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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin, Band 2, Heft 2, Text 12 (S. 129-145)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1781
Autor:
Conrad Dominik Bartsch
Zuordnung: Geographie
(P129)
12. Bemerkungen über den Blattensee.
Nebst einem Kupfer.
Schreiben an den Herausgeber.
Nagy-Attad,* den 23. Sept. 1781.
Da ich schon lange gewünscht hatte, den
Blattensee zu sehen, der nicht selten den vielbedeutenden Namen des
mare hungaricum führet, so war mir die Gelegenheit sehr erwünscht, die mir vor einigen Tagen angebohten worden, von hier nach
Kesthel zu reisen, wodurch ich Gelegenheit erhalten sollte, wenn auch nicht den ganzen See zu umreisen, wie meine Wißbegierde gewünscht hätte
*Dieser im Schomogyer Komitate, zwo Stunden vom Postorte Bresnitz an der Rygna gelegene sehr grosse Marktflecken, der jährlich 5 priviligirte Jahrmärkte hat, davon zwey die beträchtlichsten im ganzen Komitate sind, erscheint zuerst in Ihrer neuen Geographie Th.I.S.382. aber fälschlich unter dem Titel eines Dorfes. In einigen Landkarten steht er unter dem verdorbenen Namen Hadad und Hacal angezeichnet. Es ist der Familienort der Herren v. Czindery, die sich daher von Nagy-Attad schreiben.
(P130)
doch einsweilen einen Theil davon zu sehen. Erlauben Sie mir demnach mit Ihnen zu communiciren, was ich auf dieser obschon kleinen Excursion bemerkt, gedacht, und untersucht habe; und weisen Sie mich zurecht, wenn Sie mich im Irrthume finden.
Der Weg von hier gehet meist durch Eichwälder, wovon, wie bekannt, fast das ganze
Schomogyer Komitat bedeckt ist, über
Kutosch,
Marczal etc. nach
Bathyán. Nicht gar eine halbe Stunde weit von hier ist die
Gräfl. Festetitschische Uiberfuhr über den
Blattensee. Sie geschieht auf einem geräumigen sehr fest gebauten Schiffe, und geht sehr ordentlich. Da an den Ufern auf eine weite Strecke alles mit Schilf bewachsen war, so hat der Graf dasselbe ausreuten, und dem Schiffe eine freye Bahn öfnen lassen. Obschon der See hier schon sehr schmal ist, so fährt man doch länger als eine Stunde, bey gutem Wetter über denselben. So bald man aus dem Schiffe kömmt, und den See der Länge nach betrachtet, sieht man desselben kein Ende, und er fängt an fürchterlich zu werden. Wirklich ist er auch bey Stürmen sehr schrecklich, und verbietet oft mehrere Tage die Uiberfahrt. Man landet auf der Seite von
Kesthel.
Sobald ich auf den See kam, sah ich alsogleich obenauf schwimmend, und zwischen dem Schilfe eine grosse Menge und Verschiedenheit von Schnecken und Muscheln, davon ich mittelst eines kleinen, an einen Stock befestigten Netzes, eine beträchtliche Anzahl ausfieng. Als dieses die Schifleute sahen, so meldeten sie mir, daß weiter hinauf in der See ein Ort wäre, wo eine noch größere Menge solcher Muschelschaalen zu finden sey. Ich verließ daher das Uiberfahrtsschif, und bestieg einen kleinen Kahn, auf den sie mich weiter hinaus in die offene See führten. Er schlemmet den reinsten Qwarzsand, den er an mehrern Orten zu Inseln anhäuft. Darunter wirft er ganze Muschelschaalen und Bruchstücke derselben aus, welche bald in Kalk verwittern, und sich auflösen. Ich machte hiebey die
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Betrachtung, ob nicht dieses die Entstehung des Kalksandsteines (Cos arenaria glutine calcareo) sey, wenn die aufgelößten Kalktheile sich mit dem Qwarzsande verbinden, und ihn mit der Zeit zusammenleimen. - Wir ländeten an einer solchen etwas größeren Insel, wo das Wasser stickt und rein ist, und ich fand die Sage der Schifleute gegründet.
Es wird Ihnen vielleicht nicht unangenehm seyn, wenn ich hier die verschiedenen Arten von Muscheln und Schnecken, die ich in dem See gefunden, auseinander sehe. Ich folge darinnen der Ordnung und dem Systeme, das der vortrefliche Kenner und fleißige Gelehrte Herr
Joh. Sam. Schröter, in der
Geschichte der Flußkonchilien (Halle, 1779,434 SS. 4to) vorgetragen hat: auf den ich mich auch, Kürze halber, in allem beziehen werde.
