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XXXVIII.

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Nachricht von zwey Mägdchen, welche über dreyßig Jahre lang, für ein paar Eheleute gehalten worden.

Ein Beytrag, zur Geschichte des menschlichen Herzens, aus dem engl. Univers. Magaz.

Vor einigen Jahren freyete ein junger Pursch nach einem Mägdchen, Namens Marie East, welche auch die stärkste Neigung zu ihm gewann. Gleichwie er aber auf einem Strassenraube ertappet worden, so wurde er zum Tode verurtheilet, doch nachher mit einer Verbannung nach Amerika begnadiget. — Dieses machte bey seiner Geliebten einen solchen Eindruck, daß sie sich vornahm, lebenslang unverehliget zu bleiben. In der Nachbarschaft lebte ein anderes junges Mägdchen , welches, weil es ihr auch in der Liebe unglücklich gegangen war, denselben Entschluß gefaßt hatte. Da sie in einer vertraulichen Freundschaft lebten, so entdeckten sie einander ihre Gedanken, und entschlossen sich, künftighin

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beständig bey einander zu bleiben. — Nachdem sie es überleget hatten, wie sie ihre Sachen am beßten angreifen konnten, wurden sie eins, daß sie, nachdem eine von ihnen Mannskleider angeleget an einem Orte, wo man sie nicht kennet, sich für Mann und Weib ausgeben wollten. Die Schwierigkeit war nur, welche von ihnen den Mann vorstellen sollte, doch dieser ward auch bald durch das Loos gehoben. Es fiel auf Marie East, welche damals ungefähr siebzehn, so wie ihre Gesellinn achtzehn Jahre alt war. Das ganze Kapital , welches sie zusammenbrachten, bestand aus dreyßig Pfunden. Mit diesen machten sie sich auf den Weg, und Marie nahm, nachdem sie eine Mannskleidung gekauft hatte, den Namen James How an, mit welchen ich sie eine Weile nennen werde. Auf ihrer Wanderung kehrten sie zu Epping, in einem kleinen Wirthshause, welches zur Miehte stand, ein. Sie miehteten dasselbe, und blieben eine Zeitlang auf demselben. Nicht lange hernach entstand zwischen unserm James, und einen jungen Herrn ein Streit, welcher von der Natur war, daß James letztem gerichtlich belangte, und 500. Pfund, zu Ersetzung seines Schadens erhielt. — Wie sie in dem Besitze

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dieser ansehnlichen Summe waren, miehteten sie ein besseres Wihrtshaus, in Linnehausehole, wo sie viele Jahre immerfort als Mann und Frau in gutem Kredite, und Ansehen lebten, und ein ansehnliches Geld erwarben. Endlich verließen sie auch dieses Haus, und zogen in das weiße Roß zu Popplar, welches sie, wie nachher noch mehrere Häuser kauften. Achtzehen Jahre hernach geschah es, daß eine gewisse B , welche in Garlick Hill wohnte, und mit dem James in ihrer Jugend bekannt gewesen, da sie diese Leute in so guten Umständen sah, einen Anschlag auf sie machte. Sie ließ demnach zehen Pfund von ihr fordern, mit dem Bedeuten, daß sie, im Falle der Weigerung, ihr Geschlecht bekannt machen wollte. James, welcher sich dafür sehr fürchtete, schickte ihr das verlangte Geld. Hiebey blieb es eine geraume Zeit. Während dem lebte James mit seiner vermeynten Frau in gutem Kredite,und hatte auch verschiedene bürgerliche Bedienungen in Popplar verwaltet. — Endlich ließ oberwähnte B wieder zehn Pfunde von ihr fordern, und erhielt sie auch, kraft ihrer Drohung. Diese Willigkeit, machte das Weib immer dreuster, so,

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daß sie vierzehen Tage hernach dieselbe Summe zum drittenmale forderte; da aber James dieselbe damals nicht im Hause hatte, schickte er ihr aus Furcht der Entdeckung fünf Pfund. Itzt starb die angebliche Frau des James, und daraus nahm die gewissenhafte B Anlaß, auf eine Erfindung zu denken, wie sie noch mehr Geld herauspressen könnte. In dieser Absicht erkaufte sie zween Schelme, wovon der eine ein Mulatte* war, und sich für einen Häscher des Friedensrichter ausgeben mußte, der andere aber sich mit einem kurzen Stabe versehen, und einen Konstable** vorstellen sollte. In diesem Karakter verfügten sie sich nach dem weißen Rosse, und fragten nach dem Herrn How, der sich alsobald zu erkennen gab. Hierauf sagten sie, sie wären von dem Friedensrichter geschicket, um ihn, sowohl wegen eines vor 34. Jahren begangenen Diebstahls, als auch, weil er ein Weibsbild wäre, in Verhaft zu nehmen. —Wie er ungeachtet seiner Unschuld in Absicht auf den Diebstahl, der Verheelung ihres Geschlechtes wegen aber, in den äußersten Schrecken gesetzet wurde, gieng

* Ein halbschwarzer. ** Dieses ist derjenige, welher die Befehle der Oberkeit in seinem Kirchenspiele, oder Quartiere zur Ausführung bringen muß.

