INHALTSVERZEICHNIS PRIVILEGIRTE ANZEIGEN

Blättern: < IV. Jahrgang, XI. Stück - IV. Jahrgang, XIII. Stück >



(89)

IV. Jahrgang, XII. Stück, den 23. März 1774.

I. Wissenschaften.

Geschichte der Gelehrsamkeit in Ungarn.

Ein Freund, welcher in einem Theile dieses Feldes rühmlich fortarbeitet, hat uns unlängst mit einem Schreiben beehret. Wir wollen es unsern Lesern mittheilen: vielleicht werden einige derselben aufgemuntert, zur Vervollkommnung des bearbeiteten Werkes durch Aussuchung noch unbekannter Beyträge, das Ihrige zuzulegen.

In den neuen Zeiten, sagt unser verdienstvoller Freund, waren viele Gelehrte befließen, die namen derjenigen aus der Dunkelheit zu ziehen, welche sich unter der Regierung Mathias Corvinus, in dem Königreiche Ungarn durch Wissenschaften und Gelehrsamkeit hervorgethan und berühmt gemacht haben: so viel mir aber bekannt ist; so verblieb die Reihe der Aerzte noch immer unvollkommen. Es bestättiget dieses gelehrte Herr Paul Walaßky; indem er in seinem zu Leipzig 1769. gedruckten Tentamen Historiae Litterar. sub Matthia Corvino aufrichtig bekennet: er hätte mit unsäglicher Mühe, und durch vielfältiges Nachsuchen, gleichwohlen nicht mehr: als folgende Medicos, welche unter Matthias Corvinus, sich einen Ruhm erworben haben, herausbringen können; nämlich, einen Julius Nemilius, Christophorus Gallus, und dann den Bartholomäus Montagna. Von jenem, der königliche Leibarzt und ein Mitglied der gelehrten Gesellschaft an der Donau gewesen, hat Bonfinius Erwähnung gemacht, in seiner Geschichte von Ungarn, und in der Vorrede zum Philostratus; dann Conrad Celtes in der Episodiis, welche des Lucii Apuleii Cosmographie der Wiener Ausgaben vom Jahre 1497. vorgesetzt worden: Diesen zween aber ließ der berühmte Dichter und Bischoff Zu Fünfkirchen, Janus Pannonius, in seinen Epigrammen, das verdiente Lob, wiederfahren.

(90)

Daß aber viel mehrere Aerzte zu den Zeiten Matthias Corvinus, in Ungarn, mit Ruhm gelebet haben, wird aus folgendem erhellen.

Galeottus Martius, welcher des Königs Sekretär, beständiger Reisegefährter und Vorsteher der Bibliothek zu Ofen gewesen, bezeiget es selbst (Libro de promiscua doctirina cap. XV. p. 140.) daß er die Arzneywissenschaft nicht nur innen gehabt, sondern auch ausgeübet habe.

Daß der Bischof von Caserta, sich am Corvinischen Hofe aufgehalten habe, ist aus dem XXXVII. der Briefe Matthias Corvinus, welche zu Kaschau 1743. herausgekommen sind, zu ersehen. Der König empfahl ihn seinem Schwäher, König Ferdinand von Sicilien bestermassen; weil er ihm seine Gesundheit auf eine geschickte Weise hergestellet hatte: er nennet ihn einen rechtschaffenen, und in seiner medicinischen Wissenschaft, die er ausübte, wohl erfahrnen Mann.

Matthias Varadj, ein Priester aus dem Orden St. Pauli des ersten Einsiedlers, hat um das Jahr 1481. in seiner Vaterstadt Großwardein, wovon er den Namen führet, dem Volke, nicht allein durch seine Predigten; sondern auch durch seine große Erfahrung der Arnezywissenschaft besondern Nutzen geschaffet. S. Eggerer in Fragmine Panis Lib. I. cap. 3O. p. 251.

