Bl\xE4ttern:
< zum Text 8 –
zum Text 10 >
IX.
(P65)
Dritte Fortsetzung des VI. St\xFCcks.
Da\xDF jegliches Clima besondere Arten
von Nahrungsmitteln f\xFCr Menschen und Thiere hervor bringet,
ist au\xDFer allem Zweifel. Ich w\xFCrde daher den Einflu\xDF desselben in die Neigung
und Sitten der Einwohner um ein Grosses best\xE4rken, wenn ich noch untersuchen
wollte, wie die Einwohner wegen der
Speisen, wovon sie sich ern\xE4hren, einen
verschiedenen Charakter unter einander
bekommen m\xFC\xDFen. Allein ich darf dieses
wohl nicht ausf\xFChrlich ber\xFChren. Wir
k\xF6nnen uns davon \xFCberzeugen, wenn wir
uns nur in dem Verh\xE4ltnisse mit unsern
Vorfahren, den alten Hungarn, betrachten wollen. Nachdem wir angefangen haben, uns an verschiedene ausl\xE4ndische Getr\xE4nke zu gew\xF6hnen; nachdem
wir die einheimischen Fr\xFCchte, die uns
(P66)
der Boden darbietet, weniger als die
aus der Fremde herbey geschafften sch\xE4tzen ; nachdem wir alle m\xF6gliche M\xFChe
anwenden unsern K\xF6rper kraftlos zu machen, und die Lebensgeister zu bet\xE4uben:
nachdem sind wir unter eben dem Himmel zu einer andern Art Menschen geworden, f\xFCr die man neue Einrichtungen,
und neue Gesetze hat gehen m\xFC\xDFen.
Wenn ich daher gegenw\xE4rtig zu dem
zweyten Punkte meines Entwurfes komme, so werde ich darinn ungemein sicher
verfahren, wenn ich die Beyspiele, die
in der Einrichtung verschiedener V\xF6lker
vorhanden sind, vor mich nehme, sie mit
dem, was ich oben vom Clima gesagt
habe, vergleiche, und meine Absicht dadurch erweise. Denn aus dem Vorhergehenden erhellet ziemlich deutlich, da\xDF
das Clima in die Gem\xFChtsbeschaffenheit
seiner Einwohner einen Einflu\xDF hat.
Wird sich nun ein verst\xE4ndiger Gesetzgeber nach der Denkungsart und Beschaffenheit seiner Unterthanen richten, so
wird er sich eben dadurch zugleich nach
dem Clima richten. Und das ist es, was
wir die Wirkung des Clima auf die Gesetze nennen. Ich will dieses genauer
untersuchen, Ich will von einigen itali\xE4nischen Gesetzen anfangen, die mit dem
(P67)
dortigen Himmelsstriche, wohl bestehen,
da sie sich hergegen f\xFCr den in Deutschland gar nicht schicken. Ich mu\xDF hiebey
alle diejenigen zum voraus um Vergebung bttten, die von keinem andern als
dem r\xF6mischen b\xFCrgerlichen Rechte etwas
wissen wollen, und ihren Gebrauch f\xFCr
alle L\xE4nder in der ganzen Welt gleich
geschickt halten. Denn, da\xDF ich diese
Leute beleidigen werde, ist unstreitig, und
ich w\xFCrde auch ihren Unwillen daraus
abnehmen k\xF6nnen, weil ich von einer Sache reden mu\xDF, mit der sie sehr wenig
zu schaffen haben.
Die R\xF6mer hatten eine gewisse gesetzte
Zeit sich zu verheurahten, die man weder
in der Jugend noch auch im Alter \xFCber
schreiten durfte. Dem jungen Frauenzimmer wurde das zw\xF6lfte, den J\xFCnglingen aber das vierzehnte Jahr angewiesen.
Dio Cassius berichtet ausdr\xFCcklich, da\xDF
August allen g\xE4nzlich untersaget habe, sich mit einem M\xE4dgen vor
dem zehenten Jahre zu verbinden, die
Heurath aber vor ihrem zw\xF6lften zu vollziehen. Der Juriste
Pomponius best\xE4tiget dieses. Ein Frauenzimmer, spricht
er, das vor dem zw\xF6lften Jahre einem
Manne anvertrauet wird, ist denn allererst seine rechtm\xE4\xDFige Ehegattinn, wenn
(P68)
es bey ihm das gedachte Jahr \xFCber
schritten hat. Fr\xE4gt man, woher die
R\xF6mer so jung zur Heuraht haben schreiten k\xF6nnen, so darf man nur das Clima
von Italien betrachten. Beyde Theile
waren in den gedachten Jahren mannbar, und sie sind es noch itzo, wenn man
die Lebensart und den Zustand der heutigen Itali\xE4ner kennet.
Weil diese Leute unter einem ziemlich
warmen Himmel wohnen, die Deutschen
hergegen ein gem\xE4\xDFigteres Clima haben,
so haben bey ihnen beyderley Geschlechter
zum heurahten geschickter werden k\xF6nnen,
als bey den Itali\xE4nern.
Tacitus, wenn
er von den Sitten der R\xF6mer etwas beybringet, setzet ihnen sogleich die Gewohnheiten der Deutschen entgegen, die, wie
er berichtet, allererst bey guten Jahren
unter sich zur Heuraht schreiten, wenn
sie ihre Kr\xE4fte v\xF6llig erlanget, und beyde Theile, wo m\xF6glich gleiches Alter haben. Ihre Kinder, setzet er hinzu, werden daher eben so stark, wie die Aeltern.
