Der Vernünftige Zeitvertreiber

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Der Mensch, eine Fabel, nach dem Spanischen

Als Jupiter die Welt gemacht hatte, gab er den Thieren das Leben, noch ehe er den Menschen, das Meisterstück seiner Allmacht hervor brachte. — Der Esel, so bald er seine Augen aufsperrte, erblickte er die wunderbare Mannigfaltigkeit, der ihm umgebenden Gegenstände, mit Erstaunen. Dieser Anblick machte ihn munter, er sprang für Freuden, und spitzte seine Ohren mit Vergnügen. Endlich fiel er auf das weiche Gras, er überdachte die Ursachen seines Daseyns, und überlegte sein Verhältniß gegen andere erschaffene Dinge. Da aber sein eselhafter Verstand viel zu stumpf war, diese dornichte Materie durchzudringen, entschloß er sich, den Jupiter selbst über seine Bestimmung zu befragen, und von ihm zu vernehmen, was für ein Ammt er auf der Welt würde zu verwalten haben? Der Vater der Götter sagte ihm, daß er zum Dienste des Menschen bestimmet sey; und er gab ihm einen weitläufigen Unter-

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richt, von aller der Arbeit, und Mühseligkeit, die er zur Erleichterung des allervollkommensten, unter allen Geschöpfen übernehmen müßte.

Diese Antwort war ein Donnerschlag in den Ohren des Esels. Er ließ sie ziemlich sinken, und bekam eine so traurige Gestalt, wie man sie noch an seinen Nachkommen wahrnimmt. Nach einem Stillschweigen von etlichen Augenblicken, fragte er den Jupiter, wie lang, er ein so unerträgliches Leben führen müßte? und erhielt die Nachricht, daß die Tage seiner Mühseligkeit, in eine Zeit von dreyßig Jahren eingeschränkt seyn sollten. Der arme Esel erschrack über einen so langen Termin. Dreyßig Jahre, in einem mit Leiden, und Arbeit angefüllten Zustande, schienen ihm eine Ewigkeit zu seyn. — Er versprach endlich, wenn Jupiter zwey Drittheile davon abkürzen wollte, er dem Menschen die übrige Zeit, mit aller Treue und Gedult, als ein ehrlicher und rechtschaffener Esel zu dienen bereit sey. — Diese Gnade erhielt er, und froh über sein Schicksal, füllte er sich den Wanst mit den umherstehenden Disteln.

Der Hund, der von seinem Verhängnisse gleichfalls unterrichtet seyn wollte,

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warf sich dem Gotte zu Füßen, und baht, ihm seine Bestimmung zu eröfnen. Die Nachricht aber, die er davon erhielt, kützelte seine Eitelkeit gar nicht. Er sollte nämlich auf die Jagd gehen, er sollte seine Kräfte und seinen Muht gegen die Haasen, und anderes Wildbrat verschwenden, und einer guten Tracht Prügel gewärtig seyn, wenn es ihm gelüsten sollte, etwas von einem niedlichen Bissen zu naschen, den sein Herr seiner eigenen Freßsucht aufbehalten hat. Abends sollte er an der Kette liegen, das Haus bewachen, und zufrieden seyn, wenn ihm ein Knochen zugeworfen würde. Dieses, welches seine Zähne mehr in einer harten Uibung erhalten, als seinen Magen sättigen würde, sollte dreyßig Jahre dauern. — Bey diesem Urtheile bellte der arme Hund um Barmherzigkeit, und wendete alle seine Schmeicheleyen an, damit ihm wie dem Esel, auch zwanzig Jahre geschenket werden möchten. Jupiter ließ sich erbitten, und der Hund entschloß sich, sein Schicksal mit Gedult zu ertragen.

Der Affe kam nun auch, ein gleiches zu bitten, und erhielt vom Jupiter eben die Gnade, wie seine unglücklichen Vorgänger. Es wurde ihm gesagt, daß er

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bestimmt sey, den Menschen in allen Dingen nachzuahmen, ohne jedoch der Vortrefflichkeit ihrer Natur, jemals gleich zu kommen; und daß diese Beherrscher aller Thiere, ungeachtet feiner Aehnlichkeit mit ihnen, ihn zum Lustspiele gebrauchen, und um sich an seinen possierlichen Sprüngen zu ergötzen, ihn gar oft die Streiche der Ruthe fühlen lassen würden. — Der Affe verzerrte sein Maul, machte ein par wunderliche Grimassen, und umsonst wendete er alle seine Beredtsamkeit an, sein Schicksal zu verändern. Er war noch glücklich, daß er mit dem Esel und dem Hunde gleich gehalten, und auch ihm zwanzig Jahre erlassen wurden.

