Blättern: < zum Text 31zum Text 33>

XXXII.

(P249)

Von den Finnen der Schweine

Die Schweine werden finnigt, saget Hr.Büffon, (s. dessen allgemeine Historie der Natur 3ter Th. 1ster Band, S. 62.) und dadurch wird die Unvollkommenheit ihres Geschmacks und Gefühles noch mehr vermehrt, daß sie ganz unempfindlich werden. Man darf den Ursprung dieser Krankheit nicht sowohl im Gewebe des Fleisches oder der Haut des Thieres, sondern vielmehr in seiner natürlichen Unreinigkeit und in dem Verderbnisse suchen, welches aus den unreinen Sachen, womit es sich zuweilen überladet, nohtwendig entspringen muß. Denn das wilde Schwein, welches dergleichen Unrath nicht findet, und gemeiniglich von Körnern, Früchten, Eicheln und Wurzeln lebet, ist von dieser Krankheit eben sowohl, als das Ferkel, so lange es noch sauget, befreyet. Man kann den Finnen bey dem zahmen Schweine nicht anders zuvorkommen, als wenn

(P250)

man es in einen reinen Stall stellet, und ihm vieles und gesundes Futter giebt. Wenn man es, wie ich gesehen habe, 14. Tage oder 3. Wochen, in einen gepflasterten Stall, den man allezeit reinlich halten, aber nicht einstreuen muß, stellet, es mit nichts, als reinem trocknen Waizen füttert, und ihm wenig zu saufen giebt, so wird das Fleisch ungemein wohlschmeckend und der Speck fest und derb. — Mir will dieses Raisonnement nicht in den Kopf. Denn nicht alles, was wir unrein und schädlich nennen, ist es bey den Thieren. Man sieht dieß täglich an Krebsen und Aenten. Auch die Instanz vom wilden Schweine ist nicht treffend. Denn nicht die Einförmigkeit des Futters, sondern die grosse Freyheit des wilden Schweins, mit welcher es fressen kann, und die statt Bewegung desselben machen, daß es von Finnen frey bleibt. Wie gezwungen aber ist nicht der Zustand eines zahmen Schweines, welches lediglich von der Behandlungsweise der Menschen abhängt, nach welcher sie diese Thiere bloß mechanisch und nach eigner Willkühr füttern und abwarten. Aller Menschen Fleiß kann die Hausthiere nicht so strenge diätetisch behandeln, als sich die Natur

(P251)

gegen die wilden Thiere bezeiget. Ein Schwein reinlich halten und doch nicht einstreuen, ist deutschen Wirthen wieder etwas schwer zu begreifen; da sie glauben, daß steißiges und reines Streuen bey magern und fetten Schweinen bey nahe die halbe Wartung, und die wirkliche Reinlichkeit des Thieres, sey. Ein Schwein überladet sich bey ordentlicher Wartung im Fressen und Saufen eben so wenig als ein anderes Thier. Das freywillige Uiberladen gehört nur für menschliche Schweine. Den einen Fall nehme ich aus, wenn man die armen Schweine öfters Hunger und Durst leiden läßt; da sie sich denn freylich in der Nahrung Schaden thun müßen. Allein ist dieses nicht ein gezwungener Zustand des Thieres? Ein Mastschwein kann bey dem reinlichsten Futter noch so fett, aber nur langsamer als andere, werden, und Mauerstein hoch, wie der Bauer spricht, Speck haben, und dennoch immer finnigt seyn. Daher es nach dem Hintertheile zu immer etwas spitzig aussieht, welches erfahrne Wirthe und die Fleischer gar bald merken. Wenn ich als ein Hauswirth meine Meynung sagen soll, so finde ich die erste äußerliche Gelegenheitsursache der Finnen nicht im Schweine,

(P252)

sondern in der Wirthinn oder ihrem Gesinde. Die magern Hofschweine sind diesem Uibel ausgesetzt. Denn viele Hauswirthe halten lieber zu viel als zu wenig Schweine. Dabey lassen sie nohtwendig eins bey dem andern immer halb hungern, und in den Sommermonaten, bey anderer Wirthschaftsarbeit, herum laufen. Solchergestalt bekommen die Schweine bald etwas Fütterung, bald nichts; und es ist ganz natürlich, wenn sie theils aus Hunger und Mangel, theils durch darauf folgendes Uiberfressen und Uiberlaufen diejenige Veränderung im Drüsengewebe leiden, welche wir Finnen nennen. Und diese kann auch die beste, sogar die Eichelmast, nicht tilgen. Noch eine und zwar die gewöhnlichste Ursache der Finnen bey magern und fetten Schweinen, ist diese: wenn die Schweine bald zu kalt, bald wieder zu heiß zu saufen oder eingebrühet bekommen. Dieses ist der gewisse Weg, die gesündesten Schweine finnigt zu machen, und daher hat man in diesem Stücke die größte Behutsamkeit nöhtig. Dergleichen schnelle abwechselnde Kälte und Hitze im Tranke wird um so viel schädlicher, wenn man ein solches vorher beschriebenes halb verhungertes

(P253)

