniederlage.
Herrn
Zimmermann* ist unter allen Gattungen von Höflichkeit keine so unbegreiflich, als die einzige, die man in grossen Städten kennen will. "Man führt, sagt er, den Magen seiner Freunde in Versuchung, um sie zu beehren. Man raubt ihnen durch das wunderbareste gemisch von widersprechenden Speisen alle Munterkeit des Leibes und des Geistes. Man tödtet durch folternde Gastmahle ihre Gesundheit, und ihrer Witz, damit man sagen könne: wir haben ihnen Höflichkeit erwiesen." In Ungern haben dieses Unglück die kleinen Städte, so wie die grossen, durch die Speisen sowohl, als durch die Getränke.
Ungern zeichnete sich vor dreyßig und mehr Jahren hauptsächlich durch das übermäßige Weintrinken aus.
*Von der Erfahrung in der Arzneykunst.
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Heut zu Tage aber nicht mehr so. Ganz leer kann es frylich nicht ablaufen, ausgenommen der Weinswachs nähme am Reichthume ab, worüber wir aber noch nicht klagen dürfen. Den Hauptschaden, welcher daraus entstehet, muß man bey starken Weinen dem geiste, und bey geringern der Säure zuschreiben; aber nicht dem kalke, wie ich oben im zweyten Stücke schon angemerkt habe. Wer sollte es aber auch glauben, daß, demungeachtet es in Ungern fast in keinen Gegenden am Weine fehlt, es dennoch viele Menschen gebe, denen der Wein
idiosynkratisch, oder von natur zuwider ist; und gemeininglich haben diese Leute eine dauerhafte Gesundheit, und leben meist sehr lange. Mancher Weintrinker in Ungern hätte von grossem glücke zu sagen, wenn er nur in Ansehung der Menge des Weins Schaden litte, und wenn er mehr Rücksicht auf die Beschaffenheit desselben hätte. Größtentheils bezieht sich dieser Leichsinn auf die neuen oder nur halbgegohrnen
Weine, auf dem Lande so wie in Städten bey dem gemeinen Manne. Man fängt die neuen Weine schon im November an zu trinken, und das eben um die Zeit, da im folgenden Monate Dezember, eine grosse Menge Schweinefleisch einen merklichen Nachtrag, zur Verderbung der Gesundheit macht. Um diese Zeit hat es in Ungern schon die heftigsten Epidemien von
faulen Fiebrn gegeben, welche eine Menge Volks unversehens dahin rafften. Ja, es vergeht kein Jahr, daß man um diese Zeit nicht hie und dort in Ungern dergleichen Beyspiele beobachtete, je nachdem die Witterung bald mehr oder weniger mitwirket, oder nachdem von einer vorhergegangenen
Ruhren- oder anderer Epidemie, noch mehr oder weniger kachektische Rückbleibsel in dem Geblüte verborgen liegen. Und da dieß eben die Zeit ist, da der Landmann weniger arbeitet, so kann der Begriff von dem Einflusse des neuen Weines und des Schweinefleischess nicht anders als noch aufgeklärter werden. Auch bey den Grossen läuft es nicht ganz leer hiebey ab. Die
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Gewohnheit, den jungen Wermuthwein zu trinken, zieht nicht weniger üble Folgen nach sich, als jene des blossen neuen Weines.
Es gibt keinen Wein, welcher nicht jemals Most gewesen wäre; es verhält sich also die Menge des Mosts zu der Menge des Weins in Ungern, wie eins zu eins. Der Unger müßte nur kein Mensch seyn, wenn ihn auch nicht hiezu die Lüsternheit verführen sollte. Ich will dieses nicht so sehr von Erwachsenen und Männern, als von Kindern und dem weiblichen Geschlechte sagen. Glückliche Kinder, deren Eltern in dieser Absicht für die bessere Sorge tragen, denen die Freyheit zur Lesezeit nach Belieben Most zu trinken eingeschränket, oder gar nicht gestattet wird! Wer weis nicht, daß jeder Most, ehe solcher noch von der Presse rinnt, ja da solcher noch in den faulen Beeren enthalten ist, schon gähre? Man weis, wie durch die Gährung in unserm Körper alles ausgedehnt, und erschlappet wird, was man also davon bey Kindern zu hoffen? Nichts las sieche jugendliche Körper - unreif zur Bildung des Geistes sind sie, und zum Manne zu spät.
