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Bl\xE4ttern: < V. Jahrgang, XIII. St\xFCck - V. Jahrgang, XV. St\xFCck >



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V. Jahrgang, XIV. St\xFCck, den 5. April 1775.

I. Wissenschaften

In dem XII. St\xFCcke, in dem wir den Inhalt der Beytr\xE4ge zu verschiedenen Wissenschaften, von eininigen \xF6streichischen Gelehrten angezeigt haben, versprachen wir aus jenen Abhandlungen, die nach dem Geschmacke unserer meisten Leser uns zu seyn scheinen einen Auszug zu liefern. Nun machen wir mit der dritten den Anfang:

Von der wahren Gr\xF6\xDFe, die der Durchmesser des vollen Mondes oder der Sonne zu haben scheint, wenn man ihn mit freyen Augen ansieht.

Der kaiserlich - k\xF6nigliche Astronom, unser ber\xFChmter Herr Maximilian Hell, ist der Verfasser. Wir wollen uns der eigenen Worte dieses gro\xDFen Gelehrten, so viel es seyn kann, bedienen.

Wird den erfahrensten M\xE4nnern die Frage gestellet: Wie gro\xDF sie wohl glauben, da\xDF der Durchmesser des vollen Mondes scharf sehenden freyen Augen vorkomme? So hat man verschiedene Antworten zu vernehmen: einige setzen ihn auf 8. Zolle, andere auf 6. bis 7. und die ihm am wenigsten geben, z\xE4hlen 5. oder 4. Zolle.

Sage man ihnen die Scheibe des vollen Mondes, wenn er in der mittlern Entfernung von der Erde ist, k\xE4me dem scharfsehenden freyen Auge nicht gr\xF6\xDFer vor, als ein Zirkel, dessen Durchmesser 1 37/100 Linie hat, den man vom Auge einen Schuh weit entfernet betrachtet*); so werden sie

*) Der Herr Verfasser richtet sich in dieser Abhandlung nach dem Pariser Maa\xDFe.

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es nicht nur f\xFCr eine h\xF6chst widersprechenden Sache ansehen; sondern auch behaupten: man rede wider die allgemein angenommene Meynung, und n\xE4hme einen unglaublichen und ganz sachlichen Satz an.

Wir behaupten also, schreibt der Herr Verfasser: Der Mondesteller des vollen Mondes, wenn dieser in der mittlern Entfernung von der Erde ist, komme dem scharfsehenden Auge nicht gr\xF6\xDFer vor, als ein Zirkel, dessen Durchmesser 1. Lin. und 37/100. einer Linie hat, der in der Entfernung eines Schuhes vom Auge betrachtet wird. = = = Wir nehmen aber darinn die Entfernung dieses Zirkels vom freyen Auge einen Schuh weit an, weil die gesunden Augen derer, die sowol in der Ferne, als in der N\xE4he gut sehen, die kleinen Gegenst\xE4nde zum besten aufnehmen, wenn sie einen Schuh weit vom Auge entfernet sind; und beynebens ist diese vestgesetzte Entfernung eines Schuhes zur Best\xE4ttigung meines Satzes darum nothwendig, weil die Gr\xF6\xDFe der Gegenst\xE4nde, wenn man sie mit freyen Auge ansieht, nach dem Maa\xDFe der Entfernung vom Auge ver\xE4ndert wird; daher mu\xDF man eine gewi\xDFe Distanz annehmen, in der allein die Wahrheit unsers Satzes kann eingesehen werden, und diese Distanz ist die Weite eines Schuhes.

