Johann Seivert an Karl Gottlieb Windisch
Hermannstadt, 15. September 1781
Seivert kehrt von einem Besuch in Pre\xDFburg nach Siebenb\xFCrgen zur\xFCck und beschreibt die anstrengende Reise. Er berichtet \xFCber die finanziellen N\xF6te seines in Pre\xDFburg studierenden Sohnes und dankt Windisch f\xFCr dessen F\xFCrsorge. Berichtet von neuen Beitr\xE4gen, der er f\xFCr das Ungrische Magazin vorgesehen hat. Erw\xE4hnt die Einf\xFChrung einheitlicher Schulb\xFCcher durch den Kaiser und \xFCbt Kritik daran.
Hochedelgebohrner, Hochgelehrter Herr,
Hochzuverehrender G\xF6nner und Freund!
Wie gl\xFCcklich sch\xE4tze ich mich, da\xDF Euer Hochedelgebohrner das Zutrauen zu meinem Herzen haben: Sie w\xFCrden auch der Inhalt unsrer Erz\xE4hlungen von unsrer Reise seyn. Dieselben sind es gewi\xDF, in Dero ganzes Haus, das verehrungs- das liebensw\xFCrdige Haus! Freunde und Fremde seien Zeugen davon. Ich will schweigen. Auf unsrer R\xFCckreise von dem uns unverge\xDFlichen Pre\xDFburg, hatten wir schlechtes Wetter, schlechte Pferde, aber noch einen schlechteren Kutscher. Unsre Pferde wollten nicht nur zu Thor und T\xFCren den Leuten ins Hause; sondern sogar durch alle Fenstern. Das war eine Reise bis nach Pest, welches wir erst den 6ten Tag erreichten! Wir bekamen bald Reisegesellschaft nach Siebenb\xFCrgen \xFCber Arad. Denn auch diesen Weg wollten wir kennen lernen. Allein, welcher Weg! Der mu\xDF ein Vater M\xF6rder gewesen seyn, der ihn zuerst gereist ist. Vom Paulischan bis nach Saum, auf der Siebenb\xFCrgischen Gr\xE4nze, hat man keine andere Aussicht, als Riesen von Geb\xFCrgen, der Weg geht fast immer an der Marosch, bald auf steilen Anh\xF6hen, bald auf gleich f\xFCrchterlichen Br\xFCcken, meistens so enge, da\xDF ich nicht wei\xDF, wie sich zweien W\xE4gen ausweichen sollen. In Iltscho, wo wir nach Mitternacht ankamen, fanden wir Wachtfeuer und alles aus Furcht vor R\xE4ubern im L\xE4rm. Die Gegenden der Marosch haben zwar D\xF6rfer, aber von sehr eingeschr\xE4nktem und unfruchtbarem Gebiete, das wir \xFCberall mit Steken Z\xE4unen ganz umgeben fanden. Dieser Weg ist unsern Kauf und Fuhrleuten der gebr\xE4uchlichste. Ich wei\xDF in der That nicht, warum? In den Wirthsh\xE4usern ist fast nichts zu haben, als h\xF6chstens ein schlechter, oder verdorbener Wein, die Weide ist durch die [Berge] und umz\xE4umten L\xE4ndereien so eingeschr\xE4nkt, und durch die h\xE4ufigen Hin und Herreisen so abgef\xFCttert, da\xDF fast nichts mehr als Haber die Pferde erhalten mus. Der wesentlichste Nutzen dieser Reise f\xFCr mich, ist wohl, da\xDF ich von Pest aus bis nach Hause, keinen Anfall von meinem schmerzlichen Freund, den Krampf hatte, ob wir gleich immer auf dem Felde und unserm Wagen schlafen mu\xDFten. Ich abstrahierte davon etwas, das mir noch n\xFCtzet Ich halte mich bei Nacht nicht zu warm. Das Tagebuch meiner Reise ist weder volst\xE4ndig, noch f\xFCr die gelehrte Welt wichtig genug. Ich reiste wie ich mu\xDFte, nicht wie ich wolte. Ein Weltgeistlicher, Baron von Apor, der von den Schulen Roms zur\xFCck kehrte, war unsere Reisegesellschaft.