Nicolaus de Dacia, ein Ungar, machte sich durch seine Kenntniße in der Medicin und Astronomie berühmt, um das Jahr 1464. Man sehe in Fabritii Biblioth. med. & infim. aetat. Lib. XIII. pag. 329. ex Jacob. Quetif. Tom. I. pag. 827.

Philippus Valor, diesen hatte der Florentinische Philosoph und Medicus Marsilius Ficinus an den königlichen Hof zu Ofen, im Jahr 1489. abgeschickt, mit jenem Traktate, worinnen eine Anweisung enthalten war:*) wie man vom Himmel ein dauerhaftes langes Leben erhalten könne? Diesen hatte er des Königs Majestät zugeeignet; den Valor, seinen Zögling aber, als einen in der Astrologischen Medicin sehr erfahrnen Mann, dahin empfohlen, daß er, nach dieser Vorschrift, für die Gesundheit und das lange Leben des Monarchen desto besser sorgen könnte.

Man weiß indessen, daß dieser König das Jahr darauf an einem heftigen Schlagfluß gestorben ist.

Johannes Stock, Magister, und Doktor der Arzneygelehrtheit, anfänglich Propst zu Altofen, alsdann im Zipser Kapitel, war Leibmedicus beym Kaiser und König Sigmund, Albert und der verwittweten Königin Elisabeth.

Man sagt, daß er den König Matthias im Jahre 1458. bewogen habe, die Propstey Zips, mit neuen Freyheitsbriefen zu begnaden, welche der Papst Pius II. im folgenden Jahre bestättigte.

*) Liber de vita valida & longa coelitus comparanda.

(91)

Die XLVI. Canones jener Kirchenversammlung, welche er unter derRegierung dieses Königs im Jahre 1460. in Zips zusammen beruffen, sind beym Peterfi zu finden.*)

In der Halle der Propstenkirche in Zips, siehet man noch heut zu Tage die Aufschrift:

Anno MCCCCLXII. incoeptum hoc Opus Praepositi D. Joannis Stock.

Daß dieser würdige Mann zehn Jahre darauf gestorben, ist aus dem Verzeichniße der Herren Pröpste dieses Capitels zu entnehmen. Es ist bekannt, daß unter dem Könige Wladislaus II. im Jahre 1614. viele berühmte Medici der Landesversammlung in Ofen beygewohnet haben. Fünfe derselben, welche sich vor den übrigen auszeichneten, ließ der kranke Phrygepan, zu einem Consilio Medico einladen; wie dieses der königliche Leibarzt Manardus bezeiget*). Dieses waren Ueberbleibsäle von den Corvinischen Zeiten; deren Abgang, wegen der veränderten Umstände, nicht wieder ersetzet wurde. Man lese hierüber den 3ten Brief des gedachten Manardus im IIten Buche seiner Briefsammlung.

So viele habe ich von den bekannten Aerzten unter der Regierung des glorwürdigsten Königes Matthias Corvinus hier anzeigen können. Würde jemand im Stande seyn ihre


*) Sacror. Concil. Hungar. Part. I. p. 208.

*) Manardus, Archiater, epistolar, Medicinal. Lib. V. epist. I.

Anzahl zu vermehren, und den Namen eines, um unser Vaterland verdienten Mannes, der Vergessenheit zu entreißen; der wird mir und allen Liebhabern der vaterländischen gelehrten Geschichte einen besondern Gefallen erweisen, wenn er uns seine Entdeckung mittheilen will.

v. V.

II. Naturgeschichte.

Die Geschichte des Menschen, nach seinem natürlichen Zustande, macht ohnstreitig eines der vornehmsten Kapitel in der allgemeinen Naturgeschichte aus, und dasjenige, was in Absicht auf seinen Geist und Körper, und deren Würkungen, noch ganz Geheimnißvoll ist, und in gewissen außerordentlichen Auftritten seines Lebens, auf eine besondere Weise die Aufmerksamkeit reizt, könnte in Form einer Sammlung von menschlichen Anekdoten dieser Art, einen angenehmen Anhang und Zusatz bey diesem wichtigen Kapitel abgeben. Hierher zählen wir vorzüglich auch die wunderbaren und seltnernWürkungen der Einbildung, und die dabey sich äußernden Auftritte, in dem Leben, der Menschen. Wir wollen dessen, was in den Schriften verschiedener gelehrten Aerzte und Naturforscher hievon angeführet wird, gar nicht erwähnen; sondern blos einen besondern Auftritt dieser Art mittheilen, der um so merkwürdiger seyn

(92)

muß als die darinn agierende Person selbst die Person eines berühmten Arztes und Naturforschers gewesen ist.