Die Wahrheit dieses Satzes wird durch einen trigonometrischen Kakul, den wir hier \xFCbergeben: dann aber auch aus der Erfahrung bewiesen: "Man halte das Auge in der Entfernung eines Schuhes weit vom Glase des Fensters, durch welches man den Vollmond betrachtet, und messe in dieser Entfernung mit einem Cirkel den Durchmesser des Mondes wie man ihn durch das Fenster auf dem Glas sieht: man \xFCbertrage diesen Durchmesser des Mondes auf einen in Linien und hundert Theile einer Linie getheilten Maa\xDFstab, und man wird sich von der Wahrheit unsers Satzes selbst \xFCberzeugen. Man kann eben dieses versuchen, wenn man mit dem Auge einen Schuh weit vom Fenster entfernet, auf dem Glase mit einem Grisel den Umkreis der Mondscheibe abrei\xDFet: man erh\xE4lt das n\xE4mliche, wenn man den Durchmesser des Mondes, den man durch das Fenster siehet, zwischen zwo parallellinien die den Umkreis des Mondes ber\xFChren, einschlie\xDFt; oder wenn man das Bild des Mondes in einem flachen Spiegel auff\xE4ngt, und in der Entfernung eines Schuhes weit vom Auge messet: oder endlich, wenn man einen Zirkel, dessen Durchmesser 1 37/100. Linie enth\xE4lt, auf wei\xDFem Papier abzeichnet, und vom Auge einen Schuh weit entfernet, mit dem Monde vergleichet. Dieses sind die Erfahrungen, die einen von der Wahrheit dieses Satzes \xFCberweisen k\xF6nnen."

Der Herr Verfasser erkl\xE4ret hierauf die Ursachen: warum der volle Mond, der in der Entfernung eines Schuhes so klein zu seyn geschiehnen, in einer

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weitern und gr\xF6\xDFern vom Fenster auch viel gr\xF6\xDFer zu seyn scheine. Der Mondesteller (dieser ist unver\xE4nderlich) w\xE4chset bey der Entfernung vom Fenster nicht an; sondern die Figur des Vierecks des Fensterglases wird durch die Entfernung vom Fenster so lange verkleinert, bis sie endlich einerley Gr\xF6\xDFe mit dem Mondesteller im Netze des Auges bekommt, und dann von ihr g\xE4nzlich \xFCbertroffen wird.

Der aufgehende Mond ist vom Auge fast um den ganzen Halbmesser der Erde, das ist um 860. Meilen, weiter entfernet, als wenn er dem Scheitelpunkt nahe ist.

Der Herr Verfasser berichtiget, nach diesem seinen Satze, eine Stelle in den englischen philosophischen Transactionen, in welchen Meldung geschieht, von dem Durchgange der Venus vor der Sonne des 1761sten Jahres am 184. Blatte, 35. Num. Herr Dunn hat darinne den scheinbaren Durchmesser der Venus, die er durch ein Sehror angesehen, das die Gegenst\xE4nde 220Mal vergr\xF6\xDFerte, auf 5 1/2 Zoll angegeben: Unser ber\xFChmter Astronom beweiset, da\xDF derselbe nicht mehr als 9. Linien habe betragen k\xF6nnen.

Hierauf wird der Nutzen dieser Entdeckung in drey Abs\xE4tzen er\xF6rtert.

Zum Beschlu\xDF setzt der Herr Verfasser hinzu, die Art, wie man sich \xFCberzeugen k\xF6nne, da\xDF der Durchmesser der Sonne in der mittlern Entfernung dem freyen Auge nicht gr\xF6\xDFer erscheine, als 1 42/100. eine Linie.

Dieses kann erstlich geschehen durch den trigometrischen Kalkul, den wir hier abermal weglassen.

Zweytens durch die Erfahrung selbsten: erstens wenn man die Sonne durch ein flaches, durch ein rauh- oder sonsten verdunkeltes Glas ansiehet.

Drittens: Da die Sonne durch die Wolken scheinet, wenn man das Sonnenbild auf einen Spiegel, oder im Wasser, welches einen Schuh weit vom Auge entfernet ist, betrachtet, und auf oben angezogene Art messet.

Ein guter Astronom und Optiker wird aus den in der Abhandlung er\xF6rterten S\xE4tzen noch mehrere richtige und wichtige Folgen ziehen k\xF6nnen. Dieses sagen wir mit dem Herrn Verfasser.

II. Naturgeschichte.

Fortsetzung der Recension der in vorhergehenden St\xFCcke angezeigten Bornischen Beweise.

