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XXXVI.
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Vom Nutzen, und der Nohtwendigkeit öffentlicher Naturalienkabineter für einen Staat.
Wer sich einmal gewöhnet hat, die größten Meisterstücke der Allmacht mit Blicken eines Weltweisen, oder wenigstens mit der forschenden Neubegierde wahrer Freunde der Natur zu belichten; wer auf seinen Spatziergängen den herrlichen Denkmälern der göttlichen Weisheit und Liebe nachspüret, oder sich das Glück verschaffen kann, alle Reiche der Natur gleichsam um sich her zu versammeln, und sich in den rauhesten Jahreszeiten mitten unter den lächelnden Reichthümern der Natur zu befinden, dessen Seele müßte sich vorsätzlich allen Eindrücken der Schönheit, der Ordnung, und der Regelmäßigkeit, allen Empfindungen der Bewunderung, des Dankes, und der Anbehtung versagen,
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wenn sie nicht zu einem Vergnügen gereizt würde, dessen Eindrücke unauslöschlich sind. Jedes Naturreich, alle Klassen, Ordnungen, und Geschlechter, sogar alle Gattungen und Abänderungen in demselben, haben eigentliche Schönheiten. Der Vernünftige bedient sich derselben zur Ergötzung seiner Augen, und wird ihr Bewunderer. Und hier bleibt er stehen. — Es sey ferne, wenn wir von Vernünftigen reden, daß wir ihnen nichts, als die sündlichen Vergnügungen zueignen sollten, die ihnen höchstens einen Rang mitten unter den Thieren einräumen könnten, die sie sehen und bewundern! — Wenn wir in Gesellschaft einen unbekannten Menschen sehen, dessen Körper nach den strengesten Regeln des Ebenmaßes gebaut ist, dessen Glieder unter sich ein bewundernswürdiges Verhältniß haben, dessen Gesichtszüge, und blühende Gesichtsfarbe durchgängig Ordnung, Annehmlichkeit, und Lebhaftigkeit verkündigen, so sagen wir: das ist ein schöner Mensch ! Der Leichtsinn begnüget sich damit, wenn ihm seine Augen das Geständniß ablocken, er habe etwas Schönes gesehen. Aber die Blicke des Weisen auf der äußern Seiten sind bald gesättiget. Das Vergnügen
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seiner Sinne wahret einen Augenblick; es drückt sich aber tief in seiner Seele ein, und setzt alle Kräfte derselben in Bewegung. Durch glückliche Bemühungen hat er seine Sinne zu der Bescheidenheit gewöhnet, die Ergötzungen seiner Seele, das Nachdenken, und die Erforschungen der innern Eigenschaften einer Sache, die seine Augen schön fanden, nicht lange zu unterbrechen. Der Anblick der Schönheit führt ihn unmittelbar auf die nähere Untersuchung der übrigen Eigenschaften, die hinter einer schönen Hecke verborgen stecken, auf die Erforschung der Verhältnisse, in welchen der schöne Gegenstand mit andern Dingen stehet, der Absicht und Bestimmung, wozu er da ist, und des Nutzens, den man sich davon zu versprechen hat. Diese Betrachtungen nähren eine hungrige Seele ununterbrochen, wenn die Sinne schon längst eine überflüßige Sättigung fühlen. Dieß ist eigentlich die Art, wie der Weise die unzähligen Arten von Menschen, Thieren, Gewachsen, Fossilien und Wäßern betrachtet, oder wie er seine Seele durch vernünftige Anschauung des Thier-Pflanzen-Mineralien- und Wasserreichs zum Urheber aller dieser in einander gedrängten Wunder
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der Allmacht erhebet Die Unmöglichkeit, mit einem Blicke, wenn es auch der Blick des scharfsinnigsten Weltweisen wäre, in das Innere der Wesen einzudringen, gab unstreitig die erste Veranlassung zur Anlage der Sammlungen, die man Naturalienkabinete nennet. Die Neubegierde scheint die Mutter, die Betrachtung die Amme, und die Beswunderung die Pflegerinn solcher Samlungen gewesen zu seyn. Ordnung, Harmonie und eine vernünftige Neubegierde sind die Stützen, worauf sich ihre Nutzbarkeit gründet. Das rühmliche Verlangen durch die Natur ihren grossen Urheber kennen zu lernen, macht die Naturaliensammlungen unentbehrlich; alle Reichthümer der Natur sind ein Eigenthum des Menschen, worauf jedes ins besondere den gerechtesten Anspruch zu machen hat. Allein die Natur verlangt aufrichtige, und keine flatterhafte Verehrer. Sie ist freygebig aber nicht verschwenderisch; wer sich nach ihren Geschenken sehnet, muß sie durch Aufmerksamkeit, und unverdrossene Huldigungen zu verdienen suchen. Sie kömmt unsrer Begierde nirgends entgegen, diese ehrwürdige Schöne! Sie will von ihren Anbehtern eifrig verehret,
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allenthalben aufgesucht; und nie mit flatterhaften Augen betrachtet seyn.
