Blättern:
< zum Text 1 –
zum Text 3 >
II.
(P9)
Von dem Nutzen, und verschiedenen Gebrauche des Baumlaubes.
Aus den Strelitzischen Anzeigen.
Es fehlet den Hauswihrten öfters im Winter am Futter für das Vieh, öfters ist der auf ihren Höfen gesammelte Mist, zu Düngung der Felder nicht zureichend, und dennoch lassen wir die Blätter von den Bäumen abfallen, und auf der Erde verfaulen, ohne daß wir uns einfallen ließen, sie auf eine, oder die andere Art zu nutzen.
Die weise, und gütige Allmacht GOttes, hat das Laub nicht nur als ein zum Wachsthume der Baume nöhtiges Mittel erschaffen, sondern sie macht auch solches, wenn es den Pflanzen, deren Theile es abgiebt, nicht mehr nöhtig ist, uns noch auf vielerley Art nutzbar, wenn
(P10)
wir nur die geringe Mühe darauf wenden wollen , dasselbe, ehe es völlig verwelket , zu sammeln.
Erstlich kann man solches sehr wohl zum Futter für das Vieh brauchen. In dieser Absicht muß man es kurz vorher ehe es abfällt, sammeln, fleißig umwenden, und trocknen, eben auf die Art, wie man mit dem Heu verfährt. Auf diese Weise, wenn es für der Feuchtigkeit und Näße verwahret wird, kann es den Winter hindurch sehr leicht erhalten werden. In den Oertern, welche Waldungen in der Nachbarschaft haben, gehet dieses am beßten an, weil daselbst die Arbeit , das Laub einzusammeln, nicht viel kosten wird. Die Kühe fressen dergleichen getrocknete Blätter mit grosser Begierde, und es kann kein besseres und wohlfeileres Futter gefunden werden, die Schaafe den harten Winter über, zu erhalten.
In Frankreich, und in verschiedenen Provinzen Deutschlandes, wo es Waldungen giebt, weis man sich die Blätter auf verschiedene Art zu Nutzen zu machen. Das Laub von Birken, Erlen, Eichen, und Weiden wird den Schaafen, und Ziegen vorgeworfen; die Buchen, Rüstern, und Eschen aber, geben dem
(P11)
Rindviehe seine Nahrung. Insonderheit ist das Weinlaub ein sehr gutes und dienliches Futter für die Kühe, und Schaafe, weil es viele,und gute Milch giebet, und die daraus geschlagene Butter überaus schmackhaft macht.
Sollte denn das Baumlaub den Landwihrten unserer Gegend keinen Nutzen bringen, da es für andere Länder und Provinzen so vorteilhaft ist? Und warum will man dasjenige so muhtwillig umkommen lassen, was noch von einigen Nutzen seyn kann? Man sieht die Blätter von den Bäumen in Wäldern und Gebüschen im Herbste verfaulen, und die armen Schaafe und halbverhungerten Kü¬he im Winter auf den Triften herumschleichen, und aus Mangel der Nahrung beynahe umkommen, welche ihnen doch das Baumlaub des vergangenen Herbstes, wenn es gehörig verwahret worden , überflüßig würde gereichet haben. Es wäre in der That ein sehr grosser Vortheil, wenn ein jeder, der einer Wirtschaft vorstehet, im Herbste so viel Laub sammelte, und gehörig aufhübe , als er nur füglich thun könnte. Gienge alsdann das sonst gewöhnliche Futter für das Vieh zu Ende, so würden doch die Blätter von grossen Nutzen seyn, und ein
(P12)
sicheres Mittel abgeben, eine Menge Vieh, das aus Mangel des Futters im Winter umfällt, beym Leben zu erhalten.
Gesetzt aber auch, daß man das Baumlaub im Winter zur Fütterung zu verbrauchen Bedenken trüge, so ist es doch außer dem zu viel andern Dingen nutzbar. Zum Unterstreuen für das Vieh ist es vortrefflich. Man sammelt hierzu das von mancherley Gattung der Bäume abgefallene Laub, besonders die Nadeln der Tannen, und Fichten, und wendet sie zur Streue an. Hierdurch wird viel Stroh ersparet, und die Nadeln der Tannen braucht man deswegen vorzüglich gern zur Streu, weil sie wegen ihres durchdringenden, und balsamischen Geruchs, eine gesunde Luft in den Stallungen erhalten.