Von zweyschaaligen Konchilien oder Muscheln fand ich, besonders bey obgemeldter Insel, in grosser Menge I. den kleinen Aentenschnabel, Mytilus anatinus LINNAEI.* Die meisten Exemplare waren von der Größe der Schröterschen Abbildung; doch fand ich auch einige junge weit kleinere und zärtere. Die Außenseite am Schloffe war bey jedem wie abgeschärft; ihre Farbe grau-braun; die Schaalen waren zart. Ich fand sie alle mit Sande u. mit einer Spitze aufrecht stehend, so wie die Mya arenaria und den Mytilus cygneus, wovon gleich die Rede seyn wird.
Von II. dem grossen Aentenschnabel, der Mya arenaria LINN.** fand ich im
Blattensee nur ein einziges Exemplar, zwischen dem Schilfe, davon das Thier todt war; sie wohnt in der Tiefe, von der sie sonst nie hervorkömmt. Aber an einer von ihren Schaalen fand ich eine sehr schöne und grosse Perle, welches zum neuen Be-
*Beym Schröter a. a. O. abgebildet Tab, l. Fig 2. 3. und beschrieben im Texte S. 160.
**Schröter a. a. O. Tab. II. Fig.1. Text, S. 165.
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weise dienet, daß alle Muscheln dieser Art Perlen zu erzeugen fähig sind.* Eben diese Muschel aber fand ich auf meiner Rückkehr, da ich in
Boronka, das etwa zwo Stunden vom See entfernet ist, verweilte, sehr häufig. Der Eigenthümer besagten sehr schönen Gutes, Herr
von Gál zeigte mir nämlich einen vor drey Jahren ganz neu ausgegrabenen Fischteich, dessen Grund ganz mit Muscheln bedeckt war. Ich ließ mir davon eine große Menge herausholen. Es waren meistens Myae arenariae, und einige derselbigen, obschon nur erst drey Jahre alt, waren fast von der Länge eines halben Fusses. In mehr als 20 Exemplaren, die ich öfnete, suchte ich vergebens eine Perle. Die Farbe der Schaalen war, nachdem ich sie gesotten, und vom Schlamme gereiniget hatte, schön meergrün, mit
*Vergl. mit Schrötern a.a.O. S. 151. — Es ist bisher nicht entschieden, was eigentlich die Perle sey. Der Herr Pastor Chemnitz in seiner neuen Theorie über den Ursprung der Perlen [in den Beschäftigungen der Gesellschaft naturforschender Freunde, I. B. S. 344. vergl. mit Schröter, S. 175] hält sie für Verwahrungsmittel gegen die Anfälle der Feinde, und für Heilpflaster, wenn die Schaale tödtlich verwundet ist. Dieser Meynung pflichten viele Naturkündige, und selbst Hr.Schröter bey; dennoch kann ich mich durch ihr mächtiges Ansehen nicht verleiten lassen, an der Zuverläßigkeit dieser Theorie zu zweifeln, die viele Erscheinungen nicht erklärt — und ich bin immer geneigter, die Perle vielmehr für eine Krankheit zu halten, wie etwa die Krebsaugen bey den Krebsen, Bezoare bey den Thieren; und Steine im Menschen: für eine Austretung der Vaseularsäfte, aus denen auch die Schaale wird. Ich bin in dieser Meynung bestärket worden, da ich [aus Schlötzers Briefwechsel Th. VII. S. 251. zuerst] Nachricht von einem Geheimnisse erhalten, das Linne besessen, nämlich: Muscheln mit ächten Perlen zu imprägniren, und nunmehr [aus dem Gothaer Kalender auf das Jahr 1782. S. 103.] erfahre, daß dasselbe in einer Art von Speise bestehe, die er in die Muschel ließ, und wovon das Thier die — Krankheit? — erhielt, durch dle es Perlen erzeuget. Vielleicht aber ist es keine Speise, sondern eben das Mittel, dessen sich die Sineser zu künftlicher Verfertigung der ächten Perlen bedienen, indem sie in die Perlenmuschel ein aus Perlmutter gedrehtes kleines Kügelchen bringen, welches das Thier alsdann vergrößert, und nach einer Frist als eine schöne grosse Perle wiedergiebt. [S. Schröters a. W.S. 178.] Dem aber sey wie ihm wolle: in beyden Fällen scheint die Perle von einer Krankheit zu entstehen.
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gelbgrün abwechselnd. Jede hat 6, 7, bis 8 Ansäße, zum Beweise, daß man davon nicht auf das Alter derselben schließen könne; denn meine Exemplare konnten nicht mehr als 3 Jahre haben, als vor welcher Zeit, wie gesagt, dieser Teich ganz neu gegraben worden.
