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LIII.
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Von einem innländischen Pflanzengewächse, dessen Blätter anstatt des chinesischen Thees, könnten genutzet werden.
Aus den Berliner Sammlungen.
Es ist eine höchst tadelhafte Gewohnheit, daß man für die ausländischen Specereyen so grosse Geldsummen aus dem Lande schicket, da man doch unter unsern einheimischen Gewächsen, und andern Naturprodukten solche Arten antrifft, welche in vielen, ja in den meisten Fällen, die Stelle derselben entweder völlig, oder doch in so weit vertreten, als es unserer Natur, der Beschaffenheit unserer Weltgegend, und folglich auch unserer Gesundheit gemäß ist.
Der berühmte
Hofmann und andere erfahrne Aerzte und Naturforscher, haben sich daher angelegen seyn lassen, theils den Schaden, den dergleichen ausländische Specereyen, in Betrachtung
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unserer Gesundheit, nach sich ziehen, zu zeigen, theils aber auch unterschiedene Pflanzengewächse und andere Naturprodukte, an deren Stelle vorzuschlagen. Insonderheit hat der Professor
Hofmann in einer 1705. dieserwegen abgefaßten Dissertation dargethan, daß man sich des bekannten Ehrenpreißes in allen Fällen, anstatt des gebräuchlichen chinesischen Thees bedienen könne, wie denn
Johann Franke eben dieses in seiner Abhandlung, welche bereits 1693. unter dem Titel:
Veronica Theizans herausgekommen, zu behaupten sucht. Ob es nun zwar nicht zu läugnen, daß dieses Kraut, in Ansehung seiner besondern Wirkung, dem beßten chinesischen Thee noch vorzuziehen seyn möchte: so ist den noch dessen Geschmack, wenn es wie Thee gekocht wird, etwas widrig, und wollen sich daher delikate Zungen nicht leicht hierzu bereden lassen. Es befindet sich aber in vielen Gegenden Deutschlandes ein anders Pflanzengewächse, dessen Blätter dem Wasser, wenn sie damit gekocht werden, eben einen so balsamischen Geruch und Geschmack als der beßte chinesische Thee, mittheilen, und dieses sind die Blätter von dem bekannten Rosenstrauche mit dem Pimpinellblatte.
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Linaeus nennet diese Art Rosen in seinen
Spec. Plant. auf der 491. Seite, unter der 5. Nummer: Rosa caule petiolisque aculeatis, calycis foliolis indivisis.
Caspar Bauhin führet sie in seiner
Pinace auf der 483. Seite unter folgender Benennung an: Rosa campestris spinosisima flore albo, odoro; und
Johann Bauhin nennet diese Art von Rosen: Rosam pumilam spinosissimam, foliis pimpinellae glabris.
Dieser Rosenstrauch wachset nicht hoch, wie die übrigen Feld- und Waldrosen. Er ist voller zarten Stacheln, und unterscheidet sich von den übrigen Arten durch die Gestalt seiner Blätter, welche den Blättern des bekannten Pimpinellkrauts ähnlich sehen. Man sammlet dieselben im Frühjahre, wenn sich die Blätterknospen an diesem Strauche aus zubreiten anfangen, und trocknet sie nachgehends an einem schattigten Orte, oder man kann dieselben auch, so wie den Thee, wenn sie noch frisch sind, auf einem warmen Bleche zusammenrollen, da sie denn die völlige Gestalt des chinesischen Thees erhalten.
Von diesen Blättern nimmt man
drey Finger voll auf eine Kanne Wasser,
und verfahret damit so, wie mit dem
Thee; da man denn ein sehr angenehmes
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und balsamisches Getränk erhalt, welches nebst seinem lieblichen Geschmacke und Geruche, zugleich die stärkenden Kräfte, so man dem chinesischen Thee zueignet, besieget. Man kann glauben, daß selbst die an die vorzüglichsten Theesorten gewöhnten Zungen, diesen Thee für den beßten chinesischen trinken werden. Auf gleiche Weise hat man mit unterschiedenen andern Arten von Rosenblättern, insonderheit aber von der Rosa odore cinamomi simplici, und mit den Blättern von der Rosa silvestri, flore odoratissimo rubro Versuche gemacht, und bey jedem Infuso etwas Besonders und Angenehmes gefunden; wiewohl keines an Lieblichkeit und an dem balsamischen Geschmacke, mit dem aus den Blättern der oben angeführten Rosenart bereiteten Thee in Vergleichung zu ziehen war. Vielleicht könnte die Eigenschaft dieser Blätter, durch die Cultur des Strauchs, noch um ein Merkliches verbessert werden. Sollte es daher nicht der Mühe verlohnen, daß man den Gebrauch dieses so bekannten einheimischen Gewächses gemein machte ? ja sollte es uns nicht einen ansehnlichen Vortheil verschaffen, wenn man diese Blätter anstatt des gewöynlichen Thees einführte: zumal da
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man eben so wie bey dem Thee, hievon unterschiedene Sorten haben kann.
Bericht von dem Johanniskraute, welches man in hiesigen Gegenden Wisperkraut nennet.
Aus eben derselben.
