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ZUM GESAMTINHALT
Ungrisches Magazin, Band 2, Heft 1, Text 8 (S. 110-118)
Hrsg. von
Karl Gottlieb Windisch
Preßburg,
Löwe, 1782
Autor: 1.
Conrad Dominik Bartsch, 2.-4. ev.
Franz Schweitzer
Zuordnung: Geschichte, Kulturgeschichte, Religionsgeschichte
Lebensgeschichte des Nikolaus Ischtwánfi 1
Lebensgeschichte des Nikolaus Ischtwánfi 2
Lebensgeschichte des Nikolaus Ischtwánfi 3
(P110)
8. Auszüge aus Briefen.
Zweytes Schreiben.
Warasdin, den 6ten Oktober 1781.
Nunmehr habe ich auch den Geburtsort und die Grabstätte Ihres Ischtwánfi (ich darf nicht sagen Unseres, weil ich ein Deutscher bin: obwohl mir meine Verhältnisse Ungern fast zum Vaterlande machen) untersucht, und kann Ihnen nunmehr gewisse Nachricht geben von dem, was ich selbst gesehen: wenig in der That für das Ansehen eines in jedem Betrachte so wichtigen Mannes und Schriftstellers, auf dem seine Nation so viel Recht hätte, stolz zu seyn.
(P111)
Kisch-Aszsznoyfalu liegt ungefähr drey Stunden von
Fünfkirchen entfernet, nahe bey
Kisch-Telek, und gehört dem
Fürsten von Bathyán, der es dem
Grafen Philipp von Bathyán in Pacht gegeben hat. Das Dorf ist sehr groß, und hat eine der angenehmsten Lagen. Ich erkundigte mich daselbst, ob nicht noch das alte Ischtwánfische Schloß vorhanden sey? aber nach zwanzig vergeblichen Fragen, worauf man mir mit gänzlicher Unwissenheit antwortete, fand ich erst jemanden, der mir sagen konnte: es wäre vor Alters ein Schloß hier gewesen, so nun gänzlich demolirt sey. Ich ließ mich an den Ort führen; er liegt in einiger Entfernung von dem Dorfe, auf einer kleinen Erhöhung. Das Schloß mag fest gewesen seyn, denn rings umher sind noch Wälle und Graben zu sehen; und innerhalb demselben sieht man nichts, als wild untereinander wachsende Gesträuche, und einige Krautgärten. Ich stieg unter denselben herum, wie
Cicero bey
Syracus (erlauben Sie mir diese Vergleichung, die sonst ohne Prätension ist) da er das Grabmaal des
Archimedes suchte,* und fand nichts mehr, als die in der Erde liegende Grundfeste eines grossen Schlosses, das gänzlich geschleift ist. — Sey es Schwachheit, ich muß gestehen, daß mich der Gedanke innigst gerührt hat: vormals das Schloß einer der vorrnehmsten Familien; der Geburtsort des Niklas Ischtwánfi, gleich groß in der Würde, als in Kenntnissen; und nunmehr ein Feld für wildes Gesträuche, und die Krautgärten armer Bauern; und ignoriret bis auf den Namen seines Erbauers und vormaligen Besitzers!
Sic omnia orta occidunt, & aucta senescunt! (Sallust. Bell. Tug.) Aber wie herrlich, wie rühmlich stünde hier ein Monument, das unseres Mannes Andenken an diesem Orte der Nachwelt erhielte;
*Cujus ego - ignoratum ab Syracusanis, (cum esse omnino negarent) septum undique & vestitum vepribus & dumetis indagari sepulcrum &c. S. Cicero Tuscul Quaest L.V.C.23.
(P112)
hielte; und wie viel Recht hätte er es von seiner Nation zu fodern! — Vergeben Sie mir diesen deklamatorichen Enthusiasm, der mich jedesmal befällt, wenn von einem grossen Manne die Rede ist.
Als ich bald hierauf Ungern verließ, und hieher kam, so war die erste Excursion, so ich machte, eine Wallfahrt nach
Vinicza; um auch die Grabstätte dieses Mannes zu besichtigen, wie ich Ihnen versprochen hatte.
