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V.
(P33)
Wie die Meermuscheln, und die Seefische, die man in den Steinbrüchen entdecket, auf die Berge gekommen seyn mögen?
Aus dem Italiänischen, des Marchese Scipio Maffei.
Es giebt vielleicht kein natürliches Wunder, das schwerer zu begreifen ist, und den Weg zu schöneren Betrachtungen des Verstandes öffnet, als eben dieses, womit wir heut unsere Leser unterhalten wollen. — Daß sich Muschelwerke auf den Gebirgen zeigten, hat man schon zu den Zeiten des
Herodotus* wahrgenommen. Ein gewisser Stein, ward von den Griechen Conchytes genent, weil er mit Meermuscheln angefüllet war. „Annoch halten sich Meermuscheln, als Fremdlinge auf den Gebirgen auf,, sagte
Tertullianus. ** Nach den alten Zeiten, geschahen, wie ich glaube, die ersten sorgfältigen Beobachtungen in dieser Art zu Verona. Denn da man im Jahre 1517 die
St. Felixburg auf bessere Art zu befestigen angefangen hatte,
*) Lib. II. cap. ii. **) De pall. C.2.
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entdeckte man , indem man den Felsen nach der Stadt zu, in verschiedenen Richtungen durchschnitt, eine Menge von versteinerten Fischen in Schaalen, von Meerigeln, Austern, Seekrebsen, Meerspinnen, und viele andere Arten von Meerschnecken. Ganz Europa hat seit der Zeit über dieses Wunder geschrieben, und sorgfältig untersucht, wie es möglich gewesen, daß Thiere, die entweder, der Bewegung von einem Orte zum andern gänzlich beraubt, oder sehr schwer sind, und wovon viele blos in den Tiefen des Meeres wohnen, zu einer so grossen Höhe, und auf eine so grosse Weite vom Meere, hinaufgekommen , oder hinaufgebracht worden. Von den vielen Meynungen befriediget keine das Gemüht, und es ist noch keine vorhanden, wider die nicht unauflösliche Schwierigkeiten streiten.
Vor einigen Jahren, hat
Anton Lazaro Moro einen
Tractat über die Fische in Schaalen, und über andere Meerkörper , die auf den Bergen gefunden werden herausgegeben, und darinnen viel Gutes,und Sinnreiches gesagt. Er zeigt zuerst, wie unerweislich, und eitel nicht nur diejenigen Meynungen sind, die sich alsbald von selbst, als solche offenbaren, sondern auch diese beyden, welche weit
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minder unvernünftig sind, als die andern, alles auf die Sündftuht, oder darauf, daß das Meer natürlicher Weise zu andern Zeiten dahin gekommen sey, wo man itzt Fische in Schaalen stehet, zurück zuleiten. Er würde noch mehr gesagt haben, wenn er gesehen hatte, in was für einer Höhe wir im Veronesischen Meerschnecken haben, und von welcher Größe wir dieselben haben. Denn, von den sogenannten Ammonshörnern, die sich selten, und nur von geringer Größe, in andern Ländern finden, sehen wir nicht wenige auf unseren Bergen, und in unseren Sammlungen, welche bis auf zween Schuhe im Durchmesser betragen. Dergleichen Thiere hat man noch bisher, in ihrem natürlichen Zustande, und lebendig, weder in diesen Meeren, noch in den Meeren der andern Welt gesehen. Wenn nun auch die Oberfläche des Meeres einmal, in einer solchen Höhe gestanden hatte, daß der Erdkörper keine Wohnung von Menschen, sondern von Fischen gewesen wäre: so würden doch deßwegen so grosse Schaalen mit ihren Fischen, nicht in die Höhe gekommen seyn. Und eben so würden bey der Sündfluht, so viel Wasser sich auch über das Meer gesetzt haben mochte, deswegen nicht so grosse
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und schwere Fische in Schaalen, leicht geworden seyn, sondern sich im Gegentheile, desto schwerer in den Grund gesetzet haben.
Dieser Schriftsteller nun, ist auf eine Art und Weise gefallen , wie sie leicht so hoch haben kommen können. Er glaubt, daß die Berge, wo sich Seesische in Schaalen finden, durch unterirdisches Feuer entstanden sind, welches unter dem Meere ausgebrochen, den Grund desselben, nebst allem, was sich darinnen befand, erhoben, und erhöhet, und aus Erden, Steinen, und Mineralien die in dem Schoosse der Erde waren, die Hügel, und Berge zusammen gesetzet haben. — Bey dem ersten Anblicke wird ein solcher Gedanke fremd und seltsam scheinen; aber es werden sehr schöne Gründe dafür angeführet. Wir haben in unseren Tagen gesehen, daß aus dem Archipelagus eine Insel hervorgekommen ist, welche mehr als zehn Meilen im Umkreise haben soll. Daß dieselbe ein Werk vom unterirdischen Feuer war, das zeigte sich denen augenscheinlich, welche die Flamme und den Rauch davon ziehen sahen, als sie nach und nach entstand, und anwuchs: man erkannte es auch aus allem, was man auf viele Meilen umher im Wasser sah.
