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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin,
Band 1, Heft 1, Text 1 (S. 1-14)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1781
Autor:
Zacharias Huszty
Zuordnung: Medizin
Versuch über den Menschen in Ungern 1
Versuch über den Menschen in Ungern 2
Versuch über den Menschen in Ungern 3
(P1)
1. Versuch über den Menschen in Ungern, nach seiner physischen Beschaffenheit.
Vielleicht macht sich mancher meiner Leser, der nicht so wie ich denkt, oder die Menschheit nur in ihrer Oberfläche übersieht, auf paradoxe Meynungen Rechnung. Gewiß wird er sich in seiner Erwartung hintergehen, wenn er einen wesentlichen Unterschied des physischen Ungers von dem Bewohner anderer Himmelsstriche erwartet. Aber, eben daß der Mensch in Ungern vor andern keines wesentlichen physischen Unterschieds fähig sey, scheint dem allgemeinen Vorurtheile nach, wieder paradox: also paradox pro und contra, je nachdem es einem oder dem andern daran gelegen ist, Vorurtheile in ihrer Maske, oder aus Trieb einer interessirten Gefälligkeit, auch entlarvt als wahr anzunehmen. Ich dächte, es sollte uns wohl nie einfallen, paradox zu seyn, da die Grundursachen so vieler allgemeinen Erscheinungen, unsern Kenntnissen noch ein Abgrund sind. — Noch sehen wir in der natürlichen und organischen Beschaffenheit des Menschen überhaupt, so viele Lücken offen, deren ergänzenden Stof die Zukunft, und vielleicht die späteste, sich vorbehält. —
Wir zielen auf Entdeckungen, aber oft unbekümmert um die Entfernung und Hindernisse, wissen wir kaum die Richtung derselben.
(P2)
Paradox, oder nicht paradox: Der Mensch in Ungern ist nach seiner physischen Beschaffenheit doch allezeit Mensch, wie jeder andere Bewohner auch noch so entfernter Himmelsstriche. — Der Lappe und der Neger wird und bleibt durch ebendieselbe allgemeine Methode gesund, wie der Unger.
Der meiste Theil von Menschen hat von der natürlichen Beschaffenheit unsers Vaterlandes, der Gesundheit seiner Einwohner, und ihren Fähigkeiten, ganz andere Begriffe, als die sich mit der Wirklichkeit vertragen könnten. Diesen falschen Begriffen zu steuern, ist wohl der Mühe wehrt. — So dachte ich, ehe es mir noch einfiel, einen Versuch darüber zu machen. — Ich war lange unentschlossen: die Uiberzeugung aber, daß ich Andern Stof geben werde, der Sache näher nachzudenken, half mir aus der Verlegenheit; und ich faßte den Entschluß, meine Gedanken bekannt zu machen.
Die schöpferische Bestimmung gab sie nicht allen Menschen einerley Grundlage? und hat eben diese Bestimmung nicht über alle Menschen einen allgemeinen physischen Plan entworfen, von welchen uns nur gewisse Nebenumstände, die mehr scheinbar als wesentlich sind, abziehen? „Das verschleimte und phlegmatische Temperament der nordischen Völker, ist, wie man sagt, eine besondere Folge von der natürlichen Beschaffenheit ihres Erdstriches und ihrer Nahrungsmittel; gleichwohl sind sie zum Hochmuhte, zum Neide, zur Ehrsucht, zum Geize, zum Aberglauben so gut aufgelegt, wie die blutreichen und gallsüchtigen Völker in den südlichen Ländern.“ So denkt ein bekannter Philosoph.— Die Anwendung, die er hier auf den moralischen Charakter macht, paßt auf den physischen eben auch; und sollte das jemanden ja fremd scheinen, so frage ich ihn: ob er jemals moralische Charaktere ohne verhergegangener, oder noch gegenwärtig in ihm wirkender physischer Empfindlichkeit entstehen, oder ihre Wirklichkeit erlangen, beobachtete?
(P3)
Freylich ist der Unger kein Türke, kein Pohl, kein Deutscher, noch weniger ein Lappe, oder Chineser. — Ist aber, daß er es nicht ist, seine Grundlage, seine Organisation Schuld daran? Gewiß nicht! Kein Jahr vergeht, das nicht Beyspiele entgegen stellt. So sehen wir, daß der Unger in Pohlen zum Pohlen wird, in Frankreich zum Franzosen, u. s. w. und diese werden in Ungern oft das, was sie als ursprüngliche Ungern geworden wären.
