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Zeitschrift von und für Ungern
Hrsg. von
Ludwig Schedius
Pest, Patzko, 1802
Band 1, Heft 3
I. Abhandlungen und kürzere Aufsätze
Text 2 (S. 349-352)
Autor: Michael Schönfeld
Zuordnung:
(P349)
2. Vorschlag zur Einrichtung einer Kunst- und Gewerk-Schule für Ungern.
I. Zweck.
Der Zweck einer Kunstschule oder eines polytechnischen Institutes ist, Bürgersöhne binnen einem Zeitraume von 7 Jahren, Alles dasjenige zu lehren, was zu wissen erfordert wird, um einstens nicht nur ein guter, verständiger Bürger, sondern auch ein geschickter Künstler, Handelsmann, Handwerker, oder Oekonom werden zu können.
Anmerkung. I. Ein solches Institut hebt eine schon bestehende, gewöhnliche Schule nicht auf, und kann leicht mit dieser verbunden werden; durch welche Verbindung beyde an Consistenz und Energie gewinnen, und zu einer Schule werden, welche man im eigentlichsten Verstande, eine Bürgerschule nennen kann.
2. Es ist nicht bloß für die unadeliche Jugend bestimmt; auch der Adeliche ist ein Staatsglied, folglich auch ein Bürger, auch unter den Adelichen gibt es viele junge Leute, welche einstens Künstler, Handelsleute, Handwerker, oder Oekonomen werden wollen.
3. Die Einrichtung eines solchen Institutes erfordert keine Tausende; im Kleinen kann es mit wenig Kosten gestiftet werden; es kann aber in Zukunft groß und ansehnlich werden, und dieß, durch sich selbst.
4. Es kann in einem Dorfe eben so gut, als in einer Stadt, zu Stande gebracht werden.
(P350)
II. Einrichtung.
Soll dieser Zweck erreicht werden, so muß die Jugend einen möglichst kurzen, und dennoch gründlichen Unterricht, im Folgenden erhalten.
1. Im gut Lesen, Schreiben, Rechnen, und Zeichnen.
2. In den Grundsätzen der deutschen, ungrischen und lateinischen Sprache.
3. In der Menschenkunde, vermittelst einer Anleitung zur Kenntniß seiner selbst, und anderer Menschen, auch des Zwecks, wozu Menschen in der Welt sind.
4. Einen möglichst vollständigen Unterricht, in denjenigen Theilen der Naturgeschichte, Mathematik und Physik, welche einen vorzüglichen Einfluß auf Künste, Handlung, Handwerke und Oekonomie haben.
5. In der Technik, oder in der Kunst - und Handwerkskunde; besonders in der praktischen, durch Handanlegung und Verfertigung verschiedener Kunst- und Handwerks - Producte im Kleinen. Z.B. instructiver Modelle von gemeinnützigen Maschinen, und anderer Gegenstände der Industrie, welche theils zum ökonomischen Gebrauch, theils zur Belustigung der Menschen dienen.
Anmerkung. Zu dieser sehr nützlichen Beschäftigung könnte derjenige Tag in der Woche angewendet werden, an welchem ohnehin kein öffentlicher Unterricht der Jugend ertheilt wird.
6. In der christlichen Religion.
7. In den nöthigsten Kenntnissen der Geographie und Geschichte, in wiefern diese, durch bloße Lectüre nicht erlangt werden können.
8. In der Oekonomie und Haushaltungskunst, nämlich in der Kunst seine Haushaltung und Wirtschaft so zu führen, daß man dabey durch eigene Schuld nicht leicht zu Grunde gehen kann.
Anmerkungen. 1. Belehrungen über alle diese Gegenstände sollten eigentlich in der prädominirenden Sprache,
(P351)
nämlich in der Muttersprache der Zöglinge, ertheilt werden. Nur Schade! — daß dieß bey uns nicht allgemein ausführbar ist, aus Ursasachen, welche jedermann leicht auffinden wird. In keiner Sprache läßt sich dieß vielleicht besser thun, als in der deutschen. Warum? weil sie unter unsern Landessprachen die kultivirteste ist, und die meisten und besten Hilfsmittel hiezu darreicht und liefert.
2. Die Einthellung und Repartition der angeführten Lehrgegenstande muß so eingerichtet werden, daß die Belehrungen hierüber, bis zum 14. Jahr des jugendlichen Alters beendiget werden, weil diejenigen Bürgersöhne, welche sich irgend einem Gewerbe außer den Studien widmen wollen, in dem angezeigten Alter die Schule zu verlassen pflegen.
Frage. Wohin soll aber alsdann, aus diesem Institute, der zu höhern Studien bestimmte Jüngling?
Antw. In eine lateinische Schule, in ein Gymnasium.
III. Nutzen.
Welchen Nutzen kann der Staat, und die Jugend aus einem solchen Institute erwarten? - Ich glaube folgenden:
1. Wenn der Bürgersohn, dem angeführten Zwecke gemäß, gebildet worden, ist dieß nicht Nutzens genug? Sind es nichts solche Bürger, welche das Meiste zur Aufnahme eines Staates beytragen? Haben glücklichere Staaten, z.B. England, ihren Wohlstand und ihren Flor nicht verständigen und geschickten Künstlern, Handelsleuten, Handwerkern und Oekonomen zu verdanken?
2. Ein solches Institut ist auch nützlich und vortheilhaft für einen jeden einzelnen Jüngling, er mag reicher oder armer Aeltern Kind seyn.
A. Der Reiche und Bemittelte lernt darin:
a. Die Arbeiten, und Pruducte der Künstler und Professionisten kennen, wodurch er in den Stand gesetzt
(P352)
wird, den innern Gehalt und den Werth derselben richtig zu bestimmen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, dem Fabrikanten Zc. (?) Unrecht anzuthun, oder sich von ihm übervortheilen zu lassen.
b. Die Mittel, 1. sich auf eine angenehme, und nützliche Art zu beschäftigen und zu unterhalten, wenn ihn die Langeweile plagt:
2. Auch die Mittel sich Brod zu erwerben, wenn er durch eigne, oder andrer Menschen Schuld, oder durch Zufall arm und Brodlos geworden.
B. Der arme Bürgerknabe, gelangt durch die Bildung in einem solchen Institute, zu derjenigen Geschicklichkeit, wodurch er fähig wird, in einer kürzeren Zeit, als ein anderer, was immer für eine Kunst oder Handwerk zu erlernen. Welch ein Glück für ihn, besonders wenn er eine arme Waise ist! Sollte einen solchen Knaben nicht gerne jeder Meister, der eines Lehrlings bedarf, auch ohne Lehrgeld aufnehmen? weil er ihn gleich nach wenig Stunden seiner Aufnahme, zum Brodverdienen brauchen kann.
3. Wenn ein solches Institut in einem Waisenhause, oder in einem militärischen Erziehungsstifte errichtet würde, so könnte daraus in kurzer Zeit eine Crepundien- oder Kinderspielwaaren - Fabrik entstehen. Wie sehr würde sich der Stifter derselben um die aufkeimende Menschheit dadurch verdient machen! Wie groß, und wie süß wäre alsdann für den Edelgesinnten die Belohnung nicht? das Vergnügen, Kinder für Kinder arbeiten zu sehen; zu sehen, daß Kinder, durch ihre Industrie, zu ihrer Erhaltung beytragen, und durch ihre Arbeiten und Producte, sich selbst, und andern reichern Kindern Unterhaltung und Belustigung, schon in ihrem frühesten Alter zu verschaffen wissen. —
M. Schönfeld.