Unter den abgezogenen Getränken sind in Ungern die gewöhnlichsten diese: der Weingeist überhaupt, der Zweschkenbrandwein oder
Sliwowitza, und der
Krametsbrandwein. Wer solche mäßig und zur bestimmten Absicht gebraucht, dem sind sie nichts weniger als schädlich. Es giebt aber in Ungern eine Gattung verblendeter Menschen, wodurch? weis ich nicht, die den Sliwowitza als kühlend sehr hoch anpreisen, solchen auch selbst in dieser Absicht gebrauchen. Zum Glücke oder Unglücke, daß dieses oft nur bey eingebildeten Krankheiten geschiehet. Glück ists, daß er der Einbildung nicht schade; aber unglücklich der, welcher zu diesem Getränke dadurch auch in wirklichen Fällen ein vertrauen faßt! Das Vorurtheil, daß alle geistigen Getränke die Dauung befördern, hat schon manchem dieselbe verdorben, und
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dennoch läßt er nicht ab sie ganz und unwiderbringlich zu vernichten, bis ein frühzeitiges Alter und ein langsamer Tod der Scene ein Ende machet: bey Leuten aber welche vollblütig sind, ist der Garaus ost plötzlich. Es giebt Dörfer in Ungern, woe die Männer und auch viele Weiber so zusammengeschrumpft sind, daß sie fast einem natürlichen versteckt; und diese Leute sind es eben, die das Bedürfniß des Durstes, anstatt des Wassers mit Brandwein stillen.
Lange hat es dem
Punsche nicht gelungen, sich des ungrischen Gaumes zu bemeistern. Seit dem die Ungern aber reisen, und seit dem sie fremde Gebräuche ihrer würdig achten, kömmt öfters was Unvermuhtetes ins Land. So brachte das Schicksal den Punsch nach Ungern, so hat der Vornehme dem gemeinen Manne in Ansehung des Mißbrauches der geistigen Getränke weniger vorzuwerfen; und ich sehe sie schon die Punschtrinker im neunzehnten Jahrhunderte, wie sie mit steifen Schritten, gefaltetem Gesichte, und verfallenen Augen, entkräftet und verdrossen einhergehen.
Was das Bier anbelangt, so ist es ausgemacht wahr, daß Ungern größtentheils gutes Bier hat. Das Weintrinken aber ist zu sehr im Schwange, und die Wirkung des wenigen Bieres, das getrunken wird, ist zu gelind, als daß es nur selten nicht bey der Mäßigkeit bliebe.
Noch sind die Getränke zu betrachten übrig, welche kein ungrisches Landesprodukt ausmachen, deren Nachtheil so beträchtlich es immer auf unsern Körper fällt, dennoch nichts hindert, daß sie durch die Gewohnheit nicht zu Bedürfnissen eines grossen Theils der Ungern würden. Es sind Thee, Kaffee, und Chokolade.
Der Schade, welchen der Thee in Ungern anrichtet, ist von geringer Bedeutung; denn dazu hat die Begierde des Ungers noch nicht englisches oder holländisches Gefühl genug; es geht ihm wie dem Franzosen, welcher sich
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von feinem haut gout nicht abwendig machen läßt; beyde haben im Genusse das Koncentrirte gern. Es giebt schon andere Qwellen genug, aus welchen man die Hypochondrie mit ihrem ganzen Gefolge herleiten kann. Was wäre denn jene Folter unseres Nervensystems, der Kaffee?
