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XIII.

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Beyspiel strenger Gerechtigkeit.

Karl, Herzog von Burgund, genannt der Kühne, vor Zeiten ein Beherrscher grosser Provinzen, die itzt unter französischer Bohtmäßigkeit stehen beehrte den Klaudius Rynsault, einen Deutschen, mit vielen Gnadenbezeugungen und Würden, zur Belohnung der Dienste, welche ihm dieser in den Kriegen mit seinen Nachbarn geleistet hatte. Ein grosser Theil von Seeland war Karln unterwürfig, der sich in seiner Regierung immer leutseelig und gerecht erwies. Nur das mannhafte Verhalten des Rynsaults, und keine andere Eigenschaft, erwarb ihm die bereichernde Gunst seines Herrn. Dieser großmühtige Fürst bemerkte nichts an ihm, als einen ungeheuchelten Diensteifer, voll freyer Ehrlichkeit. Er argwohnete also nicht, daß ihn etwas von genauester Beobachtung der Gerechtigkeit jemals ablenken würde,

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und begnadigte ihn, in diesem zu gütigen Vertrauen, mit der Statthalter schaft über die vornehmste Stadt in Seeland. Rynsault hatte diesem neuen Amte nicht lange vorgestanden, als die ausbündige Gestalt der Ehefrauen eines dortigen reichen Kaufmanns, den die Geschichte Danvelt nennet, ihm zu reizend schien. Er war ausschweifend und heftig in seinen Neigungen, nichts weniger als gleichgiltig gegen das herrschende Geschlecht, auch in den eigennützigen Schmeicheleien der Liebe nicht unerfahren; obwohl er, aus einer kriegerischen Gewohnheit, mehr gewohnt war zu überwältigen, als glücklich zu machen, und die Zärtlichkeiten nicht kennen wollte, welche den Genuß einer holden Schönheit nur in ädlen Seelen verherrlichen. Gemühtern dieser Art ist nichts zu lasterhaft, das ihren rohen, ihren unseeligen Begierden ein Opfer zubereitet. Großmuht, Dankbarkeit, Mitleid und Menschenliebe erwecken in ihr keine derjenigen Regungen wirkender Güte und Hochachtung, denen bedrängte Tugenden so oft vergebens entgegen sehen. Unart und Frechheit sind von solchen Lüsten unzertrennlich, und ein verbuhlter

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Rynsault liebte in der unglücklichen Saphira nur sich selbst und seine Freuden. Er war einmal entschlossen, ihren Reiz seinen Wünschen aufzuopfern; sie aber wußte seine Gegenwart, und fast alle Gelegenheit zu vermeiden, die Rynsault suchte, um sie von seiner Leidenschaft zu unterhalten. Ihre Gleichgültigkeit vermehrte die Liebe des Rynsaults; falls man der Lüsternheit einen so schönen Namen beylegen darf. Er befand alle Mittel zu schwach, die er angewandt hatte, sie zu gewinnen, verknüpfte endlich mit der List eines Verliebten die Gewalt eines Statthalters, und befahl den armen Danvelt in Verhaft zu bringen; unter dem scheinbaren Vorwande, daß derselbe mit den Feinden des Herzoges einen hochststrafbaren Briefwechsel geführet hätte, und ihnen die Stadt verrahten wollen. Die Verurtheilung des Unschuldigen war die traurige Folge der Einkerkerung, und beförderte die verruchten Absichten seines Richters, der bald zu seiner Hinrichtung einen Tag ansetzte. So strenge Drangsalen nöhtigten die jammervolle Frau des Verurteilten, ihre Klagen und Vorbitten bey dem Statthalter mündlich vorzutragen, und als er in den Verhörsaal trat, in Gegenwart aller dererjenigen,

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welche die Gewohnheit, die Schuldigkeit, oder auch die Noht dahin gebracht hatte, ihn fußfällig um Gnade anzustehen. Der Statthalter verbarg seine niederträchtige Freude über diesen Anblick, geboht ihr, mit einem richterlichen Ernste aufzustehen, zeigte der Betrübten einen Brief, den er unter andern hervorsuchte, mit dem Befragen, ob sie die Hand kenne? und bedeutete ihr im Weggehen, sie müßte ihm in sein Zimmer folgen. Dieses alles beschloß er mit der ausdrücklichen Anzeige, daß nichts ihren Mann von dem so nahen Tode erretten würde, als ihre Aussage, und das Bekenntniß alles dessen, was ihr von seiner Verrahterey bekannt sey; indem man wohl wüßte, er habe sie zu sehr geliebt, um von den Namen der Mitverschwornen, oder andern Umständen, ihr nichts zu offenbaren. Hiemit verfügte er sich in sein Zimmer, und die Frau ward zum Verhöre vorgefordert. Seine Bedienten entfernten sich, so wie sie zu thun gewohnt waren, wann wichtige Angelegenheiten ihren Herrn beschäftigten. Dieser veränderte nunmehr seine Befehle und Schreckworte in die lockende Sprache der Zärtlichkeit, in welcher er ihr hauptsächlich dieses vorstellete, wie sehr es in