Der bekannte David Fröhlich*) erzählet in seinen Astrologischen Bedenken, zum Jahre 1636. unter andern, aus guten gesammelten Fällen dieser Art, die Begebenheit von einem vornehemen Herrn (die wir schon auch in einem andern neuen Buche gelesen haben) der in eine solche Art der Melancholie gerathen, daß er sich einbildete: er wäre tod, sich in dieser vesten Einbildung, viele Tage aller Speisen und Trankes enthielte, und der deswegen ohne Zweifel hätte umkommen müssen, wenn er nicht, durch den glücklichen Einfall eines klugen Medicus, auf folgende Weise wäre gerettet, worden: Man trug nämlich den Patienten, als eine Leiche in ein finsteres dazu eingerichtetes Gemach, als in eine Todtengruft, in welches einige dazu abgerichtete Personen, ebenfalls als todte eingekleidet zuvor hineingegangen sind, und ihre Plätze eingenommen hatten; sodann wurden auf einem daselbst befindlichen Tisch allerhand köstliche Speisen, und Getränke hingesetzet, zu deren Genuß einer von den verstellten Todten die übrigen Mitglieder in diesem Todtenreiche aufgefordert. Da nun darauf alle dazu abgerichtete Personen aufgestanden, und den aufgesetzten Vorrath mit gutem Appetit genoßen, dachte der vermeynete todte, der dieses indessen mit Verwunderung ansahe, er müßte sich nun auch in diese Gesellschaft schicken und mitmachen; und nadchdem dieses mehrmalen wiederholet worden, so sammelte er Kräfte, und kam zu seinem vorigen Witz und Verstand wieder.

Mit diesem Fall, hat derjenige, den wir beschreiben wollen, einige Aehnlichkeit; er ist aber noch weit sonderbarer, und sowohl den eigenltichen Ursachen, als auch der übrigen Beschaffenheit nach, von jenem sehr unterschieden: Weil bey diesem unsern, durch eine verworrene Einbildung verursachten Auftritt, kein eigentliche Unsinn und völlige Melancholie statt gefunden; sondern die stärkste Einbildung des Todes, mit dem größten Gefühl des Lebens, und so zu sagen, die Abweseneheit und Gegenwart des Geistes in einer beson-

*) Denen, die mit der Ungarischen gelehrten Geschichte nicht bekannt sind, können wir von diesem gelehrten Manne, bey der Gelegenheit nur folgendes zur Nachricht hersetzen. David Fröhlich ist zu Käßmark in der Grafschaft Zips um das Jahr 1600 gebohren: sein Vater war Johann Fröhlich Rector bey der damals sehr guten Schulein der XIII. Stad Leibiz nahe bey Käßmark. Er studirte meißtens zu Frankfurt an der Oder, und hielt sich beynahe zwölf Jahre in der Fremde auf Reisen auf. Um das Jahr 1631. succedirte er seinem Herrn Curateli M. David Prätorius, welcher Medicus und Rector der Schule zu Käsmark war, im Rektorate, und erhielt wegen seiner Gelehrsamkeit und Verdienste vom Kaiser Ferdinand III. den Titel eines Mathematici Caesarei per Hungariam. Er selbst nennet sich in verschienen Dedicationen, die wir haben, bald | Medicum & Mathematicum, bald Astronomum Caesareopoliotanum. Der Professor Mathiscos Tiew in Altdorf, hat ein schön Eclogium auf ihn geschrieben, welches Zwittinger und Bel in Adparatu anführen!

