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L.
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Besondere Merkwürdigkeiten der berühmten Karavane von Mecka.
Aus dem New. Univ. Magazine.
Die berühmteste unter den Karavanen ist diejenige, welche jährlich von Damaskus, oder Aleppo, nach dem Grabe des Muhamers gehet. Sie macht sich gemeiniglich in dem Monate Julius auf den Weg. Um diese Zeit kommen täglich Pilger aus Persien, aus dem Gebiete des großen Moguls, aus der
Tatarey, und aus allen anderen Reichen, wo man die muhametanische Religion bekennet, daselbst an. Einige Tage vorher, ehe die Karavane abgehet, halten die Pilger einen öffentlichen, und allgemeinen Umgang, wobey sie in den schönsten Kleidern erscheinen, und jeder nach seinem Stande und Vermögen diesen Aufzug verherrlichet. Die, welche die Abkömmlinge von Muhamets Geschlecht
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genennet werden , eröfnen den Zug. Sie sind mit langen Röcken bekleidet, und tragen eine grüne Mütze auf ihren Köpfen, als Vorrechte, die nur ihnen zugestanden werden. Sie gehen viere und viere in einer Reihe, und haben ein Gefolge von Musikanten hinter sich. Nach ihnen kommen die Kameele Gliederweise, und sind mit Federbüschen von allerhand Farben geschmücket. — Nach denselben folgen die übrigen Pilger zu Pferde, sechse in jeglicher Reihe, mit dem Nachzuge von Wägen voller Kinder, welche die Eltern dem Propheten vorzustellen gedenken. Diese Wägen sind mit einer Menge von Sängern umgeben, welche bey ihrem Gesange tausend wunderliche Geberden machen, das Volk zu überreden, als wenn sie göttliche Eingebungen hätten. Diesen folgen zwey hundert Reiter in Bärnhäuten, welche mit kleinen Kanonen, die auf ihren Fahrzeugen stehen, zu thun haben. Dieselben feuern sie alle Stunden ab, und die Luft erschallt von dem Freudengeschreye des ganzen Volks. Diese Kanonen werden von einer Compagnie Reiter mit Tygerhäuten, die wie Cuirasse gemacht sind, bedeckt. Die langen Knäbelbärte, die
tatarische Mütze, und der lange Säbel, der an ihrer Seite hängt,
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geben ihnen ein sehr kriegerisches Ansehen. — Vierhundert Mann von dem Fußvolke in grüner Kleidungs mit einer Art von gelben Mützen auf den Köpfen, gehen dem Zuge des Mufti vorher.
Der Mufti selbst, zieht in Begleitung der Lehrer des Gesetzes, und eines zahlreichen Haufens von Sängern, vor der Standarte des Muhamets, die ihm folget. Diese Standarte ist aus grünem Atlasse gemacht, und mit Gold gestickt. Sie wird von zwölf gepanzerten Reitern, welche in ihren Händen goldene Stäbe tragen, bedeckt; und von Trompetern, und Leuten, die beständig, und mit Zusammenstimmung, auf silberne Schüßeln schlagen, begleitet. — Hiernächst erscheint das Zelt, das vor dem Grabe Muhamets dargestellet werden soll. Es wird von dreyen Kameelen getragen, die mit grünen Federn, und silbernen Platten ausgeputzt sind. Das Zelt ist von kremoisinfarben Sammte, mit Gold gestickt, und mit kostbaren Steinen von allerhand Farben reich besetzt. Gemiehtete Tänzer tanzen dabey her, und machen allerhand geheimnißvolle Gebärden. Endlich führt der Bascha von Jerusalem, vor welchem Paucken, Trompeten, und andere türkische
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Instrumente gehen, den 'hintern Theil des Zuges auf.
Wenn der Umgang geendiget ist, denkt ein jeder Pilger auf nichts, als seineAbreise. Die Stadt Mecka ist das Ende ihrer Pilgerschaft. Diese Stadt liegt in dem glücklichen Arabien, zwo, bis drey Tagereisen vom rohten Meere, an dem Flusse Betius, der itzt Eda heißet. Die Türken sind der Meynung, daß ihr Prophet in dieser Stadt geboren sey, und dieses stößt ihnen eine solche Ehrfurcht gegen dieselbe ein, daß sie ihr allzeit, wenn sie von ihr reden, den Beynamen, die Prächtige, geben; und wenn sie beten, welches des Tages etlichemale geschieht, unterlassen sie niemals das Gesicht gegen diese Stadt zu kehren, sie mögen auch seyn, an welchem Orte sie wollen.