Luft, Speisen, Getränke, Gewohnheiten, Erziehung, selbst ungefähre Zufälle — glückliche oder unglückliche — Kriege, oder Friede, aber vorzüglich die Staatsverfasung, find die entfernten Ursachen der natürlichen Beschaffenheit, welche Menschen von Menschen unterscheiden, folglich auch die, welche in Ungern wohnen. Der Unger ist sich ja selbst in seinem Vaterlande nicht überall gleich, je nachdem er verschiedenen Eindrücken ausgesetzt ist, und nachdem diese Eindrücke mit jedem Körper in einem besondern Verhältnisse stehen. — Ich hoffe, mich durch diesen Satz zu rechtfertigen, wenn man mir zur Last legen wollte, daß ich die Grade der physischen Vollkommenheit läugne; — auch jeder Mensch vor sich ist ein Jahr, einen Tag vollkommener, als den andern.
Die Abwechslungen aller dieser Einflüße, ihre Vermischungen, und die daher entstehenden gemeinschaftlichen Wirkungen, das besondere Verhältniß des Körpers überdieß, auf den sie wirken, — alles das zusammen, macht eine Reihe von mehr oder weniger abstrakten, mehr oder weniger verworrenen, und selten deutlichen Begriffen aus. Wer wird es unternehmen hierüber Systeme zu bauen? Er müßte nur den Abstand der Gränzen unserer Kenntnisse von so einer unbegränzten Reihe von möglichen Begriffen nicht wissen! — Ich gönne es gerne jedem, der sich voll des Zutrauens zu feinen Kräften dazu rüstet! — Schon fängt er an, und heute noch sehe ich seine Träume, auf den Trümmern seines Lehrgebäudes ruhen! —
(P4)
Er staunt, wagt es nicht mehr, ist mit Fragmenten zufrieden, — und damit wünsche ich, daß es meine Leser auch seyn möchten! —
Allen den Einfluß, dessen gedacht ward, — die Luft vielleicht ausgenommen,* — muß man nie ohne Einschränkung annehmen. Die Benennung Unger macht ihn noch nicht zu dem, von dem hier die Rede ist. Der Unger an den Gränzen z. B. nimmt durch fremde Einflüße an ähnlichen Wirkungen Theil, nachdem er diesen Einflüßen sich mehr oder weniger nähert.
Sehen wir in die verflossenen Jahrhunderte zurück, und betrachten den Unger, vergleichen ihn mit dem, der er itzt ist; wem wird nicht sogleich ein erheblicher Unterschied auffallen? Doch hat er immer die nämliche Organisation; und würden Luft, Speise, Trank, Gewohnheiten eines der vorigen Jahrhunderte, — würde eine der weisesten entgegengesetzte Staatsverfassung angenommen; so würde auch nichts hinderlich seyn, daß der Unger das wieder würde, was er dazumal war! — Wie sorgfältig wird heut zu Tage nicht die Luft in vielen Gegenden unsers Vaterlandes, wo solche vormals faul und unrein war, durch das Austrocknen der Moräste verbessert und gereiniget! Um wie vieles vorsichtiger baut man itzt einer pestilenzischen Luft nicht vor! Durch unverbesserlich eingerichtete Kontumatzanstalten wird das so verderbliche und entvölkernde Gift der Pest gleich an den Gränzen ersticket. — Eine verbesserte Erziehung, jede gütige und weise Vorsorge der Monarchen zur Befriedigung der Bedürfnisse für das Landvolk; eine Medizinalkonstitution, wie solche nach Grundsätzen seyn soll; und dann alle die Mittel, womit man den Verstand zu bessern sucht, auch wirklich bessert, verdienen allerdings des Einflusses wegen auf das physische Wohl des Ungers angemerkt zu werden. — Hierüber weitläufiger zu seyn, würde mich von
*Auch die wirkt schon verschieden, so bald andere, und verschiedene Einflüße mitwirken.