(93)

ders merkwürdigen Mischung und Abwechslung beysammen gewesen ist: auch diese ganz artige Scene sich innerhalb vierzehn Tägen nach und nach auf eine unmerkliche Art und von selbst geendiget hat.

Unser Held, ist der durch seine gelehrte Schriften und große Praxim berühmte D. Joh. Adam Reimann, Acad. Caesar. Nat. Curios. Socius, und Physicus der Grafschaft Scharosch in Oberungarn, dessen in unsern Anzeigen schon mehrmalen mit Ruhm gedacht worden. Er ist im Jahre 1779. in einem beynahe 80. jährigen Alter in seinem Geburtsort, der königliche freyen Stadt Eperies, verstorben; und spielte diese besondere Scene eines eingebildeten Todten, zwey Jahre vor seinem würklichen Absterben. Es war, wie mein Diarium ausweiset, im Monat Februarius 1768. Da ich an einem Abend, durch gute Freunde, in das Haus, dieses seiner sonst zahlreich gewesenen Familie völlig beraubten, und ganz einsam lebenden alten Greises hinberuffen wurde, mit Vermeldung, daß er mit einem Schlagflusse befallen worden, und seinem Ende nahe sey. Ich kam hin: man ließ ihm in Gegenwart verschiedener anwesenden Herren und Freunde, da er ganz außer sich da lag, die Ader öffnen; worauf er nach und nach zu sich kam, und endlich, als er so viele Leute um sich sahe, und sich in seiner Ruhe ohne Noth gestört zu werden glaubte, auch bey seinem sehr schweren Gehör nicht recht bedeutet werden konnte, uns alle mit Unwillen hinweg wieß, ohne dem Chyrurgus, den nöthigen Verband der Ader am Fuße zu erlauben, welches eben, da er bald darauf wieder in einen tiefen Schlummer fiel, dannoch bewerkstelliget wurde. Da er sich das Sterben an einem Schlagflusse immer prophzeyet hatte, und nicht allein sein hohes Alter; die nicht zu arztmäßige Lebensart; und das seit vielen Jahren sehr schwere Gehör; sondern auch seine start anstossende Zunge; und andere solche Merkmale die Erfüllung solcher Prophezeyhung sehr wahrscheinlich machten; besonders aber der sich eräugnete Vorfall, deren Gewißheit anzuzeigen schien: so dachte ich selbst nicht anders, als daß diese Nacht für ihn die letzte seyn und ich ihn am folgenden Tage, nicht anders, als tod antreffen würde. Ich gieng gleich mit dem Morgen zu ihm hin, und wie sehr verwunderte ich mich, da ich anstatt des gemuthmaßten Todten, diesen alten Hyppocrates in seinem Schlafrocke eingehüllet, und mit seiner weißen Spitzhaube bedeckt, mit seiner gewöhnlichen großen Tabackspfeiffe in dem Munde, um den Tisch herum spatzirend in seiner Wohnstube antraf. So bald er mich erblickte und ich ihm den guten Morgen zugeruffen hatte, kam er mit einer sehr beweglichen Mine, auf mich zu, that die Pfeiffe aus dem Munde, und sagte; mit etwas aufgehobenen Händen; denken Sie, ich bin diese Nacht gestorben: certissime (das war sein angewöhntes Wort, welches er immer

(94)