Leider, daß man für so viele verkannte Wirkungen des Kaffees auch in Ungern eingenommen ist! Wie halt unsere Urtheile immer, je nachdem uns daran gelegen ist, gestimmt sind! Gerade so gehet es mit dem Kaffee. Er schmeckt, hat von den ersten Jahren der Kindheit an geschmeckt. Aus dieser Partheylichkeit für den verdorbenen Geschmack bleibt man immer gegen alle Vorstellungen über die Schädlichkeit desselben stumpf. So zahlreich die täglichen betrübten Beyspiele davon sind, so findet man dennoch bald eine andere Ursache, die die Schuld des Kaffees tragen muß. Die gewöhnlichste ist das Temperament. Freilich das Temperament, dieses unglückliche Kaffeetemperament. Eine Wirkung, die in so vielen Jahren zu wirken keinen Tag aufhöret, muß immer zum Temperamente werden. Ich habe beobachtet, daß in Ungern eine Schaale von gleicher Substanz mehr schädlich sey, als es Beobachterin nicht Weinländern von zweyen oder dreyen bemerkten. Bey Männern ist der Schade davon seltner sichtbar, desto mehr aber bey dem schönen Geschlechte und bey jungen Leuten überhaupt, deren Nerven viel empfindlicher sind. Ich habe oben nicht unrecht gesagt: aus Partheylichkeit eines verdorbenen Geschmacks. Denn ich sehe, daß der blosse Name den Kaffee schmackhaft mache.* Man trinkt auch in Ungern schon den so genannten Gesundheitskaffee aus gebrennten Zichorienwurzeln. Und gesetzt, er stünde in der Schädlichkeit dem
* Zum Beweise wie auch der gemeine Mann in Ungern nach Kaffee dürstet, sey der öffentliche Verkauf in Preßburg an der Donau vor drey Jahren unter freyem Himmel, wo man vor einen Kreutzer ein halbes Seitel bekam. Was das vor ein Kaffee muß gewesen seyn! Denn süß war er auch schon.
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ächten nach, so müßte doch die blosse Wärme, und die besonders zur Sommerszeit schaden. Ich getraue mich überdieß noch zu behaupten, daß die Wirkung des ächten und des Zichorienkaffees allezeit gleich ist, wenn ich annehme, daß das Empyreuma, oder der Brand desselben hauptsächlich unsere Nerven erschüttern.
Die Chokolade wird in Ungern bey Gesunden selten gemißbrauchet; desto mehr aber bey kränklichen und zu genesen anfangenden Menschen. Dieses Getränk soll ihnen Kräfte verschaffen. Ich weis nicht, ob man ganz Recht habe, wenn man zu dieser Absicht eine Chokolade wählet, welche weniger Gewürze enthält. — Vielleicht wissen die, die dieses thun, oder verordnen, nicht, daß ohne den Gewürzen auch gesunde Mägen das Oel des Kakao schwer verdauen; um wie viel mehr muß es einen kranken Magen nicht beschweren? Ich mache hier keineswegs eine Apologie für die Gewürze bey Kranken, diese sind immer so gefährlich, als der Gebrauch des Kakao bedenklich ist. Meine Absicht war nur den Schaden zu entdecken, über welchen selbst viele Aerzte dunkle Begriffe haben.
Ich sehe, daß ich bey dieser Betrachtung der Gewohnheiten, in Absicht auf die Luft und auf die Nahrungsmittel weitläuftiger geworden bin, als ich mir es vorgestellt habe, und dennoch ließ ich viele Gewohnheiten aus, theils solche die mir nicht bekannt sind, theils aber auch solche, die von mir viele andere über den Menschen überhaupt schon beobachtet haben. Bey manchen Gewohnheiten habe ich nicht genug Wirkungen gefolgert. Ich that das aber darum, weil ich weis, wie wenig die Wirkungen der Nahrungsmittel und der Luft vom Klima abhangen. Sollte sich jemand hierüber besser unterrichten wollen, so empfehle ich ihm des Herrn
J. G. Zimmermanns Buch
von der Erfahrung in der Arzneykunst das 5te, 6te, und 7te Kapitel im zweyten Theile.
