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XLIX.
(P379)
Untersuchung der Frage: Ob Verstand ohne Schönheit, oder Schönheit ohne Verstand den Vorzug habe?
In einem Sendschreiben eines jungen Frauenzimmeran ihre Freundinn.
Ist es möglich, meine wehrte Freundinn, daß Sie sich bey einer Frage an jemand andern wenden, die doch niemand leichter als Sie selbst entscheiden kann! — Es ist darum zu thun, daß man untersuche, ob Verstand, oder Schönheit den Vorzug habe, wenn eine von diesen Vortheilen die andere ausschließen sollte. — Allein, wer kennet die Kraft von beyden Kostbarkeiten besser, als Sie selbst. Sie wissen davon aus der Erfahrung zu reden, und wissen, wobey es auf den Unterscheid bey diesen Vorzügen ankömmt. Warum wollen Sie also nicht den Ausspruch thun? Ich sehe wohl, was Sie abhält. Sie befürchten nicht Unbillig, daß Sie in diesen Stücken nicht
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genugsame Einsicht haben, weil Verstand und Schönheit, solche Güter sind, deren Wehrt man mehr erkennet, wenn man sie entbehret, als wenn man sie besitzet. Wie wäre es möglich , bey einer so liebenswürdigen Gesichtsbildung, Ihnen den Widerwillen vorzubilden, den uns ein verstelltes Gesicht erregen kann. Wie könnten Sie, bey einem so durchdringenden, und lebhaften Verstande begreifen, wie verdrüßlich es sey, einen stumpfen, eingeschränkten, und dummen Kopf zu haben. Nein, meine wehrteste Freundinn, es ist fast nicht möglich, daß Sie sich einbilden können, was das für ein Verdruß sey, eines dieser Güter beraubt zu seyn! Sie könnten zwar wohl sagen, die Schönheit ersetze die Dummheit, oder der Verstand bringe eine unangenehme Gesichtsbildung in Ordnung. Wer würde aber dieser Entscheidung Glauben beylegen? Man würde Ihre Meynung in diesem Stücke eben so ansehen, wie des Seneka seine, welcher immer von der Armuht predigte, und im Uiberflusse lebte. Da er also von dem Elende keine richtigen Begriffe haben konnte, so hat auch der Uiberfluß, in welchem er gelebet, seine Rede sehr verdächtig gemacht. Sie würden eben auf diese Art nach Ihrer
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Einsicht sprechen , wenn sie überreden wollten. Was mich betrift, so darf man mich aus diesem Bewegungsgrunde nicht für verdächtig halten , und ich kann Ihnen also meine Gedanken darüber, aufrichtig sagen.
Die Schönheit ist unstreitig ein Gut, das man sich wünschen muß. Dadurch wird die Welt von uns eingenommen; und wie viele Vortheile hat dieses nicht? Die Augen sprechen für das Herz. Man nimmt sich einer schönen Person an, und das Verlangen, Verstand bey ihr zu finden, überredet uns, daß sie ihn habe. Man ist sehr geneigt, alles, was uns in diesen Gedanken bestärken kann, anzumerken; und ganz leicht über das wegzugehen, was uns dießfalls im Wege stehen könnte. Man merkt es fast die ganze Zeit durch nicht, wie viel man Gnade erzeiget, weil uns die Fehler wirklich entwischen. Die Augen, welche uns vergnügen, machen, daß wir nicht so gar zärtliche Ohren haben; und wie leicht ist es alsdann, diejenigen zu vergnügen, die uns hören. Man muß erschrecklich dumm seyn, wenn man es bey einem schönen Gesichte zeigen will, welches die tägliche Erfahrung lehret. Und, wer wollte auch nicht gestehen, daß die Schönheit etwas
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Grosses sey? Ja , sie ist es ohne Zweifel. Allein, mit ihr verschwinden auch die falschen Vorstellungen, die man sich von uns gemacht hat. Sie dauert sehr kurz, und Verdruß, Zeit, und Krankheiten verändern sie gewiß. Ja, öfters löschen sie einige Jahre dermassen aus, daß man ein sehr gutes Gedächtniß haben muß, wenn man sich das erinnern will, was ein schönes Gesicht gewesen; und je ein schöners man gehabt hat, desto empfindlicher ist der Verlust desselben. Hat man nichts als Schönheit besessen, so verliert man mit ihr alles. Ach! sollte man denn nun vor dem Frühlinge seines Alters, sein ganzes Leben aufopfern? Aber, selbst in dem Frühlinge kann die falsche Vorstellung nicht dauern, wenn man nicht eine kleine Sammlung besitzet, damit man der Welt hundert wiederholte Komplimente vorsagen kann; und wenn man nicht einen guten Vorraht von allgemeinen Sätzen bey sich führet Alles dieses, wenn es mit einer verführenden Gesichtsbildung, einem reißenden Lächeln, einer Neigung die wohl angebracht, und rührend ist, kann uns hintergehen, und unser Gesicht tauschen. Allein, wie siehet es aus, wenn man genauer bekannt wird? Gewiß, man betrügt sich, mit
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allem diesen verblendeten Aufputze. Man muß sich nicht oft sehen lassen, wenn man betrügen will. Man gewöhnt sich zwar an das schöne Gesicht, aber, man gewöhnt sich nicht daran, nicht zu merken, daß man nicht reden kann. Man versprach sich artige Gedanken. Es folgen aber keine, und das ist unmöglich , daß man es vergeben kann. — Uiberdieß findet sich oft Gelegenheit, daß man schreiben muß, und da läuft es mit dem lobenswürdigen Aeußerlichen sehr schlecht ab. Da im Gegentheile viel Verstand oft machet, daß man das unangenehme Aeußerliche vergißt, weil man dabey nichts verlieret, und uns scherzhafte, und glückliche Einfälle von dieser Untersuchung abwenden. — Es ist wahr, daß alle obgedachte Vorurtheile wider eine solche Person sind. Es muß etwas Höheres seyu, wenn man eine unangenehme Figur durchdringen soll, und es erfordert Zeit, sich mit ihr bekannt zu machen. Allein, in die Länge macht doch das Aeußerliche, es mag schön, oder garstig seyn, nicht mehr so viel Eindruck. Schönheit ohne Verstand, wird demnach bey Personen, die Geschmack haben, nie einen Vorzug erhalten. Soll man aber bloß allein den Beyfall der andern suchen?