(P5)
meinem Zwecke entfernen; und Naturforscherkräfte sind ja selten denen der Staatsklugen gewachsen. Und sind nicht Staatsklugheit und Naturgeschichte, jede vor sich mehr, als die Beschäftigung eines ganzen Menschenalters?
Ich hoffe nicht, da ich so viel Gutes von dem Menschen in Ungern sage — sagen muß, — daß man mich eines übertriebenen Patriotismus beschuldigen wird. Es ist so, was ich von Verbesserung sagte; aber darum noch nicht ausgemacht, daß auch übrigens alles gut sey. Das Meiste, was besser seyn könnte, kann man größtentheils auf Rechnung der Schleichgewohnheiten annehmen; und welcher Staat, welche Vorsicht hat solchen jemals genug steuern können? Hätten sich Thee, Koffe, ausländische Weine, das ganze Gewirzmagazin in seinem Uibermaasse, u. d. m. nicht eingeschlichen, wie manche unangenehmen Auftritte vieler Ausländer könnten uns noch fremd seyn! —
Vapeurs, Hypochondrie, Hämorrhoiden, ja ein grosser Theil der Krankheitsliste, worüber ich mich in der Folge näher erklären werde, ist nun auch in Ungern zu Hause.
Aber einmal zur Sache! — Ich habe mich oben überhaupt schon erkläret, wo ich mit gegenwärtigem Versuche hinaus will; und nun will ich es ganz bestimmen. Da die physischen Einflüße den Unger zu dem machen, der er ist: so versteht sichs von selbst, daß es begreiflich zu machen sey, wie es dabey zugehe. Und daher werde ich
1. Uiber die Luft,
2. Uiber die Nahrungsbedürfnisse,
3. Uiber die Gewohnheiten: wozu hauptsächlich die Erziehung, Schlafen und Wachen, körperliche Bewegungen, und dann die Gewohnheiten, die man in Absicht auf die Erhaltung seines Körpers angenommen hat, gehören, einen Versuch anstellen.
Da ich alle die Einflüße nach ihren Erscheinungen werde durchgegangen haben, bin ich Willens, die nöhtige Anwendung auf den Menschen in Ungern zu machen;
(P6)
auf das Erwachsen seines Körpers, auf die Erhaltung desselben, da er schon erwachsen ist, auf seine körperlichen und Geisteskräfte; und auf das Alter, das der Unger zu erreichen fähig ist, auch gemeiniglich erreicht. Eine vaterländische Krankheitsgeschichte wird diese Abhandlung beschließen.
I. Uiber die Luft in Ungern.
Einer der wichtigsten Gegenstände, der in Absicht auf unser physisches Wohl alle Aufmerksamkeit verdienet, ist gewiß die Luft; und diese muß daher nach dem Beyspiele aller Naturforscher zuerst untersuchet werden. Aber so wenig sich überhaupt etwas von einer allgemeinen Beschaffenheit derselben bestimmen läßt, eben so wenig kann man sich was Aehnliches von der in Ungern versprechen.
Der Begriff von der Luft dehnt sich sowohl auf die Bewegung derselben (Wind) als auch auf ihre Ruhe* (Atmosphäre) aus. Jede
Gespanschaft in Ungern hat fast ihre eigene Atmosphäre, deren Beschaffenheit von den Ausdünstungen des Erdstriches, über den sie schwebt, abhängt; die Winde aber müßen immer nach ihrer Richtung, nachdem solche von einer feuchten oder trockenen, kalten oder warmen Gegend herwehen, und nachdem solche mit mehr oder weniger Heftigkeit wehen, betrachtet werden. Wer davon einen deutlichen Begriff hat, der weiß auch sogleich, wie wenig sich allgemeine Regeln über die Luft angeben lassen. Die Nordwinde in
Danzig zum Beyspiele, sind den dortigen Einwohnern der feuchten Dünste wegen, die solche über die See wehend mit sich nehmen, höchst ungesund, da sie doch dem Unger in seinem Vaterlande für seine Gesundheit nicht erwünschter seyn könnten. Wir wissen, wie viel Entfernung und
*Man kann nicht sagen, daß die Luft jemals ganz über einen Erdstrich ruhe — aber in so weit, in wie weit solche nicht fähig ist, die in ihr schwebenden Heterogenen zu zerstreuen.