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Da lch mich eben über den Gränzen der Nahrungsmitteln nicht befinde, so fällt mir noch eines ein, daß es zwar im Grunde nicht ist, welches sich aber mancher Unger und manche Uingerinn dazu gemacht hat. Es wird dieß doch nicht etwa gar der Taback seyn? Dieser ists: Schnupftaback und Rauchtaback. Ich bin wirklich in Verlegenheit, welchem ich den ersten Rang unter den Gewohnheiten zugestehen soll. Also wie's kömmt; und nun doch auch dem schönen Geschlechte seine Ehre zu lassen, Schnupftaback. Fast hängt das schöne Geschlecht diesem in Ungern mehr nach. Eine Gewohnheit, die manchen Arzt herumtummelt, welcher nachdem er genug getummelt ward, eben so viel weis, als zuvor. Ganze Jahre kuriret man Kopfweh, Magenschmerzen, Neigung zum Erbrechen; und so lang man nicht Rücksicht auf den Schnupftaback hat, sind alle Bemühungen vergebens. Könnte denn was natürlicher seyn, als daß der in den Augenbrämenhöhlen und in der Nase gesammelte Taback entweder im Schlafe, oder aus Unvorsichtigkeit auch wachend durch die hintern Nasenlöcher in den Magen sinke, und auf diese Art nicht nur die schon erwähnten Zufälle, sondern auch viele Nervenkrankheiten erwecke. Ich habe Personen gesehen, männlichen und weiblichen Geschlechts, denen ihr ohnehin außerordentlich empfindliches Nervensystem durch den anhaltenden Gebrauch des Schnupftabacks so erschüttert ward, daß alle Mittel so lange fruchtlos waren, bis sie nicht dem Tabackschnupfen entsagten. Die standhaft dabey verblieben, haben weder die öftern Rückfalle, noch die Heftigkeit ihrer Nervenbeschwerden mehr. So sehr das Frauenzimmer dem Schnupfen des Tabacks in Ungern ergeben ist, eben so sehr schweifet das männliche Geschleckt im Rauchen desselben aus. Auszehrung, Schlagflüße, Kachexien, Brust- Magen- und hypocondrische Krankheiten, sind auch bey den Tabackrauchern in Ungern die gewöhnlichsten. Aber ich zweifle, ob in der Hefftigkeit, in welcher
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es
Tissot bey seinen Landsleuten beobachtete. Der bekannten Stärke des ungrischen Tabacks ungeachtet, trifft man bey uns doch achtzig- bis neunzigjährige Menschen an, die nach Tissotscher Berechnung, gewiß zu viel gerauchet haben. Man vergleiche dieses mit den Schweitzern, deren Tißot keinen beym Tabachrauchen alt werden sah. Noch habe ich keinen alten Tabackraucher gesehen, sagt er bey Gelegenheit, da er vom Schlagflusse redet.
Noch ist dieß nicht alles, daß der Unger gerade so ist, wie er in seiner Blöße da stehet. Es sind die körperlichen Bewegungen und die Ruhe, welche man theils als Hilfsmittel zu seiner dauerhaften Gesundheit, theils aber als Ursachen mannigfaltiger Beschwerden, nach Verschiedenheit der Anlagen ansehen muß. Entzündungen, hitzige Fieber, Blutflüße, Rheumatismen, allgemeine Entkräftungen mit ihren Folgen, sind die gemeinsten Krankheiten, denen die Landleute, welche auf dem Felde arbeiten * unterworfen sind, und dieß bald mehr bald weniger, je nachdem sich damit noch analoge Ursachen vereinigen. Aufgedunsene Menschen, Hämorrhoiden, Steckflüße, Wassersuchten, Gefühllosigkeit, oder qwälende Reizbarkeit, und endlich ein zu früher Tod — dieß sind lauter Gegenstände, welche uns die sitzende Lebensart ** vieler Menschen in den Städten in Ungern bloß stellet.