Nebst dieser Muschelart bekam ich noch aus eben diesem Teiche, die eigentlich sogenannte IV. Teichmuschel, Mytilus csgnaeus LINN.* Sie waren alle in der Größe der vorigen Art fast gleich; in der Farbe aber dunkler, (braungrün.) Derjenige, der sie mir aus dem Wasser zog, beschrieb mir genau, wie Herr
Prof. Müller** die Art, wie sie im Sande stecken, und behauptete solches nicht nur von der vorhergehenden Mya arenaria L. die daher ihren Namen hat, sondern auch von diesem Mytilus cigneus L. Da ich nun, wie ich oben erwähnet, auch den Mytilus anatinus also mit der einen Spitze aufrecht im Sande steckend gefunden, so scheint es, diese Gewohnheit sey allen diesen größern Muschelarten gemein, die in der Natur unstreitig sehr enge versippschaftet sind, und unter ein Geschlecht gehören, wenn schon der Systematiker sie trennen muß.
Häufig fand ich auch im
Blattensee V. die Malermuschel, Mya pictorum LINN.*** Da ich davon nur solche Exemplare erhielt, die von den Wellen an besagte Insel frisch ausgeworfen wurden, so kann ich nicht bestimmen, ob sie wie die vorigen sich im Wasser halten. Es herrscht unter dieser Art eine ungemeine Verschiedenheit. In keiner fand ich Perlen.
Ich komme nun auf die einschaaligen Konchilien Oder die Schnecken. VI. Die Flußpurpurschnecke, Helix cornea LINN.**** ist sehr frequent, von horn-
*Schröter a. a. Tab. III. F. 1.Text, S.162 .
**Im Linnäischen Natursysteme, Th. Vl. S. 210.
***Schröter a. a. O. T. III. F. 2.4.5. Text, S. 178.
****Schröter a. a. O. T. V. F. 16. 20. 21. T. XI. F. 7.Text, S. 233.
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brauner Farbe und sonderbarer Größe. Ich fand Exemplare von 1 Zoll und 3 bis 4 Linien im Durchschnitte.
Etwas seltener ist VII. das Posthorn, Helix complanata LINN.* aber dafür von einer Größe, wie ich sie an denselben nie gesehen. Ich habe davon ein paar Exemplare einer Zollgröße.
Am seltensten kömmt VIII. die Ohrschnecke, Helix auricularia LINN.** vor, die ebenfalls von schöner Größe ist. Ich fand davon auch die andere, vom
Linné nicht bemerkte Varietät, die
Schröter Helix auriculana alata mucrone elato nennet, und in seinem oft angeführten Werke Tabula VI. Fig. 5. abbildet, auch Seite 277. beschreibe. - In keinem von diesen Schnecken fand ich das lebendige Thier; die sehr zarte Schaale war weis, und gieng in allen Exemplaren schon in die Calcination über.
Sehr häufig und sehr groß kam IX. das grosse Spitzhorn, Helix stagnalis LINN.*** vor. Seine gewöhnlichste Größe ist fast von 2 Zollen. Die Farbe bey den meisten gesunden Schaalen ist hornartig, die Schröter sonst selten nennet. Einige waren, wie
Argenvilles Exemplare aus der
Rhone, grün; aber diese Farbe war, wie Schröter richtig muhtmafset, nur ein Uiberzug von Schlamm, der sich wegwaschen ließ.
Endlich nicht ganz so häusig X. die lebendgebährende Wasserschnecke, Helix vivipara LINN.**** aber auch wieder sehr groß. Diese sehr merkwürdige Schnecke hat bekanntermassen das Sonderbare vor allen andern Schnecken, daß sie lebendige Junge sammt der Konchilie gebärt, da andere erst Eyer legen, woraus das junge Schaalthier sich entwickelt;**** und daß bey selben
*Schröter a. a. O. T. V. F. 22. s 25. Text, S. 239. ** Schröter a. a. O. T. VI. F. 3.6. Text, S. 272.
***Schröter a.a.O.T.VII.F.1. Text, S. 305.
****Schröter a.a.O.T.VIII.F.1.Text,S.330.
***** Unter den Muscheln ist diese Eigenschaft gemeiner. [S. Schröter a.a.O.S.152.] Ein Beweis ist die bekannte kleine Sienmuschel: Tellina cornea Linn.