in seine Reden einmischte) da dachte das Sterben sey schwerer, allein es war bey mir ziemlich leicht. Ich sahe ihn mit Lächeln an, und erwiederte: es käme mir wunderlich für, daß er sich für todt hielte; da ich ihm doch mit der Tabackspfefe in der Hand erblickte, welches kein Auftritt eines wahrhaftig Todten seyn könnte. Er lächelte darüber, sahe mich an, und sprach: ja, ia, so bin ich also nicht todt? Nein! sagte ich, und ich freuete mich, ihn so munter zu finden, da ich in Ansehung seines gestrigen Zustandes, wegen seines Lebens, wirklich besorget gewesen wäre. Er fieng darauf an, sich gegenwärtig zu seyn und fragte mich nach meinem Befinden. Gleich aber, nach dem er sich auf einen Lehnstuhl niedergelassen hatte, fieng er wieder an, und fragte mich: wer ihm dann die leichenpredigt halten werde? Und bath, daß man ihn, ohne viele Ceremonie, zu Grabe bringen möchte. Der alte Herr Andreas Keschmarsky, sein vertrauter Freund, fieng eben damals, da ich ihn, über diese Frage ansah, bey allen seinen Ernste an zu lachen, und versicherte mich, daß er schon über eine Stunde mit ihm zu thun habe, und ihn von dieser Einbildung nicht wegbringen könnte. Dieser Zustand dauerte bis zwo Wochen, aber immer abnehmend fort, und gab artige Auftritte. Einen jeden guten Freund, oder Freundinn, die ihn besuchten, sahe er als Personen an, die wegen seines Todesfalles zum Condoliren hingekommen, und dankte für das herzliche Mitleiden aufs beweglichste, und oft mit Thränen in den Augen. Wenn man ihm mit Discursen von öffentlichen Angelegenheiten, und Wirthschaftssachen, als Weinbau und andern solchen Dingen unterhielt, und von Zeit zu Zeit was ins Ohr sagte, zeigte er immer alle Gegenwart des Gemüths und sagte das Seinige auch dazu: so bald man ihn aber in seiner Stille und Melancholie ungestöhret ließ, kam der angefangene Todtenauftritt sogleich wieder vor. Einsmals machte er in meiner und anderer guten Freunde Gegenwart das Fenster auf, legte sich mit dem Kopf hinaus, und sah eine Weile, ganz verdrüßlich auf eine und die andere Seite hin; endlich zog er den Kopf wieder zurück, warf das Fenster zu, und sagte etwas zornig; ists doch leichter zu sterben, als begraben zu werden; wenn kommt denn die Schule die Leich abzuholen? — Ein andersmal mußte ebenfalls in meiner Gegenwart, Herr Kern, ein angesehener Mann und Apotheker, der die Officin in seinem Hause hatte, und sein bester Freund und Pfleger gewesen ist, herauf kommen, und Nachricht geben: ob der Sarg bestellt sey, und was er kosten werde, wobey er ihn zugleich bath, ihn nicht gar zu theuer zu zahlen — Der sonst sehr würdige Greis, hatte die gewöhnliche Schwachheit des Alters, (quo minus viae restat, quo plus viatici querunt) — Noch ein andersmal, trafe ich ihn, in den Frühstunden, zwischen zween damaligen Herrn PP. c. S. J. sitzend,

(95)

und dabey einem ziemlich starken Unwillen an. Diese Herren kamen aus Hochachtung hin, ihm einen Besuch zu machen, oder vielleciht auch aus Neugierde, ihn, in disem Zustande, zu sehen; weil sie aber das jus parochiale hier exercirten, so dachte er, sie wären gekommen, die von seiner Leiche gehörige Stolam zu fordern, da nun das Geldausgeben für ihn die schwerste Sache war, so bezeigte er sich sehr heftig, berief sich auf seinen Adel und andere Gründe, ihnen diese Zahlung zu verweigern, und ward auch nicht ruhig, bis sie ihren Abschied genommen hatten, welches dann ungemein artig mit — anzusehen war. — Mehr Auftritte dieser Art führe ich nicht an. — Nach und nach kam er völlig zu sich, und konnte sich, da er wieder zu sich kam, nicht genugsam über diese Geschichte verwundern, wenn man ihm dieselbe erzählte. Ich mußte ihm besonders in den folgenden Jahren, wenn es um diese Zeit kam, diese Erzählungen wiederholen, und ich merkte, daß er dabey sehr pensiv wurde, und eine Wiedereräugniß dieser Zufälle besorgte. Nachdem seine Kräfte darauf immer merklicher abgenommen hatten, starb er zwey Jahre darauf, bey aller Gegenwart des Gemüths, nicht an einem Schlagfluße, wie er vcrmuthet hatte; sondern an einer Lungenveryterung, zum bestättigenden Beweise, daß die Arten so, wie die Zeit und Stunde des Todes, lediglich von der unveränderlichen gewissen Bestimmung Gottes des Herrn über Tod und Leben, abhänge. Von den übrigen Lebensumständen und Verdiensten dieses berühmten Medicus wird Herr D. V. in seinem unter Händen habenden Werke de eruditis & celebribus Hungariae Medicis ohnstreitig mehrere Nachrichten geben, welche wir, bald lesen zu können, sehnlich wünschen.