Endlich trat der Mensch hervor. Er durfte nur nach dem Zwecke, warum er in diese Welt gesetzet worden, forschen, so fand er in dem Grunde der Natur selbst die edeln Absichten seiner Bestimmung. Durch Hilfe einiger Betrachtungen begriff er seine Hoheit über alle Thiere, und seine Aehnlichkeit mit dem Jupiter. Nichts störte seine Zufriedenheit, als die Ungewißheit, in welcher er sich über die Dauer seiner Jahre befand. Jupiter allein konnte diese seine Unruhe stillen. Er unterrichtete ihn, daß er die

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Lebenszeit der Thiere überhaupt, auf dreyßig Jahre eingeschränket habe, daß aber diese für den Menschen nur ein Lehrjahr sey, und daß der edelste Theil seines Wesens, eine ewige Glückseligkeit genießen soll.— Das vernünftige Thier, welches für dasjenige, was an ihm materialisch war, bereits grosse Zärtlichkeit hegte, baht den Jupiter, daß er ihn seiner so angenehmen Bekleidung nicht so geschwind berauben, und seinem Leben die Jahre zulegen möchte, welche die Thiere für eine beschwerliche Bürde gehalten haben. Der Beherrscher der Welt, gewährte ihm, jedoch mit Unwillen seiner Bitte, und man weis noch nicht, ob seine Gefälligkeit eine Strafe, oder eine Wohlthat für uns seyn soll. — —

Das ist gewiß, daß der erste Theit unseres Lebens, sich zu unserer Aufführung am beßten schicket. Frey von Sorgen, und Unruhe, können wir an der Vollkommenheit unserer Natur arbeiten. Wir haben die nöhtigen Fähigkeiten, unsere Vernunft auszuputzen, unsre Meynungen zu ordnen, und unsern Charakter zu entwickeln. In dreyßig Jahren geschieht dieses alles, und in dieser Zeit, hat die Gewohnheit alles in die gehörigen Falten gelegt. Die übrige Zelt des

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Lebens ist, man dasjenige, was man durch Uiberlegungen hat werden wollen, oder was man durch Mangel des Nachdenkens geworden ist. — Hier fangen nun die Jahre an, die wir von dem Esel geerbet haben. Man fühlt die Last einer Familie, man sorget, arbeitet und schwitzet. Nach fünfzig Jahren sieht man die Anzahl der Kinder vermehret, und ihre Nohtdurft, nach ihrem Alter verdoppelt. Nun tritt man in das Leben, das dem Hunde zu Theile ward. Man trachtet nach Reichthum und Ehre; und man nagt an den Knochen, da man seine Tochter ausstatten, und seinem Sohne einen beständigen Sitz verschaffen soll.

Ein Preis, der das siebenzigste Jahr erreichet hat, kann der Ruhe genießen. Seine Familie ist versorget, und die Bewegungsgründe seiner Sorgen, und Arbeit hören auf. Er fängt an der zwanzig Jahre zu genießen, die dem Affen abgekürzet wurden. Unter den Geschäften, die ihn vorher umgaben, verloren, sucht er sich selbst, und vermeynt sich so, wie im dreyßigsten Jahre zu finden. — Wenn diese Preise ihr Feuer, ihre Stärke, und die Kräfte ihrer Nerven wieder zu erhaschen, vergebens suchen, so thun sie sich die größte Gewalt an,

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ihre Begierden anzufrischen. Nunmehr werden sie die Affen, ihrer thörichten jugend. Aus ihnen entstehen die Jungfernknechte, welche die Schande ihrer grauen Hahre, unter die gekräuselten Locken einer Perücke verbergen, und sich alle Tage den grauen Bart abschaben lassen.
Topic revision: r8 - 25 Nov 2011, AndreaSeidler
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