Dies w\xE4re also der kurze Auszug aus den lesensw\xFCrdigen Briefen des Herrn Bergraths von Born,

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welchen wir zur Erg\xE4nzung derer von uns beschriebenen Petrificaten und Steinspiele, hier einzur\xFCcken, f\xFCr n\xF6thig erachtet haben. H\xE4tten wir von dieser Art mehrere Reisende und Reisebeschreibungen in Ungarn, die in einer so kurzen Zeit, von drey bis vier Monathen, so viele Entdeckungen in dem Mineralreiche, zu machen, das n\xE4mliche Gl\xFCck haben m\xF6chten; so w\xFCrde dadurch die Naturgeschichte, so wohl in ihrem ganzen Umfange, als auch in ihren besondern Theilen, was unser Vaterland betrift, in sehr kurzer Zeit einen nicht geringen Zuwachs erhalten, und die Klagen *) \xFCber den Mangel der Beytr\xE4ge, und vielleicht auch endlich \xFCber die Schl\xE4frigkeit unsrer Mitb\xFCrger, m\xFC\xDFten nach wenigen Jahren v\xF6llig afuh\xF6ren. Allein es fehlet zu dergleichen gemeinn\xFCtzigen Unternehmungen machem an der Zeit und Gelegenheit, andern an hinl\xE4nglicher Kenntni\xDF und Erfahrung in dergleichen Dingen; dem gr\xF6\xDFten Theile aber am Geschmack und Belieben daran. Daher gelinget es nur einem von Born, bey dem durch die Natur und das Gl\xFCck alle dazu n\xF6thige Eigenschaften zusammen gekommen sind. Wir hoffen von diesem eifrigen und gelehrten Naturforscher noch mehrere Fr\xFCchte seines Flei\xDFes, zu sehen; wir trauen der Versicherung, die er uns in seinen Briefen gegeben, und w\xFCnschen, da\xDF sein r\xFChmliches Beyspiel, bey vielen, einen Eindruck machen, und sie zur eifrigen Nachfolge ermutnern m\xF6chte!

Au\xDFer dem, was wir aus diesen Briefen herausgezogen haben, finden wir noch in Ansehung dessen, was wir im IV. Jahrg. S. 44. von einer gewissen Art inkrustirter Krebse angebracht, etwas zu erinnern. Die Sache hat ihre Richtigkeit: nur m\xFCssen wir jenen zu gefallen, denen etwa die Lust ankommen m\xF6chte, dergleichen Kreb\xDFe selbst aufzusuchen und zu fangen, den Bach, darinnen sie befindlich sind, etwas genauer bezeichnen: Es flie\xDFet derselbe allerdings naha bey Lutschka, dennoch aber ist er dem Dorfe Kalameny noch n\xE4her, und eben hier bey diesem Dorfe m\xFC\xDFen dergleichen Kreb\xDFe gesuchet

*) Der Herr Bergrath von Born, klaget dar\xFCber in seinem zwanzigsten Briefe, S. 202. 203.  mit folgenden Ausdr\xFCcken: "W\xE4re das Studium der nat\xFCrlichen Geschichte, da\xDF man in Ungarn auch kaum den Namen nach kennet, und itzt h\xF6chstens nur von ein paar fremden betrieben wird, in diesem Lande mehr verbreitet, so w\xFCrde man aus diesen Gegenden, in kurzer Zeit mehrere Beytr\xE4ge zur Naturgeschichte liefern k\xF6nnen, als vielleicht aus einem Lande in der Welt. Aber leider! wird man den, wenigstens in Absicht auf diese Wissenschaft, saumseligen Einwohnern, eines so edlen Landes noch lange mit dem ehrlichen Seneca zuruffen k\xF6nnen: "Sicut barbari plerumque inclusi & ignari machinarum, segnes, labores obsidentium, spectant, nec quo illa pertineant, quae ex longinqou sernuntur, intelligunt, idem vobis evenit. Marcetis in rebus vestris, nec cogitatis." Unpartheyische Leser, die eine genauere Kentni\xDF von den Bewohnern des K\xF6nigreichs haben, m\xF6gen das Urtheil des Herrn Bergraths w\xE4gen.

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werden. Die Erfahrung aber hat uns auch davon \xFCberwiesen, da\xDF man unter hundert Kreb\xDFen, die hier gefangen werden, kaum einen einzigen inkrusirten antrift. Was die wahre und eigentliche Ursach davon seyn mag, k\xF6nnen wir bisher weder ergr\xFCnden, noch erkl\xE4ren. Solche inkrustrirte Kreb\xDFe k\xF6nnen in der Luft getrocknet und als eine Seltenheit, in einem Naturalien-Kabinette aufbehalten werden.

