Bl\xE4ttern:
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XIII.
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Der rechtschaffene Sohn.
Eine Erz\xE4hlung, nach dem Spanischen.
Zu Barcellona lebte ein reicher Kaufmann, mit Namen Feraldo. Er war von sehr niedriger Herkunft, und besa\xDF bey seinem Gl\xFCcke den wilden Stolz, welcher diejenigen nicht selten zu begleiten pfleget, die sich aus ihrer Niedrigkeit empor schwingen. Weil er sich auf eine Zeit besinnen konnte, da er arm gewesen, und da man ihn deswegen verspottet hatte, so wollte er sich nunmehr dieserhalben r\xE4chen. Eben darum lie\xDF er gegen alle Arme einen unvers\xF6hnlichen Ha\xDF blicken, und vers\xE4umte keine Gelegenheit, ihnen mit der gr\xF6\xDFten H\xE4rte zu begegnen. Er liebte zwar gewisse Tugenden, doch so, da\xDF sie allezeit dem Reichthume den Vorzug lassen mu\xDFten. Der Gesellschaft anderer Menschen entzog er sich so viel m\xF6glich, und weil sich
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in seinem Blicke nichts als Stolz und Verachtung zeigte, so schien es, da\xDF er alle Menschen ha\xDFte. Von der Gro\xDFmuht hatte er sehr erhabene Begriffes er glaubte aber, da\xDF man sie niemals aus\xFCben m\xFC\xDFte, weil niemand, seiner Meynung nach, einer gro\xDFm\xFChtigen Begegnung w\xFCrdig war. Er traute den Menschen keine wirklichen Tugenden zu. Sie besitzen nichts als Laster, sagte er, welche der Schein, und eine falsche Schminke verstecket; und alle ihre Tugenden sind nichts, als Mittel, uns desto leichter zu betr\xFCgen. — Ein Mann von diesem Charakter konnte unm\xF6glich Freunde haben; aber er verlangte auch keine, ja, er behauptete vielmehr, da\xDF es nie einen wahren Freund gegeben habe. Alle Menschen, glaubte er, hassen sich untereinander, und suchen sich zu schaden. Die Freundschaft war bey ihm nichts, als ein Stillestand des Widerwillens, welchen sie bey der ersten Gelegenheit, und unter dem geringsten Vorwande wieder brechen; und es w\xE4re nach seiner Meynung besser, sie alle f\xFCr Feinde zu halten, als eine verw\xE4gene Ausnahme zu machen, und sich alle Augenblicke ihrem Wankelmuhte, und ihrem verneuerten Hasse blos zu geben.
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Bey so widrigen Begriffen lebte Feraldo in seinem Hause verschlossen, wie ein B\xE4r in seiner H\xF6hle. Nichts besch\xE4ftigte ihn, als seine Handlung, bey welcher er die strengsten Gesetze der Billigkeit beobachtete. Seine verkehrten Vorstellungen, sein grausamer Stolz, und die H\xE4rte, mit welcher er den Kaufleuten begegnete, die in seine H\xE4nde fielen, machten ihn allen andern Menschen sch\xE4dlich.
Dieser widrige Feraldo hatte eine einzige Tochter, Namens Leonore, welche von allen Fehlern ihres unbarmherzigen Vaters g\xE4nzlich entfernet war. Ihre Sch\xF6nheit, ihre Leutseligkeit, ihre Tugenden machten sie gleich liebensw\xFCrdig, und ihr ganzes Bezeigen war so eingerichtet, da\xDF sie vielleicht unter allem Frauenzimmer die einzige blieb, der Feraldo etwas von der Tugend zutraute. — In ihrer Nachbarschaft wohnte ein anderer Kaufmann Antonio, dessen Sohn Gonzales diese Sch\xF6ne heimlich liebte. Sein Vater war noch lange nicht so reich, als Feraldo, und darum konnte er sich eben kein gro\xDFes Gl\xFCck f\xFCr seine Z\xE4rtlichkeit versprechen. Feraldo verlangte noch mehr als Liebe, Tugend, und \xDCbereinstimmung der Gem\xFChter
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seine Tochter zu verheurathen. Gonzales hatte inzwischen Gelegenheit gefunden, der sch\xF6nen Leonore seine Neigung zu entdecken. — Die Liebe machte diese tugendhaften Personen bald einig, und Gonzales trug seinem Vater seine Absicht mit der gr\xF6\xDFten Bescheidenheit vor. Antonio liebte seinen Sohn auf das Innigste. Er versprach ihm seinen Beystand, und erinnerte ihn nur, bey seinem Vorhaben behutsam zu seyn. Er wu\xDFte wohl, wie wenig sich Feraldo, durch etwas anderes, als durch
Reichthum bewegen lie\xDF, und er gab sich von dieser Zeit an alle M\xFChe, durch einige wichtige Unternehmungen, sich hervor zu thun. Ein ganzes Jahr durch gl\xFCckte ihm alles, was er unternahm. Seine Schiffe liefen mit reichen
Vortheilen ein, und Antonio ward unter allen Kaufleuten, mit besonderer Unterscheidung empfangen. Er trat in einige Gesellschaften, welche ihren Handel noch weiter erstreckten, und er lie\xDF sich mit Feraldo in eine besondere Unternehmung ein. Feraldo sah den Antonio bereits mit andern Augen an; und sein Gl\xFCck, und sein erlangter Reichthum machten ihn seines Umganges wehrt. Antonio, den er vorher kaum gekannt hatte, war nunmehr ein kluger,
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ein grosser Mann, weil er itzt mehr G\xFCter, als vorher besa\xDF. Doch diese Uiberzeugung war es nicht, welche den Feraldo zur Gewogenheit gegen seinen Nachbar bewog. Er wollte an dem Gl\xFCcke dieses Mannes Theil nehmen, er wollte durch seine Unternehmungen sich zugleich mit bereichern, und diese Absicht gab dem Antonio eine ganz andere Gestalt. — Gonzales hatte bey diesen Umstanden oft Gelegenheit, den Feraldo zu sprechen. Er sah Seine geliebte Leonore bey ihrem Vater, und Feraldo war viel zu schlau, als da\xDF er nicht beyder Zuneigung bald sollte gemerket haben. Die Absicht gefiel ihm, weil Gonzales, allem Ansehen nach, mit der Zeit noch reicher werden w\xFCrde, und weil er selbst davon \xFCberzeugt seyn konnte. Er gab seine Meynung seiner Tochter zu verstehen, welche diese Erkl\xE4rung mit einer bescheidenen Gelassenheit, und mit einer verborgenen Zufriedenheit annahm.