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ein Unterschied des Geschlechtes statt findet, da andere Schnecken Hermaphroditen sind, wenn sich gleich einige wechselweise begehen, wie
Adanson bemerket hat.* Ich habe davon sehr viele gefangen, und todt gesotten, um die Anzahl ihrer Jungen zu zählen. Es befremdete mich sehr, als ich bey mehr als 20 Exemplaren immer nur 2 ziemlich vollkommene Junge, nie mehr, nie weniger fand, bis ich endlich zu meinem grossen Erstaunen in einem ziemlich grossen Exemplare bis 22 vollkommene Junge zählte.** Unvollkommene sah ich nicht, oder bemerkte sie vielleicht nicht sorgfältig genug; vielleicht gab es auch keine mehr in dem Thiere, in dieser Zeit, wo es vielleicht sich schon des größten Theils seiner Brut entlediget hatte. — Viele von diesen Schnecken hatten gar keine Junge; und diese waren vermuhtlich die Männchen. Die Farbe der Schaale ist meist braun, mit Unrahte überzogen; nur ein paar Exemplare fand ich von zärterer hornfärbiger Schaale, die dunkelrohte Bänder über die untersten Windungen hatten.
Dieses sind die Schaalthiere, welche ich im
Blattensee gefunden habe. Ich zweifle nicht, daß man nicht noch mehrere Arten in demselben antreffen könnte, wenn man sich dabey länger aufhielte, als es mir Zeit und Umstände gestatteten.
Aber sie sind bey weitem nicht die einzigen Merkwürdigkeiten unseres Sees. Er hat noch viele andere. Hieher rechne ich besonders die sogenannten Ziegenklauen, eine Versteinerung, die der Blattensee auswirft.
Die Naturgeschichte hat auch, wie die Historie und andere Wissenschaften ihre Mythologie; viele ihrer Erscheinungen werden durch diese erklärt. Beyspiele sind: die versteinerten Brode, die Ladislausmünzen, die Rogenstei-
*Vergl. Schröter a.a.O. S. 125.
**Lister fand in einer 10 vollkommene Junge mit einerfühlbaren Schaale, 45 halbvollkommene, und 4 noch unvollkommene; also 89 sichtbare Junge in einem Thiere, das kaum einen Zoll im Durchschnitte beträgt!
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ne, und andere dergleichen natürliche Produkte. Auch unsere Ziegenklauen gehören in ihr Gebiet, und sie erzählt ihren Ursprung folgendermaßen: Andreas- des Königs Stephan Vetter, da er noch Prinz gewesen, sey einstens in äußerster Armuht aus christlichen Feldzügen nach Hause zurückgekommen, und habe im
Szalader Komitate, am
Blattensee einen Hirten angetroffen, von dem er 1000 Ungrische Gulden zu leihen begehrt; der Hirt habe zur Antwort gegeben: „ Gott weis es: daß ich kein Geld habe. „ Andreas habe erwiedert: „ Wenn es Gott weis, daß du Geld hast, so strafe er dich und deine Heerde!" worauf sogleich der Hirt, und seine Ziegen sich in den See gestürzet, woher die Klauen der Ziegen nun versteinert wieder kämen.* Die Gestalt dieses
Petrefakts hat wirklich viel Aehnliches mit den Ziegenklauen, und könnte die Unwissenheit leicht auf diesen Irrthum bringen; nur hätten es ihr Gelehrte nicht nachlallen sollen,** besonders da sie alle doch witterten, daß es vielleicht versteinerte Muscheln seyn könnten;*** denn dieses däucht mir, sey beym blossen Ansehen eines einzigen Exemplars entschieden. Weit schwerer aber ist die Frage: ob dieses Fossile eine wahre Versteinerung, oder nur ein Steinkern ist? Nachdem ich davon mehr als hundert Stücke in den Händen gehabt, und untersucht habe, muß ich gestehen, daß ich diese Frage nicht mit völliger Gewißheit zu bestimmen vermag. Wäre es ein wahres Petrefakt, so wäre es unbegreiflich und unnatürlich, wie in einer so seichten Vertie-
*Herr P. Klein in der Sammlung merkwürdiger Naturseltenheiten des Königreichs Ungerns, Preßb. u. Leipz. 1778.8, S. 26, ist der Depositär dieser Sage.
**S. Klein an eben a.O; - die Anzeigen aus sämmtlichen K. K. Erblanden IV. Jahrgang S.39. den Almanach von Ungarn, Wien und Preßb. 1778.S.203.
***Im letzt angeführten Werke werden sie gar possirlich vom Schaume des Wassers inkrustirte, durch die Wellen abgeschlagene, und durch die Sonne kalzinierte Muscheln genannt Wer versteht dieses aus Kunstwörtern zusammengeflickte Galimathias?