K. l.

Vermischte Nachrichten.

Anmerkungen über das ungarische Dorf Schimand.

Die indianischen Fabeldicher erzählen uns, daß sich ein Ort in ihrem Vaterlande befinde, welcher von lauter ungestalten und bucklichten Leuten bewohnet wird. Ein schöner wohlgemacher Fremdling, sey eins dahin gekommen, und sogleich hätten sich alle Inwohner versammelt, die außerordentliche Gestalt dieses Fremdling zu bewundern. Sie hielten ihn für eine Mußgeburth: sie beschimpften und verspotteten diese in ihren Augen so häßliche Figur; ja sie würden ihn vielleicht getödtet haben, wann ihn nicht ein Weiser aus dieser bucklichten Gemeinde, der vielleicht schon von unbucklichte Menschen gesehen hatte, ihrer Wuth entrissen hätte. — Was thut ihr, meine Freunde! sagte er, beschimpfet diesen unglücklichen nicht; danket viel-

(96)

mehr dem Himmel daß er unsern Rücken mit einem fleischigen Gebirge geschafffen, und unsere Gestalt, weit über diesen Elenden erhaben hat.

Nachstehende Erzählung hat keinen Fabeldichter; sondern einen bewährten Geschichtschreiber zum Verfasser.

In unserm Vaterlande, sagt er, befindet sich in der Saränder Gespannschaft ein Dorf, mit Namen Schimand, welches vormals von Hinkenden, Bucklichten und Lahmen, kurz: allein von Krüpeln bewohnet ward. Niemanden war es erlaubt, sich bey ihnen niederzulassen; wei es ihr Interesse erforderte, ihren Schlag nicht zu verderben. — Zwar die gütige Natur war nicht so grausam, diese Leute so ungestaltet und häßlich zu bilden: sie selbst waren unmenschlich genug, ihre neugebohrnen Kinder auf allerley Art zu verstalten, und zu Krüppeln zu machen. Sie durchstrichen das ganze Land, wo sie auf den Jahrmärkten, mit Singen beweglicher Lieder, Geld erbettelten, und durch ihre Gebrechen, Mitleiden erweckten. Auch hatten sie ihre eigene Sprache, welche die Sprache der Blinden hieß, und genoßen den ; Vorzug vor andern rechtschaffenen und arbeitsamen Unterthanen, daß sie von allen Abgaben gänzlich befreiyet waren.

Wie lange diese Scheusale des menschlichen Geschlechts in bemeldetem Schimand geduldet worden, kann man nicht gewiß sagen; wenigstens sind sie noch im Jahre 1536. um welche Zeit, mein Gewährsmann Niklas Olahi*) dieses erzählet, nicht ausgerottet gewesen; welches aber vermuthlich bald nachher geschehen seyn muß; weil man nach dieser Zeit, bey den vaterländischen Geschichtschreibern nichts mehr von diesen Leuten aufgezeichnet findet.

v. W.

*) In seiner Hungaria, S. de originibus genis regionis situ, &c. Siehe auch Belii Adparatum ad Hist. Hung.


In Wien zu haben in der Baderischen Buchhandlung neben dem Todtenkopf in der Bognergasse.
Topic revision: r4 - 09 Jun 2011, AgostonBernad
This site is powered by FoswikiCopyright © by the contributing authors. All material on this collaboration platform is the property of the contributing authors.
Ideas, requests, problems regarding Foswiki? Send feedback