Bisher war dem Antonio alles nach Wunsche gegangen, aber itzt sah er auf einmal alle seine Unternehmungen zerscheitern. Die Seer\xE4uber waren die ersten, welche ihln einen Strich durch seine Rechnung machten. Sie nahmen ihm drey sehr reich beladene Schiffe weg,
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und zu gleicher Zeit giengen zu Saragossa, und zu Madrid zwey H\xE4user zu Grunde, welche ihn mit sich fortrissen. Kurz, Antonio war verloren, und mu\xDFte sich seinen Gl\xE4ubigern \xFCberlassen.
Niemand konnte ihn beschuldigen, da\xDF er durch Verschwendung zu diesem Verderben Gelegenheit, gegeben. Seine Auff\xFChrung blieb allemal bescheiden; er hatte niemand in seinen gl\xFCcklichen beleidiget, und sich folglich niemand zum Feinde gemacht. Jedermann liebte den Antonio, und jedermann lie\xDF seinen Tugenden Gerechtigkeit wiederfahren. — Dieser ungl\xFCckliche Kaufmann erhielt seine Redlichkeit und seine Ehre mitten in seinem Ungl\xFCcke. Er forderte seine Gl\xE4ubiger zu sich, und er\xF6fnete ihnen seine B\xFCcher, und den ganzen Zustand seiner Handlung. Diese empfanden Mitleiden mit einem Manne, den sie allemal geliebt hatten, sie verglichen sich mit ihm, und lie\xDFen ihm eine ansehnliche Summe in H\xE4nden, welche ihm Gelegenheit geben sollte, seinen Handel wieder anzufangen. Es fanden sich selbst Freunde, welche ihm noch mehr Geld dazu anbohten, und Antonio wurde vielleicht bald wieder sein Ungl\xFCck \xFCberwunden haben, wenn er sich nicht
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noch mit dem Feraldo h\xE4tte abfinden m\xFC\xDFen. Dieser harte Mann hatte kein Geringes von ihm zu fodern. Die Schuld versteckte das Ungl\xFCck des Antonio f\xFCr ihn. Er sah in ihm nichts mehr, als einen Ungl\xFCcklichen, und folglich einen Schuldigen, den er seine ganze Strenge empfinden lassen m\xFC\xDFte. Es war umsonst, da\xDF sich Antonio mit aller der Demuht zu ihm verf\xFCgte, welche das Ungl\xFCck eingeben kann. Er stellte ihm sein Ungl\xFCck auf das beweglichste vor. — Der Verlust, sagte er, den ich erlitten, r\xFChret nicht von meiner Unachtsamkeit, noch von meiner Verschwendung her. Es ist ein Zufall, welchem alle menschlichen Kr\xE4fte nicht widerstehen k\xF6nnen, und welcher der Handlung sehr oft begegnet. Traget Mitleiden mit mir Feraldo, und setzt eure Forderungen auf gewisse Zeiten, die ich allemal richtig abtragen will. Ich habe noch Freunde, welche mir unter die Arme greifen, und die mich in den Stand setzen werden, meine Handlung wieder anzufangen. Mein ganzes Gl\xFCck steht in euern H\xE4nden, beweiset, da\xDF ihr nicht weniger gro\xDFm\xFChtig seyd, als meine anderen Gl\xE4ubiger! Habt mit mir, und mit meinem Sohne Erbarmen, wir haben nichts,
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als eure G\xFCte, welche uns wieder aufhelfen kann! Wir wollen alles eingehen, was ihr von uns verlanget!
Doch , was konnte die leutseeligste Vorstellung wohl bey einem Manne ausrichten, der so wenig Menschlichkeit besa\xDF, als Feraldo? Er antwortete ihm ganz kaltsinnig: ich will es glauben, da\xDF ihr nicht an euerem Verderben schuld seyd, allein, was geht das mich an? Ihr habt Freunde, wendet dieses zu euerem Vortheile an, und bezahlet mich; weiter weis ich euch nichts zu sagen. — Antonio kannte zwar den Charakter des Feraldo sehr gut, allein er hatte es nimmermehr vermuhtet, da\xDF seine H\xE4rte so weit gehen w\xFCrde. Es ist wahr, er h\xE4tte ihn mit dem Gelde, welches ihm seine Freunde zugestellet hatten, bezahlen k\xF6nne; allein, weil er dieses blos empfangen, seine Handlung wieder zu ergreifen, so glaubte er auch verpflichtet zu seyn, es blos ihrer Absicht gem\xE4\xDF anzuwenden, oder es ihnen wieder zu geben. Er versuchte also noch einmal seinen Gl\xE4ubiger zu gewinnen, allein auch dieser Versuch war vergebens. Er mu\xDFte ihn trostlos verlassen, und kurz darauf ward er, auf Anhalten des Feraldo, in das Gef\xE4ngni\xDF gesetzet.
Die Fortsetzung folgt.
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