Vinicza liegt zwo Stunden von
Warasdin, fast an der Gränze von Steyermark, an dem
kleinen Vorgebirge das aus
Steyermark kömmt, das ganze
Warasdiner Komitat durchstreicht, und sich endlich in
Slavonien verliert. Die Lage ist unvergleichlich; das ganze Gebirg ist nicht sehr dicht mit Bäumen besetzt, und dazwischen ist alles voll Bauernhäuser, die in der Ebene ihre Obst- und Fruchtgärten, ihre Felder und Wiesen haben. Hier und dort sieht man dazwischen auch schöne Kastelle; denn fast alle in Kroatien begüterten Herrschaften haben hier ein kleines Gut.
Marczan und Vinicza liegen ganz beysammen. Letzteres führt den Namen einer Stadt, ist aber ohne Ansehen und Umfange. Die Hauptkirche sieht genau an Marczan auf der Anhöhe des Gebirges (das aus mürben mit häufigem Kalke gemischten Sandstein bestehet) und ist ziemlich groß. Der Herr Pfarrer, der sich
Johann Joannovich nennt, und zugleich Domherr des Csasmer Capitels und Vicearchidiakonus von Warasdin ist, ist zugleich ein Mann, der mit Leutseligkeit und Gefälligkeit, auch Kenntnisse und Liebe für Wissenschaften und gelehrte Untersuchungen verbindet. Er zeigte mir, da ich mich nach Ischtwánfis Grabmaal erkundigte, hinter einem Seitenaltare, in der Mauer aufrecht eingegraben, einen rohten Marmor, mit der Aufschrift, die genau so lautet, wie ich sie in meinem vorigen Schreiben aus dem
Palatium Regni Hung. angeführt habe. Unter diesem Steine befindet sich ein anderer mit folgenden Versen:
(P113)
Nicoleos jacet hic, charae sociatus Elisae
Qui placide vivere simul, simul ecce quieseunt,
Seque etiam post fata pio amplexantur amore.
Oben steht die Jahrzahl 1603; auf beyden Seiten sind die Familienwappen.
Ischtwánfis Wappen ist in zwey Felder getheilt; in dem einen ist eine französische Lilie; oben ein Stern auf einer Seite, ein Halbmond auf der anderen; im zweyten Felde steht ein einköpfiger Adler mit beyden Füßen auf einer Krone.
Seiner Frau Wappen ist ein gepanzerter Arm, der auf der Schulter ein Krönchen hat; durch den Obertheil des Arms steckt ein Pfeil; in der Hand schien mir, war ein Schwerdt. Oben sieht man gleichfalls auf einer Seite einen Stern; auf der andern einen Halbmond. — ( Diese Wappen sind zwar etwas undeutlich, weil sie öfters überweißet worden; aber man fand dieselben auch auf einem andern Steine besonders sehr deutlich ausgehauen, den der Herr Pfarrer über sein Wohnhaus in die Mauer festgesetzt hat. —) Was hinter diesem obgenannten in der Wand befestigten Steine befindlich, und ob etwas hinter demselben sey, weis man nicht, wie ich schon in meinem ersten Schreiben gemeldet habe: wahrscheinlich liegt Ischtwánfi nicht darunter; daß Geld Oder Schriften dahinter stecken, kann ich mich nicht entschließen zu glauben; am wahrscheinlichsten däucht mir: Ischtwánfi habe nur allein darum diesen Stein in die Mauer gesetzet, damit sein Andenken nicht wäre selber im Boden, durch die Füße der Herumgehenden verwischet werde, wie es so vielen andern in dieser Kirche befindlichen Grabsteinen ergangen ist.
Indessen findet man dennoch auch einen Grabstein nicht weit vom vorigen Orte vor einem Altare im Boden, mit der Aufschrift:
IHS XPS
Debueras Superesse Diva Mea Dulcis Elisa
Tanta Fides In Te, Tanta Fuit Pietas;
Sed Quia Lex Fati Stat Inevitabile Ehen (?)
Conderis Hie Et Ego Mox Tua Fata Sequar.
Vixit Ann. LVIII. minus Mens. duobus, Dicbus X.
(P114)
Und hieher ist es am glaubwürdigsten, daß er sich zu seiner vielgeliebten
Elisabeth habe begraben lassen.
