Blättern:
< zum Text 12 –
zum Text 14>
XIII.
(P97)
Beyspiel strenger Gerechtigkeit.
Karl, Herzog von Burgund, genannt
der Kühne, vor Zeiten ein Beherrscher grosser Provinzen, die itzt unter französischer Bohtmäßigkeit stehen
beehrte den Klaudius Rynsault, einen
Deutschen, mit vielen Gnadenbezeugungen und Würden, zur Belohnung der
Dienste, welche ihm dieser in den Kriegen mit seinen Nachbarn geleistet hatte.
Ein grosser Theil von
Seeland war
Karln unterwürfig, der sich in seiner Regierung immer leutseelig und gerecht
erwies. Nur das mannhafte Verhalten
des Rynsaults, und keine andere Eigenschaft, erwarb ihm die bereichernde Gunst
seines Herrn. Dieser großmühtige Fürst bemerkte nichts an ihm, als einen ungeheuchelten Diensteifer, voll freyer Ehrlichkeit. Er argwohnete also nicht, daß
ihn etwas von genauester Beobachtung
der Gerechtigkeit jemals ablenken würde,
(P98)
und begnadigte ihn, in diesem zu gütigen Vertrauen, mit der Statthalter
schaft über die vornehmste Stadt in
Seeland.
Rynsault hatte diesem neuen Amte nicht lange vorgestanden, als die ausbündige Gestalt der Ehefrauen eines
dortigen reichen Kaufmanns, den die
Geschichte Danvelt nennet, ihm zu reizend schien. Er war ausschweifend und
heftig in seinen Neigungen, nichts weniger als gleichgiltig gegen das herrschende Geschlecht, auch in den eigennützigen
Schmeicheleien der Liebe nicht unerfahren; obwohl er, aus einer kriegerischen
Gewohnheit, mehr gewohnt war zu überwältigen, als glücklich zu machen, und
die Zärtlichkeiten nicht kennen wollte,
welche den Genuß einer holden Schönheit nur in ädlen Seelen verherrlichen.
Gemühtern dieser Art ist nichts zu lasterhaft, das ihren rohen, ihren unseeligen
Begierden ein Opfer zubereitet. Großmuht, Dankbarkeit, Mitleid und Menschenliebe erwecken in ihr keine derjenigen Regungen wirkender Güte und Hochachtung, denen bedrängte Tugenden so
oft vergebens entgegen sehen. Unart
und Frechheit sind von solchen Lüsten unzertrennlich, und ein verbuhlter
(P99)
Rynsault liebte in der unglücklichen Saphira
nur sich selbst und seine Freuden. Er
war einmal entschlossen, ihren Reiz seinen
Wünschen aufzuopfern; sie aber wußte
seine Gegenwart, und fast alle Gelegenheit zu vermeiden, die Rynsault suchte,
um sie von seiner Leidenschaft zu unterhalten. Ihre Gleichgültigkeit vermehrte
die Liebe des Rynsaults; falls man der
Lüsternheit einen so schönen Namen beylegen darf. Er befand alle Mittel zu
schwach, die er angewandt hatte, sie zu
gewinnen, verknüpfte endlich mit der List
eines Verliebten die Gewalt eines Statthalters, und befahl den armen Danvelt
in Verhaft zu bringen; unter dem scheinbaren Vorwande, daß derselbe mit den
Feinden des Herzoges einen hochststrafbaren Briefwechsel geführet hätte, und
ihnen die Stadt verrahten wollen. Die
Verurtheilung des Unschuldigen war die
traurige Folge der Einkerkerung, und
beförderte die verruchten Absichten seines
Richters, der bald zu seiner Hinrichtung
einen Tag ansetzte. So strenge Drangsalen nöhtigten die jammervolle Frau
des Verurteilten, ihre Klagen und Vorbitten bey dem Statthalter mündlich vorzutragen, und als er in den Verhörsaal
trat, in Gegenwart aller dererjenigen,
(P100)
welche die Gewohnheit, die Schuldigkeit, oder auch die Noht dahin gebracht
hatte, ihn fußfällig um Gnade anzustehen. Der Statthalter verbarg seine niederträchtige Freude über diesen Anblick,
geboht ihr, mit einem richterlichen Ernste aufzustehen, zeigte der Betrübten einen Brief, den er unter andern hervorsuchte, mit dem Befragen, ob sie die
Hand kenne? und bedeutete ihr im Weggehen, sie müßte ihm in sein Zimmer folgen. Dieses alles beschloß er mit der
ausdrücklichen Anzeige, daß nichts ihren
Mann von dem so nahen Tode erretten
würde, als ihre Aussage, und das Bekenntniß alles dessen, was ihr von seiner
Verrahterey bekannt sey; indem man
wohl wüßte, er habe sie zu sehr geliebt,
um von den Namen der Mitverschwornen, oder andern Umständen, ihr nichts
zu offenbaren. Hiemit verfügte er sich
in sein Zimmer, und die Frau ward zum
Verhöre vorgefordert. Seine Bedienten
entfernten sich, so wie sie zu thun gewohnt waren, wann wichtige Angelegenheiten ihren Herrn beschäftigten. Dieser
veränderte nunmehr seine Befehle und
Schreckworte in die lockende Sprache der
Zärtlichkeit, in welcher er ihr hauptsächlich dieses vorstellete, wie sehr es in
(P101)
ihrer Gewalt stünde, das Leben und die
Freyheit ihres Mannes auszuwirken:
beydes würde die baldige Vergeltung
ihrer Gegenliebe seyn! Sie erkannte die
Bosheit des Statthalters in ihrer ganzen Größe, und nahm ihre Zuflucht zu
Bitten und Trähnen, um ihn von seiner
Absicht abzulenken; aber vergebens. Die
Wohlanständigkeit ihrer keuschen Zähren, das Ringen ihrer Hände, die tiefen Seufzer, die ihre junge Brust schwellten, ihre schmeichelnde Stimme, ihre unterschiedenen Bewegungen in dem Ausbruche so vieler Leidenschaften, die alle schienen dem grausamen Rynsault so viel
neue Stellungen ihrer Schönheiten, und
neue Vorwurfe seiner Begierden. Er
versicherte sie, daß ihr Danvelt nicht 24.
