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LI.

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Fortsetzung von dem Instinkt der Tiere.

Von den eingebildeten Bedürfnissen, welche der Müßiggang, und die lange Weile, Stolz und Uibermuht eingeführt , ist ihnen gar nichts bewußt. Die Nohtwendigkeit, die Seele immer mit etwas zu beschäftigen, fühlen wir im Zustande des Wachens beständig; sie erzeugt in uns die unruhige Neugier, welche die Mutter unsrer Kenntnisse ist. Die Thiere wissen davon nichts. Wenn einige Arten mehr, als andere, der langen Weile unterworfen sind, wie z. B. der Marder, den seine Biegsamkeit, und Hurtigkeit unterscheiden; so ist dieß vielleicht nicht ihr gewöhnlicher Zustand. Die Notwendigkeit. Nahrung zu suchen erhält fast allezeit ihre Ruhe in Uibung. Ist lhre Jagd glücklich, und ihr Hunger wird zeitig befriediget, so verlebet sie

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die Nohtwendigket, sich zu bewegen, zu einer Menge unnützer Mordthaten. Der gewöhnliche Zustand dieser empfindenden Wesen ist aber doch nur ein Schlummer, in welchen die freywillige Uibung der Einbildungskraft ihnen nur undeutliche Bilder vorstellt, die im Gedächtnisse keine tiefe Spuren zurücklassen. Man betrachte einmal die rohen Menschen, die den ganzen Tag für die nohtwendigsten Bedürfnisse sorgen müssen: bleiben sie nicht in einem Grade der Dummheit, der beynahe dem Zustande der Thiere gleichet? Es giebt Leute, die niemals eine solche Anzahl von Begriffen gehabt haben, als zu dem System der Kenntnisse eines Fuchses gehöret. Wofern nicht Muße, Gesellschaft, und Sprache dem Vermögen vollkommner zu werden, zu Hilfe kommen, so wird dieses immer unfruchtbar bleiben. Den Thieren fehlt es allerdings an Muße. Unaufhörlich damit beschäftiget, wie sie für ihre Bedürfnisse sorgen, und sich gegen andere Thiere oder den Menschen vertheidigen wollen, können sie keine andere Begriffe sammlen, als die sich auf jene Umstände beziehen. Uiberdieß lebt der größte Theil von ihnen einsam, oder doch in einer kurzdauernden Gesellschaft,

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welche sich auf die Vermehrung des Geschlechts und die Anführung ihrer Jungen gründet. Diejenigen, die länger in Truppen zusammen leben, sind bloß durch das Gefühl der Furcht zusammen vereiniget. Nur fruchtbare Thiergattungen befinden sich in diesem Falle. Die einzige Empfindung, die sie zur Geselligkeit antreibet, und sie beschäftiget, ist die Furcht. Zu dieser Art gehört das Geschlecht der Hirsche, unter, welchen die Hirschkühe sich bloß absondern, um ihre Jungen zu werfen, und die Hirsche, um ihr Geweih abzuwerfen, und zu erneuem. Von den Geschlechtern die besser bewaffnet, und muhtiger sind, z.B. wilden Schweine, bleiben die Weibchen, als der schwächere Theil, in einer Heerde mit den jungen Männchen. Sobald diese drey Jahre alt, und mit den Vertheidigungsmitteln versehen sind, die ihnen Sicherheit verschaffen, verlassen sie den Trupp, und suchen ihre Sicherheit in der Einsamkeit. Es giebt daher unter den Thieren kein eigentlich gesellschaftliches Leben. Das Gefühl der Furcht, und die Bedürfnisse einer wechselsweisen Verteidigung, können, allein genommen, ihnen nicht gar viele Kenntnisse verschaffen;

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verschaffen; sie sind nicht darnach gebauet, mancherley Mittel zu versuchen, oder etwas zu den allezeit fertigen Waffen hinzu zu fügen, die ihnen von der Natur verliehen worden. Wer weiß, wie weit der Gebrauch der Hände, die Affen bringen würde,wenn sie eben sovielMuße, als Vermögen zum Erfinden hätten; oder wenn eine beständige Furcht für den Verfolgungen der Menschen sie nicht in ihrer viehischen Dummheit erhielte? Die Sprache scheint bey den Thieren allerdings sehr eingeschränkt zu seyn Bey ihrer gewöhnlichen Lebensart, ist nichts natürlicher, als dieses Giebt es doch wilde Menschen, mit Bogen, und Pfeilen gerüstet, deren ganze Sprache kaum dreyhunoert Wörter enthält. So eingeschränkt indessen die Sprache der Thiere seyn mag, so haben sie doch wirklich eine, und man behauptet, daß sie viel reicher sey, als man von Geschöpfen vermuhtet, die eine lange Schnauze, oder einen langen Schnabel haben. Die Sprache setzt eine Folge von Begriffen, und das Vermögen zu artikuliren voraus. Wenn auch der größte Theil von Menschen, welche Worte artikuliren, nicht diese Folge von dem hat, so muß sie doch in dem Verstande.