Man zeigt vorn am Hochaltare, rechter Hand, in der Mauer ein Grabbild von Marmor, das einen geharnischten Mann in Lebensgröße stehend vorstellet, und giebt vor, es soll das Bild eben dieses Ischtwánfi seyn; aber ich fand zu dessen Füßen ganz andere, als vorbemeldte Wappen, und kann es daher nicht glauben.
Das Ischtwánfische Wohnschloß liegt in einiger Entfernung von
Viniza in Ruinen. Es war ziemlich groß auf festen Steinen erbaut, und lag auf der Erhöhung des Gebirges also, daß man in das vierte Stockwerk so gut, als in das erste fahren konnte.
Die Grafen von Dráschkowitsch selbst haben es größtentheils abtragen lassen, und sich der Materialien zu andern Gebäuden bedienet.
Außer diesen Monumenten fand ich unvermuhtet ein anderes, das mir der Herr Pfarrer wies: einen sehr schön conservirten Römischen Marmor mit der Inscription:
FIRMIA. LF
SCARBANTI
NA. AN XXXV.
H S E
QCAESERNIVS
IVSTVS FIL
H F C
welche ichalso lese: Firmia Lucii Filia Scarabantin annorum 35. hic sita (oder sepulta) est. Quintus Caesernius Iustus Filius hoc faciundum curavit. —
Auf beyden Seiten sind Säulen und andere Zierahten; unten aber im Basrelief zween Genii, die eine Festone tragen. — Dieses Monument lag auf der Erde nicht weit von der Kirche, obbemeldter Herr Pfarrer aber, der dessen Wehrt kennet, ließ es an die äußere Mauer derselben wohlbehalten festsetzen.
(P115)
Ich begnüge mich solches hier blos gelegentlich anzuzeigen. Ich hoffe aber, Ihnen bald von andern Römischen Monumenten Nachricht geben zu können, und solche sodann auch mit meinen Untersuchungen zu begleiten. Ich bin — —-
C. D. Bartsch.
N. S. Da ich mein erstes Schreiben abfertigte, wußte ich noch nicht, daß das Gräfl. Archiv nicht mehr in
Klenovnik sey, sondern seit kurzem nach
Warasdin übersetzet worden.
K** den 12ten Oktober, 1781.
Und auch etwas zur vaterländischen Geschichte. Es ist solches ein Siegmundisches Diplom, welches ich auf Pergament mit gothischen Buchstaben geschrieben, gesehen, und abgeschrieben habe. Hier ist es:
"
Sigismundus, Dei gratia Romanoram Rex, semper Augustus, ac Hung. Dalm. Croat. &c. Rex — — Proinde ad universam tam praefentium, quam futurorum notitiam, harum serie volumus pervenire, quod fidelis, Nobilis, & Egregius Anderas, filius Nicolai, filii Thomae de Chap, regie nostre Majestatis Aulicus, & nostre familiaris societatis Draconice, seu Draconitarum Collega, ac domesticus, & continuus Commensalis in Ejusdem Nostre Majestatis praefentia Personaliter constitutus — —quedam arma ostendit; leonem videlicet aureum disjunctis pedibus ante & retro, cum cauda sursum crecta , & reflexa — — qui etiam Clipeus Dracone cruce rubea in dorso signato, cum pedibus
(P116)
quatour & retro disjunctis, & pennis, quasi divisis ex utroque latere suit circumflexus, cujus Draconis collum cauda propria tripliciter circumdedit, & circumflexit, cujusque caude sinis, seu pars extrema erat crecta — — Datum Constantie in vigilia Ramispalmarum, anno Domini 1418 Regnorum nostrorum Hung. 31. Rom. vero 8.
Hieraus erhellet nun die Gegenwart des Kaisers Siegmund bey dem Schlusse der
Kostnitzer Kirchenversammlung, das Jahr seiner angefangenen Regierung, das
Zeichen des Ordens und dergl. — Dieses Diplom wird bey
der Freyherrlich Wetscheyischen Familie verwahret, welche weiblicher Seits von der
Chapischen abstammet, und ihr Wappen mit dieser ihren, den Drachen nicht ausgenommen, vereiniget hat.