Hofschwein auf dem Koben plötzlich vollauf füttert und die gute Fütterung nicht vom Anfange an nach und nach steigen läßt. In allen diesen Umständen sieht man, daß die Finnen eine in der körperlichen Maschine nach und nach vorgegangene starke Veränderung sey, welche man vermeiden muß und kann. Eine dritte Ursache der Finnen soll auch seyn, wenn man in den gewöhnlichen Spülichttrank verdorbenes Fleisch oder Blut kommen läßt; welches wohl weiter nichts wirken kann, als in sofern der Trank dadurch selbst fauligt und unrein wird. Wenn ich daher bey etlichen Hauswirthen eine lebendig herum schwimmende Schildkröte in den Spülichtfässern gefunden, mit der Versicherung, daß durch dieses Mittel der Spülichttrank weniger schädlich würde: so glaube ich, die Schildkröte zeige durch ihr Leben annoch die Reinigkeit und gute Beschaffenheit des Trankes an. Denn sobald dieser verdirbt und in die Fäulniß geht, kann erstere darinnen unmöglich am Leben bleiben. Ebenermaßen habe ich kein sonderliches Herz zu unserer gewöhnlichen Vieharzneykunde, wenn sie wider die Finnen anräht, den Schweinen Seifenlauge zu saufen zu geben, Hanf

(P254)

oder Wickenschrot zu füttern; den Schweinetrog mit bleyernem Bleche beschlagen zu lassen, u. s. w. Besonders hat man neuerlich ein Mittel empfohlen, welches gerade das Gegentheil von den Buffonischen Einsichten ist. Man soll nämlich den Schweinen fleißig Urin aus den Nachttöpfen zu saufen geben. Wenigstens ist es in des Hrn. Pratje landwirthschaftlichen Erfahrungen zum Beßten des Landmannes, Altona 1769. gr. 8. sehr gerühmet worden. Wenn es eine Erfahrung ist, so habe ich nichts dawider. Das aber weis ich gewiß, daß das bewährteste Mittel wider die Schweinefinnen bereits entschieden sey, und schon in den Leipz. Samml. im 5ten Bande 1749 S. 754. stehe. Und das ist nichts anders, als pulverisirtes rohes Spiesglas mit etwas Schießpulver vermengt. Wer dieses gehörig braucht, wird niemals über finnige Schweine in seiner Wirthschaft klagen. Ich nehme aber die oben angeführte Nachläßigkeit im Füttern aus. Die Hofschweine bekommen ihr Spiesglas alle Vierteljahre einmal, die aufgeworfenen aber beym Anfange der Mästung und kurz vor der Schlachtzeit, auch wohl mehrmal, weil sie guten Appetit darauf bekommen.

(P255)

Die Dosis ist fürs Stück ein halb Loht, und vom Schießpulver etwa einen halben Löffel voll. Von Rechtswegen muß es bey einem Landwirthe am rohen Spiesglase niemals im Hause fehlen; denn man braucht es auch bey Pferden und Rindvieh in gehöriger Quantität mit dem besten Effekte. Jedoch, ich will jedem anrahten, es lieber in ganzen Stücken holen und selbst pulverisiren zu lassen. Denn ich weis es aus der Erfahrung, daß ein Apotheker in einem kleinen Städtgen einmal so spaßhaft war, und seinen Kundleuten fleißig Hammerschlag und klein gepochten Glimmer unter das pulversirte Antimonium mengte. Mich wundert, daß man bey diesem bewährten Mittel wider die Finnen noch nach andern neugierig seyn kann, welche alle von geringerm Werthe sind. Bey der Gelegenheit möchte man vielmehr fragen: Sollten die Bauern in Gegenden, wo ein starkes Gewerbe mit geräucherten Würsten getrieben wird, wohl so gewissenhaft seyn, und ein Schwein der Finnen wegen wegwerfen? Jedoch die vornehmen Herren wissen ja nicht allezeit, was ihre Köche in der Küche zusammen sudeln, und es schmeckt doch.

(P256)

Wie unglücklich wären die Menschen, wenn sie in der Welt alles wüßten!

Zusatz.

Da die Finnen der Schweine eigentlich nichts anders, als verstopfte und nach und nach verhärtete Wassergefäße sind, welche die Nahrungssäfte führen: so sieht man leicht, daß dagegen alle Mittel dienlich sind, welche diese Gefäße, sofern sie noch nicht ganz scirhös geworden, wiederum öffnen, oder ihrer Verstopfung vorbeugen können. Und dazu ist nun das Antimonium, als ein stark reinigendes, eröffnendes und die Transpiration beförderndes Mittel allerdings das beste. Die Seife, die so viel seltene Wirkungen im menschlichen Körper thut, ist hier, in der Lauge gebraucht, nicht zu verwerfen; denn sie ist ein diretisches und auflösendes Mittel. Die Bleyasche wird auch empfohlen, und zwar theils der kalischen, theils der feinen arsenikalischen Theile wegen, die sich im Bleye finden. Das Uibrige künftig.


Blättern: < zum Text 31zum Text 33>

Topic revision: r10 - 15 May 2011, MarleneBurgstaller
This site is powered by FoswikiCopyright © by the contributing authors. All material on this collaboration platform is the property of the contributing authors.
Ideas, requests, problems regarding Foswiki? Send feedback