Ihre Kirche oder Moschee stehet in der Mitte der Stadt, und sie behaupten, daß sie auf derjenigen Stelle stehe, wo Abraham vormals sein erstes Haus gebauet hatte. — Sie ist schön und groß, mit verschiedenen Gemälden, und Vergoldungen , und mit allen denen Geschenken, welche Muhamets Anhänger aus Ehrerbiehtung dahin schicken, bereichert. Das runde Dach derselben hat zween Thürme, welche man schon in einer ziemlichen
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Entfernung stehet. Nahe bey der Moschee ist eine Art von Kapelle , die den berühmten Brunnen Temiena genannt, einschließet. Ihre Geschichtschreiber sagen, das Wasser desselben stieße aus der Qwelle, die Gott der Hagar, und dem Ismael entdeckte, als sie von Abraham aus seinem Hause vertrieben , und sich nach Arabien zu begeben genöhtiget waren. — Muhamet machte sich diesen Brunnen zu Nutze, und erklärte, daß das Wasser desselben die Kraft habe, nicht nur alle leibliche Krankheiten zu heilen, sondern auch die Seelen von den scheußlichsten Verbrechen zu reinigen. — Die Kaufleute, welche mit allen Arten von köstlichen Steinen handeln, stellen solche, nebst einer Menge von aromatischen Pulver, bey diesem Brunne zum Verkaufe aus. Sie haben einen sehr grossen Abgang, und dieses rührt von der eingebildeten Kraft des Wassers aus diesem Brunne her, welche beständig, eine grosse Anzahl sowohl von Leuten, die sich mancherley Verbrechen schuldig gemacht haben, als von Kranken, die mit allen Arten von Leibsbeschwerden behaftet sind, dahin zieht.
Die Stadt Medina wird von allen Muselmännern mit nicht viel geringerer
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furcht angesehen, als Mecka. Der Unwille des Muhamets wider seine Mitbürger von Mecka, die sich vorgenommen hatten, ihn aus seinem Geburtsorte zu verbannen, ftößte ihm ein Verlangen ein, sich an ihnen zu rächen. Er glaubte, daß es die empfindlichste Art wäre dieses zu thun, wenn er erklärte, daß Medina seine Stadt, und der Sitz seines Reiches, für ihn, und seine Nachfolger seyn sollte. Er verordnete, daß sein Grab daselbst gebauet würde, und dem zu Folge, sieht man gegenwärtig seinen Sarg in einer großen Moschee, Kiabi genannt. Dieser Sarg, der in eine Art von Thurm gesetzt ist, wird von drey marmornen Pfeilern getragen, und ist mit einem Zelte von dem reichsten mit Golde gestickten Stoffe bedeckt, und mit einer Menge von Lampen, welche beständig brennen, umgeben. Die Wände von diesem Thurme sind mit silbernen Platten bedeckt.
Zu diesem Grabmaale nun kommen die Karavanen, ihre Huldigung zu leisten. Diejenige, welche die Geschenke des Großsultans bringt, ist nicht sobald angelangt, als die Dervische, welche die Aufsicht über die Moschee haben, schon erscheinen, sie zu empfangen. Die Pilger lassen die Moschee von Freudengeschrey, und von
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Gesängen zu Ehren ihres Propheten erschallen. Hierauf folgt nichts als Gastmahle, und Freudenbezeugungen, bis zur Abreise der Karavane.
An dem Tage, da sie wieder abgeht, versammeln sich die Pilger wieder, und machen sich auf den Weg, indem sie mit lauter Stimme einige Verse aus dem Alkoran singen. Die Freunde und Verwandten der Pilger gehen ihnen entgegen, wenn sie Nachricht von dem Durchzuge der Karavane bekommen haben, und biehten ihnen die nöhtigen Erfrischungen dar. Ein jeder hält es für eine Ehre, sie mit Lebensmitteln für die ganze Reise zu versehen. Insonderheit aber empfangen die Pilger bey der Rückkehre der Karavane die Glückwünsche von der ganzen Stadt, von welcher sie ausgegangen waren. Man ehret sie allenthalben, und von der Zeit an, treten sie in den Besitz aller derjenigen Vorrechte, welche die türkische Religion denen, welche Muhamets Grab besuchen, zugestehet. Das Nöhtigste unter diesen Vorrechten für viele von den Pilgern, ist die Befreyung von der Strafe für die Verbrechen, um derentwillen sie nach den ottomannischen Gesetzen würden seyn verurtheilet worden. Ihre Pilgerschaft nach Mecka setzt sie für allen
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Verfolgungen in Sicherheit, und macht sie aus Verbrechern zu vollkommen schuldlosen Leuten.
Nicht allein aber den Pilgern, die nach Mecka gegangen sind, werden besondere Vorrechte zugestanden, sondern auch die Kameele, welche die Ehre gehabt haben, des Großsultans Geschenke zu tragen, genießen ihres eigenen Vorrechtes, welches darinnen bestehet, daß man mit ihnen, nicht wie mit gemeinen Thieren verfährt, sondern sie als solche ansehen muß, die das Glück haben, dem Muhamet geheiliget zu seyn. Dieses Recht befreyet sie von der Zeit an, bestandig von aller Arbeit, und Diensten. Es werden ihnen Hütten zu ihrem Aufenthalte gebauet, wo sie nicht nur ruhig leben, sondern auch wohl gefüttert, und gepfleget werden.
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