(P7)
Gebirge zur Reinigung der Luft und zur Zerstreuung ihrer Feuchtigkeit beytrage. Eben dieser Nutzen fällt auch auf Ungern, ungeachtet die Gespanschaften in Vergleich dessen, unter sich oftmals merklich abgehen.
Nicht nur woher die Winde wehen, sondern zu welcher Jahreszeit solche wehen, ist hauptsächlich zu beobachten. Winde, die zu der Jahreszeit von und durch das Gebirge kommen, wenn der Schnee zerschmilzt, sind voll mit Salzen und feuchten Theilen, die von dort mitgerafft werden können; da hingegen nach ihrer Richtung eben dieselben Winde, beym kalten Winter, oder nach Verlauf einer bestimmten, der Menge des Schnees und den Kräften der schmelzenden Hitze immer angemessenen Zeit, trocken, rein, und folglich in Absicht auf unsre Gesundheit von entgegengesetzter Wirkung sind.
Uiberhaupt ist der Unger den meisten möglichen Abwechslungen der Luft ausgesetzt. Uiber dieß hat auch jeder Einzelne seine ihm eigene besondere natürliche Beschaffenheit, oder er ist Eindrücken unterworfen, die denen der Luft entgegen wirken, so, daß eben dieselbe Luft, bey zweyen oder mehrern Individuen ganz verschiedene Wirkungen hervorzubringen im Stande ist. Ob nun auch eben diese Luft, so manchem Ausländer mit Grunde verhaßt seyn könne, ist noch die Frage! Wer die Menge der Gebohrnen, mit denen, die in Ungern sterben, vergleicht,* der bedarf meiner Antwort nicht, da mich die für unser Vaterland so schmeichelhafte Erfahrung davon völlig losspricht.
Die Meisten, die uns ihre Beobachtungen über die Luft in Ungern mitgetheilet haben, fanden eine besondere Eintheilung, die sie die physische nennen, dazu beqwem. Beqwem ist sie, ob sie aber der Beqwemlichkeit wegen auch bestimmt sey, kommt darauf an, ob sie oder ich Recht haben werden. Das physische Ungern theilt sich
*In den folgenden Stücken werden Auszüge davon eingerücket werden.
(P8)
nach ihnen in drey Theile, in
Oberungern nämlich, in das mittlere, und
Niederungern.
Wie richtig, sollen einige Beyspiele beweisen. — Die
mittlere Solnocker und
Graner Gespanschaft gehörten in Betrachtung des physischen Erdstriches grade zu Oberungern; die Gränzen aber, die man seinem Oberungern gab, schließen solche ganz aus; dennoch strotzen sie von Bergen, und sind den Gespanschaften, die man sonst in Oberungern sucht, nach ihrer physischen Beschaffenheit nicht weniger analog, als diese unter sich selbst sind. Nach der physischen Bestimmung des Erdstriches der
Bihárer und
Saboltscher Gespanschaft, suchte ich solche gewiß in Niederungern, — nach der Linie vom
Plattensee bis zum
Maroschflusse gegen Mittag zu, wie sie sagen, — und in der Karte finde ich sie in demjenigen Theile, der als der mittlere angegeben wird. Die
Ugotscher Gespanschaft, deren Einflüße auf den Menschen mit den meisten Gespanschaften in Niederungern übereinstimmen, finde ich voll mit Morästen in Oberungern.
Nun Leser! urtheile, und nachdem du auch meinen Eintheilungsversuch geprüfet hast, so wähle! — Ich habe mich schlechterdings an die dieß- und jenseitige Eintheilung nach der
Donau und
Theiße gehalten, und jeder Gespanschaft nach ihrem physischen Erdstrichscharakter, ihren Platz angewiesen.
Diejenigen Gespanschaften, deren Abwechslungen durch Ebene, Hügel und Gebirge in die Augen fallen, sind:
Dießeits der Donau: Die
Preßburger,
Neitrer,
Soler,
Thurotzer,
Barscher,
Komorner,
Groß - und Klein - Honter,
Neograder, und
Pesther.
Jenseits der Donau: Die
Oedenburger,
Eisenburger,
Salader,
Wesprimer,
Raaber,
Tholner,
Baranyer, und
Pilischer.
Dießeits der Theiße: Die
Sempliner,
Ungher,
Gömörer,
Borschoder, und
Hewescher.