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von ungefähr Herr W ein Pfandleiher, und guter Bekannter von ihr, vorbey, welchen sie anrief, und ihm das Gewerb der beyden Kerl erzählte, mit der Erklärung, daß er in der That ein Weibsbild , des Diebstahls aber ganz unschuldig wäre. Auf dieses freymühtige Bekenntniß, sagte dieser, sie sollte sich nicht vor den Friedensrichter, sondern vor ihr eigenes Gericht stellen; er wollte nur nach Hause gehen, sich umzukleiden, und binnen fünf Minuten wieder zur Stelle seyn. Während seiner Abwesenheit bedroheten die beyden Schelme den James, sagten aber dabey, wenn er ihnen 100. Pfund gäbe, wollten sie ihn in Ruhe lassen, wo aber nicht, so sollte er in 16. Tagen hangen. Ungeachtet dieser Bedrohung wollte er kein Geld herausgeben, sondern wartete mit Ungeduld auf die Wiederkunft seines Bekannten. Wie er sich also zu nichts erklären wollte, rissen sie ihn mit Gewalt aus dem Hause, und führten ihn übers Feld nach Garlick Hill, in das Haus der nämlichen Frau B , wo man ihm durch Drohungen eine in kurzer Zeit zahlbare Anweisung auf Herrn W abzwang, und ihn nach dessen Erhaltung gehen ließ — Herr W kam in der von ihm bestimmten Zeit zurück, und wurde

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bestürtzt, da er ihn nicht mehr zu Hause fand. Er meldete sich alsbald bey seinem Gerichte; und wie er sie daselbst nicht fand, auch bey den Friedensrichter, wo er sie eben so wenig antraf. Er gieng also nach Hause zurück. James kam bald nach, und erzählte ihm, was ihm begegnet war. Nunmehr war die Entdeckung ihres Geschlechtes ruchbar geworden. — Nach ein paar Tagen kam Frau B mit der Anweisung zum Herrn W , um zu vernehmen, ob er, da sie in drey Tagen fällig war, das Geld darauf zahlen wollte ? Worauf er antwortete, wenn sie zur bestimmten Zeit wieder käme, er ihr genauern Bescheid geben würde. Mittlerweile erkundigte er sich bey dem Gerichte, wie er sich zu verhalten hätte, und dieses beorderte einen Konstable, zu derselben Zeit in des Herrn W Hause zu seyn. Frau B fand sich zur bestimmten Zeit ein, das Geld auf die Anweisung abzulangen, und brachte den Mulatten mit sich, wurde aber mit demselben in Verhaft genommen, und vor das Gericht gebracht. Herr W begab sich dahin, begleitet von James, in der Kleidung ihres Geschlechtes, und unter ihren wahren Namen Marie East. Die grosse Veränderung, welche die Umwechslung

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der Kleider, an ihrer Person gemacht hatte, sammt dem gezwungenen Wesen in ihrer neuen Tracht, gab jedermann etwas zu lachen. In dem Verhöre läugnete Frau B daß sie jemand geschickt hätte, um 100. Pfund abzulangen, der Mulatte versicherte aber, daß er, wenn sie ihn nicht gesandt hätte, nimmer würde hingekommen seyn. Kurz, sie widersprachen sich dergestalt, daß der ganze schelmische Anschlag an den Tag kam. In Absicht auf die 10. Pfund, welche Frau B vorher empfangen hatte, bestand sie darauf, daß ihr dieselben Marie zugeschickt hätte. Nachdem aber ihre Erpressung, und Gewaltthätigkeit völlig bewiesen worden, wurden sie beyde, ohne Bürgen stellen zu dürfen, bis zum nächsten Gerichte fest gesetzet. Der andere Kerl hat sich aus dem Staube gemacht, und man hat weiter nichts von ihm gehöret. Ich habe den Umstand zu melden vergessen, daß des James angebliche Frau nachdem sie krank geworden, sich zur Herstellung ihrer Gesundheit, zu ihren Verwandten auf das Land begeben. Wie es aber daselbst ärger mit ihr geworden, ließ sie ihren angeblichen Mann zu sich rufen. Weil dieser aber nicht kam, entdeckte sie

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auf dem Todbette das Geheimniß ihren Freunden, welche nach ihrem Ableben zu ihm giengen, und nicht blos die Hälfte aller Mittel, sondern noch mehr forderten. James war gleich Anfangs willig, ihnen die Hälfte bis auf einen Häller auszubezahlen , blieb aber dabey, daß sie nichts mehr haben sollten. So lang sie übrigens als Mann und Frau in einem Hause gewohnet , welches 34. Jahre gedauert , haben sie in dem beßten Kredite und Ansehen gelebet, viele tausend Pfunde umgesetzt, jedesmal an bestimmten Tagen richtig bezahlet, und so, zwischen 4 und 5 tausend Pfunden ehrlich gewonnen. Sie hielten weder Knecht noch Magd. Marie East, weyland James How, zapfte selbst, und wartete auf. Sie ist entschlossen, so bald sie ihr Haus vermiehtet, oder verkaufet, und ihre Sachen in Ordnung gebracht hat, sich in eine andere Gegend zu begeben, um daselbst von ihren wohlerworbenen Mitteln, ruhig, und vergnügt zu leben.


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Topic revision: r6 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
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