Dieses Kraut hat außer diesem gewöhnlichen Namen, noch sehr viele andere Benennungen, welche selbigem theils wegen seiner Wirkung, theils auch aus Aberglauben sind beygeleget worden. Es ist bekannt genug, weshalben ich glaube, daß es etwas Unnöhtiges seyn wird, solches durch eine weitläuftige Beschreibung annoch kennbarer zu machen. Es wächst in alleu Gegenden und Orten, fürnehmlich wo der Erdboden mit etwas Sand oder Steinen vermischt zu seyn pfleget. Seine Höhe beträgt ohngefehr eine
Elle, breitet sich in viele kleine zugleich oft durchlöcherte Blätter aus, treibet im
Brachmonate sehr viele kleine gelbe Blumen hervor, welche das besonders eigen zu haben pflegen, daß, wenn man sie zwischen den Fingern ein wenig reibet
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oder qwetschet, dieselben von dessen Safte ganz roht gefärbt erscheinen; sie lassen, wenn sie abfallen, in eiuer länglichten kleinen Schotte einen Haufen kleines Saamens zurück, der, wenn man ihn ein wenig reibt, einen harzichten Geruch hat. In Apotheken wird das Kraut, die Blumen und der Saame aufbehalten, daraus man das Oel und die Essenz machet. Diesem Kraute haben manche eine solche Kraft zugeschrieben, die man ohnmöglich, wen man solches etwas genauer beobachtet, selbigem einräumen kann. Der gemeine Mann braucht solches fürnehmlich, wenn es in der Mittagsstunde des Johannistages stillschweigend aufgenommen wird, aus Aberglauben, wider Hexerey oder andere teuflische Gaukeleyen. Und dieserhalben ist es auch in Niedersachsen von sehr vielen mit dem Namen Jagdüwel belegt worden. Der alte
Wedel hat von diesem Kraute eine eigene Abhandlung geschrieben, worinnen er sein Urtheil wegen dieser Kraft ertheilet; die meisten, spricht er, die eben keine überflüßige Klugheit besitzen, Versprechen sich in verschiedenen Fällen von diesem Mittel wunderbare Hilfe, die aber mehrentheils auf Aberglauben hinausläuft, und wenn es ihnen in einem oder dem andern
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gelinget, so spielen sie mit den Alten einerley Fabel.
Die Alten schreiben diesem Kraute
virtutes antidaemoniacas zu. Der weltweise
Lullius meynet, daß der Rauch von dessen Saamen den Teufel sowohl vom Leibe, als aus dem Hause treiben solle.
Die wahren medicinischen Kräfte dieses Krauts zu erfahren, so lehret uns dessen chemische Zerglirderung, daß die Blumen ein saures Salz, welches mit zarten schwefelhaften, Wichten und erdhaften Theilen verbunden, in sich haben; weswegen man selbigen eine zusammenziehende stopfende und heilende Kraft zuschreiben kann.
Es erhellet hieraus, daß dieses Kraut unter die sogenannten Wundkräuter mit Recht zu setzen sey; weswegen solches auch von allen Aerzten in den Verletzungen der vereinigten Theile und Geschwüre sowohl innerlich als äußerlich kann angewendet werden. Es wird aber auf verschiedene Art gebraucht, indem aus selbigem nicht nur eine Essenz, sondern auch ein Oehl in den Apotheken gemacht wird. Außer diesem wird es als ein Thee oder Dekokt getrunken. Es ist solches überhaupt in allen schmerzhaften Empfindungen des Haupts, im Schwindel, Schlagflüßen, Melancholie und Raserey gebraucht worden. Der berühmte
Michaelis in Leipzig, hat aus diesem Kraute, der Gauchheil und Eselsblut eine Essenz gemacht, mit welcher er auch angefesselte Rasende wieder kuriret hat, und aus dieser Ursache ist selbiges unter die specifischen Mittel wider dergleichen Uibel gerechnet worden. In Polen nimmt der Bauer gleich seine Zuflucht zu diesem Kraute, wenn er sich innerlich wehe gethan oder verwundet, indem er mit Salz
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und Butter aus diesem Kraute eine Latwerge machet. Die Blumen können von solchen Personen als ein Thee genommen werden, welche das Blutspeyen oder andere Blutstürzunqen gehabt, indem es die verletzten Theile und eröfneten Gefäße wieder zusammenziehet. Hofmann schreibt, daß die Blumen vom Johanniskraut sich bey angehender Schwindsucht, imgleichen gegen die Würmer nützlich brauchen ließen. Sie sind auch gut gegen das Spannen, und die Beklemmung des Unterleibes und in der Melancholie, so von Milzbeschwerungen herrühret. Man kann die Blumen entweder im warmen Wasser als Thee gebrauchen, oder auf einmal eine Menge klein stoffen, und den Saft gelinde abbrauchen lassen, bis er dicke und zu Pillen beqwem werde. In Entzündung des Halses kann man mit Salbey und Salpeter ein nützliches Gurgelwasser daraus machen. Der Saame von diesem Kraute wird biswejlen wider die Schlappigkeit der Nieren, um dadurch den Stein zu verhüten, wie nicht weniger wider die Würmer, die sich in dem Magen finden, verordnet, weswegen das Wasser von diesem Kraute, und von der Qweckenwurzel in dergleichen Zufällen den Kindern gegeben wird. Das gewöhnlichste von diesem Kraute ist das Oehl: dieses beweiset,fürnehmlich seine herrliche balsamische und heilende Kraft in allerey Zerqwetschungen, steifchigten Betwundungen des Körpers, Verbrennungen, wie nicht weniger in den Krümmen der kleinen Kinder, wen es ihnen äußerlich auf den Leib geschmieret wird. Man pflegt dieses Oehl bloß mit Baumöhl zu machen, oder statt diesen einfachen Mittels, macht man nebst den Blumen von dem Wulkraut, Stechapfel (momordica) und Weingeist, mit Zusetzung etwas weniges Terpetins einen unvergleichlichen Wundbalsam, der in dergleichen Fällen mit noch größerm Nutzen gebrauchet.
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