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Auf dem Berge dieser Insel sieht man weit größere Austern, als die gewöhnlichen, und die in diesen Gegenden bekannt sind, woher man schließt, daß sie in dem untern Grunde gewesen seyn müßen. Diese werden durch die Länge der Zeit versteinert, oder zu Kalck werden, und dann wird es nicht an Leuten fehlen, welche sagen werden, daß sie durch die Sündfluht dahin gekommen sind. Wenn sich aber jemand aus unseren Zeiten, und von diesen Gegenden dabey befände, so würde er mit gutem Grunde über eine solche Muhtmassung lachen, weil er dieselben durch das Feuer in die Höhe getrieben, gesehen hat. Was wir nun bey dieser Insel, als wirklich vorgegangen, gesehen haben, das muß man nach unsers Schriftstellers Meynung für etwas halten, das sich bey allen zugetragen hat, weil die Natur einförmig ist , und einerley Wirkungen, von einerley Ursachen herrühren. Inzwischen ist doch dieses Beyspiel nicht das einzige in dieser Art.
Strabo,
Seneka, und
Iustinus versichern, daß viele Inseln auf eben dieselbe Weise entstanden, und gebildet sind. Auch hat
Plinius * von Inseln geredet, die plötzlich in einem, oder dem andern Meere, hervorkommen. Unter
*) im 86.Kap. des 2ten Buchs.
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andern , welche auf solche Weise entstanden sind, hat er auch Delus und Rhodus, welche letztere 150. Meilen im Umkreise hat, gezählet. Von der Insel
Hiera * merkt
Pausanias an , daß sie unversehens hervorgekommen, da vorher keine Spur davon war. In den Zeitbüchern des
Dandolo, erinnere ich mich, gelesen zu haben, daß in dem ägeischen Meere eine Insel von 30. Stadien, aus der Tiefe hervorgekommen ist. Von der Insel
Malta, glaubt
Augustinus Scilla, daß sie nach den ersten Zeiten erzeugt sey, indem sie ein Haufen von abgebrochenen Stücken, von versteinerten Zähnen, und Knochenvon Thieren zu seyn scheine. Bey den azorischen Inseln, nicht weit von Afrika, wo das Weltmeer am tiefesten ist, hat sich, wie wir aus vielen Zeugnissen wissen, in dem vorigen Jahrhunderte, durch ein sehr heftiges Feuer, eine Insel von drey Meilen in der Länge, binnen vierzehen Tagen, erhoben. Dergleichen Nachrichten, glaubt Herr
Moro, würden wir auch von andern, obgleich sehr grossen Inseln haben, wenn sie nicht so im Anfange der Dinge, oder wenigstens in den Zeitaltern vor dem Ursprunge der Geschichte, und Denkmaale, gebildet wären. Eben das gedenket er auch von
(*im 8ten Buche.
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den Halbinseln, bey denen man gleichfalls wahrnimmt, daß die bergichten Theile überhaupt genommen, einerley Gestalt mit dem Ganzen haben, wie man in Sicilien, und in der Länge von Italien siehet. Daß die Ebenen, weiche an die Gebirge stossen, aus dem, von denselben herabgefallenen, und herausgekommenen Stoffe erzeugt sind, das beweiset er aus den verschiedenen Lagen, und Schichten, woraus man auch diese, wenn man die Tiefe untersuchet, zusammgesetzt findet. Nicht weniger findet er grossen Grund zu glauben, daß ebenfalls die Berge des festen Landes, sich nach der Einförmigkeit der Natur, auf eben dieselbe Weise erhoben haben. Wenn wir wissen, daß das Feuer in dem Meere so viel vermocht hat, so ist zu glauben, daß es in der Erde noch mehr thun kann.
Strabo *,wenn er von den unvermuhteten Auswürfen, und Aufschwellungen der Erde redet, sagt, man müße nicht glauben, daß die kleinen Inseln, und nicht die grossen, und daß die Inseln, und nicht das feste Land, in die Höhen getrieben werden können.— Da haben wir einen der beßten und weisesten Schriftsteller aus dem Alterthume, der sich für diese Meynung erkläret hat. Wir wissen, daß vor zweyhundert
*) im 1sten Buche.
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Jahren in dem Gebiehte von
Pozzuolo, sich die Erde öfnete ,und in einer Nacht, eine so grosse Menge von Stoffe herauswarf daß der neue Berg, der noch vorhanden ist, und drey Meilen im Umkreise hat , davon erzeuget ward. Berge die Feuer speyen, und Feuergruben, die von Zeit zu Zeit einen Auswurf thun, sehen wir noch in allen Theilen der Welt, in grosser Anzahl. Die Höhlen, die Risse, die ungeheuren Zerstückungen, welche sich in den Bergen finden, scheinen zu zeigen, daß sie durch eine gewaltsame Kraft, mit Zertrümmerung in die Höhe getrieben sind. Wie will man ohne dieß, die verschiedenen Schichten, die man, wenn man tiefe Brunnen macht, und welche man sonderlich im
Modenesischen antrifft, erklären? Einige derselben zeigen, das dieses Erdreich vormals bewohnt, und gebaut gewesen ist , und an einigen derselben erkennet man, daß sie viele Jahrhunderte hindurch gedauert haben. Auf solche Weise wird es auch klar, warum man in großer Tiefe, bisweilen Thiere und Pflanzen gefunden hat, die in solchen Ländern nicht mehr gewöhnlich sind; und warum man oft grosse Stücke von Stein, ganz einzeln auf Hügeln, die von Bergen entfernet, und mit Kräutern bewachsen sind, erblicket.
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