* Die Arbeiter in den Weingebirgen können nicht anders als gebückt mit dem Kopfe gegen die Erde gerichtet arbeiten. Daher entstehet die so genannte nächtliche Blindheit, — Nyktalopie — provinzial, der Nachtnebel.
** Niemand sitzt vielleicht mehr als das städtische Frauenzimmer in Ungern. Es sey Arbeit oder Spiel, so wird dabey gesessen. Es hat weder Sommer und Winter, noch Frühling und Herbst eine Ausnahme; vielleicht die letzten Jahrszeiten bey einigen Wenigen auch nur wenige. Daß es auch Gelehrte in Ungern gebe, vorlängst gegeben habe, ist trotz aller ursprünglichen Ferocität zu unserer grossen Beruhigung wahr; aber wahr ist es auch, daß sie eben den Krankheiten, von denen Gelehrte anderer Nationen gefoltert werden, ausgesetzet sind.
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Schlafen, und Wachen sind Bedürfnisse der Ungern: und jedermann wird es bey ihm annehmen, welcher weis, daß dieß Menschenbedürfnisse sind. Der Mißbrauch, der damit vorgehet, hat nichts mit den Nazionalcharakter zu thun. Viele einzelne Menschen haben ihre besondern
Grillen dabey, und viele Familien ihre besondere Art zu schlafen. So ist z. B. die Gewohnheit in hoch aufgethürmten Betten zu schlafen, dem Mittelmenschen eigen; da verfällt man sich so hinein, daß man Morgens ohne Mühe sich nicht wieder herauszuwinden im Stande ist.
Nun zu einem der wichtigsten und über Ungern niemals berührten Stofe: zu der physischen Erziehung der Ungern.
Niemand genießt einerley Erziehung. So heilig und wahr dieser Satz einem
Helvetius, jenem aufgeklärten, und um den Menschen so verdienstvollen Arzte war; so überzeugt bin ich auch davon. Also, jeder einzelne Unger hat auch seine besondere Erziehung. Sollte nicht dieses Bewußtseyn die Unternehmung hierüber zu schreiben unterbrechen? Mehr als Nichts gethan zu haben, ist doch auch noch Verdienst.
Ich kenne nur zwo Gattungen der physischen Erziehung in Ungern; eine künstliche, die zum Theile auf Grundsätzen, zum Theile auf eingebildeten Hypothesen, Vourtheilen und sträflichem Aberglauben beruht; und eine natürliche, welche der blosse Zufall bestimmt. Oft hat man dem Zufalle mehr Glück zu danken, als einem ängstlich gesuchten unregelmäßigen Plane. Es ist also die natürlich physische Erziehung in Ungern unseren Wünschen bald entsprechend; je nachdem dieselbe von dem Bescheide der Selbstüberlassenheit, oder von sorglosen und leichtsinnigen Eltern, oder andern, denen solche oblieget, oder vom unwissenden Pöbel mehr oder weniger abhängt. Und giebt es doch nach dieser Absicht in den aufgeklärtesten Reichen ganze Städte Pöbel, warum in Ungern nicht? Es würde gar nicht Unrecht gewesen seyn, wenn man noch
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noch die dritte Gattung — die gemischte physische Erziehung, wo beyde erstere bald einförmig, bald schiefseitig zusammen wirken, annähme. Gewirre genug — aber eben darum so wenig Bestimmtes!
Doch etwas von der künstlichen. Ein
Zückert, ein
Tissot, ein
Rosenstein, ein
Unzer, ein
Tralles, auch
Locke und
Montaigne nehmen in Ungern in manchen Privatbibliotheken die erste Stelle ein. Der Geist der Ungern ist kräftig genug , um dieses Fach der Kenntnisse mit Nutzen studieren zu können, und manche Früchte davon, sind zur Genüge Beweis dafür. Viele unserer Aerzte laßen sich diese Erziehung nach Grundsätzen angelegen seyn, und streuen ihre Früchte ans, wie das Herr D.