(P137)
fung, als sie hat, ein Thier hätte leben können, das zugleich stark genug gewesen wäre, eine so dicke, meist aus Masse bestehende Schaale zu schleppen. Also wäre sie für einen Steinkern zu halten; für den Rest der seinen Kalkmaterie, die sich in die vormalige Schaale, wie in einen Model ergossen; und da die Schaale vergangen ist, als ein Kern zurückgeblieben. Diese Meynung ist gewißlich begreiflicher und wahrscheinlicher. Ich hielt sie für entschieden; aber nachdem ich mehrere Exemplare neuerdings sorgfältig untersucht habe, gieng es mir wie dem
Simonides, da er dem Tyrannen
Hiero die Gottheit zu erklären versprochen hatte; er mußte zuletzt gestehen:
quanto diutius considero, tanto mihi res videtur obscurior.* Ich fand unläugbare Spuren einer blättrigen Schaale an verschiedenen Exemplaren, und da ich einige zerschlug, entdeckte ich, daß dieser blättrige Bau durch die ganze feine Masse der Muschel in dünnen Schichten sichtbar sey, welches mich zwang, zur ersten Meynung zurück zu kehren, so unnatürlich sie mir auch scheinen mochte. — Das Orignal dieser Muschel ist, wie die Originale so vieler anderer Versteinerungen, gänzlich unbekannt, weil selbes wahrscheinlich durchaus vergangen, oder, was bey den meisten verfeinerten Konchilien, deren Originale wir nicht kennen, glaubwürdiger ist, sich in unbekannten Meeren, oder in bekannten in der äußersten Tiefe aufhält, und daher nie zum Vorscheine kömmt.** Die größte Aehnlichkeit mit
*S. Cicero: De Natura Deorum L. I.
**Ist ein Wunder zum Beyspiele, wenn wir von unserm versteinerten Cornu Ammonis, das oft einen Fuß hoch ist, kein Original kennen? Die Gewalt der Wellen kann wohl geringere Schaalthiere auf die Ufer und seichtere Oerter schleudern; aber über so mächtige Thiere hat sie keine Gewalt; sie bleiben ruhig in ihren Tiefen die auch kein Senkbley zu erreichen vermag. Und wie groß war ... auch die Bemühung der Liebhaber, die Muschelthiere in der See selbst aufzusuchen? Sie haben meist nur an Ufern gefischt; die Seeleute, welche die offene See durchschneiden, haben wenig auf Konchilien geachtet, und selten sind sie von Banks und ... begleitet worden; und wenn sie diese begleiteten, so haben sie auch zu einem uns lange unbekannten und für ausgestorben geglaubten Entomolithus paradoxus Linn. ein lebendiges Original gefunden. — Vielleicht werden noch alle unser Versteinerungen einst lebendig gefunden.
(P138)
dieser Versteinerung unter bereits bekannten Seethieren— die ihr zum Beweise ihrer Verwandtschaft mit dieser Klasse dienen könnte, scheint mir, hatte noch das Cornu Copiae, davon bisher ein einziges Exemplar in der gelehrten Welt bekannt worden ist, und das sich in der
K. K. Naturaliensammlung zu Wien befindet, und vom Herrn
von Born* zuerst beschrieben und abgebildet worden. Der Unterschied ist, daß dieses rund und sehr gebogen, die Ziegenklauen aber einigermaßen dreyeckig und gerader, auch viel weiter an der Oefnung sind. — Eben so däucht mir ähnle sie einigermassen der seltenen Patella Ungarica LINN. die ich auch nie anders als versteinert und kalcinirt gesehen habe. Eine weit größere Aehnlichkeit haben die Ziegenklauen mit einer andern Versteinerung, deren Original auch unbekannt ist: ich meyne die Pantoffelmuschel, (Sandalthes, Crepites) des
Baron Hübsch, welche er der erste in der
Eifel gefunden, und mit grossen Lärmen angekündget hat.** Gleich Anfangs hielt ich nach der Beschreibung beyde Versteinerungen wirklich für eines; da ich aber die Pantoffelmuschel selbst zu Gesichte bekam, bemerkte ich leicht den grossen Unterschied. Diese ist eins wahre, nicht zweifelhafte Versteinerung einer dünnen Schaale, die mit Sand ausgefüllt ist, genau wie ein Pantoffel, oben rund und unten platt, hat Ribben, ist bis auf die Hälfte ausgehöhlt, hat einen Deckel und Spuren eines Gesperrs: lauter Attribute, die unsern Ziegenklauen fehlen. Sie scheint zu dem Geschlechte der Spondyli LINN. zu gehören; die Ziegenklauen aber zum Geschlechte der Ostreae LINN.
*In seinem Index Rerum natural, Musaei Caes. Vindobonensis. Vindob, 1778.8.S.371.
**S. des Freyherrn von Hübsch neue in der Naturgeschichte des Niederdeutschlands gemachten Entdeckungen einig seltenen und wenig bekannten versteinerten Schaalthiere Frankfurt und Leipzig. 1768. 8. S. 40.