Jenseits der Theiße: Die
Sarander,
Beregher, und der
Köwárer Distrikt.
(P9)
Alle diese Gespanschaften machen einen beträchtlichen Theil von Ungern aus. Durch sie lasse ich reisende Naturforscher wandern, — nie wird es ihrem Beobachtungsgeiste am Stofe fehlen, sich mit der natürlichen Güte des Erdstrichs, mit der Zufriedenheit der Bewohner über ihre beßte Leibesbeschaffenheit zu sättigen. Ebenen, Hügel, Gebirge, Wälder, ganz mit den reinsten Wasserqwellen durchschlungen; und das in einem der gemäßigten Himmelsstriche vom ersten Range, — auch der Gedanke nur giebt unsern Lebenskräften neue Bewegung, und erst die Wirklichkeit zu fühlen! — Und giebt es denn noch viel Bewohner Europens, die auf diese Rechnung stolz seyn können? Wie viele tausend andere seufzen unter ihrer Atmosphäre über den Nachtheil, der dadurch auf ihren Körper fällt, da der Unger davon nichts fühlet! — Ich würde mich zu sehr ins Allgemeine verlieren, wenn ich mich hierüber weitläuftiger erklären wollte. Ich begnüge mich nur mit dem, was
Huxham,
Boerhaave, und vor ihnen
Hippokrates von den Eigenschaften der gesunden Luft gesagt hat. „Die Luft soll nicht nur von schädlichen Ausflüßen frey, sondern nebst diesen auch schwer und elastisch genug seyn die Lunge gehörig auszudehnen, aber das auch nicht in der Heftigkeit, die zwischen Lunge und Luft das Gleichgewicht aufhebt.“* Ob so eine Luft, und zwar in der Fortdauer, nach welcher solche der Gesundheit am zuträglichsten ist, auf den Erdboden auch wirklich vorhanden sey, wissen nur die, die schon so lange darum bekümmert, sie dennoch nirgends ausgespürt haben. Doch ist es die in diesen Gespanschaften in dem Grade wenigstens, der den Wünschen unserer vaterländischen Aerzte, denen an der Herstellung und Erhaltung ihrer Mitmenschen gelegen ist, nur selten nicht entspricht.
Unter die bergichten Gespanschaften von Ungern rechne ich
*Huxhami opera physico-medica. Tom. I. pag. 5?
(P10)
Dießeits der Donau: Die
Trentschiner,
Orawer und
Liptauer.
Jenseits der Donau: Die
Graner.
Dießeits der Theiße: Die
Zipser,
Scharoscher, und
Torner.
Jenseits der Theiße: Die
Kraßner,
mittlere Solnocker,
Marmaroscher, und
Kraschower.
Dieß ist derjenige Theil von Ungern, der von Gebirgen, und Ungeheuern Abstürzen strotzet, und nur selten eben ist. An ähnlichen Erdstrichen fehlt es auch dem übrigen Europa nicht, und überall ist die Luft nach Maaßgabe der Polushöhe, der Jahreszeiten, Tag- und Nachtslänge, rauh, kalt, meistens trocken, nur dann feucht, wenn durch anhaltende Wärme der Schnee im Sommer schmilzt, Bäche und Flüße anschwellen, folglich Uiberschwemmungen verursachet werden. „Da die äußersten Gipfel des karpathischen Gebirges mit ewigem Schnee bedeckt sind, so ist dadurch nicht nur die Beschaffenheit der Luft überhaupt kühler, sondern es werden auch durch die Nordwinde, die dort fast beständig wehen, alle feuchten und schädlichen Dünste, die ja hätten können gesammelt werden, zerstreuet; daß daher sowohl Menschen, als allen Thieren jeder Abbruch von Lebhaftigkeit wieder ersetzet wird.- - Daher kommt es, daß man unter den
Zipsern meistens starke Leute, die mehr durch die Lunge und Oberfläche ihres Körpers, als durch den Magen genähret scheinen,* antrift. Viele werden durch gar keine, oder doch nicht erhebliche Krankheiten ungestört, achtzig, neunzig, auch hundert Jahre alt.“** Ich denke mich mit
Bels Worten deutlich genug ausgedrückt zu haben; sollte es aber Heterodoxen geben, die daran zweifeln, denen rahte ich, in jeder dieser Gespanschaften den Augenschein selbst einzunehmen.