In dem XXXIX. St\xFCck eben desselben Jahrganges, haben wir S. 311. von der menschlichen Kraft einiger Steinverh\xE4rtungen im Wasser gedacht; wohin wir dasjenige nothwendig auch rechnen m\xFCssen, was Herr Fridwal\xDFky in seiner Mineralogia Magni Principatus Transilvaniae*) von einer gewissen Art Tropfsteine (Stalactires) berichtet, die man in Siebenb\xFCrgen, in der Provinz Talmatsch in einer H\xF6hle antrift, da\xDF n\xE4mlich dieser Tropfstein die Kraft besitze, bey allerhand vern\xFCnftigen und unvern\xFCnftigen Thieren weiblichen Geschlechts die Milch zu vermehren. Die M\xFCtter, die S\xE4uglinge zu ern\xE4hren haben, d\xFCrfen nichts anders thun, als da\xDF sie durch einen r\xF6hrichten Tropfstein, der in dieser H\xF6hle entstanden ist, Wasser in sich ziehen, und trinken: den Weiblein unvern\xFCnftiger Thiere aber, sch\xFCttet man den Tropfstein mit ordin\xE4rem Wasser vermischt, in die Tr\xE4nke. Die Anwendung un der Gebrauch dieses Mittels, soll, wie der Herr Verfasser berichtet, so sicher und unfehlbar seyn, da\xDF die gehofte Wirkung, und ein erw\xFCnschter Erfolg, denen die es brauchen, niemalen fehlschlagen k\xF6nne.

ab H.

III. Vermischte Nachrichten.

Fortsetzung, der verschiedenen Gebr\xE4uche fremder V\xF6lker, bey ihren Verheurathungen.

In Pegu*) werden, wie es in den meisten morgenl\xE4ndischen Gegenden geschiehet, die Weiber gekauft. Wann aber den Mann seine Wahl \xFCber kurz oder lang gereuet, so kann er sie wieder entlassen. Eine gleiche Freyheit hat auch das Weib, und so kann, wann ihr der Mann nicht anstehet, ihn wieder verlassen; in diesem Falle aber ist sie gehalten, das f\xFCr sie erlegte Geld zur\xFCckzugeben. Man hat hier die seltsame

*) Fridval Mineral. Part. VI. \xA7. 4.  pag. 181. "Stalacliter, hunc subministrat provinciola Talmacs Valachiae contermina, qua semita ad vicum Porcsedt tendit, specus est, qui post augustum sui aditum, ubi in prolixius usque spatium extenditur, undique stalactite consitus est, hoc incolae ad multiplicandum lac utuntur; Mulieres aquam per sistulorum stalactitem sorbilant, sed animantibus foeminia aquam mixtam praebent, nec unquam desiderato effectu frustrantur.

*) Aus den Schelden und Lindschoten.

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Gewohnheit, da\xDF die T\xF6chter von ihren Eltern, den Ausl\xE4ndern angebothen, und vermiehthet werden. Ueberhaupt sind die Weiber gegen die Ausl\xE4nder sehr gef\xE4llig, und auf die Heurathen mit Europ\xE4ern sehr erpicht. Die meisten, die sich des Handels wegen, in dieses Land begeben, miethen sich eine Frau auf die Zeit ihres Aufenthalts, und finden meist dabey ihren guten Vortheil. Denn diese Weiber sind sehr verbindlich und gehorsam, und besorgen die h\xE4u\xDFliche Wirthschaft auf das p\xFCnklichste und getreueste. — Wann eine Abs\xF6nderung zwischen beyden Eheleuten geschiehet; so mu\xDF der Vater f\xFCr die Knaben, die Mutter aber f\xFCr die T\xF6chter sorgen. Reiset der Mann ab, so kehret die Frau wieder zu ihren Eltern, und hat deswegen nicht die mindeste Hinderni\xDF, wegen einer Heurath zu besorgen. K\xF6mmt der Mann aber wieder in das Land, und findet sie verheurathet; so kann er sie von dem Manne verlangen: sie wird ihm auch ohne Widerrede verabfolget, nach seiner Abreise aber, nimmt sie der Mann wieder zu sich. Es gereichet auch keinem Weibe zur Schande, wann sie mehrere europ\xE4ische M\xE4nner gehabt hat; ja, es ist kein vornehmer in Pego, vom Edelmanne bis zum K\xF6nige, der ein M\xE4dchen heurathet, ehe ein Europ\xE4er mit ihr gelebet hat.