Erlauben dan Euer Hochedelgeb[ohren] da\xDF ich von andern Sachen mit Demselben spreche. Das wichtigste ist doch mein Sohn, mein einziger Sohn! Wiesehr bin ich Demselben verbunden, wie herzlich danke ich Euer Hochedelgeb[ohren] f\xFCr die wohlt\xE4tige F\xFChrsorge, welche Dieselben f\xFCr dessen Wohl tragen. An v\xE4terlichen Vormanungen, Lehren und drohenden Warnungen lasse ichs gewi\xDF nicht fehlen! G\xE4be doch Got, da\xDF sie fruchtbar w\xE4ren! Von Herrn Braunm\xFCller hat er Waaren zu Kleidern ohne mein Wissen genommen. An solchen Nothwendigkeiten werde ich ihm, so viel m\xF6glich, nie fehlen lassen. Ich habe also auch so gleich auf die erste Nachricht, das Geld daf\xFCr \xFCberschicket. Sollte es aber mein Sohn abgelegt haben? Bitte ich nicht zu vieles; so haben Euer Hochedelgeb[ohren] die Gewogenheit, deswegen Herrn Braunm\xFCller befragen zu lassen, ich m\xF6chte auch gar zu gern das Laus Deo sehen. Wie wehe thut es doch meinem Herzen, da\xDF ich meinem Sohn bisher noch nicht so vieles Geld bescherte da\xDF er ohne Conto leben k\xF6nne. Findet er hierbei Menschen Freunde; so werde ich allemahl bereitet und willig seyn, was er zu nothwendigen Bed\xFCrfnissen gebraucht hat, dankbar zu bezahlen.
Nun auch etwas Literarisches. Der Druck von Wolfgang Bethlens Geschichte ist, doch mir aus unbekannten Ursachen, unterbrochen. Auf allerh\xF6chsten Befehl sollten bei allen Schulen unsres Vaterlandes, einerlei Authoren gebraucht werden. Das Hermannst\xE4dtische Gymnasium hat diese schon erhalten. Die besten darunter sind wohl Palmas Ungrische Geschichte, und Herrn Benzurs Geographie, die aber in Absicht Siebenb\xFCrgens wichtige Fehler hat. Die \xFCbrigen meistens elende Schriften! besonders Alwarez Grammatik. Der Mann hat ia nicht einmal Deutsch gekont. Solten diese Schulanstalten in Ungarn unbekant seyn: so machte ich mir das Vergn\xFCgen, Denselben das Verzeichnis dieser vorgeschriebenen Schulb\xFCcher bekant zu machen. So wohl unsere, als die Reformierten werden bei dem Kaiser Gegenvorstellungen thun.
Hier habe ich noch einen Brief f\xFCr das Ungrische Magazin beigelegt, einen andern von Berglers Geschichte, werden dieselben schon von meinem Sohne erhalten haben. Es sei ganz Euer Hochedelgeb[ohren] \xFCberlassen, ob Sie das Licht dieser Welt erbliken solten. Ein gewisser Mangesius, auch ein Pfarrers Sohn, der diese Woche abgereist ist, wird Denselben auch etwas \xFCberbringen: Beitr\xE4ge zur Religionsgeschichte von Hermannstadt von 1521–1546. Sie scheinen mir desto weniger \xFCberfl\xFCssig zu seyn, da die bekanten Geschichtschreiber, Oltard, Paris Papai, Haner, Schmeizel etc. etc. uns in Absicht der Reformation zu Hermannstadt in voller Verwirrung lassen. Vielleicht sind sie des Ungrischen Magazins nicht ganz unw\xFCrdig. Von Herrn Cornides haben Euer Hochedelgeb[ohren] bald einen recht langen Brief zu erwarten. Verflossenen Sontag hatte ich das Vergn\xFCgen, diesen w\xFCrdigen Freund bei uns zu sehen. Er l\xE4\xDFt sich demselben ergebenst empfehlen, und beklaget seine Nomadische Lebensart, die ihm so wenig Zeit zu schreiben verg\xF6nnen.
Darf ich Euer Hochedelgeb[ohren] bitten: so begr\xFCssen dieselben auch dero Verehrungsw\xFCrdige Frau Gemahlin, dero ganze liebensw\xFCrdige Familie, dero hochgesch\xE4tzten Freunde Herrn Rath, Herrn von Husti, Herrn Stok, c. in unserm Namen, und ich verharre mit aller Hochachtung und w\xE4rmster Freundschaft Hochedelgeborner, Hochedelgelehrter Herr, Hochzuverehrender G\xF6nner und Freund!
Euer Hochedelgeb[ohrene]
ergebenster Diener
Joh[ann] Seivert
Hermannstadt, den 15. Sept[ember] [1]781