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derer gegenwärtig gewesen seyn, die zuerst diese Worte miteinander verbanden. Wir haben gesehen, daß die Thiere, in Absicht auf zusammenhangende Begriffe, alles besitzen, was zu Anordnung der Worte nöhtig ist. Die Begriffe bey ihren Fertigkeiten, können sich nicht anders gebildet haben als durch Schlußfolgen, oder Induktionen, die daß Nachdenken untereinander verband, und die alle Wirkungen des Verstandes voraussetzen. Demnach bemerken wir in ihrem Geschreye keine merkliche Artikulation. Diese scheinbare Einförmigkeit läßt uns muhtmassen, daß sie in der That nicht artikuliren. Gleichwohl ist es außer Streit, daß die Thiere einer jeden Art, sehr deutlich diejenigen Töne voneinander unterscheiden, die uns sehr verworren vorkommen. Niemals entsteht unter ihnen ein Mißverstand. Nie verwechseln sie das Geschrey der Furcht mit dem Seufzer der Liebe. Sie drücken nicht allein diese ganz voneinander unterschiedenen Verfassungen aus, sondern sie müßen auch die unterschiedenen Schattirungen derselben kennbar machen. Die Töne einer Alten, die ihren Jungen befiehlt, sich zu verbergen, um sich den Anblick des Feindes zu entziehen,

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können nicht mit denen übereinkommen, welche sie zu Beschleunigung ihrer Flucht anmahnen. Die Umstände der Nohtwendigkeit einer verschiedenen Handlung, und dieser Unterscheid muß in der Sprache, welche die Handlung ankündiget; mit ausgedrückt werden. Dir ernsthaften, und dennoch schmeichlerischen Ausdrücke, welche dem Männchen das Weib unterwürfig machen ; ohne jenem die Hoffnung zu benehmen, können mit denen nicht einerley seyn, die dem Männchen verkündigen, daß es nun seinen Begierden alles erlauben dürfe, und daß der Augenblick des Genusses da sey. Die Sprache durch Handlungen ist allerdings den Thieren sehr geläufig, und öfters zureichend, sich wechselweise das meiste von dem, was in ihnen vorgeht, zu verstehen zu geben: Sie bedienen sich also ihrer Sprache nicht häufig. Ihre Erziehung wird, wie die unsrige, größtentheils durch die Nachahmung vollendet. Alle einzelne Empfindungen des einen Thieres, können von dem andern an den äußerlichen Bewegungen, welche jene Empfindungen bezeichnen, erkannt werden. Ob aber gleich diese Sprache durch Handlungen vieles auszudrücken vermag, so ist sie doch nicht in allen

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Fällen zureichend. Es ist ausgemacht, daß in den Ländern, wo man Schlingen legt, diejenigen Füchse, wenn sie aus dem Baue gehen, viel mehr Behutsamkeit zeigen, als die alten in solchen Ländern, wo sie keine Nachstellung zu befürchten haben. Diese Kenntniß der Regeln von Behutsamkeit, welche so viele Muhtmassungen und entfernte Induktionen voraussetzt , läßt sich im Bau des Fuchses, vermöge der Sprache durch Handlungen allein, unmöglich erlernen, und die Erziehung eines Fuchses kann ohne Worte nie zur Vollständigkeit gebracht werden. Durch welchen Mechanismus werden Thiere, die zusammen auf den Raub ausgehen, unter sich eins, sich einander zu erwarten, wieder zu suchen, und bey zustehen? Ohne gewisse Verabredungen, deren Genauigkeit bis auf die kleinsten Umstände nichts anders, als vermittelst einer artikulirten Sprache zu erreichen ist, würden alle diese Handlungen gewiß nicht geschehen können. Die Einförmigkeit der Laute, oder die Monotonie tauschet uns, weil es uns an Uibung, und Nachdenken darüber fehlt. Wenn wir Leute in einer uns fremden Sprache mit einander reden hören, unterscheiden wir keine merkliche Artikulation. Wir

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glauben eine beständige Wiederholung der nämliche Töne zu hören. Die Sprache der Thiere, so mannigfaltig sie auch vielleicht seyn mag, muß uns noch viel einförmiger vorkommen, weil sie uns noch unendlich fremder ist. Sie sey in dessen beschaffen, wie sie wolle, so kann sie doch zu der innern mehrern Vollkommenheit, deren die Thiere fähig sind, nicht sonderlich viel beytragen. Ohne die Kunst zu schreiben, die nur den Menschen eigen ist, wurde jeder einzelne Mensch, bloß auf seine eigne Erfahrung eingeschränkt, genöhtiget seyn, eben die Bahn wieder anzufangen, die sein Vorgänger durchgelaufen wäre, und die Geschichte eines Menschen, würde beynahe die Geschichte aller menschlichen Kenntnisse seyn. Der Beschluß folgt.


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Topic revision: r6 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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