Die Landesgewohnheit erlaubet den T\xF6chtern in Siam *) keinen Umgang mit den Mannspersonen, sie werden von den M\xFCttern sorgf\xE4ltig geh\xFCtet, und wegen der geringsten Ausschweifung auf das sch\xE4rfste gestrafet. Um das zw\xF6lfte Jahr bekommen sie schon Kinder, und daher werden sie auch sehr fr\xFChzeitig verheurathet. Die Eltern der jungen Mannspersonen, werben mittelst betagter und wohlber\xFCchtigter Frauen, um die M\xE4gdchen. Bekommen sie die Einwilligung ihrer Eltern, so m\xFC\xDFen sie die Geburthsstunde des Freyers sagen, und man berichtet ihnen ein gleiches von den M\xE4gdchen. Beyde Theile gehen sodann zu einem Wahrsager, und vernehmen von ihm, ob die Ehe bis an den Tod ohne Scheidung geschehen k\xF6nne? Hernach besucht der Freyer seine Geliebte zu drey verschiedenen malen, und bringt ihr einige geringe Geschenke. Bey dem dritten Besuche erscheinen die beyderseitigen Anverwandten, bestimmen das Heurathsgut, und zahlen einander ohne weitere Ehestiftung sogleich auzs. Die neuen Eheleute werden von ihren Anverwandten beschenket, und der Br\xE4utigam tritt sogleich in alle Recht des Ehestandes, ohne alle C\xE4remonien ihrer Priester. Erst nach einigen Tagen, kommen ein paar Pfaffen, besprengen die Neuverehelichten mit ihren gesegneten Wasser, und sprechen einige Gebethe \xFCber sie. Bey der Hochzeit wird geschmauset, und den G\xE4sten allerhand Erg\xF6tzlichkeiten, von Tanzen und Schauspielen verschaffet. — Die Siamer k\xF6nnen zwar mehr als eine Frau nehemen, der

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gemeine Mann aber bedient sich dieser Freyheit nur selten, und selbst die Reichen, und Vornehmen, thun es mehr aus Pracht, als aus Wollust. Nebst dem hat die vornehmste Frau, welche Gro\xDFfrau genennet wird, allemal mehr, als die \xFCbrigen zu sagen. Denn die andern sind nichts als Leibeigene, und haben den Titel kleiner Frauen. Ihre Kinder nennen ihren Vater allezeit Herr, da der Gro\xDFfrau ihre, ihn nur schlechtweg Vater hei\xDFen. In die n\xE4chsten Grade der Blutsverwandschaft, darf man hier nicht heurathen, worunter jedoch Geschwisterkinder nicht begriffen sind.

Die Chineser*) sehen den Ehestand, als eine der gr\xF6\xDFten Verbindlichkeiten an; daher h\xE4lt es ein Vater f\xFCr schimpflich, wann er nicht alle seine Kinder verheurathet; und ein Sohn ist trostlos, wann er keine Erben hinterl\xE4\xDFt. — Weil sich das chinesische Frauenzimmer nie vor den M\xE4nnern sehen l\xE4\xDFt, so werden die heurathen, blos durch dazu bestellte alte Weiber, oder Kuplerinnen zur Richtigkeit gebracht. Die Eltern sind daher auf alle Art besorgt, da\xDF eine vortheilhafte Abbildung von ihren T\xF6chtern gemacht wird, und deswegen geschieh es nicht selten, da\xDF diese Weiber bestochen werden: sie entgehen aber der Strafe nicht, wenn sie den Betrag zu weit treiben. Ist nun durch diese Unterh\xE4ndlerinnen alles zur Richtigkeit gebracht, der Heurathsvergleich unterzeichnet, und das Geld, wor\xFCber man sich verglichen, ausgezahlet worden, so mach man Anstalten zur Hochzeit. Indessen werden verschiedene Gebr\xE4uche beobachtet, unter welchen diese die vorz\xFCglichsten sind, da\xDF beyde Theile ihren Anverwandten allerhand Geschenke machen. Die meisten ziehen auch die gl\xFCcklichen Tage zu Rathe, welche zur Hochzeit am tauglichsten befunden werden. Dieses aber ist nur unter gemeinen Leuten gebr\xE4uchlich; denn die Eheb\xFCndnisse vornehmer Personen, werden viel pr\xE4chtiger, und auf eine weit edlere Art vollzogen. Nach Berichtigung der Heurathspunkte, wird der Kontrakt mit goldenen Buchstaben auf ein Papier geschrieben, worauf sich die Eltern jeder Familie besonders, in einer Hauskapelle, in welcher die heiligen Tafeln mit den Namen der Voreltern bis ins vierte Glied verwahret werden, versammeln. Man glaubt in China, da\xDF man die Seelen der Vorfahren, die ihrer Meinung nach um die gedachten Tafeln schw\xE4rmen, von den Heurathen ihrer Nachk\xF6mmlinge benachrichtigen m\xFC\xDFe. Der Aelteste der Familie nimmt also das Tuch weg, womit die Tafeln bedeckt sind, und nach einer tiefen Verbeugung, z\xFCndet er einiges Rauchwerk an, liest die vornehmsten St\xFCcke des Kontrakts mit lauter Stimme ab, und wirft endlich den geschriebenen Aufsatz ins Feuer.