Czepetz zu einer nicht geringen Ehre unserer Nazion that. * Viele hingegen betrachten es nur als eine wenig bedeutende Nebensache, welchen ich von Herzen eine baldige Aufklärung wünsche!
Was Wunder, daß man in Ungern auch schwache, gebrechliche, verbleichte jugendliche Körper antrifft? In der eingebildet guten Erziehung liegt der Knoten, man geht anstatt der gebahnten und natürlichen, steile Wege. Eine bey vielen ohnehin verdorbene Beurtheilungskraft kann nichts anders als verderbende Produkte hervorbringen, der Grund, auf welchen manche ihre Erziehung bauen, ist die alberne Meynung: „ Ich und mein Vater sind so erzogen geworden, und meiner Mutter und Großmutter Aerzte haben keine andern Maaßregeln dazu gegeben, und ich denke halt auch, daß es gut sey. „
Welche ist nun wohl diese Erziehung? Die erste Qwelle hiezu liegt selbst in dem Verhalten der Eltern, von welchen ich hin und wieder schon Anmerkungen zerstreuet habe, und in ihrer schon genossenen Erziehung.
Die zweyte Qwelle ist in dem Verhalten der Mutter, die ihr Kind noch im Mutterleibe trägt zu suchen. Es ist
*In einer Abhandlung de cura infantum recens natorum
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keine Ungereimtheit, welche Herr
Tralles* beobachtete, die man nicht auch in Ungern fände. Unter andern glauben viele Mütter für ihre ungebohrnen Kinder alles gethan zu haben, wenn sie während ihrer Schwangerschaft ein oder zweymal die Ader sich öfnen ließen. Sie haben keine andere Anzeige dazu, als die Schwangerschaft, und die mit ihr verknüpften Zufälle; es mögen diese vom übermäßigem Kaffee und Chokoladetrinken, * * von einer Uiberladung des Magens oder sonst einer Ursache, die mit dem Aderlassen in keiner Verwandtschaft stehet, herkommen, so muß ihr Vornehmen ansgeführet werden. Uiberdieß heurahten die ungrischen Frauenzimmer größtentheils zu jung, und unreife Mütter bringen unreife Kinder zur Welt. Was könnte man sich nicht von manchem Unger versprechen, wenn er bey seiner sonst so schmeichelhaften Lage, reifer gebohren würde?
Die Empfindlichkeit der ungrischen Frauen ist groß; ihre Einbildungskraft lebhaft und gespannt. In grossen Städten in Ungern ist nichts gewöhnlicher, als daß man elende, verstümmelte, eckelhafte Gesichter und Körper auf den Gassen bettelnd antrifft. Ist es demnach Wunder, daß es auch Mißgeburten giebt?
Nichts ist den schwangern Frauen in Ungern gefährlicher, als das blinde Zutrauen zu den unwissendsten Hebammen und ihrem Apotheckchen, welches größtentheils ans Bezoar - Korallen - Perlmutter - Krebsaugen - D. Michels - Herzpulver, Essent. dulci, Bibergeilessenz, Kinderbalsam, und alten Recepten, noch vom Anfange dieses Jahrhunderts, die eine der andern nach ihrem Tode
* In dem Entwurfe einer vernünftigen Vorsorge redlicher Mütter, für das Leben und die Gesundheit ihrer ungebohrnen Kinder.
** „ Die Kaffeeseuche, diese so eingerissene und kaum zu bezwingende Krankheit — hält sogar die außerdem vernünftigsten Gemühter dergestalt durch die warmen Dünste umnebelt, daß sie unfähig werden, es einzusehen, daß die Gesundheit dabey unmöglich bestehen kann. „ So spricht Tralles, als wenn er selbst in Ungern Beobachtungen angestellet hätte.