Ihre Reize sind so unersthöpflich, als die Macht und Weisheit ihres Urhebers unergründlich ist. Wohlthätig gegen ihre wahren Verehrer, und karg gegen die gleichgültigen, überschüttet sie die ersten mit Fröhlichkeit und Reichthum, wenn die letzteren unter ihrem Angesichte trauren, und die lange Welle vergähnen. Die stürmischen Wünsche des zärtlichsten Freundes erhöhet sie, durch bescheidne Zurückhaltung, indem sie solche zu befriedigen scheinet. Ihre Reichthümer vermehren sich gleichsam in der Maaße, in welcher sie ihre Geschenke vervielfältigt. Kurz: die Schätze der Natur sind unerschöpflich Sie ist der prächtige Herold der Unermeßlichkeit des Allmächtigen. Von den ungeheuren Welten, die sich über unsern Häuptern bewegen, bis auf das kleinste Sandkorn, verkündigt alles die Größe Gottes, und die Ehrwürdigkeit der Natur vom Menschen bis auf den niedrigsten Wurm, kündigen uns alle Geschöpfe die höchste Weisheit an. Alle Werke seiner Hand leiten uns unmittelbar zur Anbehtung eines unendlich vollkommnen und allmächtigen
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Der Seernforscher wagt sich an die Ausmessung der Himmel selbst. Nichts als ihre Unermeßlichkeit kann einem forschenden Geiste Schranken setzen. Er verliert die Einheiten unter den Millionen, verlieret sich selbst in den himmlischen Sphären, und hier bleibt er stehen, von Bewunderung und Anbehtung durchdrungen.
Der finstre Bergmann wählt den entgegen gesetzten Weg. Er waget sein Leben, den Geiz der Menschen zu befriedigen. Um eines leichten Gewinstes willen dringet er unaufhörlich bis in das Innerste der Erde.
Der unerschrockene Schiffer bietet mit Lebensgefahr den Wellen des stürmischen Meeres Trotz, und scheuet nicht den Kampf mit den größten Ungeheuern der See. Er bewundert die. so viel tausendfache Mannigfaltigkeit der Geschöpfe des Elements, dem er sein Leben anvertrauet, und kehrt zufrieden wieder in den Schoos seiner Familie zurück, um da seinen Schöpfer und den Urheber dieser Wunderwerke zu preisen.
Der unermüdete Jäger führet einen beständigen Krieg mit Feinden, die ihn nie beleidigt haben.
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Der Landmann, in der stolzen Einbildung ; die unerschöpfiiche Natur noch fruchtbarer zu machen, verschwendet seine ganze Einbildungskraft in mißlichen Erfindungen um ihr Gewalt anzuthun. Erstaunt über ihren Uiberfluß, erkennet er endlich in ihrer Betrachtung sein eigenes Unvermögen.
Der Zergliederer, unentschlossen in seinem Unternehmen ; waget sich blindlings in die geheimsten Werkstätte der Natur; Seine Untersuchungen haben den Kreislauf des Blutes, und die erste Ursache von der Wirkung der Nerven, zu ihrem vorzüglichsten Augenmerk gewählet. Eine dichte Decke verbirgt vor ihm noch immer die Art der Verbindung unsrer Seele mit ihrem Leibe. Nach tausend gewagten Muhtmaaßungen bleibt er endlich mit seinen Nachforschungen stehen, und erstaunt über die Geheimnisse der Natur.
Der herumwandelnde Kräuterkenner bringt seine ganze Lebenszeit damit zu, die Bildung eines Blattes kennen zu lernen, und schickliche Namen für die Gewächse zu erfinden. Die unendliche Mannigfaltigkeit, die auch unter den ähnlichsten Sachen herrschet, setzt ihn in Verwirrung. Es bleibt ihm nach einer Menge
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nützlicher Entdeckungen nichts übrig, als die Weisheit des Höchsten bewundernd zu verehren.
Der liebenswürdige Blumist jagt mit einer Art von Bezauberung seinen Lieblingsgegenständen nach, und ergötzt sich an den Gewächsen, an den Farben, und an den Gerüchen der reizendsten Geschenke der Natur.
Der Weltweise nur allein, oder der wahre Weise, die
Reaumüre,
Sloane, die
Büffons,
d'Aubentons,
Linne's,
Trestorfe,
Schwammerdamme,
Rößel,
Bonnete,
Nedhame,
Evers u.s.w. halten sich auf ihrer Studierstube. Hier vereinigen sie die schweren Arbeiten aller Beobachter der Natur, die sich wechselsweise bemühten, ihnen alles, was die Natur Schönes, Seltenes und Wunderbares hat, vor Augen zu legen. Sie beqwemen sich zwar nach dem allgemeinen Entwürfe der Natur, bringen sie aber gewissermaaßen in einer koncentrirten Ordnung zusammen, und geben dieser Sammlung den prächtigen Namen eines Kabinets der Naturhistorie, dessen Nutzbarkeit für einen Staat, den Gegenstand unsrer kurzen Abhandlung ausmachen soll. Die Fortsetzung folgt.
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