Wann nun der Hochzeitstag angebrochen ist, so wird die Braut auf

*) Aus dem Du Halde.

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das pr\xE4chtigste ausgeschm\xFCcket, in einen Tragsessel gesetzt, und von denjenigen begleitet, die ihre Mitgabe tragen. Diese bestehet bey gemeinen Leuten in allerhand Kleidern, Haurath und dergleichen. Neben ihr her, geht ein Gefolte mit brennenden Kerzen und Fackeln, ob es gleich am hellen Mittage geschiehet. Vor dem Tragsessel ziehen Trompeter, Pfeiffer, und Trommelschl\xE4ger auf, hintennach aber ihre Anverwandte, und gute Freunde ihres Hauses. Ein getreuer Bedienter hat den Schl\xFCssel zu dem Tragsessel, und diesen darf er niemand aush\xE4ndigen, als dem Br\xE4utigame, welcher seine Braut zu empfangen, in kostbaren Kleidern an der Th\xFCre seines Hauses wartret. Sobald dieselbe angelangt ist, nimmt er den Schl\xFCssel von dem Bedienten, \xF6fnet geschwind die S\xE4nfte, und urtheilt, weil er sie hier das erstemal siehet, von seinem Gl\xFCcke, oder Ungl\xFCcke. Manche sind mit ihrem Loose nicht zufrieden, schlie\xDFen die S\xE4nfte sogleich wieder zu, schicken das M\xE4gdchen ihren Eltern zur\xFCck, und wollen lieber ihr Geld einb\xFCssen, als eine ihnen unanst\xE4ndige Waare behalten. Wann die Braut aus der S\xE4nfte gestieghen, so gehet sie an des Br\xE4utigams Seite in den Saal, wo das Hochzeitmahl bereitet ist. Wann sich das Brautpaar die H\xE4nde gewaschen hat, welches sie, mit einander zugekehrten R\xFCcken thun, so neigt sich die Braut viermal vor dem Br\xE4utigam, und dieser dagegen zweymal vor ihr. Nach diesem setzen sie sich zur Tafel, gie\xDFen aber, ehe sie noch selbst etwas genossen haben, ein wenig Wein auf die Erde, und legen auch eine Portion Fleisch f\xFCr ihre G\xF6tter auf die Seite. Wann sie ein wenig gegessen haben, stehet, der Br\xE4utigam auf, und biethet der Braut einen Trunk an, welches diese auch thut. Nach diesen Komplimenten reicht man ihnen zwoo Schaalen von Wein, wovon sie einen Theil trinken, das \xFCbrige aber in eine Schaale zusammengie\xDFen, und davon wechselweise trinken. Und durch diese C\xE4remonien wird den chinesischen Ehen gleichsam das letzte Siegel aufgedr\xFCckt. Endlich wird die Braut zu dem Frauenzimmer, welches zu diesem Feste geladen worden, gef\xFChret, und bringt mit denselben den ganzen Tag unter Schmausen, und allerhand Lustbarkeiten zu. Ein gleiches geschiehet mit dem Br\xE4utigam, der seine G\xE4ste in einem andern Zimmer bewirthet.

(Die Fortsetzung wird folgen.)


In Wien zu haben in dem von Ghelenschen privil. Zeitungscomtoir, in der Sinngerstrasse Nro. 931.
Topic revision: r3 - 11 Mar 2012, AgostonBernad
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