Stunden zu leben habe, dafern sie sich
nicht entschließen konnte, ihn vor dem
Verlaufe dieser kurzen Frist, durch etwas
anders, als Bitten, zu retten; und so
verließ er Sophien unter einer fast entseelenden Last der Sorgen, und so merklichen Verzweiflung, aus welcher sein
Antrag von denjenigen Bedienten nicht
zu errahten stand, welche er herbey rief,
um sie zurück zu begleiten. Sie eilte
mit einem derselben in das Gefängniß,
und es ward ihr erlaubt, mit ihrem
(P102)
Manne allein zu reden, so bald der Kerkermeister vernahm, daß sie auf Vergünstigung des Statthalters zu ihm
komme.
Saphira entdeckte ihrem Gemahle in
dieser fürchterlichen Einsamkeit den Antrag des Statthalters, und den Streit
der Liebe für seine Erhaltung und der
eheliche Treue. Man wird leicht errahten, wie schmerzlich dem Gefangenen eine so unerwartete Nachricht gewesen ist. Die Furcht des so nahen und schimpflichen Todes verhinderte ihn, seine Muhtmassung zu verrahten: dennoch entfielen
ihm einige Reden, die seinem unglücklichen Weibe die Gedanken erweckten, daß
er sie für unbefleckt ansähe, obwohl sie
ihm nichts, als den blossen Antrag des
unerbittlichen Statthalters, offenbaret
hatte, weil ihre tugendhafte Neigung
dem Zwange und der Noht weichen müsse. Sie umhalsete und verließ ihn mit
dieser uneigentlichen Erlaubniß sein Leben zu retten, welches er der Ehre auf
zuopfern sich nicht entschließen konnte.
Der folgende Morgen führte die zitternde Saphira in den Pallast des Statthalters, der in einem entferneten Zimmer
sie erwartete, um seine ungerechten Wünsche zu vergnügen. Und wie er sich
(P103)
nachgehends ganz vertraulich gegen sie bezeigte, so ertheilete er ihr endlich in einem boshaften Scherze die völlige Erlaubniß, den ehrlichen Danvelt sogleich
seiner Bande entledigen zu lassen. Aber,
fügte er lächeln hinzu, meine Schöne
wird es mir nicht verargen, wenn ich
dafür sorge, daß er unser fernern Umgang nicht unterbreche. Diese Worte
waren Vorbedeutungen desjenigen, was
sie bey ihrer Zurückkunft ins Gefängniß
erfahren mußte, nämlich, daß ihr armer
Mann bereits hingerichtet worden.
(Der Beschluß folgt im nächsten Stücke.)
Der Irrthum in der Person.
Der Marschall von
Türenne lag an einem heißen Sommertage, in einem
Futterhemde von Kanefaß, und einer
weißen Mütze, m seinem Vorzimmer am
Fenster. Einer von seinen Lakayen kam
in das Zimmer, und hielt, weil ihn der
Anzug verführte, den Marschall für einen von den Köchen, mit dem er in guter Kameradschaft lebte. Er schlich sich
(P104)
also ganz leise hinzu, und versetzte mit
einer Hand, die nicht leicht war, dem
Marschalle einen derben Schlag auf das
Gesäß. — Der Geschlagene wandte sich
augenblicklich um. — Der Bediente erschrack, als wann er vom Wetter gerührt wäre, wie er das Gesicht seines
Herrns sah. Er fiel zitternd auf die
Kniee, und rief: Ach gnädiger Herr,
ich glaubte, daß es Meister Jakob wäre ! — Und, wann es auch Jakob gewe sen wäre, antwortete Türenne, und rieb
sich die Lende, so mußtest du doch nicht
so stark schlagen!
Der verworfene Raht.
Die Höflinge des Königs
Philippus
von Makedonien, riehten ihm, jemanden zu verbannen, der Uibels von
ihm gesprochen hatte. Das wäre schön,
sagte er, damit er in der ganzen Welt
herumlaufen, und Böses von mir den
könnte.
Blättern:
< zum Text 12 –
zum Text 14>