Eben dieses Urtheil f\xE4llt auch C\xE4sar von
den Deutschen, „Die am sp\xE4testen mannbar werden, verdienen unter ihnen das
meiste Lob. Sie glauben, da\xDF dieses
das Wachsthum bef\xF6rdere, die Kr\xE4fte
unterhalte, und die Nerven st\xE4rke. Nichts
(P69)
ist sch\xE4ndlicher unter ihnen, als wenn jemand vor seinem zwanzigsten Jahre bey
einem M\xE4dgen schl\xE4ft.,, Und eben dieses war fast die gesetzte Zeit, unter welcher sich nicht leicht jemand bey den alten Deutschen verheurahtete: eine Zeit,
die den R\xF6mern in der That ein Wunderwerk w\xFCrde gewesen seyn. Ein unverheurahtetes M\xE4dgen von zwanzig
Jahren war in Rom dasjenige, was bey
uns eine Jungfer von achzigen ist.
Diejenigen, welche diese Verfassung
der R\xF6mer, ihre Kinder fr\xFChzeitig zuverheurahten, von ihrer besondern Staatsklugheit herleiten, haben nicht eben v\xF6llig Recht. Es kann seyn, da\xDF sie es
f\xFCr gut gehalten haben, wenn das Land
fr\xFCher bev\xF6lkert w\xFCrde, und neue B\xFCrger, bek\xE4me. Aber es kann doch nicht
seyn, da\xDF sie ihre Staatsklugheit h\xE4tten
in Aus\xFCbung bringen k\xF6nnen, wenn nicht
die Leute wegen des warmen Clima so
fr\xFCh w\xE4ren mannbar und zum Heurahten geschickt gewesen. Es ist freylich keine Ursache vorhanden, jungen Leuten,
die ihr geh\xF6riges Alter und Kr\xE4fte haben, das Heurahten zu untersagen:
aber es sind triftige Ursachen da, sie von
solchen Ehen abzuhalten, wo sie der Republik schwache, und unn\xFCtze B\xFCrger
(P70)
zeugen w\xFCrden. Dieses sahen die alten
Deutschen gar wohl ein, und ihre Nachkommen haben es in diesen L\xE4ndern immer beybehalten.
Weil sich die jungen Leute in Rom schon so fr\xFCh zusammen begaben, so geschah es, da\xDF sie auch sehr fr\xFCh aufh\xF6rten, die Endzwecke der Republik in diesem St\xFCcke zu erf\xFCllen. Die R\xF6mer
hielten daher alle diese Ehen in Ansehung des Kinderzeugens, als um welches willen eigentlich die Leute unter ihnen heurahten mu\xDFten, f\xFCr ungiltig, die
ein Mann \xFCber sechzig, und eine Frauensperson \xFCber f\xFCnfzig Jahre mit einander
vollzogen. Man brachte so gar unterm
Claudius den persicianischen Rahtschlu\xDF
auf, wodurch einem solchen, der \xFCber
sechzig Zahre alt, annoch Heurahtete, eine best\xE4ndige Strafe auferlegt wurde.
Man \xE4nderte zwar hierin nachgehends
etwas, allein darin blieb man doch einstimmig, da\xDF bey dergleichen alten Personen der wahre Endzweck, den die Republik bey dem Ehestande h\xE4tte, g\xE4nzlich wegfiele.
Die Fortsetzung folgt.
(P71)
Beyspiel der Treue, und Liebe eines Hundes.
Ans dem British Magaz.
Nachdem ich neulich die Nordstrasse bereisete, und in Baldock einkehrte,
nahm ich, und mein Reisegef\xE4hrter einen
Spatziergang um die Stadt vor; und
nach meiner Gewohnheit, an jedem Orte, wo ich hinkomme, besuchte ich auch
den Kirchhof. Wie wir hinaufgiengen,
wurden wir in grosse Bewunderung gesetzet, da wir einen kleinen Hund, welcher in der gew\xF6hnlichen Stellung, als
ob er etwas sehnlich verlangte, ungef\xE4hr
vier
Ellen von einem, dem Anscheine nach
frischen Grabsteine sa\xDF, und mit nach
forschendem Gesichte,, und Aufmerksamkeit, die Aufschrift, als ob er sie l\xE4se,
anschaute. Wir betrachteten ihn fast eine Viertlstunde, w\xE4hrend welcher Zeit,
er seine Augen niemals von seinem Gegenstande abwandte, oder uns im geringsten bemerkte, ob wir gleich kaum einen
(P72)
starken Schritt von ihm stunden. Wie
wir aber vollends auf ihn zukamen, lief
er weg. Wir \xFCberlasen die Aufschrift,
Und bemerkten daraus, da\xDF Sara Goldsmith daselbst begraben l\xE4ge. Gleich
darauf gieng, ein Einwohner der Stadt
\xFCber den Kirchhof. Die Neugierde trieb
mich an zu fragen: ob er etwas besonders von der Person, die hier, ich zeigte
auf den Stein, begraben w\xE4re, w\xFC\xDFte?
Ja mein Herr, antwortete der Mann,
Merkw\xFCrdiges genug, denn ich glaube,
da\xDF sie das dickeste Frauenzimmer in der
Welt war, denn sie wog 28.
Stein
(560.
Pfund) ohne der Eingeweide. —
Ich fragte, ob sie in ihrem Leben einen
Hund gehabt habe? Er antwortete: sie
hatte freylich einen kleinen verdammten
bellenden Hund sehr lieb, welcher seit 2.
Jahren, die Zeit, da sie gestorben, des
Tages dreymal nach ihrem Grabe l\xE4uft,
und daselbst eine Weile nachdenkend sitzt.
Dieser Vorfall gab mir eine ernsthafte,
obgleich angenehme Empfindung, und
wird es vielleicht auch den Lesern geben.
Bl\xE4ttern:
< zum Text 8 –
zum Text 10 >