(P139)
Obgleich von dieser sehr merkwürdigen Versteinerung schon öfters geschrieben worden, so ist sie doch noch immer auswärtigen Liebhabern völlig unbekannt geblieben, und hat noch nicht das Bürgerrecht unter den Verzeichnissen der
Petrefakte wie die Pantoffelmuschel* erhalten; vielleicht weil eine Abbildung davon fehlte, dergleichen ich hier beylege. Fig. l. ist eine Ziegenklaue umgekehrt; A. ist ebendieselbe von der einen, B. von der andern Seite. Fig. II. und Fig. III. sind andere verschiedene Exemplare. Nie sah ich zwey sich völlig gleiche Stücke; sie sind alle in der Form, Größe und in den Krümmungen mehr oder weniger voneinander unterschieden.
Der
Blattensee wirft diese Versteinerung nicht allenthalben aus; ich selbst sah den Ort nicht, und mußte mich begnügen, von andern durch Nachfragen zu vernehmen, daß sie am häufigsten bey der Insel
Tihány an das Ufer geworfen werden, wo sie die Mönche des daselbst befindlichen Benediktinerklosters auflesen, und in der Gegend herum vertheilen, wo man sie zum medicinischen Gebrauchs verwendet, indem man sie nämlich pulverisiret, u. den Augen leidenden Pferden zur Heilung einbläst. Man hält sie dazu von besonderer Wirkung, ohne zu begreifen, daß sie nichts als feiner Kalk seyen, und jeder andere feine, spatartige, oder Muschelkalk u. d. gl. den nämlichen Dienst leisten müße.
Noch eine andere Merkwürdigkeit des Blattensees ist der an der Ecke bey
Fock ausgeschlemmte häufige Eisensand. Ich weis zwar, daß verschiedene Meere, das Mittelländische bey
Messina auf Sicilien, und bey
Genua, der Ocean an den kanarischen Inseln,** das Indische Meer bey
Koromandel, u. a. m. dergleichen Sand an das Ufer setzen; aber ich erinnere mich nicht, irgend von
*S. z. B. die neuesten Werke: Blumenbachs Handbuch der Naturgeschichte. Göttingen 1780. II. S- 552—- Gmelins deutsch bearbeitete Linnäische Mineralogie etc.
**Nämlich am Ufer der Insel Palma. S. Glas Gesch. d. Entdeck.der Kanar. Inseln. A. d. F.Leipz 1777. S. S. 281.
(P140)
einem See süßen Wassers gehört zu haben, der dergleichen thäte wie unser
Blattensee. Der Sand wird von dem Erdsande gereiniget, und häufig allenthalben als Streusand bey
Dintenzeugen gebraucht. Mit dem Vergrößerungsglase betrachtet, findet man darinn unläugbare Stücke von weißem Qwarze und feinern Aedelsteinen, als Rubinen, Granaten, Amethysten etc.*
Es ist dieses eben der Sand, den
Valmont de Bomare** unter dem Namen Purette (Ital. Puretta) beschreibt; er hat genau die von ihm angegebenen Kennzeichen, daß er nur zum Theile vom Magnete angezogen wird, weder im süßen noch Meerwasser, weder im Urine noch in Säuren rostet, auf der Flamme des Lichtes nicht knistert, und nicht abfärbt, es wäre denn, er werde zerqwetschet: lauter Eigenschaften, wodurch er sich so wesentlich von den gemeinen Eisenfeilspänen unterscheidet, daß einige gar der Meynung waren, ihn nicht für Eisen zu halten.—
Unter die übrigen Merkwürdigkeiten dieses Sees gehört auch sein Reichthum an Fischen.*** Ich sah die schönsten Stücke des Schills aus selben heraus fangen, und das Stück zu 1 Kreutzer verkaufen. Sonst nährt er auch Schaiden, Weisfische u. a. Der merkwürdigste Fisch in demselben aber ist der sogenannte Zahnfisch (ungrisch Fogas) der dem
R. Linné, und so viel mir bekannt ist, auch allen andern Naturforschern bisher gänzlich unbekannt geblieben. Ich enthalte mich aber hier ein Mehreres
*Er ist an diesen Aedelsteinen reicher, als der Sand von Messina [den ich in Fiume auch als Streusand gekauft] der daher schwärzer und feiner aussieht.
**S. Dictionnaire d'histoire naturelle. Lyon. 1776. VII. S. 385.
***Er mag vormals noch größer gewesen seyn, wenn anders dem Olahus zu glauben ist, der in seiner Hungaria & c. Vindob. 1763. S. 34. sagt: coloni in ipso lacu Balathon, ut mihi meus retulit Vicarius, uno tractu pisees varii generis viginti curruum saepe prehenderunt.
(P141)
davon zu sagen, da ich hoffe, Ihnen davon ehestens eine besondere Beschreibung sammt der Abbildung zuschicken zu können. —
Und wie sehr hätte ich gewünscht, Wochen und Monate zu haben, um mich länger in diesen zur Ausbeute so reichhaltigen Gegenden aufhalten zu können; aber wie selten wird dieses Glück den Wißgierigen zu Theile!*
Nun nur noch einige wenige Betrachtungen über den See überhaupt, und dessen Geschichte.