Ein anderer, und sehr beträchtlicher Vortheil, den uns das Baumlaub verschaffet, ist die Düngung der Felder. Wenn die Blätter allein mit Erde vermischt werden, so geben sie, ihrer bey sich habenden salzigen Bestandtheile wegen,unstreitig einen vortrefflichen Dünger. Dieser wird aber weit besser seyn, wenn man sich ihrer zum Unterstreuen für das Vieh vorher bedienet hat. Man kann
(P13)
versichert seyn, daß man sein Land nicht mit Unkraute besaamen werde, wenn man Laubdünger gebraucht. Ein Vortheil, den man von den gemeinen, und gewöhnlichen Arten des Düngers nicht erwarten kann. — Ob nun zwar alle Gattungen des Baumlaubes zum Düngen gute Dienste thun, so sind doch hierzu die Tannen und Fichtennadeln von vorzüglicher Güte, weil sie wegen ihrer starken Fettigkeit die Kräfte der Düngung vermehren. Uiberhaupt ist der vom Baumlaube gemachte Dünger weit besser, als der vom gewöhnlichen Strohe, weil das Laub mehr vegetabilischen Saft, und Salz bey sich hat, und in der Erde eine einförmigere, und gemäßigtere Gährung erregt; und aus dieser Ursache sind auch die Wirkungen die es hervorbringt, weit beständiger, und dauerhafter.
Auch die Gärtner finden bey dem Baumlaube ihren guten Vortheil und Nutzen. Sie können damit die beßten Treib oder sogenannten Mistbeete zubereiten, und solches anstatt des Pferdmistes gebrauchen. Nur muß das Laub in dem Beete sehr derb getreten, und demselben der gehörige Grad von Feuchtigkeit gegeben werden. Es hitzet Stuffenweise, und dessen Hitze ist weit gleicher,
(P14)
und anhaltender , als des Pferdemistes. Man vermeidet dabey auch die Gefahr, die Pflanzen auf dem Beete zu verbrennen, oder zu ersticken.
An einigen Orten, besonders in Westphalen, bedienet man sich des Laubes vom harten Holze zum Räuchern des Fleisches. Daß es dazu vorzüglich brauchbar seyn müße, beweiset die Güte der westphälischen Schinken, und der aus diesen Gegenden kommenden geräucherten Würste zur Genüge.
Wenn das Baumlaub gehörig getrocknet, und zurechte gemacht worden, kann es statt des Strohs, oder Federn, zu Betten, und Polstern dienen. Nichts kann zu diesem Gebrauche wohlfeiler, und nichts kann gesünder, und beqwemer seyn. Wenn man es zu diesemGebrauche anwenden will, so thut man am beßten, wenn man ihm bey dem Trocknen einige Feuchtigkeit ertheilet, es geschehe nun solches durch den Regen, oder durch darauf gegossenes Wasser. Dadurch bekommtes eine Zähigkeit, welche verhütet, daß es durch das öftere Aufschütteln, nicht zu Staub wird.
Wenn man unter die Unterbetten an¬statt des Strohs, einen mit Laub angefüllten Sack legen läßt, so liegt man nicht Nur sehr weich und gut darauf, sondern
(P15)
es staubt auch nicht so sehr beym Bettmachen, und ist viel reinlicher, als das Stroh.
Ferner kann man auch das Laub sehr füglich zum Einpacken zerbrechlicher Sachen, wenn man sie versenden will, gebrauchen. Sonderlich kann man es anstatt der Sägespane zwischen die Flaschen in die Weinkisten stopfen, und es dient besonders dazu sehr gut, wenn ein Keller trocken ist.
An vielen Orten, wo sich Glashütten befinden, ziehet man noch einen andern Nutzen vom Baumlaube. Man läßt solches nämlich im Herbste zusammenrechen und zu Aschen brennen, und braucht es als eine Zuthat zum grünen Glase.
Es ist kein Zweifel, daß bey fleißigen Nachdenken, nicht noch ein oder der andere Vortheil sollte ausfindig gemacht werden können, der von dem abgefallenen Laube zu ziehen seyn dürfte. Und, warum wollen wir uns schämen, eine geringe Sache zu nutzen, die uns derweise Schopfer jährlich in so reichem Uiberfiusse darbiehtet, da andere fleißigere, und eben deswegen reichere Nationen solche mit sehr gutem Vortheile zu nutzen wissen?
(P16)
Die starke eheliche Liebe.
Tygranes, der Erbe des Königreichs
Armenien, wurde mit seiner Gemahlinn, dem Könige seinem Vater , seiner Mutter, und der ganzen Königl. Familie, vom
Cyrus gefangen genommen. Der persianische König fragte ihn, was er geben würde, seine Frau loszukaufen? Tausend Leben, antwortete Tygranes , wenn ich sie hätte! Cyrus bewunderte dieses große Merkmaal der ehelichen Liebe so sehr, daß er dadurch bewogen wurde, sie alle sogleich wieder loszulassen. Er bewihrtete sie in seinem Zelte, und sie schieden, nach geschehenen Versprechungen,das Vergangene zu vergessen, von einander. Auf der Reise sprachen einige von der Großmuht des Uiberwinders, andere von seinem majestätischen Ansehen; und als die Gemahlinn des Tygranes nichts sagte, fragte sie ihr Gemahl, was sie von diesem unvergleichlichen Fürsten dachte? Ich hab ihn gar nicht gesehen, antwortete sie, und als sich Tygranes verwunderte, fügte sie hinzu: denn ich hatte meine Augen steif auf den gerichtet, der sein Leben zu meiner Befreyung geben wollte!
Blättern:
< zum Text 1 –
zum Text 3 >