K** den 26ten Okt. 1781.
— — Auf der 58igsten Seite
Ihrer Geographie sagen Sie: daß
Mathias die erste Buchdruckerey in
Ofen errichtet habe. — Sie muß aber bald nach seinem Tode wieder eingegangen seyn. Denn, nicht nur der
Graner Provinzial Synod, unter des
K. Wladislaw Regierung schließt also: Finiunt constitutiones — — Viennae impressae per
Joan. Vintterburg, cura & expensis
Theobaldi Feger, librarii, & Concivis Budentis. Anno salutis 1494. also im vierten Jahre nach dem Tode des Mathias; sondern ich habe auch zwo Graner Liturgien, eine von 1498, die andere aber von 1502 in
(P117)
Händen, welche beyde in
Venedig auf Kosten des Ofner Buchhändlers
Johann Paep gedruckt worden. Wäre nun in diesen Jahren eine Druckerey in Ofen gewesen, so würden die Ungern ihre Bücher wohl schwerlich außerhalb Landes haben drucken lassen. — Ich habe zwar dieser Tagen ein Missal in Händen gehabt, welches also schließet: Finit Missale — secundum Chorum Alme Eccie Strigonien. correctum, ac emndatum de consensu, & favore Reverendiss. in Xto Patris ac Dni Michaelis Eppi Milkoviensis — — anno incarnate Deitatis MCCCCLXXXIIII. — (also unter der Regierung des
Mathias Korwins) in Imperiali Civitate Germanie Nurenberga: per
Anthoniuu Koburger, incolam praefate civitatis, allein, dieses entkräftet meine Meynung nicht, denn es ist nicht auf Kosten eines Ofner Buchhändlers gedruckt worden. —
4. Von einigen geschriebenen Meßbüchern.
— — In dem
Agramer geschriebenen Meßbuche vermuhtlich vom Jahre 1477, bis 1490, lese ich in dem bekannten Kirchengesange: Exultet — folgende Worte: nec non & gloriosissimo Rege nostro Mathia, ejusque nobilissima conjuge nostro Mathia, ejusque nobilissima conjuge sua Beatrice, & Filiis suis. Nun, was sind dieses für Kinder?
Beatrix war unfruchtbar, wie ihr solches die Stände 1492 zu Ofen öffentlich vorwarfen. Sollten es die Kinder aus der ersten Ehe mit der
Podiebrädischen Prinzessin Tochter Katharina seyn? Allein welcher Geschichtschreiber macht einige Meldung von ihnen. Oder sollen vielleicht hier die Unterthanen unter den Kindern verstanden werden?
In zwey
Graner Meßbüchern, die mit gothischen Buchstaben gedruckt sind,
das eine vom Jahre 1498,
das andere aber von 1502, stehen unter dem Monate Februar die zween Verse:
(P118)
Mille ducentis sexagenis tribus annis
Christi transactis plebs se serit ipsa flagellis.
und dem Monate April
b. Sigmond. rex caperis. lex luxit. Cesi Vitalis. MCCCCI.
Dieses b heißet nach meiner Muhtmassung Budae, statt lex glaube ich, sollte lux stehen; und also Siegmund an dem Tage des Blutzeugen Vitalis, das ist, den ...ten
(?) April gefangen worden seyn.
Bey dem 10ten Sept. ist mit rohten Buchstaben angemerket: Obitus lodouici Regis anno MCCCLXXXII. Mein zweyhundertjähriger in das Deutsche übersetzte
Bonfinius aber, und Sie beßter Freund, lassen ihn um ein par Tage später, nämlich den 12ten gedachten Monats sterben.
Der berühmte Geschichtschreiher Herr
Abbé Pray behauptet in seinem Werkchen
de Dextera St. Steph. auf der 17ten Seite: daß das Wort complenda anstatt post communio, in der Liturgie, bis zu dem
tridentinischen Koncilio gebräuchlich gewesen; ich habe aber ein gegen das Ende des dreyzehnten Jahrhunderts geschriebenes
Meßbuch Ord. Praedicatorum in Händen, in welchem nirgends das Wort complenda, sondern immer post Communionem vorkömmt. —