Uiber die Entstehungsart dieses Sees kann ich nichts Bestimmendes sagen. Die vormaligen Einwohner erzählten dem
Tubero**: er sey bey der Geburt Christi plötzlich aus der Erde entsprungen. Wahrscheinlich ist er, wie alle dergleichen Seen, ein Uiberrest eines Meeres, das einstens ganz Ungern bedeckte, und der nach und nach seine Salzigkeit verloren hat. Es ist eine alte Sage, daß derselbe durch den Wirbel der Donau, mittelst eines unterirdiscken Ganges einen Hauptzuftuß erhalte: eine Meynung, welche der Träumer
Kircher, meines Wissens zuerst vorgebracht, und
Happelius Herbinius,
Berkenmayer,
Stralenberg, und so viele andere, ohne hinreichendem Grunde, nachgebehtet haben, die alle durch die Beobachtungen unseres seel.
Popowitsch,*** wie mich däucht, sattsam widerleget sind. Man muß also glauben, es seyen natürliche unterirdische Qwellen, die ihn nähren, und wegen der er eben nicht vertrocknen konnte, da schon sein Muttermeer entwich. Außer dem wird er noch durch den
Szalafluß, neun an
*Indessen tröste ich mich noch mit dem Versprechen, das der Verfasser des Almanachs von Ungarn S. 203. macht, "daß von diesen und andern Seltenheiten des Königreichs Ungarn ein gelehrter Freund desselben, etwas durch den Druck bekannt machen werde, welches für die Liebhaber der Naturgeschichte höchst angenehm seyn wird."
**S. dessen Commentariorum de temporibus eius l.. IV. §. V. in Schwandtners Script. Rer. Hnng. T. II.P. I. S. 169.
***S. dessen Untersuchung von den Wirbeln in der Donau, in den Untersuchungen vom Meere, Frkfrt, und Leipz. 1750. S. 195; — auch besonders abgedruckt, Wien, 1780.8.
(P142)
selben befindlichen Qwellen, vierzehn kleinen Wildbächen und 17 Mühlbächen genährt. — Seine Geschichte fängt mit der Geschichte Ungerns selbst an. Die Römer nannten ihn — Volceas, nach der fast allgemeinen Meynung der Schriftsteller;* aber einer der neuesten unter ihnen, der alle an kritischem Scharfsinne weit übertrifft,
Steph. Salagi** zeigt den Irrthum dieser Angabe, und setzt, auf das untrügliche Zeugniß alter Schriftsteller gegründet, den See Volceas tief in Niederpannonien, in die Gegenden des alten
Mösiens und vindicirt dem
Balaton den Namen des Lacus Peiso, oder Pelso, den ihm zwar schon
Tubero*** zugemuhtet, die meisten übrigen Schriftsteller aber fälschlich dem
Neusiedler See bey
Oedenburg, und Sie, mein Freund! — neuerlich gar, wie mich dünkt — erlauben Sie mir diese Freymühtigkeit — ohne hinlänglichem Grunde einem See in der Gegend von
Preßburg zugeeignet, der vormals der Stadt den Namen Peißburg gegeben haben, nunmehr aber vertrocknet seyn soll.**** — Da die Römer in diese Gegenden kamen, fanden sie selbe mit Wäldern bedeckt, und der See muß viel größer als dermalen gewesen seyn. Der Kaiser
Galerius aber, da er fand, daß hier ein gutes Feld angelegt werden könne, reutete die Waldungen aus, und machte dem See einen Kanal in die
Donau, wodurch er ihn vielleicht um einen grossen Theil verminderte.*****
*S. Bombardi Topograph. M.R. Hungariae. Viennae, 1750. fol.L. 1.C. 2.§. V. und Timon: Imago antiq. Hungariae, Viennae 1762. 4to. Seite 25.28. — und die von ihnen angeführten Schriftsteller.
**De Statu Ecclesiae Pannonicae. [Quinque Ecclesiis, 1777.4] Th. 1. Seite 33. Seine überzeugenden Gründe verdienen im Werke selbst nachgelesen zu werden.
***S. dessen Commentariorum de temporibus suis, L.IV.§.V. am ang. Orte.
****v.Windisch, Geographie des Königr. Ungern. Preßburg, 1780.gr.8.S.33, und 106.
***** Dieses sind die Worte des Aurelius Victor hievon: Agrum fatis reipublicae comodantem, caesis immanibus silvis, atque emisso in Danubium lacu Pelsone, apud Pannonius fecit. De Galerio. S. den Almanach von Ungarn. S.174.