*Ich weiß nicht, ob Bel das parvo viventes anders habe verstehen können?
**Bel Hungariae antiq. et novae prodromus. pag. 74.
(P11)
Es giebt in Ungern auch Gespanschaften, deren Horizonte durchaus flach sind. Diese sind meistens unter den von der ersten, zwoten und letzten Klasse zerstreuet. Ihr Boden ist größtentheils sandig, und freyer von Morästen als die letzte Klasse. Die Qwellen des Einflusses auf den Menschen sind da meistens in der bergichten, flachen, oder sumpfichten Nachbarschaft zu suchen, und werden von der hin und her wehenden Luft bestimmet. Die Atmosphäre aber, daß solche da sehr trocken und mit Sand benebelt sey, daß dieses auch nur der Regen oder Schnee mildern kann, darf ich wohl Niemanden sagen, der nur ein bischen Physik weiß. Hieher gehören
Dießeits der Donau: Die
Scholter.
Jenseits der Donau: Die
Wieselburger.
Dießeits der Theiße: Die
äußere Solnocker.
Jenseits der Theiße aber zeichnet sich für diese Klasse fast keine Gespanschaft aus.
Und nun einen Blick in das Grab aller Ausländer! So heißt es, wenn man sich der morästigen Gegenden unsers Vaterlandes erinnert, — aber einen Blick, den verjährte Vorurtheile nicht mehr blenden!
Dießeits der Donau: In die
Batscher, und
Bodroger Gespanschaft.
Jenseits der Donau: In die
Stuhlweißenburger, und
Schümeger.
Dießeits der Theiße: In die
Tschongrader.
Jenseits der Theiße: In die
Arader,
Torontaler,
Temescher, ihren gebirgichten Theil ausgenommen, die
Békescher,
Bihárer,
Saboltscher,
Tschanader,
Ugotscher, und
Sathmárer.
Man frage den, der in diesen Gegenden zu Hause ist, nach seinem Befinden: ganz wohl, wird er antworten, wenn er deutsch spricht. Ich bin diese Luft schon so gewohnt, daß es mir fast übler anschlägt, wenn ich mich einer andern aussetze! — Auf so eine Antwort kann man sicher von dem größten Theile der Bewohner
(P12)
dieser Gegenden Rechnung machen; und fragt man einen mäßigen Fremdling, der sich da niedergelassen hat, so wird ers bestätigen. — Das ist nun freylich wahr, daß hier eben die beßte Luft nicht sey, aber um zu glauben, daß solche gerade die Zerstörerinn der thierischen Oekonomie bey denen, die sie einahtmen, ist, müßte man bloß dem Gerüchte trauen, und sehr wenig dabey denken. Was die Ausflüße der Moräste der Gesundheit von einer Seite schaden, das ersetzen von der andern so viele heilsame und auch wohlfeile Produkte wieder: aber zu wünschen ist es, daß man bessern Gebrauch davon machte; die beßten Gattungen von Obst, die vortreflichsten Melonen, und köstlichen Wein, giebt es da im Uiberflusse, deren mäßiger Genuß hinreichend genug ist, allen verderblichen und so erbärmlich abgeschilderten Wirkungen der feuchten und faulen Luft vorzubeugen. Es geschieht aber selten, und nicht einmal das Wasser, welches getrunken wird, verbessert man; und Eßig kostet ja so gar viel nicht. — Wem ist also der Gesundheit und des Lebens Verlust zuzuschreiben? der natürlich übeln Beschaffenheit des Klima, oder dem Eigensinne des Volks, das dem Befehlen seiner Vorurtheile Gesundheit und Leben aufopfert? Und würde nicht die gütigste Vorsorge einer weisen Regierung durch so viele Jahre her so viele Moräste theils des ökonomischen, theils des physischen Einflusses wegen haben austrocknen lassen, so würden wir gewiß noch zahlreichere Schlachtopfer der Vorurtheile sehen.
Herr
Doktor Fucker* hat sehr gut angemerket, daß das Volk, welches sich in diesen Provinzen niederläßt, von Noht und Hunger durchdrungen, ihre Krankheiten meist mit sich bringe, und daß viele, ehe sie noch den Schritt über die Gränzen machen, sterben. — Und auf einer andern Seite bemerkt er, wie sehr man es ohne Grund annehme, daß, ehe noch Kolonien nach diesen Theil unsers Vaterlandes wanderten, oft der größte Theil
*De salubritate et morbis Hungariae.
