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ZUM GESAMTINHALT

Ungrisches Magazin, Band 4, Heft 3, Text 18 (S. 315-318)
Hrsg. von Karl Gottlieb Windisch
Preßburg, Löwe, 1787
Autor: Zacharias Huszty
Zuordnung: Medizin

(p 315)

18. Der eingebildete Tod, ein Beytrag zur Experimental-Seelenlehre, besonders zu der Geschichte der Einbildungskraft.

Johann Adam Raymann,*) ein berühmter Arzt in Ungern, Mitglied der Röm. Kaiserl. Naturforscher-Gesellschaft; auch Physikus in dem Schároscher Komitate, und zu Eperies, welcher sein Andenken besonders dadurch verewigte, daß er der Inokulation der Pocken nicht allein in Ungern, sondern auch in ganz Europa das erste Gedächtniß an seinem eigenen Kinde 1717 gestiftet

*) So schreibt Weßprémi dessen Namen. S. Succinta medicorum Hungariae & Transilv. Biographia, Cent. Lipsiae 1774.

(p 316)

hat.**) Dieser Raymann ist es, mit welchem die Einbildungskraft in dessen letzten Lebensjahren die besondere und seltene Rolle des eingebildeten Todes spielte. Er wurde 1690 zu Eperies gebohren, und starb auch daselbst 1770, nachdem er das Amt eines Physikus gemeldter Gespanschaft und Stadt, über 50 Jahre lang rühmlichst verwaltet hat.

Raymann verlor in seinem hohen Alter nicht nur das Gehör und die Fertigkeit der artikulirten Sprache, sondern auch sein Gedächtniß. Zwey Jahre vor seinem Tode hat er gar vergessen, daß er noch lebe, ungeachtet er seines Ichs sich bewußt, dabey doch willkürliche Handlungen verrichtete.

Den Grund zu dieser Krankheit der Einbildungskraft legte ein Schlagfluß im Februar 1768, von welchem Raymann in 24 Stunden sich so weit wieder erhohlet hat, daß jene als eine Folge von diesem noch zurücke blieb. Da sich dieser Arzt lange vorher mit der prognostischen Idee, am Schlagflusse zu sterben, beschäftiget hatte, ist es um so weniger Wunder, daß nun die im hohen Alter abgenutzten, und durch Krankheit verstimmten Organen, die Einbildungskraft an dieser Idee so lange hielten, bis in einer Zeit von 14 Tagen, die zur Empfänglichkeit richtiger Ideen nöhtige Stimmung der Gehirnfibern, durch Natur oder Arzney wieder hergestellet wurde. Aber auch während dieses Zeitraums hieng der Kranke nicht anhaltend so ganz in sich gekehrt seiner falschen Idee nach; er ließ sich oft mit aller Gegenwart des Geistes über politische, ökonomische, und andere privat-oder öffentliche Angelegenheiten im Diskurse ein. Dieß waren aber gewöhnlich nur sehr kurze Pausen, auf welche bald wieder

**) Um fünf Jahre früher, als es in England durch Worthly Montague geschah.

(p 317)

anhaltende Ausbrüche der kranken Einbildungskraft folgten, ungeachtet er dabey herum gieng, Tabak schmauchte, und andere willkürliche Handlungen verrichtete. Beständig behauptete er, daß er an dem erlittenen Schlagflusse wirklich gestorben sey, war um seinen Leichenredner bekümmert, und verbat sich übrigens alle Leichenzeremonien. Alle, die ihn besuchten, sah er für seine Leichenkondolenten an, und dankte für ihre Theilnehmung, selbst theilnehmend, oft mit Trähnen. Einmal sah er in der Erwartung des Leichenkondukts zum Fenster hinaus, und sagte: „ist's doch leichter zu sterben, als begraben zu werden! wann kömmt denn die Schule, die Leiche abzuholen?" Er fragte auch einen seiner Freunde, ob der Sarg bestellet sey, mit der Erinnerung, solchen nicht gar zu theuer zu bezahlen. Als ihn während diesem Zustande, zween Jesuiten, vielleicht aus Achtung, vielleicht aus Neugierde besuchten, und da sie dazumal das jus parochiale daselbst im Besitze hatten, so wurde der sonst gewöhnlich sparsame Mann ganz unwillig, in der Meynung, daß diese ihre Stolgebühr fordern wollten; er berief sich auf seinen Adel, und andere Gründe wider die Bezahlung, ward auch nicht ruhig, bis sie ihn verließen.

Nach und nach kam er wieder mit Verwunderung über die mit ihm vorgegangene traurige Szene ganz zu sich, ward aber nachdenkend, wenn es ihm einfiel, daß ein Rückfall nachfolgen könnte, welches aber nicht geschah. Er starb langsam entkräftet, zwey Jahre darnach an einem Lungengeschwüre.*) — Das litterarische und übrige Leben dieses Arztes hat Weßprémi beschrieben in der Biographia mediocorum Hungarie & Transylv. Cent. I. & II. — Pendante Beyspiele

*) Privilegirte Anzeigen aus sämmtlich Kaiserlich – Königlichen Erbländern, 4ter Jahrgang. Wien, 1774. S. 91.

(p 318)

des eingebildeten Todes hat Krüger in seiner Experimental-Seelenlehre aus Andern aufgezeichnet.

Herr Moritz mag diesen Bissen psychologisch verdauen, und für sein künftiges System Gebrauch davon machen. — Die Seelenwirkungen geschehen entweder durch Organe, oder in sich selbst. Letzteres ist noch nicht erwiesen, ungeachtet mit reiner Vernunft und Transszendentalität so viel Aufsehens gemacht wird. Durch Organen gehen die Seelenwirkungen so lange richtig, so lange der Organismus natürliche Richtung und Stimmung behält; hört dieß einmal auf, so entstehen, nach Verschiedenheit der von cismanenten Phisiologen sowohl, als transcendentalen Psichologen unbestimmbaren Abweichung der Gehirnfibern von ihrem natürlichen Zustande, und des vorgehabten prädisponirenden Ideenhanges fast unendliche Nüancen von Krankheiten des Gedächtnisses, der Urtheils- und Einbildungskraft, wo dann die Seele nur, entweder durch Herstellung des Organs in seine erste natürliche Richtung und Spannung, oder durch Palingenesie zum bonnetschen Engel kann gerettet werden.

Z. G. Hußty, v. R.
Topic revision: r15 - 05 Dec 2011, KatalinBlasko
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