(P143)
Dieses Faktum war es eben, welches die neueren Geographen auf die irrige Meynung geleitet, dem
Lacus Peiso der Alten, für den
Neusiedlersee zu halten, bey welchem man Spuren dieses alten Kanals angetroffen haben will. Aber dieser Beweis ist nicht hinreichend, indem man noch deutlichere Spuren desselben am
Blattensee findet; denn der
Siofluß, kann eben dieser Kanal seyn, welcher, da er bey
Schimontornya in die
Schárwiß fällt, u. mittelst selber den Zusammenhang des Blattensees mit der
Donau herstellt. Zur Bestätigung dieser Meynung scheinen die altrömischen Denkmäler zu dienen, die man in diesen Gegenden antrifft.* Daß dieser See wirklich vorher viel größer gewesen seyn müße, davon sieht man Spuren, die keinen Zweifel übrig lassen, wenn man auf dem gebahnten Wege, gegen
Kesthel hinfährt, wo man immer ein altes tiefes Bett zur Rechten läßt, das nun Felder und Wiesen hat, und vermuhtlich voll Wassers war, bevor K.
Galerius den See abzuzapfen angefangen hat. — Es scheint nicht, daß die nachherigen Könige von Ungern sein angefangenes Werk fortgesetzt; die Geschichtschreiber schweigen von einer solchen Arbeit, und die grosse Verwüstung, in welche der Siokanal und die Schárwiß gerahten, da sie alles umher mit endelosen Morästen bedecken konnten, reden deutlich genug. In dem grossen Zeiträume von K. Galerius bis auf
M. Theresien finde ich in der Geschichte dieses Sees kein Damm mehr, als daß er in selben vermuhtlich in der Landessprache den Namen Balathon, -— ita aquam perpetuo stagnantem Illyrici vocant, wie es
Tubero erklärt — und durch die Kontraktion von diesem den Namen Balaten, Blaten und Blatten-See im Deutschen bekommen hat. Merkwürdiger wird er in unsern Tagen, da die Anwohner, und besonders der Graf v.
* S. den Almanach von Ungarn. S.174.
(P144)
Festetitsch in der Gegend von
Kesthel, ihn auf weite Strecken verdrängt, und seine verlassenen Stellen in fette Weiden und Wiesen umgeschaffen haben, sondern auf den Wink der seel.
Kaiserinn der Vorschlag in Ausübung gesetzt worden durch Reinigung des
Sioflusses, und Austrocknung der durch selben auf beyden Seiten seiner Ufer gemachten Moräste, mittelst der
Schárwiß seine vorige Kommunikation mit der
Donau wieder frey herzustellen, und ihn, so viel als möglich zu vermindern. Zu dieser Arbeit, die schon i. J. 1774 durch den Ingenieur
Fr. Böhm unter der Direktion des
Baron von Schigray angefangen, aber nicht mit dem gehörigen Eifer betrieben worden zu seyn scheinet, steyern die anwohnenden Edelleute die Kosten bey, die nach gemachtem Anschlage, auf 494.302 Gulden sich belaufen sollen, wie sie den Nutzen davon ziehen werden; denn man schätzt das trockene Land, das durch diese Arbeit rings um den See gewonnen werden soll, auf 129.738 Joche, deren jedes 1.100 □ Klafter ausmacht.* Doch nicht allein vom Balaton, sondern auch durch Austrocknung der Moräste, welche wie gesagt, durch den
Sio verursachet worden, und sich auf eine Strecke von 5.868 Joche verbreiten, soll trockenes Land gewonnen werden. Noch mehr an dem
Schárwiß. In dem Jahre 1780 waren laut Berichten** bereits 26.590 Joch Landes ausgetrocknet, von dem mehr als 30.000 Wägen mit Heu beladen werden konnten, und wozu der Adel 41.164 Gulden hergegeben hat. Die Arbeit geht noch immer, aber langsam, fort.
Die Größe des
Blattensees ist von verschiedenen Schriftstellern verschiedentlich angegeben worden. Nach einer neuen authentischen Ausmessung ist er bey 40.000 Klafter lang; seine Breite aber ungleich, wie er denn bey
*Alles dieses habe ich aus Privatberichten, die ich auch im Almanach von Ungarn S. 207 genau so angeführet finde.
**Ephemerides Vindobonenses 1780.X.
(P145)
Fock 8000, bey
Tihány nur 200, sonst aber meist 3000 Klafter beträgt.
Dieses ist nun alles, mein Freund, was ich Ihnen nach meiner eiligen Reise nur an eine kleine Spitze des Balaton, über diesen See zu sagen wußte. Ihre, und Ihrer Freunde Belehrungen und Zurechtweisungen, wo ich geirret haben mag, werden mir jederzeit sehr willkommen seyn. Ich bin —
C.D. Bartsch.