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Jedoch, meine wehrteste Freundinn, ich halte dafür, daß ich der Schönheit so viel beygeleget habe, daß sie bey den ersten Unterhandlungen aushalten kann. Wäre es demnach nicht billig, eine Verständige so vorzustellen, daß sie nicht gänzlich ohne alle Schönheit sey? — Es ist wahr, es ist nichts Liebenswürdiges an ihr, aber sie hat auch nichts, das sie gar zu verdrüßlich macht. Dieses vorausgesetzt , erkläre ich mich für die Letztere, und was mich in dieser Wahl bestärket, ist, daß das Vergnügen, welches der Verstand erwecket, zu allen Zeiten dauert; daß es nicht von den Umständen abhängt, und folglich für das menschliche Leben ist. Mit den Annehmlichkeiten hat es keine gleiche Bewandniß. Ihr Reich ist von einer kurzen Dauer, und sie zu genießen, muß man sie sehen, und bewundern. Befindet sie sich bey Leuten, die Sorgen, oder sonst etwas im Kopfe haben, so verlieret man die Frucht von einer Schönheit, die man auch noch so hoch geschätzet hat. Und müßte man etwann gar auf dem Lande, oder an einem einsamen Orte leben, was für Nutzen würde man wohl davon haben? Was mich aber in meiner Meynung am meisten bestärket, ist
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dieses, daß es alsdann erst angenehm ist, wenn man nachdenken, lesen, und Betrachtungen anstellen kann. — O! wie bedaure ich diejenigen, welche niemals das Vergnügen genossen haben, sich mit sich selbst zu unterhalten, und die immer in Gesellschaft seyn müßen, wenn sie nicht verdrüßlich werden wollen. Das ist aber der Zustand derjenigen, welche nur schön sind. Sie wissen von keiner andern Glückseligkeit, als daß sie sich zeigen; und, weil diese nur eine gewisse Zeit durch dauern kann, so laufen sie Gefahr, zwey Drittheile ihres Lebens in Traurigkeit zuzubringen.
Küchlein in kurzer Zeit fett zu machen.
Aus der Gazette Litt. de Berl.
Ein Mann zu London ist für eine Erfindung, die Küchlein in kurzer Zeit fett zu machen, von einer gelehrten Gesellschaft , mit einer goldenen Medaille belohnet worden. Sein Verfahren dabey ist folgendes: Man nimmt die Küchlein
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in der Nacht da sie ausgekrochen, unter der Henne weg, und legt an ihrer Stelle andere Eyer unter. Auf diese Weise kann man sie nach und nach von der Mutter bekommen. Diese zarten Küchlein füttert man anfänglich, mit hartgekochten, kleingehackten Eyern, worunter man etwas Brod menget. Nach 14. Tagen macht man ein Gemengsel von Haber, Mehl und Theriak, so, daß eine Art körnigten Thaiges erhalten wird. Die Küchlein fressen dieses Futter ungemein gern, und nehmen so dabey zu, daß sie innerhalb zwey Monaten, schon den völligen Wuchs eines Huhns, und überflüßiges Fett haben.
Ein paar Anmerkungen über den Geitz.
Von einem Geitzigen kann man in keinem andern Sinne sagen, daß er Geld habe, als wie man von einem Kranken sagt, er habe das Fieber, welches den Menschen hat, und tyranisiret, nicht aber von ihmgehabt, und tyrannisirt wird.
Der Geitz ist das Hemd der Seele, und dasjenige Laster, welches sie zuletzt ablegt.
Der Armuht mangeln einige, dem Geitze aber alle Dinge.
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