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ihrer Gewalt stünde, das Leben und die Freyheit ihres Mannes auszuwirken: beydes würde die baldige Vergeltung ihrer Gegenliebe seyn! Sie erkannte die Bosheit des Statthalters in ihrer ganzen Größe, und nahm ihre Zuflucht zu Bitten und Trähnen, um ihn von seiner Absicht abzulenken; aber vergebens. Die Wohlanständigkeit ihrer keuschen Zähren, das Ringen ihrer Hände, die tiefen Seufzer, die ihre junge Brust schwellten, ihre schmeichelnde Stimme, ihre unterschiedenen Bewegungen in dem Ausbruche so vieler Leidenschaften, die alle schienen dem grausamen Rynsault so viel neue Stellungen ihrer Schönheiten, und neue Vorwurfe seiner Begierden. Er versicherte sie, daß ihr Danvelt nicht 24. Stunden zu leben habe, dafern sie sich nicht entschließen konnte, ihn vor dem Verlaufe dieser kurzen Frist, durch etwas anders, als Bitten, zu retten; und so verließ er Sophien unter einer fast entseelenden Last der Sorgen, und so merklichen Verzweiflung, aus welcher sein Antrag von denjenigen Bedienten nicht zu errahten stand, welche er herbey rief, um sie zurück zu begleiten. Sie eilte mit einem derselben in das Gefängniß, und es ward ihr erlaubt, mit ihrem

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Manne allein zu reden, so bald der Kerkermeister vernahm, daß sie auf Vergünstigung des Statthalters zu ihm komme. Saphira entdeckte ihrem Gemahle in dieser fürchterlichen Einsamkeit den Antrag des Statthalters, und den Streit der Liebe für seine Erhaltung und der eheliche Treue. Man wird leicht errahten, wie schmerzlich dem Gefangenen eine so unerwartete Nachricht gewesen ist. Die Furcht des so nahen und schimpflichen Todes verhinderte ihn, seine Muhtmassung zu verrahten: dennoch entfielen ihm einige Reden, die seinem unglücklichen Weibe die Gedanken erweckten, daß er sie für unbefleckt ansähe, obwohl sie ihm nichts, als den blossen Antrag des unerbittlichen Statthalters, offenbaret hatte, weil ihre tugendhafte Neigung dem Zwange und der Noht weichen müsse. Sie umhalsete und verließ ihn mit dieser uneigentlichen Erlaubniß sein Leben zu retten, welches er der Ehre auf zuopfern sich nicht entschließen konnte. Der folgende Morgen führte die zitternde Saphira in den Pallast des Statthalters, der in einem entferneten Zimmer sie erwartete, um seine ungerechten Wünsche zu vergnügen. Und wie er sich

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nachgehends ganz vertraulich gegen sie bezeigte, so ertheilete er ihr endlich in einem boshaften Scherze die völlige Erlaubniß, den ehrlichen Danvelt sogleich seiner Bande entledigen zu lassen. Aber, fügte er lächeln hinzu, meine Schöne wird es mir nicht verargen, wenn ich dafür sorge, daß er unser fernern Umgang nicht unterbreche. Diese Worte waren Vorbedeutungen desjenigen, was sie bey ihrer Zurückkunft ins Gefängniß erfahren mußte, nämlich, daß ihr armer Mann bereits hingerichtet worden.

(Der Beschluß folgt im nächsten Stücke.)

Der Irrthum in der Person.

Der Marschall von Türenne lag an einem heißen Sommertage, in einem Futterhemde von Kanefaß, und einer weißen Mütze, m seinem Vorzimmer am Fenster. Einer von seinen Lakayen kam in das Zimmer, und hielt, weil ihn der Anzug verführte, den Marschall für einen von den Köchen, mit dem er in guter Kameradschaft lebte. Er schlich sich

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also ganz leise hinzu, und versetzte mit einer Hand, die nicht leicht war, dem Marschalle einen derben Schlag auf das Gesäß. — Der Geschlagene wandte sich augenblicklich um. — Der Bediente erschrack, als wann er vom Wetter gerührt wäre, wie er das Gesicht seines Herrns sah. Er fiel zitternd auf die Kniee, und rief: Ach gnädiger Herr, ich glaubte, daß es Meister Jakob wäre ! — Und, wann es auch Jakob gewe sen wäre, antwortete Türenne, und rieb sich die Lende, so mußtest du doch nicht so stark schlagen!

Der verworfene Raht.

Die Höflinge des Königs Philippus von Makedonien, riehten ihm, jemanden zu verbannen, der Uibels von ihm gesprochen hatte. Das wäre schön, sagte er, damit er in der ganzen Welt herumlaufen, und Böses von mir den könnte.


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Topic revision: r9 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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