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vermacht, bestehet. Und sehen sie, daß alle diese ihre heroischen Mittel umsonst angewandt sind, so nehmen sie die letzte Zuflucht zu ihrer gewöhnlichen Herzstärkung, dem Perlwasser. Der Ausgang mag noch so übel ausschlagen, so heißt es immer; wir haben doch alles gethan; oder sie überreden sich, dem Teufel im Spiele mit gehabt zu haben. Armer Pöbel, der so an der Unwissenheit und Ferocität gefesselt ist!
Nun ist das Kind kaum zur Welt gebohren, so fängt eine neue Periode von Lächerlichkeiten, und ein ungereimter Auftritt um den andern an.
Das allzufeste Einwickeln der Kinder, die Wahl der Amme einer kurzsichtigen Hebamme zu überlassen, dem neugebohrnen Kinde alle freye Luft zu entziehen, dieses mit der Muttermilch fast ersäuffen wollen, — denn die meisten kennen keine andere Ursache des Weinens, als den Hunger; und gesetzt sie lassen sich endlich ja eines andern überreden, so sagen sie wieder: die Brust ist die beßte Medicin für die Kinder. — O! wie betrübt sieht es dann aus, wenn die Krankheiten des Kindes, Folgen mütterlicher Ausschweifungen sind! — Den Brey den Kinder zur Unzeit oder im Uibermaße zu geben, auch die Gewohnheit solchen vorher, ehe man ihn giebt, im Munde herum zu wenden, und dann mit den Fingern dem Kinde einzustreichen, dem Kinde die Brust über die Wiege liegend zu geben, das frühzeitige oder zu späte Entwöhnen, die Folter der Schnürbrüste in den ersten Jahren der Kindheit, die Furcht vor der Pockeneinimpfung, Kuchenwerk, Wein, Kaffee bey Kindern gut angebracht wissen zu wollen, — alles dieses und unzählige andere Mißbrauche haben bey unserm eigensinnigen Pöbel, und größtenteils Stadtpöbel, so tiefe Wurzeln gefaßt, daß es jedem vernünftigen Arzte verarget wird, wenn er dawider streitet. Ich habe des Herrn Zückerts Unterricht zur diätetischen Pflege für Säuglinge, und von der diätetischen Erziehung der entwöhnten und
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erwachsenen Kinder gelesen. Ich habe ihn in der Absicht gelesen, um etwa Mißbräuche zu finden, welche in Ungern fremd sind. Wenn ich doch nur einen einzigen gefunden hätte; aber keinen! Ich wünsche nur, diese zwo Abhandlungen in meinem Vaterlande in mehreren Händen zu sehen!
Ich sagte im
ersten Stücke S. 5. N. 3. „ Uiber die Gewohnheiten: wozu hauptsächlich die Erziehung,, u. s. w. Die dieses gelesen haben, erwarteten vielleicht einen systematischen Entwurf von mir, und ein wirkliches Detail — das wollte ich, — ich wollte aber auch den Zusammenhang, der sich hie und dort von selbsten band, nicht zerstören; — und so artete ich in einen Diskurs aus, welcher der Absicht, den geringen Unterschied zwischen den physischen Unger, und andern Menschen zu zeigen, dennoch entsprach.
Vom Temperamente noch, aber nur um mein Wort zu halten. Es sagtens vor mir andere schon. Herr D.
Fucker* giebt dem cholerischen die Oberhand. Herr
Wekhrlin** findet Großmuht, Tapferkeit, Vaterlandsliebe im Temperamente der Ungern: als Tugenden der ursprünglichen Simplicität, der unvermischten Natur, — verborgene Stiftungen der Menschheit und des Kunstfleißes. Ungern hofft er einst als das Beyspiel zu sehen, was eine großmühtige und erleuchtete Regierung Marien Theresiens, aus dem edlen Instinkte der Nation hätte machen können, „ Und, wo ist der, der Josephs verdoppelte Schritte zu diesem Ziele verkennet?
H.
* De salubritate & morbis Hungariae p.74
** Chronologen I. B S. 10.