(P13) der Armeen über den verderblichen Einfluß der Luft ihr Leben sollten eingebüßt haben. — Daß der Mensch nicht von der Luft allein leben könne, hört man alle Tage: aber, daß er nur von ihr allein krank werde, und sterbe, glauben so viele, auch solche, die sich aufgeklärter als der gemeine Haufe dünken. Selbst viele Aerzte haben sich so wider die Luft verschworen, daß leider! oft die Gesundheit die Kosten tragen muß. Durch ein Ungefähr zweymal des Tages vom Bauchgrimmen, Gallenfieber, oder gar
Petechen zu hören, ist schon genug, eine Luftepidemie daraus zu machen; da wird die Luft so lange hin und her gezerrt, bis die wenigen Kranken sterben, und da hört die ganze Epidemie auf. So hat man oft zu wenig Rücksicht auf hundert andere Ursachen, die unsre Gesundheit bestürmen. — Man vergleiche hierüber das epidemische Beyspiel der zwoten preußischen Armee in Sachsen, in den Jahren 1778 und 1779* und ziehe das Resultat wider alle Luftschnapper heraus.
Ich habe oben erinnert, daß die in dem Dunstkreise schwebende Luft — von der ich nichts Mehr sagen will — und der Wind, dem ich mich nun nähere, unterschieden werden müßen. „Nichts, als angenehme Träume sind es bey den Aerzten, die in ihren Schriften dem Ostwinde eigene Wirkungen, und wieder eigene dem Nordwinde beylegen. Sie sagen: der Nordwind sey trocken und kalt, der Sudwind hingegen warm und feucht. — — Wer sich aber über die Wirkungen der Winde erklären will, der muß wissen, daß der Wind von dort, wo er herkömmt , alles mit sich bringt. Wer die Wirkungen der Winde, denen
Leyden ausgesetzt ist, erfahren will, der nehme in einer richtigen Landkarte in Leyden den Mittelpunkt an, dann muß er durch die Magnetnadel die an Leyden angränzenden Gegenden, und die Richtung der
*Das königlich-preußische Feldlatzaret nach seiner medizinal- und ökonomischen Verfassung, der zwoten Armee im Kriege von 1778 und 1779. Leipzig 1780.
(P14)
Winde vom ganzen Umfange bestimmen.“* Wer also die Wirkungen der Winde, denen
Preßburg,
Pesth,
Temeschwár,
Debrezin, u. a. m. ausgesetzt sind, erfahren will, der mache es eben so, und er wird nie fehlen. — Ein ausführliches Muster hievon haben wir vom Hrn.
D. Just Johann Torkosch,
von Preßburgs Lage, Wässern, und Luft zu danken.** Mit einem Worte: man muß immer die Gegend, über welche man die Wirkungen der Winde bestimmen will, geographisch genug kennen, und darüber ließe sich von Ungern allein ein Foliant schreiben.
Einen merklichen Einfluß auf die Luft haben die Seen und die Flüße in Ungern, mit welchen letztern dieses Reich fast durchströmet wird. Und daher kömmt es auch, daß oft die reinsten Gegenden von schädlichen Einflüßen, je nachdem Uiberschwemmungen entstehen, oder nicht entstehen, nicht frey sind.
Daß sich noch Vieles von der Luft in Ungern sagen ließe, das weiß ich; aber ich weiß auch, daß es eben so wenig auf Ungern allein und besonders passen würde, als alles, was ich gesagt habe; und mehr wollte ich nicht sagen.
H.
Wird fortgesetzt.
*Boerhaav. praelect. in proprias institutiones medicas ab Hallero edit. Tom.VI. §. 753.
**Merkwürdig ist es, da man insgemein alle erhabenen Lagen der Gesundheit angemessener hält, als die flachen, daß dieses sich bey dem Schlosse in Preßburg nicht anwenden läßt; weil es größtentheils mit der Stadt umgeben, und folglich allen möglichen Ausdünstungen stets ausgesetzt ist, wenn solche nicht durch Winde zerstreuet werden.